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Verfahren zur Herstellung von härtbaren Kondensationsprodukten aus
Thioharnstoff oder Gemischen von Thioharnstoff und Harnstoff mit Formaldehyd Gegenstand
der Erfindung ist die Herstellung von Kondensationsprodukten aus Thioharnstoff oder
Gemischen von Thioharnstoff und Harnstoff mit Formaldehyd, die mit besonderem Vorteil
als Klebe- und Tränkungsmittel für die Herstellung von geschichteten Materialien
(insbesondere von Hartpapier-, Hartgewebe- und Hartasbestgegenständen) sowie auch
im allgemeinen als Imprägnierungs- und Überzugsmittel, bzw. Lackgrundlagen, ferner
aber auch als Bindemittel -für faserstoffhaltige. Preßmischungen und Spritzgußlnischungen
Verwendung finden können. Das Verfahren besteht im wesentlichen darin, daß man weniger
als 2 Mole, zweckmäßig r1/2, Mole Formaldehyd auf i Mol Thioharnstolt oder eines
Gemisches von Thioharnstoff und Harnstoff bei einem pH < 5, vorzugsweise bei
einem pH von 3, ohne Zufuhr von Wärme einwirken läßt.
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Wirken Harnstoff und Formaldehyd bei Anwesenheit von Säure bei einem
pH < 5 in der Kälte aufeinander ein, so entsteht ein weißes unlösliches Produkt
(vgl. z. B. Beilstein-Prager-Jakobsen »Handbuch der Organ. Chemie<;, IV. Aufl.,
1921, .I. Bd., S. d.8). So geht z. B. eine Lösung von 6o Gewichtsteilen (i Mol)
Harnstoff in iSo- Gewichtsteilen einer wäßrigen Formaldehydlösung, die 3o Gewichtsprozente
Formaldehyd enthält (i1/_ Mole) und durch Zusatz von Phosphorsäure auf eine Wasserstoffionenkonzentration
entsprechend einem pH von etwa 3 gebracht worden ist, bei Zimmertemperatur (etwa
2"o° G) innerhalb weniger Minuten in einen weißen, bröckeligen Kuchen über. Ganz
anders verläuft die Reaktion, wenn der Harnstoff ohne sonstige Änderung der Arbeitsbedingungen
ganz oder teilweise durch Thioliarnstoff ersetzt wird. Werden z. B. in dem vorstehend
angeführten Reaktionsansatz von den 6o Gewichtsteilen Harnstoff 3o Gewichtsteile
(1/2 Mol) Harnstoff durch 38 Gewichtsteile (1/2 Mol) Thioharnstoff ersetzt, so entsteht
bei 2o° C eine Lösung, die stundenlang wasserklar bleibt und bei Zusatz von organischen
Lösungsmitteln, wie beispielsweise Äthylalkohol, sogar nach 24stündigem Stehen noch
nicht die geringste Trübung zeigt.
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In der Literatur findet sich eine Verbindung von der Zusammensetzung
C2H4N.S beschrieben, die durch Einwirkung von Formaldehyd auf Thioharnstoff in der
Kälte bei Gegenwart von Säuren _ entsteht, wenn die Wasserstoffionenkonzentration
eine gewisse Grenze überschreitet. Diese kristallinische Verbindung ist in allen
Lösungsmitteln unlöslich und beginnt sich beim Erhitzen auf
202
bis 203° C unter Bräunung zu zersetzen. Es handelt sich hier um Methylen-Thioharnstoff,
einem chemischen Stoff, welcher tatsächlich keinerlei Fähigkeit zur Polymerisation
besitzt, sondern beim Erhitzen mit oder ohne Druck zersetzt wird und daher zur Herstellung
von Kunststoffen nicht dienen kann.
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Die zur Bildung dieser nichtpolymerisierbaren Verbindung führende
Säurekonzentration ist in gewissen Grenzen von der Natur des Anions abhängig, so
daß eine für alle Fälle gültige zahlenmäßige Angabe nicht möglich ist.
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Bekanntlich läßt sich im Zuge der Kondensation von Harnstoff mit Formaldehyd
in neutraler oder alkalischer Lösung die Reaktion bei vorsichtigem Arbeiten in einem
Zustand unterbrechen, wo die einheitlichen Verbindungen Methylol- und Dimethylolharnstoff
(oder Gemische dieser Verbindungen) gebildet sind, die noch keine Polymerisationstendenz
aufweisen, aber weiterer Kondensation fähig sind. Eine ähnliche Unterbrechung der
Reaktion ist nun auch bei der Kondensation von .Thioharnstoff oder von Thioharnstoff-Harnstoffgemischen
mit Formaldehyd durch das Arbeiten in saurer Lösung ohne Zufuhr von Wärme gelungen.
Es entstehen auch bei diesem Verfahren zunächst echte Lösungen von einfachen chemischen
Verbindungen, während die Reaktion zwischen Harnstoff und Formaldehyd, wie erwähnt,
unter gleichen Bedingungen in einem Zuge bis zur Bildung unlöslicher gewerblich
unverwendbarer Massen fortschreitet. Erst in der sauren Lösung der zunächst entstehenden
einfachen Thioharnstoff- bzw. Thioharnstoff - Harnstoff - Formaldehydkondensationsprodukte
tritt dann die Ausbildung polymerisationsfähiger Komplexe und eine langsam fortschreitende
Polymerisation ein, während welcher die Kondensationsprodukte durch Molekülvergrößerung
allmählich in den kolloidalen Zustand übergehen. Diese Reaktionsprodukte lassen
sich daher durch planmäßige Reaktionsführung in einen nach Bedarf geregelten, d.li.
niedrigeren oder höheren, jedoch stets gleichförmigen Polymerisationszustand bringen.
Dabei sind die schließlich gebildeten Kolloide hydrophob, so daß sie das Wasser
leicht und vollständig abgeben.
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Zur Herstellung von geschichteten Materialien wird das Aufbauelement
(Papier oder Gewebe) in Form von Bogen oder endlosen Bahnen mit der kalten Lösung
der Kondensationsprodukte, der allenfalls Füllmittel, Farbstoffe oder Pigmente zugesetzt
werden können, getränkt und, vorzugsweise gleichfalls ohne Wärmezufuhr, getrocknet,
worauf man eine entsprechende Anzahl übereinander geschichteter Einzellagen in der
üblichen Weise durch Einwirkung von Hitze und Druck miteinander verklebt und zusammenschweißt.
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Die so entstehenden Werkstoffe zeichnen sich bei großer Schönheit
durch hervorragende mechanische und elektrische Eigenschaften aus, Das ungefüllte
Material ist durchschimmernd und kann in allen Abschattierungen gefärbt und gemasert
werden. Das Material _ läßt sich bohren, feilen, fräsen, polieren und in der Wärme
sehr leicht stanzen. Die mechanische Festigkeit ist sehr groß, es lassen sich daher
auch Werkstücke für mechanische Beanspruchung aller Art, wie beispielsweise Getriebeteile,
Zahnräder, hochbeanspruchteTeile von Webmaschinen, Spinntöpfe o. dgl. aus diesen
geschichteten Preßstoffen herstellen. Ebenso können sie in der Elektrotechnik (Niederspannungs-
und Hochspannungstechnik, Stark- und Schwachstromtechnik und insbesondere auch Hochfrequenztecbnik)
mannigfacheVerwendung finden. Die geringe Abhängigkeit des Verlustwinkels von der
Temperatur verleiht den Stoffen u. a. auch besondere Eignungen für die. Anwendung
im Bau von Transformatoren. Dank ihrer großen Unempfindlichkeit gegen Wasser, Alkalien
und Säuren können die Preßstoffe ferner in ausgedehntestem Maße zur Erzeugung von
Bedarfsartikeln, Möbeln usw. sowie auch in der Bauindustrie Verwendung finden. So
läßt sich z. B. ein Furnierersatz von bisher nicht erreichten chemischen Eigenschaften
herstellen, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Werkstoffen (wie
Eisen) zur Erzeugung vonMöbeln dienen kann oder auch als Wandbelag vorzüglich verwendbar
ist.
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Ein besonderer Vorteil dieser Erzeugnisse ist, daß die Struktur der
Papier- oder Gewebebahnen fast völlig verschwindet, so daß die Masse im Gegensatze
zu den geschichteten Materialien, die mit Hilfe von Phenol-Formaldehydkondensationsprodukten
hergestellt sind, nach allen Richtungen hin vollkommen gleichgefügt ist, was sie
sowohl in. chemischer, als auch in mechanischer Hinsicht widerstandsfähiger macht.
Die Produkte sind z. B. nicht spaltbar und besitzen auch deshalb eine noch mannigfachere
Verwendbarkeit als die bisher bekannten Stoffe.
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Zur Herstellung von Preßmischungen werden die Fasern mit oder ohne
Zusatz von sonstigen Füllstoffen, bzw. Farbstoffen- oder Pigmenten, mit der Lösung
vermischt, worauf man die Kondensationsprodukte, v orzugsweise durch Erhitzung der
Mischung, in einen beliebig hohen gleichförmigen Polymerisationszustand bringen
kann. Dabei empfiehlt es sich, insbesondere zur Herstellung von Schnellpreßmassen,
im letzten Abschnitt der Erhitzung
durch Anfeuchtung der Luft dafür
zu sorgen, daß jener geringe Rest voaWasser, der die Fließfähigkeit der Preßmischung
in der Heißpresse sicherstellt, noch vorhanden ist, wenn der gewünschte Polymerisationszustand
erreicht ist. Es- ist aber durchaus nicht nötig, die Mischung unter allen Umständen
durch Erhitzen preßfähig zu machen. Man hat es vielmehr in der Hand, durch Steigerung
der Säuremenge auch bei gewöhnlicher Temperatur einen Palymerisationsgrad zu erreichen,
der die Schnellpreßbarkeit in der Hitze gewährleistet.
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Zur Herstellung von Spritzgußmischungen wird die lufttrockene Mischung
der- Kondensationslösung mit Faserstoffen bei niederer Temperatur, vorzugsweise
ohne Zufuhr von Wärme, bis auf einen geringen, die Fließfähigkeit der Mischung in
der Spritzform eben noch gewährleistenden Wassergehalt heruntergetrocknet. Aus füllrungsbeispieIe
i: 76 kg (i Mol) Thioharnstoff werden in fein pulverisierter Form unter Umrühren
in 30o kg einer wäßrigen Formaldehydlösung, die 3o Gewichtsprozente enthält (3 Mol)
gelöst. Hierauf werden dieser Lösung 1j2 kg bis i kg Phosphorsäure und 6o kg (i
Moi) -Harnstoff zugesetzt. Nun wird Papier,Leinen-oder Asbestgewebe mit dieser Lösung
in geeigneter Weise getränkt und hierauf etwa 2d. Stunden bei Zimmertemperatur belassen,
wobei das überschüssige Wasser wegtrocknet. Die getränkten Einzelbogen können nach
allen zur Herstellung geschichteter Materialien aus Phenol - Formal dehydko-ndensationsprodukten
üblichen Methoden weiterverarbeitet werden. Zwecks Herstellung von Platten oder
Blöcken werden die in entsprechender Zahl aufeinandergeschichteten Einzelbogen in
geheizten Plattenpressen bei einer Temperatur von i2o bis i,Io° C zusammengepreßt,
wobei das Bindemittel zunächst fließbare Beschaffenheit annimmt und. hernach das
Ganze zu einer einheitlichen Masse zusammenschweißt. Die Preßzeiten sind wesentlich
kürzer, als sie bei den mit gewöhnlichen Phenol-Formaldehydkondensationsprodukten
bestrichenen Geweben erreichbar sind. Zur Herstellung von Röhren und anders profilierten
Hohlkörpern bedient man sich der auf dem Gebiet der Phenoplaste verwendeten Wickelinetho.den
und Wickelniaschinen.
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2. Durch Zerkleinerung der nach Beispiel i hergestellten geschichteten
Materialien bis zu Teilchen von etwa i cin= und Heißpressung des zerkleinerten Gutes
unter hohem Druck lassen sich Formstücke von ganz besonders hoher mechanischer Festigkeit
erzeugen. Für diese Ausführungsform des Verfahrens sind namentlich Hartleinensorten
geeignet.
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3. Zur Herstellung von Preßmischungen lver den Faserstoffe animalischer,
vegetabilischer oder mineralischer Herkunft mit der nach Beispiel i hergestellten
Lösung in einer wirksamen Knetvorrichtung innig vermengt. Die lufttrocls:ene Mischung
wird lierriach, z-3. in einer rotierenden Trommel, erhitzt, um das Bindemitel unter
Zurücklassung eines die Fließbarkeit des Preßpulvers in der Heißpresse gewährleistenden
Wasserrestes, in einen möglichst hohen Polymerisationszustand zu bringen. Aus diesen
Preßmischungen werden homogene Kunststoffe oder Preßstücke in der üblichen Weise
durch Heißpressung unter hohem Druck erzeugt.
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Zwecks Herstellung von Spritzgußmischiungen wird die lufttrockene
Mischung bis züi jenem geringen Wasserrest, der eben ausreicht, um die Fließfähigkeit
der Mischung in der Spritzform sicherzustellen; bei Zimmertemperatur (2o° C) weiterbehandelt.
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d.. Die nach Beispiel i gewonnenen Lösungen können, auch abgesehen
von der Herstellung geschichteter Materialien, mit oder ohne Zusatz von flüchtigen
Lösungsmitteln (wie Alkohol) und Weichhaltungsmitteln als Imprägliierungsmittel
im engeren Sinn, z. B. zur Herstellung von Isolierungen durch Imprägnierung von
Spulen und Armaturen oder zum Imprägnieren von Holz, Leder, Gewebe, Pappe usw. oder
auch als Lackgrundlagen Verwendung finden. -Auch für die Auskleidung von Apparaturen
mit oder ohne Zwischenlage von Geweben können sie herangezogen werden. In allen
Fällen muß natürlich der Aufbringung der Lösungen eine Polymerisation in der Wärme
nachfolgen.
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5. Das Verfahren läßt sich auch in der Weise ausführen, daß man vorgebildeten
Monomethylol- oder Dimethylolharnstoff (oder Gemische dieser Verbindungen) an der
Kondensation von Thioharnstoff mit Formaldehyd unter den angegebenen Bedingungen
teilnehmen läßt. Die F ormaldehydlnenge muß natürlich in diesem Fall um den zum
Harnstoffanteil gehörigen Betrag v er ringert werden.
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Es ist bereits bekannt, daß die Umsetzungsgeschwindigkeit von Harnstoff
und Thioharnstoff mit Formaldehyd- verschieden groß ist, so daß man, im Gegensatz
zur schnellen Reaktion von Harnstoff mit Formaldehyd, durch welche die Entwässerung
der entstehenden-Reaktionsprodukte- sehr erschwert wird, die durch Kondensation
von Thioliarnstoff -mit Formaldehyd in neutralem Milieu entstehenden wäßrigen Lösungen
durch Eindampfen, allenfalls unter Durchleitung von Luft oder indifferenten Gasen,
entwässern kann (britische Patentschrift 2.I8477). So hergestellte
Kondensationsprodukte
häben auch schon als Bindemittel für faserstoffhältigePreßmischungen Verwendung
gefunden, wobei den Mischungen feste Zusätze saurer Natur zugesetzt wurden, um den
Preßprozeß abzukürzen (britische Patentschrift 258 95o). Um die Einverleibung solcher
Zusätze in die Preßmischung überflüssig zu machen, ist man in der Folge auch dazu
übergegangen (britische Patentschrift 266o28), Gemische von Harnstoff und Thioharnstoff
mit Formaldehyd zu kondensieren oder die Lösungen von in gesonderten Kondensationsprozessen
aus Harnstoff und Formaldehyd einerseits und aus Thioharnstoff und Formaldehyd andererseits
gewonnenen Teilprodukte miteinander zu vereinigen und die in der einen oder anderen
Weise erhaltenen Lösungen durch Abdampfen oder durch Durchblasen von Luft zu konzentrieren
oder völlig zu entwässern. Bei diesem Verfahren werden die Ausgangsstoffe auf 5o
bis 7o° erwärmt. Eine derartige Erwärmung findet bei dem vorliegenden Verfahren
nicht statt. Die wertvollen Fortschritte, die sich durch die Wirkung der Komdensation
im stark sauren Medium, jedoch ohne Zufuhr von Wärme erzielen lassen, sind der Technik
durch diese bekannten Verfahren nicht zugänglich geworden.