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Göttergespräche

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Lukian von Samosata
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Titel: Göttergespräche
Untertitel:
aus: Lucian’s Werke, übersetzt von August Friedrich Pauly, Zweites Bändchen, Seite 121–181
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 2. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1827
Verlag: J. B. Metzler
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer: August Friedrich Pauly
Originaltitel: Θεῶν Διάλογοι
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[121]
Göttergespräche.
I. Des Prometheus Befreiung.
Prometheus. Jupiter.

1. Prometheus. Erlöse mich doch, o Jupiter! Ich habe schon fürchterlich gelitten.

Jupiter. Dich erlösen, der noch viel schwerere Fesseln verdient hätte, dem der ganze Caucasus auf dem Nacken liegen, und ein Schwarm von sechzehn Geyern nicht bloß die Leber, sondern auch die Augen aushacken sollte, dafür, daß du uns das unselige Thiergeschlecht der Menschen in die Welt gesetzt, das Feuer gestohlen, und die Weiber verfertigt hast? Dessen gar nicht zu gedenken, wie du mich bei der Austheilung des Fleisches betrogest, da du mir Knochen in Fett gewickelt vorlegtest, und das beste Stück für dich behieltest.

Prometheus. Habe ich denn noch nicht schwer genug dafür gebüßt, da ich nun schon so lange Zeit am Caucasus angeschmiedet den verwünschten Unheilsvogel mit meiner Leber füttern muß?

Jupiter. Noch nicht der tausendste Theil dessen ist’s, was du zu leiden verdientest.

[122] Prometheus. Du darfst mich nicht umsonst erlösen, Jupiter: ich will dir dafür eine Sache von der größten Wichtigkeit entdecken.

2. Jupiter. Ha, du willst mich überlisten, Prometheus!

Prometheus. Was könnte mir dieß helfen? Du hättest gewiß nicht vergessen, wo der Caucasus liegt, und an Ketten würde dir’s auch nicht fehlen, wenn ich über einer Finte ertappt würde.

Jupiter. So sage vorerst, welche Sache von Wichtigkeit der Preis deiner Loslassung werden soll?

Prometheus. Wenn ich nun errathe, wohin du jetzt gehest, und was du vorhast, wirst du mir dann glauben, was ich dir ferner weissagen will?

Jupiter. Warum nicht?

Prometheus. Nun – du gehest zur Thetis, ihr beizuwohnen.

Jupiter. Errathen! – Aber was nun weiter? Ich glaube nun schon, daß ich die Wahrheit hören werde.

Prometheus. Habe nichts mit dieser Nereïde zu schaffen, Jupiter! Denn wird sie von dir schwanger, so wird dir von ihrem Kinde dasselbe widerfahren, was du deinem Vater Saturn gethan hast.

Jupiter. Du willst sagen, ich werde vom Throne gestoßen werden?

Prometheus. Ferne sey’s zwar: aber etwas der Art ist es, womit dich dieser Besuch bedroht.

Jupiter. Nun so fahre wohl, Thetis! – Dich soll Vulcan zum Danke für deine Warnung in Freiheit setzen.

[123]
II. Jupiters Liebesnoth.
Amor. Jupiter.

1. Amor. Und wenn ich auch gefehlt habe, Jupiter, vergieb mir! Ich bin ja noch ein kleiner, unverständiger Knabe.

Jupiter. Wie? du ein kleiner Knabe, und bist doch viel älter als Iapetus? Meinst du, weil du noch keinen Bart und keine grauen Haare hast, werde man dich für ein Kind passiren lassen, du alter Schelm?

Amor. Nun – wie du willst; was habe denn ich alter Mann dir großes zu Leide thun können, daß du mich fesseln willst?

Jupiter. Sind das Kleinigkeiten, du heilloser Bube, daß du deinen Muthwillen mit mir treibst, und aus mir machst, was du willst, einen Satyr, einen Stier, einen Schwan, einen Adler, einen Goldregen? In mich selbst hast du noch keine Einzige verliebt gemacht: noch nie habe ich gemerkt, daß ich durch deine Einwirkung den Weibern gefiele. Wenn ich ihnen beikommen will, muß ich mich unkenntlich machen, und allerhand Zaubermittel gebrauchen: und so verlieben sie sich denn in den Stier, oder in den Schwan, und sterben vor Angst, wenn sie mich selbst zu Gesichte bekommen.

2. Amor. Das macht, weil die Sterblichen Jupiter’s Anblick nicht aushalten können.

Jupiter. Wie kommt es denn, daß Branchus und Hyacinth sich in Apoll verliebten?

[124] Amor. Daphne hingegen floh ihn, so schönlockig und blühend er ist. – Willst du recht liebenswürdig seyn, so schüttle deine Aegide nicht, und laß deinen Blitz zu Hause; mache dich so angenehm wie möglich, laß deine Locken zu beiden Seiten herabfallen, und umwinde sie oben mit einer Haarbinde, trage ein Purpurgewand und vergoldete Schuhe, schwebe unter Flötentönen und nach dem Takte des Tympanum einher, und sey gewiß, ein Gefolge von Schönen um dich zu sehen, das zahlreicher seyn wird, als des Bacchus Mänadenschwarm.

Jupiter. Verschone mich: ich bedanke mich dafür, in diesem Aufzug liebenswürdig zu seyn.

Amor. Je nun, so verzichte auf die Liebe. Dieß wäre doch wohl leicht.

Jupiter. Nein, der Liebe entsage ich nicht: aber bequemer zum Ziele zu kommen, wünsche ich. Dazu verhilf mir, und unter dieser Bedingung sollst du frei seyn.


III. Io.
Jupiter. Merkur.

Jupiter. Du kennst doch wohl die schöne Tochter des Inachus, Merkur?

Merkur. O ja: du meinst die Io?

Jupiter. Die ist nun kein Mädchen mehr, sondern eine Kuh.

[125] Merkur. Das wäre! Und woher diese Verwandlung?

Jupiter. Die Juno hat sie aus Eifersucht so umgestaltet, und eine ganz neue, weitere Plage für die Unglückliche ersonnen, indem sie ihr einen vieläugigten Kuhhirten, mit Namen Argus, der nie schläft, zum Wächter gab.

Merkur. Was ist da zu thun?

Jupiter. Fliege nach Nemea hinab (in dieser Gegend muß Argus weiden), tödte mir diesen, und die Io führe über’s Meer nach Aegypten und mache sie zur Isis. Dort soll sie künftig als Göttin verehrt werden, den Nil austreten lassen, die Winde schicken, und die Seefahrer beschirmen.


IV. Ganymed.
Jupiter. Ganymed.

1. Jupiter. Nun, lieber Ganymed, wir sind zur Stelle. Küsse mich jetzt, und überzeuge dich, daß ich keinen krummen Schnabel, keine scharfen Klauen und keine Flügel mehr habe, wie da du mich für einen Vogel hieltest.

Ganymed. Wie, Mensch? Warst du nicht noch so eben der Adler, der herabgeflogen kam, und mich mitten aus meiner Heerde davon führte? Wie ist dir denn dein Gefieder ausgefallen, und wie bist so auf einmal zu einem ganz Andern geworden?

Jupiter. Du siehest eben so wenig einen Menschen, als einen Adler vor dir, liebes Kind! Ich bin der König der Götter, der die Adlersgestalt nur annahm, weil sie ihm zu seiner Absicht bequem war.

[126] Ganymed. Wie? du wärest unser Pan? Aber wo ist denn deine Hirtenflöte, und warum hast du denn keine Hörner und keine Bocksfüße?

Jupiter. Meinst du denn, es gebe sonst keinen Gott, als Pan?

Ganymed. Gewiß keinen: wir opfern ihm ja ein Böcklein vor der Höhle, wo sein Bild steht. Du aber bist, glaube ich, einer von denen, die Menschen rauben und als Sclaven verkaufen!

2. Jupiter. Sage mir einmal, hast du den Jupiter nie nennen hören, und auf dem Gargarus[1] noch nie den Altar des Gottes gesehen, der regnet und donnert und blitzt?

Ganymed. Du bist also der saubere Gott, der neulich die Menge Hagel auf uns herabschüttelte, der, wie sie sagen, oben wohnt, und das Krachen in den Wolken macht, und dem der Vater den Widder opferte? Aber sage mir, Götterkönig, was habe ich denn Unrechtes gethan, daß du mich raubtest? Nun werden wohl die Wölfe über meine verlassenen Schafe hergefallen seyn, und sie zerrissen haben.

Jupiter. Du bist nun unsterblich und wirst im Himmel bei uns wohnen: kümmere dich nicht um die Schafe.

Ganymed. Was sagst du? Wirst du mich denn heute nicht mehr auf den Ida zurückbringen?

Jupiter. Keineswegs: ich will nicht umsonst ein Adler aus einem Gotte geworden seyn.

Ganymed. Aber da wird mich mein Vater suchen, und recht böse werden, wenn er mich nicht findet, und hernach [127] werde ich Schläge dafür kriegen, daß ich die Heerde verlassen habe.

Jupiter. Er soll dich nicht wieder zu Gesichte bekommen.

Ganymed. Nein, nein: ich will wieder zu meinem Vater. Siehst du, wenn du mich wieder zurückbringst, so soll er dir noch einen Widder opfern: wir haben ja noch den großen, dreijährigen, der immer der Leithammel ist, wenn es auf die Weide geht.

3. Jupiter. Wie offen und kindlich unschuldig der liebe Junge ist! – Gieb nun diesen Dingen den Abschied, Ganymed, und vergiß deine Heerde und den Ida. Du kannst zu von hier aus (denn nun bist du bereits ein Himmelsbewohner) deinem Vater und Vaterlande viel Gutes thun. Statt Käse und Milch sollst du hinfort Ambrosia essen, und Nektar trinken: den Letztern hast du auch uns Andern einzuschenken und darzureichen. Und, was das wichtigste ist, du bist kein Mensch mehr, sondern ein Unsterblicher; einen prächtigen Stern deines Namens will ich am Himmel glänzen lassen; mit einem Worte – du sollst glückselig seyn.

Ganymed. Wenn ich aber spielen will, wer wird mit mir spielen? denn auf dem Ida hatte ich gar viele Cameraden,

Jupiter. Du sollst den Amor dort zum Gespielen und Würfel in Menge haben. Sey nur gutes Muths, mach’ ein fröhlich Gesicht, und laß dich nichts anfechten von den Dingen da unten.

4. Ganymed. Aber was soll ich denn euch helfen? Oder muß ich hier auch die Schafe hüten?

[128] Jupiter. Nein, du sollst Mundschenk seyn, den Nektar besorgen, und bei Tafel aufwarten.

Ganymed. Nun das ist nicht schwer. Ich weiß schon recht gut, wie man die Milch einschenken, und den Epheubecher darreichen muß.

Jupiter. Kommst du mir schon wieder mit deiner Milch, und meinst, du hättest Menschen aufzuwarten? Hier sind wir ja im Himmel, und trinken, wie gesagt, nichts als Nektar.

Ganymed. Schmeckt denn der besser als Milch?

Jupiter. Du wirst es bald erfahren: koste ihn, und du wirst keine Milch mehr verlangen.

Ganymed. Und wo werde ich denn des Nachts schlafen? Nicht wahr, bei meinem Gespielen Amor?

Jupiter. O nein! deßwegen habe ich dich ja heraufgeholt, daß du bei mir schlafen sollst.

Ganymed. Kannst du denn nicht allein schlafen, oder ist es dir angenehmer bei mir zu liegen?

Jupiter. Allerdings, bei einem so hübschen Jungen, wie du, Ganymed.

5. Ganymed. Was kann denn die Schönheit zum Schlafen helfen?

Jupiter. Sie hat etwas angenehm Bezauberndes, das macht, daß man sanfter schläft.

Ganymed. Und doch war mein Vater immer so böse, wenn ich bei ihm lag, und wußte des Morgens viel zu sagen, wie ich mich immer hin und hergewälzt, ihn gestoßen und im Schlafe geschrieen hätte, so daß er kein Auge hätte zuthun können, deßwegen schickte er mich meistens zur Mutter schlafen. Hast du mich also, wie du sagst, nur deßwegen entführt, so bringe [129] mich doch sogleich wieder zur Erde, wenn du nicht deine liebe Noth mit mir haben willst. Den ich werde dir bald genug zur Last werden, wenn ich mich so oft umkehre.

Jupiter. Angenehmer wird mir ja gar nichts seyn, als wenn ich bei dir wachen, und dich recht viel und lange küssen und herzen kann.

Ganymed. Meinetwegen magst du küssen, soviel du willst: ich werde schlafen.

Jupiter. Wir wollen schon sehen. – Nimm ihn nur mit dir, Merkur, und gieb ihm den Trank der Unsterblichkeit zu trinken: dann zeige ihm, wie er den Becher reichen muß, und bring ihn als unsern Mundschenk zurück.


V. Aus Jupiters Ehestand.
Juno. Jupiter.

1. Juno. Seitdem du diesen Phrygischen Jungen vom Ida entführt und heraufgebracht hast, machst du dir sehr wenig aus mir, Jupiter.

Jupiter. Also auch dieses unschuldige, harmlose Kind macht deine Eifersucht rege? Dachte ich doch, nur den Weibern und Mädchen, die in meine Nähe kommen, wärest du so gram.

2. Juno. Es ist zwar sehr unfein und unschicklich von dir, dem Herrn aller Götter, daß du mich, deine rechtmäßige Gemahlin, verlässest, und in Gestalt eines Goldregens, eines Satyr oder Schwans auf die Erde kommst, um Ehebruch zu [130] treiben. Indessen bleiben jene Dirnen doch unten. Diesen idäischen Hirtenjungen aber hast du gar in unsere Gesellschaft heraufgeholt, du vornehmster aller Adler, und mir vor die Nase hingesetzt, unter dem Vorwande, einen Mundschenk haben zu müssen. Hattest du denn sonst Niemanden für dieses Amt? Seit wann sind denn Hebe und Vulcan zum Aufwarten unbrauchbar geworden? – Kein einzigesmal nimmst du ja den Becher von ihm, ohne ihn vorher vor unser aller Augen zu küssen; und dieser Kuß muß dir süßer schmecken, als Nektar; daher verlangst du so oft zu trinken, wenn du auch keinen Durst hast. Bisweilen nippest du bloß ein wenig an dem Becher, und reichst ihn dann ihm dar: wenn er nun getrunken hat, trinkst du den Rest aus, und zwar genau an der nämlichen Stelle, die er mit seinen Lippen berührt hat, um zugleich trinken und küssen zu können. Und neulich hat der König und Vater Aller die Aegide und den Donnerkeil[WS 1] bei Seite gelegt, und sich nicht in seinen langen Bart hinein geschämt, zu dem Jungen auf den Boden zu sitzen und mit ihm Würfel zu spielen. – O ich sehe Alles: bilde dir ja nicht ein, so etwas im Verborgenen zu treiben.

3. Jupiter. Und was ist denn Arges daran, Juno, wenn ich diesen artigen Knaben mitten unter’m Trinken ein wenig herze, und an beidem zugleich meine Freude habe, am Kusse und am Nektar? Wenn ich ihm erlaubte, dir ein einziges Küßchen zu geben, du würdest mir gewiß keine Vorwürfe mehr darüber machen, daß mir sein Mäulchen lieber als aller Nektar ist.

Juno. So schwatzt nur ein Knabenverderber. Ich werde doch keine Närrin seyn, und meinen Lippen einen so weibischen [131] Weichling, wie diesen phrygischen Buben da, zu nahe kommen lassen?

Jupiter. Nur mir meinen Liebling nicht geschimpft, du Allervortrefflichste! dieser weibische Bube, dieser phrygische Weichling ist wahrlich reizender und liebenswürdiger, als – – Doch ich will lieber nichts sagen, um dich nicht noch giftiger zu machen.

4. Juno. O meinetwegen magst du ihn auch noch heirathen. – Aber bedenken solltest du doch, was du mir mit deinem Mundschenk für einen Schimpf anthust.

Jupiter. Ach, dein lahmer Sohn Vulcan soll uns also wieder beim Weine bedienen, wenn er mit Kohlenstaub bedeckt von der Esse kommt, und eben die Feuerzange weggelegt hat! Aus solchen Fingern sollen wir den Becher empfangen, und wohl auch mitunter den ganzen Mundschenk an unsern Busen ziehen, um ein von Ruß geschwärztes Gesicht zu küssen, das du selbst, seine Mutter, wohl schwerlich würdest liebkosen wollen? Das wäre ein Genuß! Nicht wahr? Das wäre einmal ein Mundschenk, der die Göttertafel zieren würde! Den Ganymed muß ich nun schon nach dem Ida zurückschicken: denn der ist reinlich, hat Fingerchen wie Rosen, und reicht recht sittig den Becher, und, was dich am meisten ärgert, küßt lieblicher als Nektar.

5. Juno. So? Nun ist Vulcan auf einmal lahm, rußig, und unwürdig geworden, mit seinen Fingern deinen Becher zu berühren, und nun ekelt dir auf einmal vor seinem Anblick, seitdem uns der Ida dieses schöne Lockenköpfchen geliefert hat? Vordem sahest du von dem Allem nichts, und [132] weder Kohlenstaub noch Ruß hielten dich ab, von seinen Händen dir’s wohl schmecken zu lassen.

Jupiter. Du kränkst dich darüber vergeblich, Juno, und fachest durch deine Eifersucht meine Liebe nur noch mehr an. Wenn es dir Verdruß macht, den Becher aus der Hand eines blühenden Knaben zu empfangen, wohlan so laß ihn dir von deinem Sohne kredenzen, und du, Ganymed, reichst ihn mir künftig allein! Und bei jedem Becher küssest du mich zweimal, wenn du mir ihn reichst, und wenn du ihn wieder zurückempfängst. Wie, Ganymed, du weinst? Fürchte nichts! Der soll es schwer bezahlen, der dir etwas zu Leide thun wollte!


VI. Ixion.
Juno. Jupiter.

1. Juno. Was hältst du von diesem Ixion, Jupiter?

Jupiter. Ich halte ihn für einen ganz braven Mann und angenehmen Gesellschafter, liebe Juno. Er würde nicht an unsern Mahlzeiten Theil nehmen dürfen, wenn er dessen unwürdig wäre.

Juno. Und doch ist er es, der impertinente Mensch: er darf nicht länger um uns seyn.

Jupiter. Was hat er denn impertinentes gethan? Ich sollte es, meine ich, doch auch wissen.

Juno. Was er gethan hat? – – Ach, ich schäme mich, es zu sagen, so frech war er.

Jupiter. Um so weniger darfst du mir es verschweigen, je ärger er gefrevelt hat. Hat er vielleicht eine Göttin [133] verführen wollen? Ich vermuthe so etwas, weil du mir es nicht sagen willst.

Juno. Mich, mich selbst und keine Andere hat er verführen wollen, Jupiter, und das schon eine geraume Zeit her. Anfangs verstand ich gar nicht, warum er mich so unverwandt ansah, und seufzte, und Thränen in den Augen hatte. Wenn ich dem Ganymed den Becher, aus dem ich getrunken hatte, zurückgab, so verlangte er aus eben demselben zu trinken, und wenn er ihn bekam, küßte er ihn, hielt ihn an die Augen, und blickte dabei immer nach mir herüber. Nun fing ich an zu merken, daß der Mensch verliebt ist. Lange schämte ich mich, es dir zu sagen, und glaubte immer, er würde von selbst von seiner Narrheit zurückkommen. Wie er sich aber erfrechte, sich gegen mich erklären zu wollen, und sich weinend mir zu Füßen warf, hielt ich mir die Ohren zu, um sein unverschämtes Flehen nicht hören zu müssen, ließ ihn liegen, und lief her, um es dir anzuzeigen. Siehe nun selbst, wie du diesen Menschen gebührend züchtigen willst.

3. Jupiter. Der Verruchte! Das mir? Nach Juno’s Umarmung zu trachten? Bis zu diesem Wahnsinn konnte ihn der Nektar berauschen? – Aber so ist’s: wir sind selbst Schuld: warum halten wir kein Maß in unserer Menschenliebe, und lassen sie sogar an unserer Tafel sitzen? Ist es ihnen zu verdenken, wenn sie bei einem Wein wie der unsrige, und beim Anblick himmlischer Schönheiten, dergleichen sie auf ihrer Erde nie zu Gesichte kriegen, von Liebe und Begierde überwältigt werden? Die Liebe aber – ist sie doch stark genug, nicht nur Sterbliche, sondern bisweilen uns selbst zu überwältigen.

[134] Juno. Nun freilich, über dich spielt sie gewaltig den Tyrannen. Sie zieht dich bei der Nase ohne den geringste Widerstand, wohin sie will, und willig lässest du dich von ihr in jede beliebige Gestalt verwandeln: kurz du bist ganz und gar ihr Eigenthum und Spielzeug. Und nun weiß ich recht gut, warum man dem Ixion verzeihen muß: ist doch Pirithous[2] ein Zeuge davon, wie du einst mit seiner Gattin standest.

4. Jupiter. Weißt du denn alle die kleinen Zeitvertreibe noch, die ich mir ehemals da unten auf der Erde machte? – Aber höre, wie ich glaube, daß mit Ixion zu verfahren ist. Strafen dürfen wir ihn nicht, und eben so wenig von unserer Tafel wegjagen, das wäre ein Bischen zu plump. Aber da er nun doch verliebt ist, wie du sagst, und weint, und verzweifeln will –

Juno. Was soll nun kommen, Jupiter? Muß ich fürchten, auch von dir eine Unverschämtheit zu hören?

Jupiter. Gewiß nicht. Höre mich nur: wir wollen aus einer Wolke ein dir ganz ähnliches Trugbild gestalten, und wenn die Tafel aufgehoben ist, so wollen wir, während Ixion, wie es dem Verliebten gebührt, nicht schlafen kann, dasselbe an seine Seite legen. So wird er glauben, das Ziel seiner Wünsche erreicht zu haben, und von seinen Liebesschmerzen genesen.

Juno. Nein, nein, sterben soll er, der Vermessene!

[135] Jupiter. Gedulde dich doch, liebe Juno. Was hast du denn Unangenehmes davon, wenn Ixion bei einem Nebelbilde liegt?

5. Juno. Er wird die Wolke, die mir so ähnlich sehen soll, für mich halten, und so wird die Schmach mir gelten.

Jupiter. Possen! Eine Wolke ist keine Juno und Juno keine Wolke. Ixion wird getäuscht, und das ist Alles.

Juno. Aber gemein, wie nun einmal die Menschen alle sind, wird er sich auf der Erde dessen rühmen, und allen Leuten erzählen, wie er bei der Juno geschlafen und Jupiter’s Bette getheilt hätte. Und am Ende ist er gar im Stande und sagt, ich wäre in ihn verliebt; und die Menschen glauben es ihm; denn sie können nicht wissen, daß er bei einer Wolke gelegen.

Jupiter. Je nun, wenn er so etwas sagt, so soll er in den Tartarus gestürzt, auf ein Rad geflochten, immer und ewig auf demselben herumgetrillt werden, und dieser Qual soll kein Ende seyn; und dieß zur gerechten Strafe, nicht für seine Liebe (denn dieses Verbrechen wäre wohl so groß nicht), sondern für seine unverschämte Prahlerei.


VII. Merkur.
Vulcan. Apollo.
(In Vulcan’s Werkstätte.)

1. Vulcan. Hast du das neugeborne schöne Kind der Maja schon gesehen, Apoll, wie es alle Leute anlächelt, und [136] wie man es ihm an den Augen ansieht, daß etwas recht Gutes aus ihm werden müsse?

Apoll. Wie? Kann man den ein Kind nennen, und Gutes von ihm erwarten, der, wenigstens nach seiner Schelmerei zu urtheilen, älter als Iapetus seyn muß?

Vulcan. Wem sollte denn ein Kind, das kaum auf die Welt gekommen ist, etwas zu Leide thun können?

Apoll. Frage den Neptun, dem er seinen Dreizack gestohlen, oder den Mars, dem er das Schwerdt heimlich aus der Scheide gezogen, meiner selbst nicht zu gedenken, dem er die ganze Armatur, den Bogen sammt den Pfeilen entführt hat.

2. Vulcan. Das hat ein Säugling gethan, der sich in seinen Windeln noch kaum rühren kann?

Apoll. Du wirst dich selbst überzeugen, wenn er nur erst zu dir gekommen ist.

Vulcan. Er ist aber bereits bei mir gewesen.

Apoll. Und vermissest du keines von deinen Werkzeugen?

Vulcan. Kein einziges.

Apoll. Siehe nur noch einmal genau nach.

Vulcan. Weiß der Himmel, ich finde meine Zange nicht.

Apoll. In den Windeln des Kindes wirst du sie ohne Zweifel entdecken.

Vulcan. Der hat ja so flinke Finger, als ob er schon im[WS 2] Mutterleibe auf dieses Metier studirt hätte.

3. Apoll. Und hast du ihn nicht auch plaudern gehört? Wie das so fertig vom Munde geht. Er hat sich angeboten, unsere Bedienung zu übernehmen. Gestern forderte er den Amor heraus, packte ihn, ich weiß nicht wie, [137] bei den Fersen, und war im Augenblick mit ihm fertig. Und da wir ihn Alle lobten, stahl er der Venus, während sie ihn seines[WS 3] Sieges wegen liebkoste, ihren Gürtel, dem Jupiter, während er lachte, seinen Scepter, und wäre ihm der Donnerkeil nicht zu schwer und zu heiß gewesen, er hätte ihn wahrlich auch noch davon getragen.

Vulcan. Ein Blitzjunge, der!

Apoll. Und obendrein ist er auch schon ein Tonkünstler.

Vulcan. Woraus schließest du das?

4. Apoll. Neulich fand er eine todte Schildkröte und machte ein Instrument aus ihrer Schaale, befestigte einen Hals mit einer Handhabe daran, versah sie mit Wirbeln und einem Stege, spannte sieben Saiten darüber, und spielt dir nun so lieblich und harmonisch darauf, daß ich selbst ihn darum beneide, wiewohl Saitenspiel schon längst meine Sache ist. Auch sagte mir Maja, er bleibe nicht einmal des Nachts im Himmel, sondern steige aus Vorwitz bis in den Tartarus hinunter, vermuthlich um auch dort zu sehen, ob es etwas zu stehlen gebe. Er ist mit Flügeln versehen, und trägt eine Ruthe von ganz wunderbarer Kraft, womit er die Seelen citirt, und die Todten in die Unterwelt hinab geleitet.

Vulcan. Ich selbst gab ihm diese Ruthe zum Spielzeug.

Apoll. Und zum Danke hat er dir deine Feuerzange gemaust.

Vulcan. Du erinnerst mich eben recht. Ich muß doch gehen und sie holen: vielleicht findet sie sich wirklich in seinen Windeln, wie du sagtest.

[138]
VIII. Der Minerva Geburt.
Vulcan. Jupiter.

1. Vulcan. Hier bin ich, Jupiter. Was befiehlst du? Hier ist auch das Beil, das ich mitbringen sollte: es ist mein schärfstes; ich könnte Steine damit auf Einen Hieb durchhauen.

Jupiter. Gut, Vulcan: so haue mir nur gleich den Kopf entzwei.

Vulcan. Willst du mich auf die Probe stellen, oder bist du nicht bei Troste? Sage mir doch im Ernst, was ich thun soll.

Jupiter. Wie gesagt, mir den Schädel zerspalten. Und wenn du nicht auf der Stelle gehorchst – es wäre nicht das Erstemal, daß du meinen Zorn empfändest. Darum nicht länger gezaudert, recht herzhaft zugehauen! Ich vergehe vor den Wehen, die mir das Gehirn umwühlen.

Vulcan. Siehe zu, Jupiter, daß wir keinen Schaden anrichten. Mein Beil ist scharf: es wird nicht ohne Blut abgehen, wenn dich diese unsanfte Lucina entbinden soll.

Jupiter. Haue keck drauf los, Vulcan. Ich muß wissen, was mir hilft.

2. Vulcan. So haue ich denn zu, ungern zwar, aber was will man machen, wenn du befiehlst? – Ha! was ist das? ein Mädchen in vollständiger Rüstung! Du hast wahrlich ein großes Uebel im Kopfe gehabt, Jupiter. Kein Wunder, daß du so grimmig warst: eine so große Tochter, und von Fuß auf gewaffnet, unter der Hirnhaut auszubrüten! Wußten wir doch nicht, daß du statt des Kopfes ein Kriegszelt [139] auf dem Rumpfe sitzen hattest! Wie? sie tanzt schon den Waffentanz? Wie gewandt sie die Lanze schwingt, und den Schild schüttelt, und ganz ergriffen ist von kriegerischer Begeisterung! Das größte Wunder aber ist, daß sie in wenigen Augenblicken eine stattliche und mannbare Jungfrau geworden ist. Zwar hat sie blaugraue Eulenaugen, aber auch das nimmt sich unter dem Helme recht gut aus. Jupiter, gieb sie mir als Hebammenlohn zum Weibe!

Jupiter. Du verlangst etwas Unmögliches, Vulcan. Sie ist entschlossen, ewig Jungfrau zu bleiben. Ich für meinen Theil hätte nichts dagegen.

Vulcan. Mehr will ich nicht. Für das Uebrige laß mich sorgen. Ich werde sie mir mit Gewalt nehmen.

Jupiter. Versuch’s, wenn du es für so leicht hältst. Ich weiß jedoch nur zu gut, daß es unmöglich ist.


IX. Des Bacchus Geburt.
Neptun. Merkur.

1. Neptun. Ist Jupiter jetzt zu sprechen, Merkur?

Merkur. O nein, Neptun.

Neptun. So melde ihm wenigstens, daß ich hier bin.

Merkur. Dringe nicht in mich: ich sage dir nur, daß es ihm im Augenblicke sehr ungelegen wäre, dich zu sehen.

Neptun. Ist er etwa mit der Juno zusammen?

Merkur. Nein: es ist etwas ganz anderes.

Neptun. Ach, ich merke, Ganymed ist drinnen.

Merkur. Auch das nicht. Jupiter ist – unpäßlich.

[140] Neptun. Wie so? Du erschreckst mich, Merkur: was ist es denn?

Merkur. Es ist so, daß ich mich schäme, es zu sagen.

Neptun. Sag’ es immer: ich bin ja dein Oheim.

Merkur. Nun denn, Jupiter hat so eben ein Kind gehabt.

Neptun. Bist du toll? Ein Kind? und von wem? Ist er denn, ohne daß wir’s ahneten, ein Zwitter gewesen? Hat doch wenigstens sein Bauch nie eine Schwangerschaft verrathen!

Merkur. Da hast du Recht: das Kind lag aber auch nicht dort.

Neptun. Ich verstehe; er hat es wieder aus dem Kopf geboren, wie die Minerva: denn er muß einen förmlichen Eierstock im Hirne haben.

Merkur. O nein: dießmal ging er im Oberschenkel[WS 4] mit einem Kinde der Semele schwanger.

Neptun. Seht da, der Gute ist ja am ganzen Leibe trächtig. Aber wer ist denn diese Semele?

2. Merkur. Eine Thebanerin, der Töchter des Cadmus eine, die von ihm schwanger wurde.

Neptun. Und nun hat er anstatt ihrer geboren?

Merkur. So ist es, wie wunderbar es dir auch vorkommen mag. Juno – du weißt, wie eifersüchtig sie ist – hat sich an die Semele gemacht, und sie beschwatzt, von Jupitern zu verlangen, daß er mit Blitz und Donner zu ihr kommen solle. Dieß geschah; Jupiter kam mit seinem Flammenstrahl; das Dach gerieth in Brand, und Semele erstickte in der Flamme. Da erhielt ich den Befehl, den Leib derselben [141] aufzuschneiden, und ihm das noch unausgetragene, sieben Monat alte Kind zu überbringen. Wie er es hatte, machte er sich eine Oeffnung in den Schenkel, steckte es hinein, um es vollends reifen zu lassen, und jetzt im dritten Monat hat er es zur Welt gebracht, befindet sich aber in Folge der Geburtsschmerzen etwas unpäßlich.

Neptun. Wo ist denn jetzt das Kind?

Merkur. Ich mußte es nach Nyssa tragen, und unter dem Namen Dionysus den Nymphen aufzuziehen geben.

Neptun. So ist also Jupiter dieses Dionysus Vater und Mutter zugleich?

Merkur. Nicht anders. Doch – ich muß gehen, und ihm Wasser für seine Wunde holen und alles Uebrige besorgen, was man gewöhnlich bei Wöchnerinnen braucht.


X. Jupiter und Alkmene.
Merkur. Helios.[3]

1. Merkur. Helios! Jupiter befiehlt, du sollst heute, morgen und übermorgen zu Hause bleiben und nicht ausfahren. Dieser ganze Zwischenraum soll Eine lange Nacht seyn. Die Horen können also deine Pferde nur wieder ausspannen: du darfst deine Fackeln löschen, und nach langer Zeit auch einmal wieder ausruhen.

Helios. Ein ganz neuer und sonderbarer Befehl, Merkur. Ich habe doch keinen Fehler in meiner Bahn gemacht und die Pferde aus dem Geleise treten lassen, daß er mir [142] vielleicht darüber zürnt, und nun die Nacht dreimal so lang als den Tag machen will?

Merkur. Nichts dergleichen. Es soll nicht für immer so seyn: nur für dießmal hat er eine etwas lange Nacht vonnöthen.

Helios. Wo ist er denn gegenwärtig? Woher schickt er denn dich mit diesem Befehl an mich?

Merkur. Aus Böotien, wo er dermalen mit des Amphitryo Frau, die er liebt, zusammen ist.

Helios. Und dazu ist Eine Nacht nicht lang genug?

Merkur. Nein. Es soll ein großer und kampfrüstiger Gott die Frucht dieses Besuches seyn, und der kann unmöglich in Einer Nacht fertig werden.

2. Helios. Viel Glück zu diesem großen Stück Arbeit! Aber – unter uns gesagt, Merkur – so etwas geschah doch zu Saturn’s Zeiten niemals. Dieser schied sich nie von Rhea’s Bette, und verließ nie den Himmel, um in Theben zu schlafen. Tag war Tag, und die Nacht jedesmal so lang, als es die Jahreszeit[WS 5] mit sich brachte. Außerordentliches und regelwidriges geschah nichts. Nie hat Saturn mit einer Sterblichen zu schaffen gehabt. Nun soll um eines heillosen Weibsbildes willen die ganze Ordnung umgekehrt, meine Pferde sollen durch die zu lange Ruhe steif, und der Weg schlechter werden, weil er drei Tage unbefahren bleibt. Das hat man von Jupiter’s Liebschaften! Die armen Menschen müssen nun im Finstern sitzen und warten, bis der große Athlete, den du uns ankündigest, endlich fertig ist.

Merkur. Stille doch, Helios! Deine Reden könnten dir Verdruß bringen. – Ich gehe von hier zur Luna und [143] zum Schlafgott, und bringe ihnen gleichfalls Befehle von Jupiter: jene soll recht sachte vorwärts rücken, und dieser sich ja nicht von den Menschen entfernen, damit Niemand merke, daß die Nacht so lange gewesen ist.


XI. Endymion.
Venus. Luna.

1. Venus. Was man nicht hören muß, liebe Luna! Sagen doch die Leute, wenn du auf deiner Bahn nach Carien kommest, haltest du mit deinem Wagen still, um auf den im Freien schlafenden Jäger Endymion herabzuschauen; sogar habest du dich schon mitten auf dem Wege zu ihm herabgelassen.

Luna. Frage deinen Sohn Amor darüber, der ist allein Schuld daran.

Venus. Der? Nun freilich, das ist ein gottloser Junge. Wie geht er nur mit mir, seiner leiblichen Mutter, um? Neulich ließ er mir keine Ruhe, bis ich mich auf den Ida, um des Anchises von Ilium willen, herabließ; und noch ganz kürzlich brachte er mich auf den Libanon zu dem bekannten Assyrischen Jüngling[4], in den er übrigens auch die Proserpina verliebt machte, so daß er mir nun zur Hälfte meinen Liebling wieder genommen hat. Wie oft drohte ich ihm schon, wenn er seinen Muthwillen nicht lassen werde, ihm Bogen und Pfeile zu zerbrechen, und die Flügel zu beschneiden. [144] Auch Schläge hat er schon von mir mit dem Pantoffel auf den Hintern bekommen. Für den Augenblick ist er dann freilich ganz demüthig und bittet um Verzeihung; aber ehe man sich’s versieht, ist Alles wieder vergessen. –

2. Aber sage mir, ist Endymion schön? Die Schönheit des Gegenstandes tröstet ja leicht über das Unglück des Verliebtseyns.

Luna. In meinen Augen ist er vollkommen schön, zumal wenn er auf seinem über den Felsen gebreiteten Mantel schläft: die linke Hand hält nachläßig einige Pfeile, die ihr allmählig entgleiten; der rechte Arm ist über den Kopf gebogen, so daß die Hand mit lieblicher Grazie auf sein Gesicht zu liegen kommt. So liegt er in Schlummer aufgelöst, und sein Athem duftet süß wie Ambrosia. Da lasse ich mich denn ganz leise herab, nähere mich ihm auf den äußersten Fußspitzen, um ihn ja nicht zu wecken, und – – sollte ich einer Venus das Weitere erst sagen müssen? Genug – diese Liebe verzehrt mich.


XII. Rhea und Attis.
Venus. Amor.

1. Venus. Siehe, mein Kind, was du anrichtest. Ich sage nichts davon, was du Alles die Menschen auf der Erde gegen sich und gegen Andere zu begehen verleitest. Aber wie du es im Himmel treibst? Verwandelst du nicht den Jupiter in alle Gestalten, wie es dir jedesmal einfällt, ziehest die Luna vom Himmel herunter, und verleitest den Helios, [145] sich bei Clymene zu verspäten und seines Laufes zu vergessen? Mit mir, deiner Mutter, treibst du ohnehin allen Muthwillen ungescheut. Nun hast du es vollends, du vermessener Bube, bei der alten grauen Göttermutter Rhea dahin gebracht, daß sie sich noch in einen Knaben, den Phrygier Attis, verlieben muß! Die ist nun ganz rasend, hat ihre Löwen einspannen lassen, und ihre Corybanten, die sie gleichfalls toll gemacht hat, mit sich genommen, und schwärmt nun mit ihnen den ganzen Ida auf und ab. Sie heult um ihren Attis: von ihren Corybanten zerfetzt sich einer die Arme mit dem Schwerte, ein anderer rast mit fliegenden Haaren über Berg und Thal; wieder andere blasen auf Hörnern und pauken auf Trommeln und Kesseln los: kurz es ist ein so wilder Spektakel auf dem ganzen Gebirge, daß mir bange ist, die Rhea möchte in einem solchen Anfall von Raserei, oder vielmehr, wenn sie wieder bei sich ist, den Corybanten befehlen, dich, du unheilvolles Kind, zu greifen und zu zerreißen, oder ihren Löwen vorzuwerfen. Wahrhaftig, ich sehe dich mit Schrecken in dieser Gefahr.

2. Amor. Beruhige dich, liebe Mutter. Ich habe mich auch schon mit ihren Löwen befreundet, steige ihnen auf den Rücken, fasse sie an der Mähne, und leite sie, wohin ich will: sie schmeicheln mir und lecken mir die Hand, die ich ihnen ohne Schaden in den Rachen stecke. Die Rhea aber, wo sollte diese Zeit herbekommen, mich zu verfolgen, da sie so ganz in ihrem Attis lebt? – Am Ende, thue ich denn etwas Unrechtes, wenn ich Euch das Schöne vor Augen bringe, so wie es ist? Ihr dürfet ja nur keine Begierde darnach aufkommen lassen. Thut ihr es, so beschuldiget nicht [146] mich. Oder möchtest du, liebe Mutter, daß es überhaupt mit der Liebe ein Ende hätte, also auch mit der des Mars zu dir, so wie mit der Deinigen zu ihm?

Venus. Durchtriebener Junge, mit dir ist nicht fertig zu werden. Aber warte, du wirst noch Gelegenheit bekommen, an meine Worte zu denken!


XIII. Der Rangstreit.
Jupiter. Hercules. Aesculap.

1. Jupiter. So hört einmal auf, Hercules und Aesculap, euch wie Menschen zu zanken. Pfui! Das schick sich schlecht für die Göttertafel.

Hercules. Kannst du wollen, Jupiter, daß dieser Arzneikoch da den Vorsitz vor mir habe?

Aesculap. Er gebührt mir, ich bin besser als du.

Hercules. Wie so, du verwetterter Kerl? Etwa weil dich Jupiter mit dem Blitz erschlug wegen deiner Schelmenstreiche,[5] worauf er dich aus purer Barmherzigkeit unter die Unsterblichen aufgenommen hat.

Aesculap. Ha, du darfst mir meinen Feuertod vorrücken! Hast du denn vergessen, daß du auf dem Oeta verbranntest?

[147] Hercules. Nun so war wenigstens im Leben ein großer Unterschied unter uns. Ich, Jupiter’s Sohn, hatte das große Geschäft, die Welt von ihren Uebeln zu reinigen, Ungeheuer zu bezwingen, und gewaltthätige Menschen zu bestrafen. Und du – bist ein bloßer Wurzelkrämer und Quacksalber, allenfalls geschickt, den Leuten Pflaster auf ihre Schäden zu legen: Großes und Mannhaftes hast du auch gar nichts aufzuweisen.

2. Aesculap. Recht, ich habe dir ja die Brandflecken ausheilen müssen, als du neulich vom Gift an deinem Gewande und vom Feuer halbgebraten zu uns heraufkamst. Und was das Mannhafte betrifft, so habe ich freilich noch nie Knechtdienste gethan, habe nie in Lydien Wolle gekämmt, mich nie in einen purpurnen Weiberrock gesteckt, habe nie von dem goldenen Pantoffel der Omphale Schläge bekommen; auch war ich nie so rasend, Weib und Kinder um’s Leben zu bringen.

Hercules. Wenn du nicht gleich aufhörst zu schimpfen, so sollst du im Augenblick sehen, daß dir deine Unsterblichkeit wenig helfen wird. Ich nehme dich, und schmeiße dich kopfüber zum Himmel hinaus, und kein Päan[6] soll im Stande seyn, deinen zertrümmerten Schädel zu kuriren.

Jupiter. Ruhig, sage ich! verderbt uns nicht die Gesellschaft, oder ich schicke euch Beide von der Tafel fort. Uebrigens ist es billig, Hercules, daß Aesculap über dir sitzt: er ist ja auch vor dir gestorben.

[148]
XIV. Hyacinth.
Merkur. Apoll.

1. Merkur. Warum so finster, Apoll?

Apoll. Ach, Merkur, ich bin so unglücklich in der Liebe.

Merkur. Das ist freilich betrübt. Wie bist du aber auf’s neue unglücklich geworden: oder ist es noch die alte Geschichte mit der Daphne, die dich verstimmt?

Apoll. O nein, ich betraure meinen lakonischen Liebling, des Oebalus Sohn.

Merkur. Wie? Den Hyacinth? Ist er denn todt?

Apoll. Leider!

Merkur. Ist’s möglich, Apoll? Wer konnte so fühllos für das Schöne seyn, den liebenswürdigen Jüngling zu tödten?

Apoll. Ach! es ist mein eigen Werk.

Merkur. Bist du rasend, Apoll?

Apoll. Das nicht: es war ein unseliges Geschick.

Merkur. Wie so? erzähle mir doch die Sache.

2. Apoll. Er lernte den Diskus[7] werfen, und ich warf mit ihm. Zephyr, der verfluchteste aller Winde, war gleichfalls seit lange schon in den Knaben verliebt gewesen, und fand, da ihm Hyacinth kein Gehör schenkte, diese Verachtung unerträglich. Wie ich nun den Diskus auf die gewöhnliche Art in die Höhe werfe, fährt Zephyr vom Taygetus[8] herab, und wirft den Diskus mit solcher Gewalt dem [149] Knaben auf den Kopf, daß das Blut sogleich stromweise aus der Wunde floß, und Hyacinth auf der Stelle den Geist aufgab. Eilends verfolgte ich den Zephyr bis auf das Gebirge und zahlte ihn mit meinen Pfeilen: dem Knaben aber errichtete ich zu Amyclä an der Stelle, wo ihn der Diskus niederschlug, einen Grabhügel, und aus seinem Blute ließ ich die lieblichste und schönste aller Blumen sprossen, auf welcher ich mit Buchstaben die Klagetöne um den Verstorbenen bezeichnete[9]. Habe ich nun nicht Grund genug zu meiner Traurigkeit?

Merkur. Ich finde es nicht. Du wußtest ja, daß du einen Sterblichen zu deinem Liebling erkohren hast: wie kannst du es übel nehmen, daß er gestorben ist?


XV. Vulkan’s Frauen.
Merkur. Apoll.

1. Merkur. Aber daß so ein lendenlahmer gemeiner Schmied, wie Vulcan ist, die zwei schönsten Weiber, die Venus und die Grazie, bekommen hat – was sagst du dazu, Apoll?

Apoll. Je nun, er hat Glück gehabt. Aber mehr noch wundert mich, wie sie Gefallen an seinem Umgange finden können, wenn er von Schweiß triefend und das Gesicht mit Ruß bedeckt sich über seinen Amboß bückt. Nichts destoweniger umarmen sie ihn, küssen ihn und schenken ihm alle Gunstbezeugungen.

[150] Merkur. Eben das ist’s, was auch mich verdrießt, und warum ich den Vulcan beneide. Prange du noch so sehr mit deinen üppigen Locken, Apoll, mit deinem Citherspiel und deiner Schönheit, wie ich mit meinem schlanken und gewandten Körper und meiner Lyra – was hilft’s, wenn es Schlafengehens Zeit ist, dürfen wir doch nur allein zu Bette.

2. Apoll. Ich bin überhaupt nicht glücklich in der Liebe. Von den beiden, die ich über Alles liebte, der Daphne und dem Hyacinth, war ich der Einen so zuwider, daß sie davon lief und lieber zu Holz werden, als mir sich hingeben wollte. Den Hyacinth aber brachte ich mit einem Diskuswurf um’s Leben: und statt beider habe ich nun Lorbeer- und Blumen-Kränze.

Merkur. Ich hatte wohl einmal die Venus – doch ich will mich nicht rühmen.

Apoll. Ich weiß, sie soll dir den Hermaphroditus geboren haben. – Aber sage mir doch, wenn du kannst, wie es kommt, daß Venus und die Grazie nicht eifersüchtig über einander sind?

3. Merkur. Weil die letztere auf Lemnus mit ihm lebte, die Venus aber im Himmel. Uebrigens kümmert sich diese wenig um den Schmidt, sondern ist viel zu sehr mit ihrem geliebten Mars beschäftigt.

Apoll. Glaubst du wohl, Vulkan wisse darum?

Merkur. Allerdings: allein was will er machen gegen einen so rüstigen jungen Soldaten? Er verhält sich ganz ruhig, droht aber ein künstliches Netz zu verfertigen, mit welchem er sie einmal, wenn sie beisammen sind, fangen wird.

[151] Apoll. Ich weiß nichts davon, möchte übrigens selbst derjenige seyn, dem das Netz gilt.


XVI. Juno’s Neid.
Juno. Latona.

1. Juno. Nun, das muß wahr seyn, du hast dem Jupiter recht schöne Kinder geboren, Latona.

Latona. Wir können freilich nicht alle solche gebären, wie dein Vulcan ist.

Juno. Der ist doch, so lahm er ist, zu etwas nütze; er ist ein großer Künstler, und hat uns den Himmel auf’s geschmackvollste eingerichtet: ja er hat sogar die Venus zum Weibe bekommen, und wird von ihr werth gehalten. Aber was sind denn deine Kinder? Die Diana führt sich auf wie ein wilder Junge, und schwärmt auf allen Bergen herum, und wenn sie nach Scythien kommt, wo sie die Fremdlinge schlachten läßt, so weiß man schon, was sie schmaust: denn sie thut es in Allem den menschenfressenden Scythen nach. Apollo aber will sich das Ansehen geben, als ob er Alles wisse und könne, macht den Bogenschützen, den Citherspieler, den Dichter, den Arzt, und hat in Delphi, in Clarus und in Didymi Fabriken von Orakelsprüchen angelegt, womit er die Fragenden betrügt, indem er ihnen verschrobenes Zeug zur Antwort giebt, das sich deuten läßt, wie man will. Auf diese Art spielt er seinen Betrug ganz gefahrlos, wird reich dabei, und viele sind einfältig genug, sich für Narren halten zu lassen. Wiewohl, die Gescheidteren merken recht gut, [152] daß es blose Windbeutelei ist. Hat doch der große Prophet selbst nicht gewußt, daß er seinen Geliebten mit dem Diskus tödten, und nicht geahnt, daß Daphne vor ihm, dem schönen, lockigten Jüngling davon laufen werde. Ich sehe also gar nicht ein, warum du mit Kindern für gesegneter, als Niobe[WS 6], gelten sollst.

Latona. O ich weiß nur zu gut, wie sehr dich’s verdrießt, diese Menschenfresserin und diesen Lügenpropheten unter den Göttern sehen zu müssen, zumal wenn die Schönheit der Diana und Apollo’s Citherspiel bei der Tafel das Lob und die Bewunderung aller Uebrigen einerndtet.

Juno. Ich muß lachen, Latona. Apoll ein Meister? Glaube mir, wenn damals die Musen gerecht hätten richten wollen, Marsyas hätte ihn weit überwunden, und ihm die Haut abgezogen, anstatt daß nun der arme Tropf, in Folge eines ungerechten Urtheilspruchs, die seinige hergeben mußte. Deine schöne Jungfrau aber muß wohl recht schön seyn, da sie, als sie von Actäon im Bade gesehen worden war, durch ihre Hunde ihn zerreißen ließ, aus Furcht, der Jüngling möchte ihre Häßlichkeit ausplaudern. Davon will ich gar nichts sagen, daß sie sich schwerlich zu Hebammendiensten hergeben würde, wenn sie selbst noch Jungfrau wäre.

Latona. Du hast einen gewaltigen Hochmuth, weil du Jupiter’s Gemahlin und Mitregentin bist, und glaubst, dir deßwegen alle Beleidigungen erlauben zu dürfen. Aber ich werde dich bald genug wieder in Thränen sehen, wenn er dich einmal wieder sitzen läßt, um auf der Erde zum Stier oder Schwan zu werden.

[153]
XVII. Das Netz des Vulcan.
Apoll. Merkur.

1. Apoll. Warum lachst du, Merkur?

Merkur. Ich habe etwas gesehen, Apoll, das zum Todlachen ist.

Apoll. Nun was denn? Ich möchte gerne mitlachen.

Merkur. Mars liegt bei der Venus und kann nicht los, weil Vulcan beide künstlich gefangen hält.

Apoll. Wie macht er das? Das muß eine lustige Geschichte seyn.

Merkur. Seit geraumer Zeit hatte Vulcan, wie mir scheint, etwas gemerkt und daher getrachtet, sie zu ertappen. Er legte also ein unsichtbares Netz um das Bettgestelle, ging hierauf in seine Werkstätte und arbeitete. Gleich darauf kommt Mars recht heimlich, wie er meinte, herangeschlichen; Helios aber bemerkt ihn und giebt sogleich dem Vulcan davon Nachricht. Inzwischen besteigen jene beiden das Bette und gerathen in das Netz, dessen Fäden sich sogleich über ihnen zusammenziehen. In diesem Augenblicke tritt Vulcan herein. Venus wußte gar nicht, wie sie sich verhüllen sollte, und vergieng fast vor Schaam: Mars suchte anfänglich zu entkommen, und glaubte, die Fäden zerreißen zu können; da er sich aber bald überzeugte, daß nichts zu machen wäre, legte er sich auf’s Bitten.

2. Apoll. Und nun? Vulkan ließ sie los?

Merkur. Weit gefehlt! Alle Götter ruft er zusammen und zeigt ihnen den Scandal. Da liegen nun die beiden [154] Gefangenen, von Schamröthe übergossen, im Stande der lieben Natur, und wagen nicht, die Augen aufzuschlagen – das ergötzlichste Schauspiel, das nur gedacht werden kann!

Apoll. Und der Grobschmidt schämte sich nicht, seine eigene Hahnreyschaft zur Schau zu stellen?

Merkur. Bewahre, der steht dabei, und lacht sich die Haut voll. Ich aber, um die Wahrheit zu gestehen, beneide den Mars auch sogar um seine Gefangenschaft.

Apoll. Du möchtest dich wohl selbst um diesen Preis fesseln lassen?

Merkur. Und du nicht auch, Apoll? So komm nur und siehe selbst: du sollst mir ein großer Weiser seyn, wenn du dir nicht ein gleiches Schicksal wünschest.


XVIII. Bacchus.
Juno. Jupiter.

1. Juno. Ich würde mich schämen, Jupiter, wenn ich einen so weibischen, von Trunkenheit entnervten Sohn hätte, wie dein Bacchus ist. Die Haare mit einer weibermäßigen Kopfbinde umwunden, treibt er sich unter rasenden Dirnen, üppiger als sie selbst, herum, tanzt unter dem Schalle der Trommeln, Pfeiffen und Cymbeln, und ist in allen Stücken jedem Andern ähnlicher als dir, seinem Vater.

Jupiter. Und doch, Juno, ist es derselbe üppige Weichling, mit seinem weibischen Kopfschmuck, der nicht nur Lydien erobert, die Anwohner des Tmolus bezwungen, und [155] die Thracier in seine Gewalt gebracht hat, sondern mit diesem Weiberheere bis Indien vordrang, wo er die Elephanten bändigte, das ganze Land einnahm, und den König, der einen kleinen Versuch des Widerstandes wagte, gefangen davon führte, und das Alles tanzend und springend, trunken, wie du sagst, und schwärmend, und den epheuumkränzten Thyrsusstab in der Hand. Und wo sich einer unterstand, ihn zu lästern und seine Weihen zu schmähen, den ließ er zur Strafe mit Weinranken fesseln, oder, wie den Pentheus, von seiner eigenen Mutter für ein Hirschkalb angesehen und zerrissen werden. Sind das nicht mannhafte Thaten, mit welchen er seinem Vater keine Schande macht? Mag auch Scherz und üppiger Muthwillen mit unterlaufen: verdenke ihm das nicht, und schließe aus diesen Thaten des Trunkenen, was er nüchtern seyn müßte.

2. Juno. Ich glaube gar, du willst noch seine Erfindung der Rebe und des Weins ihm zum Verdienste machen, ungeachtet du siehst, welche Thorheiten die Betrunkenen in ihrem Taumel begehen, und wie dieser Trank sie zu Freveln aller Art, ja zur Raserei hinreißt. Haben nicht den Icarius, den Ersten, der von ihm eine Weinrebe geschenkt erhalten hatte, seine eigenen Trinkgenossen mit Karsten todt geschlagen?

Jupiter. Das will gar nichts sagen: daran ist weder Bacchus noch der Wein Schuld, sondern das, daß die Leute ihn unvermischt und in ungebührlicher Menge in sich hinein gießen. Wer ihn mit Maß trinkt, wird nur desto liebenswürdiger und aufgeweckter, und es wird ihm nicht einfallen, sich an einem seiner Mittrinker so wie jene an Icarius zu [156] vergreifen. – Aber ich sehe schon, Juno, der Gedanke an Semele läßt deiner Eifersucht keine Ruhe: darum suchst du auch das rühmlichste Verdienst des Bacchus gehässig zu machen.


XIX. Warum Amor einige Göttinnen verschone.
Venus. Amor.

1. Venus. Wie kommt es doch, Amor, daß du über alle übrigen Götter, über Jupitern, Neptun, Apoll, die Rhea, und mich selbst, deine leibliche Mutter, Meister geworden bist, und nur der Minerva nichts anhaben willst, und daß nur für diese deine Fackel keine Zündkraft, dein Köcher keine Pfeile hat?

Amor. Ich fürchte mich vor ihr, liebe Mutter; sie hat einen schrecklich rollenden Blick und ein so strenges mannhaftes Aussehen. Wenn ich auch mit gespanntem Bogen mich ihr nähere, so schüttelt sie ihren Helmbusch und bringt mich so außer Fassung, daß ich zittere, und die Pfeile mir aus den Händen gleiten.

Venus. Ist denn Mars nicht noch furchtbarer? und dennoch hast du ihn entwaffnet und überwunden.

Amor. O, der läßt mich recht gerne herankommen, und ruft mich wohl selbst. Minerva aber sieht mich immer so mißtrauisch an, und als ich einmal von ungefähr an ihr vorbeiflog, und ihr mit der Fackel etwas zu nahe kam, so fuhr sie auf und sagte: bleibe mir vom Leibe, oder, bei meinem [157] Vater, ich spieße dich mit dieser Lanze durch und durch, oder fasse dich bei einem Beine und schleudre dich in den Tartarus, oder reiße dich mit eigenen Händen in Stücken. Solche Drohungen stieß sie noch viele aus. Auch macht sie ein grimmiges Gesicht, und trägt auf der Brust eine gräuliche Fratze mit Schlangenhaaren, welche mir immer den größten Schreck einjagt, so daß ich mich flüchten muß, sobald ich sie nur ansichtig werde.

2. Venus. Die Minerva und ihren Medusenkopf fürchtest du also, wiewohl dir selbst der Donnerkeil Jupiters nicht bange machte. Warum bleiben aber die Musen von dir unverletzt und ausser dem Bereich deiner Geschoße? Die haben doch wohl keine Helmbüsche zu schütteln und keine Gorgonen zu zeigen?

Amor. Vor diesen habe ich zu viele Achtung, Mutter: sie haben ein so ehrwürdiges Aussehen, und sind immer in Nachsinnen vertieft, oder mit Liedern beschäftigt. Oft bleibe ich bei ihnen stehen, ganz bezaubert von ihrem Gesange.

Venus. So laß sie immerhin in Ruhe, weil sie doch so ehrwürdig sind. Aber auch die Diana triffst du nicht; warum das?

Amor. Weil ihr überhaupt gar nicht beizukommen ist, da sie jedesmal in ihre Berge entflieht. Und dann hat sie ja schon ihre eigene Liebhaberei.

Venus. Und diese wäre?

Amor. Die Jagd, ihre Hirsche und Rehe, denen sie beständig nachläuft, um sie zu fangen oder zu erlegen: in solchen Dingen lebt sie ganz und gar. Ihren Bruder übrigens, [158] der doch auch ein Bogenschütze, und zumal ein recht ferntreffender ist, habe ich –

Venus. Ich weiß, ich weiß, mein Söhnchen, den hast du wohl oft genug getroffen.


XX. Das Urtheil des Paris.
Jupiter. Merkur. Juno. Minerva. Venus. Paris (auch Alexander genannt).

1. Jupiter. Merkur! Nimm diesen Apfel da, und begieb dich damit nach Phrygien zu Paris, dem Sohne des Priamus, der gegenwärtig auf dem Idagebirge, und zwar auf dem Gargarus, die Rinder weidet, und sage ihm: da er selbst schön wäre und in Liebesangelegenheiten wohl Bescheid wisse, so lasse ihm Jupiter den Befehl zugehen, zu entscheiden, welche von diesen drei Göttinnen die schönste sey: der Siegerin in diesem Streite hätte er sodann als Preis diesen Apfel zu ertheilen. – Nun habt ihr drei euch gleichfalls zu diesem Schiedsrichter zu verfügen. Denn ich begebe mich in dieser Sache meines Urtheils, da ihr mir gleich lieb seyd, und ich, wenn es möglich wäre, am liebsten euch alle drei siegen sähe: zumal da es unvermeidlich wäre, wenn ich einer Einzigen den Preis der Schönheit ertheilte, daß ich mich nicht bei den Andern für immer verfeindete. Aus diesen Gründen tauge ich für euch nicht zum Schiedsrichter. Der junge Phrygier hingegen, zu welchem ihr zu gehen im Begriffe seyd, ist königlichen Geblütes und ein naher Verwandter [159] unseres Ganymedes, im Uebrigen ein schlichter Bergsohn, den wohl Niemand einer solchen Schau für unwürdig halten wird.

2. Venus. Was mich betrifft, Jupiter, so darfst du auch den Momus zum Richter zwischen uns bestellen: ich würde mich keck seiner Prüfung unterwerfen. Denn was wollte er an mir auszusetzen finden? Diese beide aber müssen sich jenen Menschen auch gefallen lassen.

Juno. Auch wir fürchten uns keineswegs, meine Venus, und sollte selbst dein Mars mit der Entscheidung beauftragt werden. Wer also dieser Paris seyn mag, wir nehmen ihn gerne an.

Jupiter [zu Minerva]. Und du, meine Tochter, bist du’s auch zufrieden? Sagst du nichts? Ha, du wirst roth und wendest dich weg. Das ist nun schon so bei euch Jungfrauen, daß ihr über dergleichen Dinge roth werdet: doch verräth dein Nicken, daß du zustimmst. So geht denn; aber daß ihr mir ja nicht über euren Richter erbost werdet, und dem armen Jungen was zu Leide thut! Es können ja doch nicht alle drei gleich schön seyn.

3. Merkur. Wir gehen nun gerades Weges nach Phrygien: ich gehe voran und ihr folgt mir raschen Schrittes. Habt guten Muth: ich kenne den Paris, er ist ein schöner liebeskundiger Jüngling, der sich für Entscheidungen dieser Art vortrefflich eignet. Er wird gewiß keinen ungeschickten Ausspruch thun.

Venus. Das ist ja vortrefflich: denn wenn er gerecht ist, so kann es nur zu meinem Vortheil seyn. Aber sage mir, hat er bereits eine Gattin, oder ist er unvermählt?

[160] Merkur. Nicht so ganz, Venus.

Venus. Wie so?

Merkur. Eine Idäerin lebt, glaube ich, mit ihm, eine nicht eben häßliche, aber plumpe und derbe Dirne aus dem Gebirge. Er scheint ihr übrigens wenige Aufmerksamkeit zu schenken. – Warum fragst du mich aber das?

Venus. Je nun, ich habe nur so gefragt.

4. Minerva. Du handelst gegen deine Instruktion, Merkur, wenn du dich mit der da in ein besonderes Gespräch einlässest.

Merkur. Es ist nichts von Bedeutung, Minerva. Wir sprachen gar nicht über euch. Sie fragte mich blos, ob Paris noch unvermählt wäre.

Minerva. Warum will sie das wissen, die Vorwitzige?

Merkur. Was weiß ich? Sie spricht, es wäre ihr nur so zufällig eingefallen, darnach zu fragen.

Minerva. Und was sagtest du? Ist er es wirklich noch?

Merkur. Ich glaube nicht.

Minerva. Aber hat er Neigung zu kriegerischen Dingen? Liebt er den Ruhm? Oder ist er nichts als ein bloser Kuhhirt?

Merkur. Ich kann in der That nichts Bestimmtes hierüber angeben: doch läßt sich vermuthen, er werde, da er noch jung ist, auch nicht ohne Neigung für diese Dinge seyn und in Schlachten allerdings sich auszuzeichnen wünschen.

Venus. Siehst du nun, Merkur? Ich mache dir keinen Vorwurf darüber, daß du mit dieser hier ein Nebengespräch führest: so mißtrauisch und tadelsüchtig ist Venus nicht.

[161] 5. Merkur. Sie fragte mich beinahe das Nämliche: nimm es also nicht übel, und glaube nicht, im Nachtheile zu seyn, wenn ich auch ihr ganz einfach sagte, was ich wußte. – Aber indem wir so reden, sind wir bereits weit vorangekommen, und haben die Sterne schon hoch über uns. Was hier vor uns liegt, ist Phrygien: schon sehe ich ja den Ida und den Gargarus ganz deutlich, und wirklich, wenn mich nicht Alles trügt, auch sogar euren Schiedsrichter Paris auf demselben.

Juno. Wo denn? ich sehe noch nichts.

Merkur. Hier, Juno, links, nicht dort auf der Spitze des Berges, sondern an dem Abhange, wo du die Höhle und die Heerde siehest.

Juno. Ich sehe aber keine Heerde.

Merkur. Wie? siehest du denn die winzigen Kühe nicht hierunten, kaum halb Fingerslang, die dort aus den Felsen hervorkommen, und dort Einen mit einem Stecken in der Hand, der von der Felshöhe herabläuft, und sie zurücktreibt, damit die Heerde sich nicht verlaufe?

Juno. Jetzt sehe ich ihn: der ist’s also?

Merkur. Er ist’s. – Weil wir nun der Erde ganz nahe sind, so wollen wir uns, wenn es euch gefällt, hier niederlassen, und uns ihm zu Fuße nähern; es würde ihn zu sehr bestürzen, wenn wir so plötzlich auf ihn herabgeflogen kämen.

Juno. Du hast Recht: machen wir es so. – Da wir nun zur Erde sind, so ist es an dir, Venus, voranzugehen und uns den Weg zu weisen. Du mußt ja wohl dieser Gegend [162] ganz kundig seyn, da du, wie verlautet, gar oft, den Anchises zu besuchen, hier gewesen bist.

Venus. Mit solchen Neckereien bringst du mich nicht auf, Juno!

6. Merkur. Ich werde euch den Weg schon zeigen: ich war ja auch oft und viel auf dem Ida, als Jupiter in den phrygischen Knaben[10] verliebt war: damals schickte er mich einmal um das andere hieher, um nach dem Jungen zu sehen. Und als er sich in den Adler verwandelte, flog ich neben ihm her, und half ihm seinen Liebling tragen. Und wenn ich mich recht erinnere, so war es gerade dieser Fels, von welchem er ihn entführte. Der Knabe saß eben bei seiner Heerde, und blies auf der Hirtenflöte, als Jupiter hinter ihm herabgeflogen kam, so sanft als möglich die Krallen um ihn schlug, die Kopfbedeckung desselben mit dem Schnabel faßte, und so den bestürzten Knaben in die Lüfte führte, der mit zurückgebogenem Nacken angstvoll zu ihm emporblickte. Ich hob inzwischen die Flöte auf, die er vor Schrecken hatte fallen lassen. – – Aber jetzt sind wir unserem Schiedsrichter so nahe, daß wir ihn anreden wollen. Guten Tag, Kuhhirt!

7. Paris. Dir auch so viel, junger Mann. Was bringt dich zu mir hieher? Und was hast du da für Weiber bei dir? Sie sehen keinen Gebirgsbewohnerinnen gleich, dazu sind sie zu schön.

Merkur. Es sind keine Weiber, mein guter Paris. Die Juno, die Minerva, die Venus siehst du hier vor dir, und mich den Merkur, den Jupiter gesandt hat, dir zu sagen – [163] aber was ist dir? Du zitterst ja und wirst bleich. Fürchte dich nicht: es ist nichts Schlimmes. Jupiter trägt dir auf, zu entscheiden, welche von diesen dreien die schönste sey. Da du selbst schön wärest, und in Liebesangelegenheiten Bescheid wüßtest, so wolle er deiner Einsicht diesen Ausspruch überlassen. Was der Preis dieses Kampfes ist, wirst du auf diesem Apfel lesen.

Paris. Laß doch sehen; hier steht: die Schönste soll ihn haben. – Wie sollte aber ich, erhabener Merkur, ein Sterblicher und noch dazu ein bloser Landmann, über Schönheiten richten können, deren wundervoller Anblick für einen armen Kuhhirten viel zu erhaben ist! Dergleichen zu beurtheilen möchte noch eher ein feiner Städter vermögen. Fragte sich’s von Ziegen oder Kühen, welche die schönste sey, so wußte ich das ganz kunstmäßig zu entscheiden. Aber diese drei sind alle gleich schön, und ich weiß nicht, wie es Einer machen soll, um die Augen von der Einen auf die Andere zu wenden: man bringt sie gar nicht von der Stelle, und auf was sie sich gleich anfänglich hefteten, daran bleiben sie hängen, und das dünkt ihnen das Schönste. Fällt aber der Blick auf einen andern Punkt, so vertieft er sich in Betrachtung des neuen Schönen, bis ihn wieder der Reiz des nächsten eben so mächtig ergreift. Mit Einem Worte, ich fühle mich von dem Zauber dieser Schönheit so ganz und gar umflossen und umfangen, daß ich es beklage, nicht, wie Argus, nur Ein Auge zu seyn. Ich denke am besten zu richten, wenn ich den Apfel allen dreien gebe. Zudem trifft es sich ja, daß die Eine Jupiter’s Schwester und Gemahlin, und jede der [164] beiden Andern seine Tochter ist. Wie sollte nicht schon deswegen die Wahl höchst schwierig seyn?

Merkur. Dem sey wie ihm wolle: es geht nun einmal nicht an, daß du dich einem Befehle Jupiter’s entziehest.

8. Paris. So bitte ich dich nur um das Einzige, Merkur: rede ihnen zu, daß die Beiden, die verlieren werden, mir deswegen nicht zürnen, sondern die Schuld der Blödigkeit meines Blickes zuschreiben möchten.

Merkur. Das versprechen sie dir. So beginne nun deine Prüfung.

Paris. Was kann ich machen? Ich will’s versuchen. Vorerst aber möchte ich wissen, ob es genügt, sie zu betrachten, wie sie da sind, oder ob es Behufs genauerer Untersuchung nöthig seyn wird, daß sie sich entkleiden?

Merkur. Das kommt blos auf dich, den Richter, an: du hast zu erklären, wie du es haben willst.

Paris. Wie ich es haben will? Nun ich will haben, sie sollen nackt erscheinen.

Merkur. So entkleidet euch denn! Und du magst zusehen, ich aber entferne mich.

9. Venus. Schön von dir, Paris! Ich will mich nun gleich zuerst entkleiden, daß du sehen sollst, wie nicht blos ein Paar weiße Arme oder große Augen[11] mein ganzer Stolz sind, sondern daß ich überall gleich schön bin.

Minerva. Sie soll sich nicht eher entkleiden, Paris, bevor sie ihren Gürtel abgelegt hat, womit dich die Zauberin [165] behexen könnte. Ueberhaupt sollte man ihr gar nicht erlauben, mit angenommenen Reizen und aufgelegter Hautfarbe, wie eine ächte Buhlerin, zu erscheinen, statt ihre Schönheit einfach und natürlich zu geben, wie sie ist.

Paris. Sie haben Recht, was den Gürtel betrifft: lege ihn ab.

Venus. Und warum nimmst denn du nicht auch deinen Helm ab, Minerva, und zeigst dich in bloßem Kopfe? Willst du etwa mit dem Schütteln deines Busches den Richter einschüchtern?[12] Oder fürchtest du, die Häßlichkeit deiner Eulenaugen möchte an den Tag kommen, wenn das Furchtbare, welches ihnen der Helm giebt, fehlt?[13]

Minerva. Hier liegt mein Helm.

Venus. Hier auch mein Gürtel.

Juno. Entkleiden wir uns! – –

10. Paris. O wunderthätiger Jupiter! Welch ein herrlicher köstlicher Anblick! Was das eine Jungfrau ist? – Und diese da, welche königliche Erscheinung, welcher Glanz der Majestät strahlt von ihr aus, wie so ganz des Jupiter’s würdig! – Und die dritte, ach! wie die so süß blickt! wie reizend, wie hinreißend sie lächelt! – Doch – zu viel der Wonne auf einmal. Ich will, wenn es euch gefällt, jede abgesondert von den übrigen betrachten; denn wie ihr jetzt vor mir steht, komme ich zu keinem Urtheil: ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinsehen soll, so sehr werden meine Blicke von allen Seiten angezogen.

[166] Venus. Wie du willst.

Paris. So entfernt euch, ihr beiden: und du, Juno, bleibe hier.

Juno. Ich bleibe; und wenn du mich genau betrachtet hast, so überlege dann auch, ob dir das Geschenk gefällt, das du erhalten sollst, wenn du dich für mich entscheidest. Denn höre, lieber Paris: erklärst du, daß ich die schönste sey, so sollst du Herr von ganz Asien seyn.

11. Paris. Von Geschenken ist mein Entschluß nicht abhängig. Trete nun ab: es wird geschehen, was ich für recht halten werde. – Komm nun du herbei, Minerva.

Minerva. Hier bin ich. Sage, ich sey die schönste, guter Paris, und du sollst siegreich aus jedem Kampf gehen: zu einem unüberwindlichen Kriegshelden will ich dich machen.

Paris. O ich brauche Krieg und Kampf gar nicht, Minerva. Siehst du, es ruht ja tiefer Friede auf Phrygien und Lydien, und meines Vaters Herrschaft ist von keinem Kriege bedroht. Sorge nicht; du wirst nicht übervortheilt werden, auch wenn ich nicht nach Geschenken entscheide. – Ziehe dich nur immer wieder an, und setze deinen Helm auf: ich habe dich hinlänglich betrachtet. Nun soll Venus erscheinen.

12. Venus. Die ist schon da. Betrachte mich nun von oben bis unten recht genau, übergehe nichts, sondern verweile auf jedem einzelnen Theile besonders. Wenn du aber willst, schöner Jüngling, so höre, was ich dir sagen will. Längst schon bemerkte ich dich: du bist jung und schön, so schön, wie keiner in ganz Phrygien, und ich preise dich glücklich deswegen; aber das kann ich nicht loben, daß du [167] diese öden Felsen nicht verlässest, um in der Stadt zu leben, sondern die Blüthen deiner Schönheit dieser Wildniß opfern willst. Welche Freuden hast du denn auf den Bergen hier? Was haben diese Rinder von deinen Reizen? Du solltest längst vermählt seyn, aber freilich nicht mit einer plumpen Dorfdirne, wie eure Mädchen auf dem Ida sind, sondern mit einer Griechin aus Argos, Corinth oder Sparta, zum Beispiel mit einer Helena; diese ist jung, schön, in Allem, wie ich selbst, und, was die Hauptsache ist, sehr verliebt. Ich bin gewiß, sie wird sich, wenn sie dich nur sieht, in deine Arme werfen und Alles im Stiche lassen, um dir zu folgen und mit dir zu leben. Gewiß hast du schon von ihr gehört.

Paris. Noch nichts, Venus. Aber es machte mir Vergnügen, Alles zu hören, was du von ihr weißt.

13. Venus. Sie ist die Tochter der berühmten schönen Leda, die Jupiter einst in der Gestalt eines Schwans besuchte.

Paris. Und ihr Aussehen?

Venus. Sie ist so weiß, wie nur die Tochter eines Schwans, und so zart, wie nur ein Mädchen seyn kann, das einem Ey entschlüpfte, eine gewandte, gymnastische Spartanerin, um die man sich so gewaltig riß, daß, da sie von Theseus beinahe noch als Kind entführt worden war, ein blutiger Krieg um ihretwillen entstand. Kaum aber hatte sie die jungfräuliche Blüthe erreicht, als alle die edelsten Fürsten der Achäer, um sie zu freien, sich einfanden. Der Pelopide Menelaus erhielt den Vorzug; wenn du aber willst, so will ich machen, daß sie dein Weib wird.

[168] Paris. Wie? Sie, die bereits das Weib eines Andern ist?

Venus. Guter Junge, du bist auf dem Lande aufgewachsen: ich weiß am besten, wie das zu machen ist.

Paris. Nun das möchte ich denn doch wohl wissen.

14. Venus. Du hast vor der Hand nichts zu thun, als eine Reise nach Griechenland zu machen; du kommst, unter dem Vorwande, dieses Land zu sehen, auch nach Lacedämon, und dort bekommt dich Helena zu Gesichte; nun laß es meine Sache seyn, dafür zu sorgen, daß sie sich in dich verliebe und mit dir ziehe.

Paris. Das ist es eben, was ich noch nicht recht glauben kann, daß sie Lust bekommen sollte, ihren Mann zu verlassen, und mit einem wildfremden Menschen sich einzuschiffen.

Venus. Laß dich das nicht anfechten. Ich habe zwei gar hübsche Söhnchen, Himeros und Amor; die werde ich dir zu Begleitern auf deiner Reise mitgeben. Amor soll ganz in sie übergehen, und sie zum Lieben zwingen. Himeros, der Liebreiz, aber wird sich um dich ergießen, und dich, was er selbst ist, reizend und liebenswürdig machen. Ich werde selbst um euch seyn, und auch die Gratien bitten, uns zu begleiten: und so werden wir vereint doch wohl die Helena gewinnen.

Paris. Wie dieß ablaufen wird, ist wohl so entschieden noch nicht: dennoch bin ich in diese Helena schon ganz verliebt, und es ist mir, als ob ich sie bereits vor mir sähe. Ich segle in Gedanken stracks nach Griechenland, komme nach Sparta, kehre zurück mit dem schönsten Weibe, und das einzige, [169] was mich verdrießt, ist – daß ich das Alles nicht schon wirklich thue.

15. Venus. Geduld, Paris, liebe sie nicht eher, bis du mir, der Freiwerberin, welche dir deine Braut zuführen soll, mit deinem günstigen Ausspruche gelohnt hast. Wie schön, wenn ich meines Sieges froh mit euch zöge, und wir dann gemeinschaftlich dein Hochzeit- und mein Siegesfest feierten! Es steht nun in deiner Wahl, Liebesglück, Schönheit und Hochzeitfreude mit diesem Apfel zu erkaufen.

Paris. Ich fürchte nur, wenn ich mein Urtheil gefällt habe, wirst du nachher meiner nicht mehr gedenken.

Venus. Soll ich schwören?

Paris. Das nicht: aber versprich es mir noch einmal.

Venus. So verspreche ich dir denn, daß ich dir die Helena zur Frau geben will, und daß sie dir folgen und mit dir zu den Deinigen nach Ilium kommen soll: ich will selbst gegenwärtig und dir zu Allem behülflich seyn.

Paris. Auch den Amor, den Himeros und die Gratien wirst du mitbringen?

Venus. Verlasse dich drauf, und den Pothos[14] und Hymenäus obendrein.

Paris. Nun also, auf diese Bedingungen – hier ist der Apfel.

[170]
XXI. Eine Prahlerei Jupiter’s.
Mars. Merkur.

1. Mars. Hast du gehört, Merkur, was uns Jupiter gedroht hat? Wahrlich, es war eben so übermüthig, als ungereimt. Wenn es mir einfällt, sagte er, lasse ich eine Kette vom Himmel hinab, und ihr sollt euch Alle daran hängen, und mich mit aller Gewalt hinabzuziehen suchen: dennoch werdet ihr euch vergeblich abarbeiten, ihr bringt mich nicht hinunter. Ich hingegen, wenn ich aufwärts ziehen will, ziehe nicht nur euch, sondern die Erde und das Meer sammt und sonders hoch in die Lüfte – und was dergleichen mehr war, wie du selbst gehört haben wirst. Ich will nun nicht in Abrede ziehen, daß Jupiter stärker und mächtiger ist, als jeder Einzelne von uns. Aber daß wir Alle insgesammt ihm so sehr nachstehen sollten, daß wir ihn mit unserem Gewicht nicht niederziehen könnten, auch wenn wir noch Erde und Meer dazu nähmen, das soll er mir nicht weiß machen wollen.

2. Merkur. So sey doch um’s Himmels willen still, Mars. Wie unbesonnen, solche Reden zu führen! Dein Geschwätz könnte uns theuer zu stehen kommen.

Mars. Glaubst du denn, ich werde so etwas zu Allen sagen, und nicht blos zu dir allein, von dem ich wohl weiß, daß er reinen Mund halten wird? Was mir aber am lächerlichsten vorkam, als ich ihn so prahlen hörte, kann ich dir unmöglich verschweigen. Es fiel mir ein, wie noch ganz neulich Neptun, Juno und Minerva sich wider ihn erhoben, und einen Anschlag machten, ihn zu ergreifen und zu binden, wie [171] er sich da verfärbte vor Angst, wiewohl nur ihrer drei gegen ihn waren. Und hätte damals die Thetis nicht aus Mitleid den hunderthändigen Briareus zu Hülfe gerufen, er wäre wirklich sammt seinem Blitz und Donner gebunden worden. Indem ich nun an jenen Auftritt dachte, kam mir das Lachen an, wie er jetzt den Mund so voll nahm.

Merkur. Schweig doch. Es ist für mich eben so gefährlich, solche Dinge anzuhören, als für dich, sie zu sagen.


XXII. Die Vaterschaft.
Pan. Merkur.

1. Pan. Guten Tag, Vater Merkur.

Merkur. Guten Tag: aber wie komme ich dazu, dein Vater zu heißen?

Pan. Bist du denn nicht Merkur von Cyllene?[15]

Merkur. Das allerdings: aber wie kommt’s, daß du mein Sohn bist?

Pan. So ein Nebensprößling bin ich, ein Kind der Liebe.

Merkur. Doch nicht von mir? Zum Jupiter: ein Bock und eine Ziege mögen deine Eltern seyn. Du hast ja Hörner, eine krumme Nase, einen Zottelbart, gespaltene Bocksfüße und einen Schwanz unter dem Rücken.

Pan. Je mehr du dich über deinen Sohn lustig machst, desto weniger Ehre machst du dir selbst, dem Erzeuger solcher Schönheiten. Ich bin unschuldig an meiner Gestalt.

[172] Merkur. Und wen giebst du denn für deine Mutter aus? Ich habe doch wohl nicht, ohne es zu wissen, einmal mit einer Ziege zu thun gehabt.

Pan. Das nicht, aber besinne dich doch: hast du nicht einmal in Arcadien einem Mädchen von guter Herkunft Gewalt angethan? Was nagst du so am Finger, als ob du dich nicht zu erinnern wüßtest? Ich meine die Tochter des Icarius, die Penelope.

Merkur. Was kam sie denn aber an, einen Sohn zu gebären, der anstatt mir, einem Ziegenbocke gleich sieht?

2. Pan. Ich will dir sagen, was ich von ihr selbst weiß. Als sie mich nach Arcadien schickte, sprach sie zu mir: Mein Sohn, ich, deine Mutter, bin die Spartanerin Penelope; wisse aber, daß du einen Gott zum Vater hast, den Merkur, Jupiter’s und der Maja Sohn. Daß du gehörnt und bocksfüßig bist, darüber betrübe dich nicht. Dein Vater besuchte mich in Bocksgestalt, um nicht entdeckt zu werden: daher deine Ähnlichkeit mit derselben.

Merkur. In der That, ich erinnere mich wieder, so etwas einmal gethan zu haben. Aber nun soll ich, der ich mir immer auf meine Wohlgestalt etwas zu Gute gethan, und noch immer ein glattes Kinn habe, nun soll ich mich deinen Vater heißen und von aller Welt meiner schönen Zucht wegen auslachen lassen?

3. Pan. Dennoch mache ich dir keine Schande, Vater. Ich bin ein Tonkünstler, und blase auf der Hirtenflöte gar lieblich. Bacchus, der ohne mich nichts vornehmen kann, hat mich zu seinem steten Gefährten und Anführer seines schwärmenden Gefolges gemacht. Und wenn du meine Heerden sehen [173] wolltest, die ich bei Tegea und um den Parthenius habe, du würdest gewiß eine große Freude haben. Ich bin Herr von ganz Arcadien, und erst neulich zog ich den Athenern zu Hülfe, und hielt mich bei Marathon so brav, daß man mir zum Preis meiner Tapferkeit die Höhle unter der Burg als Eigenthum zusprach. Wenn du einmal nach Athen kommst, so wirst du bald hören, wie viel dort der Name Pan gilt.

4. Merkur. Nun also, Pan – wenn dieß, wie ich glaube, dein Name ist – bist du auch schon verheurathet?

Pan. O nein, mein Vater! Ich bin viel zu verliebt, als daß ich mich mit Einer begnügen könnte.

Merkur. Ha, ich merke, die Ziegen sind deine Gesellschafterinnen.

Pan. Du spaßest: nein, ich habe es mit der Echo, der Pitys, und sämmtlichen Mänaden des Bacchus zu thun, und in der That, sie sind mir sehr eifrig zugethan.

Merkur. Weißt du nun, mein Sohn, was meine erste Bitte an dich ist, mit deren Erfüllung du mir einen großen Gefallen thun kannst?

Pan. Befiehl immerhin, mein Vater: wir wollen sehen, was möglich ist.

Merkur. Komm’ her und umarme mich. Aber um das bitte ich: vermeide es, mich Vater zu nennen, wenn es Jemand hören könnte.

[174]
XXIII. Die Söhne der Venus.[WS 7]
Apoll. Bacchus.

1. Apoll. Wer sollte glauben, Bacchus, daß Amor, Hermaphrodit und Priap Söhne einer und derselben Mutter wären, da sie doch nach Aussehen und Neigungen so himmelweit von einander unterschieden sind? Der erste ist vollendet schön, ein trefflicher Bogenschütz, und mit einer Macht bekleidet, mit welcher er Herrscher über Alles ist. Hermaphrodit ist ein weibischer Halbmann von so unentschiedenen Formen und Zügen, daß man wirklich seiner Sache nicht gewiß ist, ob man einen Jüngling oder ein Mädchen vor sich hat. Priap’s Mannheit hingegen streift noch über die Gränzen des Anständigen.

Bacchus. Laß dich das nicht wundern, Apoll. Venus hat hieran keine Schuld, sondern die Väter waren zu sehr verschieden. Ist es ja doch nicht eben selten, daß eben dieselbe Mutter von Einem Vater mit zwei Kindern verschiedenen Geschlechtes zugleich niederkommt, wie es bei dir und Dianen der Fall war.

Apoll. Sehr wahr: allein wir beide sehen uns doch gleich, und haben gleiche Neigungen: wir sind beide Bogenschützen.

Bacchus. Darin trefft ihr allerdings zusammen, Apoll. Aber das ist doch wohl eine Verschiedenheit, daß Diana bei den Scythen die Fremdlinge schlachtet, du hingegen Kranke heilest und Orakel ertheilest.

Apoll. Glaubst du denn, daß meine Schwester eine so große Freude an den Scythen habe? Im Gegentheil, jenes [175] Metzeln ist ihr ein solcher Gräuel, daß sie entschlossen ist, mit dem ersten Griechen, der nach Taurien kommen wird, sich einzuschiffen.

2. Bacchus. Daran wird sie wohl thun. Um aber wieder auf Priap zu kommen – von dem muß ich dir doch etwas Lustiges erzählen. Kürzlich kam ich nach Lampsacus, und wollte bereits die Stadt vorübergehen, als Priap mich einlud, bei ihm zu übernachten. Ich nahm es an, und nachdem wir uns nach Tische tüchtig beträufelt hatten, begaben wir uns zur Ruhe. Mitten in der Nacht stand mein Ehrenmann auf, und – – ich schäme mich wahrhaftig, es zu sagen.

Apoll. Wollte dir zu Leibe, nicht wahr?

Bacchus. Es ist so was.

Apoll. Und was thatest du?

Bacchus. Was anders, als ihn auslachen?

Apoll. Schön von dir, daß du die Sache nicht hoch aufnahmst und darüber nicht hitzig wurdest. Es läßt sich ihm doch wohl zu Gute halten, wenn ihn ein so reizender Jüngling, wie du, nicht kalt ließ.

Bacchus. O, wenn es darauf ankommt, Apoll, so hätte er noch vielmehr Ursache, seine Versuche dir gelten zu lassen; deine Schönheit und deine Locken könnten machen, daß dir ein Priap auch nüchtern über den Hals käme.

Apoll. Das wird er wohl bleiben lassen, lieber Bacchus. Ich bin nicht allein mit Locken, sondern auch mit Bogen und Pfeilen versehen.

[176]
XXIV. Merkur’s Klagen.
Merkur. Maja.

1. Merkur. Giebt es wohl, liebe Mutter, im ganzen Himmel einen geplagtern Gott, als mich?

Maja. Sage doch nicht so etwas, mein Sohn!

Merkur. Warum soll ich es nicht sagen? Ich, der ich eine Menge von Geschäften zu besorgen habe, immer allein arbeiten und mich zu so vielen Knechtsdiensten herumzerren lassen muß? Morgens mit dem Frühsten muß ich aufstehen, und den Speisesaal auskehren, die Polster im Rathszimmer zurechte legen, und wenn Alles an Ort und Stelle ist, bei Jupitern aufwarten, und den ganzen Tag mit seinen Botschaften auf und ab den Courier machen. Kaum zurückgekommen und mit Staube noch bedeckt, muß ich die Ambrosia auftragen, und ehe der neugekaufte Mundschenk da war, hatte ich auch den Nektar einzuschenken. Und, was noch das Aergste ist, ich bin der Einzige, dem man auch des Nachts keine Ruhe läßt: denn da muß ich dem Pluto die Seelen der Verstorbenen zuführen, und beim Todtengerichte Aufwärtersdienste thun. Denn es ist nicht genug an den Arbeiten des Tages, daß ich den Ringübungen anzuwohnen, den Herold in den Volksversammlungen zu machen, den Volksrednern beim Einstudiren ihrer Vorträge zu helfen habe; nein, ich muß, in so viele Geschäfte zerstückelt, auch noch das gesammte Todtenwesen mitbesorgen.

2. Die Söhne der Leda sind doch nur einen Tag um den andern, der eine im Himmel, der andere in der Unterwelt: ich hingegen habe tagtäglich an beiden Orten zu thun. [177] Die Söhne der Alcmene und Semele, die doch nur armselige sterbliche Weiber waren, schmausen ganz sorgenfrei, und ich, der Atlantide Maja Sohn, darf sie bedienen. So eben komme ich von Sidon, wo ich mich nach dem Befinden der Tochter des Cadmus[16] erkundigen mußte, und ohne mich zu Athem kommen zu lassen, schickt mich Jupiter nach Argos, um die Danaë zu besuchen, und auf dem Rückwege sagte er, wenn du durch Böotien kommst, sieh’ im Vorbeigehen auch ein wenig nach der Antiope. – Kurz und gut, nun halt’ ich’s nicht mehr aus. Wenn es doch nur möglich wäre: ich wollte mich ja gerne verkaufen lassen, wie’s die Sclaven auf der Erde machen, wenn sie eine schlimme Herrschaft haben.

Maja. Beruhige dich, mein Kind. Du bist noch jung, und mußt dich also in allen Stücken deinem Vater fügen. Und jetzt, da er dich abgeschickt hat, tummle dich nach Argos und von da nach Böotien, daß du nicht noch obendrein Schläge kriegst, wenn du zu lange ausbleibst; denn die Verliebten sind gar ungeduldig.


XXV. Phaëthon.
Jupiter. Helios.

1. Jupiter. Was hast du angerichtet, du heillosester aller Titanen? Alles auf der Erde ist zu Schanden gegangen, weil du einem dummen Jungen deinen Wagen anvertraut hast, mit welchem er der Erde zu nahe kam, und sie [178] zur Hälfte verbrannte, während die andere, weil ihr alle Wärme entzogen war, vor Kälte zu Grunde gieng. In der äußersten Verwirrung gieng alles drunter und drüber, und hätte ich nicht noch zu rechter Zeit gemerkt, was vorgieng, und ihn mit meinem Donnerkeil zu Boden geworfen, so wurde auch kein Restchen mehr vom ganzen Menschengeschlechte übrig seyn: so einen saubern Rossebändiger und Wagenlenker hast du uns geschickt.

Helios. Ich habe gefehlt, Jupiter. Doch zürne nicht, daß ich den vielen Bitten meines Sohnes endlich nachgab. Wie hätte ich mir auch vorstellen können, daß ein solches Unheil daraus entstehen würde?

Jupiter. Wie? Du wußtest nicht, wie achtsam dieses Geschäft behandelt seyn will, und wie, wenn man nur ein wenig aus der Bahn kommt, sogleich alles verloren ist? Du kanntest den raschen Muth deiner Rosse nicht, und wie nöthig es ist, sie scharf im Zügel zu halten, und wie sie im Augenblick meisterlos sind, sobald man nur ein wenig nachläßt? Im Nu hatten sie ja deinen Jungen aus dem Geleise, rissen ihn bald rechts, bald links, auf und ab, am Ende gar nach der entgegengesetzten Richtung: kurz sie thaten, was sie wollten, und er war nicht mehr im Stande, sie zu regieren.

2. Helios. Das wußte ich Alles wohl, und deßwegen weigerte ich mich so lange, ihm das Gespann anzuvertrauen. Wie er denn aber so gar flehentlich und mit Thränen bat, und seine Mutter Clymene mit ihm, so ließ ich ihn endlich den Wagen besteigen, und sagte ihm Alles, wie er sich fest hinzustellen habe, wie weit er mit verhängtem Zügel aufwärts fahren, und wie er dann wieder abwärts lenken, [179] wie immer Meister von den Zügeln bleiben und dem wilden Muth der Rosse nicht nachgeben müsse. Auch stellte ich ihm die Größe der Gefahr vor, die es hätte, wenn er nicht stets geradeaus führe. Allein kaum sah er sich von dem vielen Feuer umgeben, und die unermeßliche Tiefe unter sich, so verlor er, wie es bei einem so jungen Menschen wohl nicht anders seyn konnte, alle Fassung; die Pferde, sobald sie merkten, daß nicht ich es wäre, den sie hinter sich hätten, kehrten sich an den Knaben nicht, sondern rannten aus der Bahn und richteten so das ganze Unheil an. Der Junge ließ nun die Zügel fahren, vermuthlich aus Furcht, herabzufallen, und hielt sich am Wagen fest. Allein er hat ja bereits seine Strafe, Jupiter, und ich büße es hart genug mit der Trauer um ihn.

3. Jupiter. Hart genug, sagst du, für einen solchen Frevel? Dennoch will ich dir für dießmal vergeben haben. Wenn du aber in Zukunft etwas Aehnliches dir zu Schulden kommen lassen, oder wieder einen solchen Stellvertreter schicken wirst, so sollst du auf der Stelle erfahren, um wie viel mein Blitzstrahl heißer als dein Feuer brennt. Den Phaëthon sollen nun seine Schwestern am Eridanus begraben, wo er aus dem Wagen fiel, Bernstein auf ihn weinen, und aus Jammer zu Pappeln werden. Du aber hast deinen Wagen wieder auszubessern, denn die Deichsel ist in Stücken, auch eines der Räder zerbrochen: dann spanne deine Pferde wieder vor, und fahre zu. Aber vergiß nicht, was ich dir gesagt habe!

[180]
XXVI. Die Dioskuren.
Apoll. Merkur.

1. Apoll. Kannst du mir nicht sagen, Merkur, welcher von diesen beiden Kastor, und welcher Pollux ist? Ich weiß sie nicht von einander zu unterscheiden.

Merkur. Der gestern bei uns gewesen, war Kastor, und dieser da ist Pollux.

Apoll. Wie kennst du sie denn aus einander? Sie sind sich ja ganz gleich.

Merkur. Dieser da hat Narben von den Wunden im Gesichte, welche er von seinen Gegnern im Faustkampfe erhalten hat: besonders scharf ist er auf der Fahrt mit Iason von dem Bebrycier Amykus gezeichnet worden. Der Andere aber hat kein solches Merkmal: sein Gesicht ist ganz glatt, und hat nichts gelitten.

Apoll. Du hast mir wirklich einen Gefallen gethan, daß du mich auf diese Kennzeichen aufmerksam machtest: denn alles Uebrige ist bei Einem wie bei dem Andern, das halbe Ey mit dem Stern auf dem Kopfe, der Wurfspieß in der Hand, das weiße Pferd, das jeder hat – so daß ich schon öfters den Kastor als Pollux, und diesen als jenen anredete. Aber sage mir auch das noch: wie kommt es, daß nie beide zugleich bei uns sind, sondern daß abwechslungweise der Eine um den Andern heute ein Gott und morgen wieder ein Todter ist.

2. Merkur. Aus Bruderliebe geschieht das. Anstatt daß der Eine von Leda’s Söhnen todt, der Andere unsterblich seyn sollte, theilten sie die Unsterblichkeit unter sich.

[181] Apoll. Sie thaten nicht klug, Merkur: denn auf diese Art werden sie sich nicht einmal zu Gesichte bekommen, was sie doch wohl, wie es scheint, am meisten wünschten. Wie wäre das auch möglich, da der Eine bei den Göttern lebt, während der Andere unter den Verstorbenen ist? – Uebrigens treiben ja Alle von uns irgend eine den Göttern oder den Menschen nützliche Kunst: ich weissage, Aesculap heilt, du lehrest ringen und bist der beste Meister dieser Kunst, Diana entbindet: was werden denn nun diese für ein Geschäft bekommen? Oder werden die starken Bursche nichts bei uns zu thun haben, als müßig zu liegen und zu schmausen?

Merkur. Keineswegs: es ist ihnen aufgegeben, dem Neptun zu Diensten zu seyn, das Meer zu bereuten, und wo sie irgendwo einen Schiffer in Gefahr sehen, sich auf das Fahrzeug zu setzen und die Schiffenden zu retten.

Apoll. Wahrlich, Merkur, ein schönes und heilsames Geschäft!



  1. Gargarus, der höchste Punkt des trojanischen Ida-Gebirges.
  2. Pirithous, Sohn des Jupiter und der Dia, der Gemahlin Ixion’s.
  3. Der Sonnengott.
  4. Adonis.
  5. Weil er mir Hilfe seiner Mittel Todte auferweckt, und somit dem Reiche des Pluto, des Bruders von Jupiter entführt hatte.
  6. Ein Beiname des Apoll, als des Gottes der Heilkunde.
  7. S. Anacharsis 27.
  8. Ein Berg in Lakonien.
  9. Nämlich ΑΙ ΑΙ, die Laute der Wehklage.
  10. Ganymed.
  11. Anspielung auf die Beiwörter der Juno bei Homer: weißarmig und farrenäugig.
  12. S. oben XIX. 1.
  13. S. oben VIII, 2.
  14. Das sinnliche Verlangen.
  15. Einem Berge Arcadiens, wo Merkur geboren war.
  16. Der Europa, eigentlich Schwester des Cadmus.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Donnnerkeil
  2. Vorlage: in
  3. Vorlage: eines
  4. Vorlage: Oberschenk
  5. Vorlage: Jaherszeit
  6. Vorlage: Nio be
  7. Vorlage: XXXIII.