Merkur. Eben das ist’s, was auch mich verdrießt, und warum ich den Vulcan beneide. Prange du noch so sehr mit deinen üppigen Locken, Apoll, mit deinem Citherspiel und deiner Schönheit, wie ich mit meinem schlanken und gewandten Körper und meiner Lyra – was hilft’s, wenn es Schlafengehens Zeit ist, dürfen wir doch nur allein zu Bette.
2. Apoll. Ich bin überhaupt nicht glücklich in der Liebe. Von den beiden, die ich über Alles liebte, der Daphne und dem Hyacinth, war ich der Einen so zuwider, daß sie davon lief und lieber zu Holz werden, als mir sich hingeben wollte. Den Hyacinth aber brachte ich mit einem Diskuswurf um’s Leben: und statt beider habe ich nun Lorbeer- und Blumen-Kränze.
Merkur. Ich hatte wohl einmal die Venus – doch ich will mich nicht rühmen.
Apoll. Ich weiß, sie soll dir den Hermaphroditus geboren haben. – Aber sage mir doch, wenn du kannst, wie es kommt, daß Venus und die Grazie nicht eifersüchtig über einander sind?
3. Merkur. Weil die letztere auf Lemnus mit ihm lebte, die Venus aber im Himmel. Uebrigens kümmert sich diese wenig um den Schmidt, sondern ist viel zu sehr mit ihrem geliebten Mars beschäftigt.
Apoll. Glaubst du wohl, Vulkan wisse darum?
Merkur. Allerdings: allein was will er machen gegen einen so rüstigen jungen Soldaten? Er verhält sich ganz ruhig, droht aber ein künstliches Netz zu verfertigen, mit welchem er sie einmal, wenn sie beisammen sind, fangen wird.
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)