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Verfahren zur Herstellung hormonal wirksamer Verbindungen der Oestranreihe
Das Follikelhormon Oestron läßt sich bekanntlich aus natürlichen Ausgangsstoffen,
z. B. aus dem Harn schwangerer Frauen oder trächtiger Stuten, oder auch halbsynthetisch
aus Sterinen, beispielsweise aus Cholesterin auf dem Wege über das Dehydroandrosteron
und Androstadienolon gewinnen. Aus dem Oestron ist das oestrogen stärker wirksame
Oestradiol durch Reduktion der Carbonylgruppe zur Hydroxylgruppe herstellbar. Es
hat auch nicht an Versuchen gefehlt, das natürliche Oestron vollsynthetisch zu erhalten,
doch blieb diesen Versuchen der praktische Erfolg versagt. Zwar gibt Marker, Journal
of American Chemical Society, Bd. 6o (1938), S. 18q7 bis iqoo, an, durch Reduktion
von ß-Dihvdro-.equilenin mit Natrium in Amylalkohol Oestron erhalten zu haben, doch
sind nach seinen eignen Angaben die Ausbeuten sehr gering, 28 mg Oestron aus i g
Dihydroequilenin, und nach Angaben anderer Forscher und unseren eignen Befunden
sind die Ergebnisse Markers nicht regelmäßig reproduzierbar.
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Das Equilenin konnte nun von Bachmann, Cole und Wildes, Journal of
American Chemical Society, Bd. 62 (19q.0), S. 82q. bis 839, in seinen möglichen
vier isomeren Formen synthetisch erhalten werden. Es unterscheidet sich vom Oestron
dadurch, daß in ihm neben dem Ring A auch noch der Ring B aromatisch ist. Es kann
daher als ein Naphthalinderivat aufgefaßt werden.
Es wurde nun gefunden,
daß es möglich ist, auch Oestrone in guter Ausbeute und ferner io-Normethylandrostenverbindungen
zu erhalten, wenn man z. B. von dem von Bachmann und Mitarbeitern dargestellten
ß-7-Methoxy-2-methyl-2 - carboxyli, 2, 3, 4 - tetrahydrophenanthren - i - propiönsäuredimethyJ.ester
(1)- ausgeht, der im folgenden kurz als Bachmannester bezeichnet werden soll.
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Das Wesen der Erfindung besteht darin, daß man ß-7-Oxy-2-methyl-a-carboxy-i,
2, 3, 4-tetrahydrophenanthren-i-propionsäure (Bachmanusäure) oder Derivate derselben,
in denen die Hydröxylgruppe und bzw. oder die Carboxylgruppen in Derivate abgewandelt
sind, die sich wieder in die Hydroxylgruppe und bzw. oder Carboxylgruppen umwandeln
lassen, in beliebiger Reihenfolge den Operationen der Kernhydrierung, Einfügung
von einer oder zwei Doppelbindungen in den Ring A und der Cychsierung zum Pentano-Ring
unterwirft, wobei allerdings die Operation der Kernhydrierung der der Einfügung
der Doppelbindungen in den Ring A stets voranzugehen hat und je nach Art des Vorgehens
verschiedene Zwischenmaßnahmen ergriffen werden müssen. Eine Ausführungsform der
Erfindung ist die folgende Der Bachmannester (I) wird zur Bachmannsäure (II) verseift,
wobei man sich der Hydrolyse mit geeigneten Mineralsäuren bedient, beispielsweise
mit Salzsäure in Essigsäure. Unterwirft man diese Säure der Kernhydrierung bis zur
Absättigung aller Doppelbindungen, so entsteht die Dekahydrobachmannsäure (III).
Diese Hydrierung läßt sich z. B. katalytisch leicht durchführen, aber auch auf andere
Weise, wie mit naszierendem Wasserstoff.
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Zur Einführung von Doppelbindungen in den Ring A bedient man sich
z. B. der aus der Steroidchemie bekannten Methode der Halogenierung und Halogenwasserstoffabspaltung.
Ist im Molekül im Ring A eine richtende Gruppe vorhanden, z. B. eine Ketogruppe,
so treten bei der Halogenierung je nach der Menge des verwendeten Halogens i oder
2 Halogenatome in Nachbarschaft zur richtenden Gruppe in den Kern ein, die dann
z. B. durch Behandlung mit anorganischen oder organischen Basen oder mit Salzen
organischer Säuren als Halogenwässerstoff unter Ausbildung von ein oder zwei Doppelbindungen
wieder abgespalten werden können. Unter Anwendung dieser Tatsachen oxydiert man
die im Ring A Dekahydrobachmannsäure befindliche Hydroxylgruppe zunächst zur Ketogruppe,
beispielsweise mit Chromsäure oder anderen zu diesem Zweck geeigneten Oxydationsmitteln,
und erhält die Ketodicarbonsäure (IV). Unterwirft man diese der Halogenierung mit
etwas mehr als 2 Mol Halogen, beispielsweise Brom, so treten die Bromatöme in beide
der Ketogruppe benachbarten Kohlenstoffatome, und man erhält eine Dihalogenketodicarbonsäure
(Va). Verwendet man nur i Mol Halogen, so entsteht eine Monohalogenketodicarbonsäure
der Formel (Vb).
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Führt man nun mit der Verbindung (Va) die Halogenwasserstoffabspaltung
durch, so entsteht intermediär eine Ketodiendicarbonsäure (VI), die sich jedoch
unter den Bedingungen der Halogenwässerstoffabspaltung umlagert und die Oxydicarbonsäure
(VI a) mit aromatischem Ring A liefert.
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Geht man jedoch von der Verbindung (Vb) aus, so entsteht die Ketoendiocarbonsäure
(VIb).
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Zur Durchführung der Halogenwasserstoffabspaltung bedient man sich
an sich bekannter Methoden, die beispielsweise in der deutschen Patentschrift 722
943 beschrieben sind. Besonders bewährt hat sich in vorliegenden Fällen die Behandlung
der Ausgangsstoffe mit organischen Basen, vorzugsweise das Erhitzen mit Pyridin.
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Zur Überführung der erhältlichen Säuren in Verbindungen der Cyclopentanopolyhydrophenanthrenreihe
ist es noch erforderlich, den Pentano-Ring zu schließen. Hierzu kann man sich ebenfalls
verschiedener an sich bekannter Verfahren bedienen. So läßt sich das Ziel erreichen,
indem man die Säuren als Salze der trocknen Destillation unterwirft; man kann die
Säuren aber auch zunächst verestern und dann die Esterkondensation nach dem Verfahren
von Dieckmänn durchführen.
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Werden beispielsweise die Carboxylgruppen der Säuren (VIa) und (VIb)
verestert, z. B. mit Diazomethan methyliert, und dann die Dimethylester (VII a)
und (VIIb) mit Alkalialkoholat in einem Lösungsmittel, wie Benzol, gekocht, so erhält
man im Fall der Verbindung (VII a) denOestron-i6-carbonsäuremethylester (VIIIa),
im Fall der Verbindung (VIIb) den io-Normethylandrostan-4, 5-dion-3, i7-carbonsäuremethylester-i6
(VIIIb). Werden die Ester (VIIIa) und (VIIIb) verseift, beispielsweise durch Kochen
mit Salzsäure in Essigsäure, so tritt gleichzeitig eine Abspaltung von Kohlensäure
ein, und es entstehen Oestron der Formel (IXa) bzw. io-Normethylandrostendione der
Formel (IXb).
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Die gleichen Stoffgemische entstehen auch bei der thermischen Behandlung
der Stoffe (VIa) und (VIb). Die erhaltenen Produkte sind Gemische sterisch verschiedener
Verbindungen sonst gleicher Zusammensetzung, weil die Dekahydrobachmannsäure eine
Anzahl von Asymmetriezentren aufweist. Deren Anzahl verringert sich zwar im Laufe
der durchgeführten Operationen, aber es bleibt immerhin ein Isomerengemisch bestehen.
Aus dem mit (IXa) Bezeichneten läßt sich das d, 1-Oestron beispielsweise durch fraktionierte
Kristallisation und durch Herstellung optisch aktiver Ester in die d- und 1-Form
aufspalten, wie dies im Fall des Equilenins auch von Bachmann und Mitarbeitern durchgeführt
wurde. Man erhält so ein Oestron, das mit dem natürlichen nach Schmelzpunkt, Drehung
und physiologischer Wirkung identisch ist.
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Das Isomerangemisch des io-Normethylandrostandions (IXb) zeigt im
Kapaunentest eine hohe androgene Wirkung. Es kann ebenfalls in seine Bestandteile
nach bekannten Verfahren zerlegt werden.
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Die Verbindungen (VIIIa) und (VIIIb), (IXa) und (IXb) können natürlich
auch in an sich bekannter Weise in die Diole umgewandelt werden, die ebenfalls als
solche oder in Form ihrer Ester oder sonstiger Derivate hohe hormonale Wirksamkeit
entfalten.
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Das erfindungsgemäße Verfahren läßt sich durch folgendes Schema darstellen:
Eine andere Ausführungsform des Verfahrens ist folgende: Die Bachmannsäure
(1I) wird an den Carboxylgruppen verestert, z. B. methyliert, wodurch der Bachmannsäurediester
(X) entsteht. Dieser liefert bei der Cyclisierung die Verbindung (XI), in welcher
nunmehr die Carbonylgruppe beispielsweise durch Acetalisierung geschützt wird. Das
Acetat (XII) wird im Kern hydriert zur Verbindung (XIII), diese an der Hydroxylgruppe
in 3-Stellung zur Ketogruppe oxydiert und die Ketoverbindung (XIV) in z6-Stellung
decarboxyliert. Das entstehende Ketoacetal (XV) wird nun, wie üblich, halogeniert,
wobei gleichzeitig der Acetalrest unter Bildung einer Ketogruppe abgespalten wird.
So entstehen je nach der Menge des eingesetzten Halogens die Di- oder Monohalogenverbindungen
(XVIa) oder (XVIb). Diese Reaktionsfolge ist im nachstehenden Schema dargestellt
Eine weitere Ausführungsform vorliegender Erfindung geht von der Dekahydrobachmannsäure
(III) aus. Bei deren Cyclisierung erhält man die Verbindung (XVII); denn bei der
thermischen Behandlung z. B. des Calciumsalzes der Dekahydrobachmannsäure tritt
gleichzeitig Decarboxylierung ein. Nun schützt man die Ketogruppe in =7-Stellung
beispielsweise durch Acetalisierung und oxydiert in dem erhaltenen Acetal (XVIII)
die Hydroxylgruppe in 3-Stellung zur Ketobgruppe. Wird dieses Ketoacetal (XIX) nun
halogeniert, so treten wieder je nach der angewandten Halogenmenge 2 oder z Halogenatom
neben die Ketogruppe in den, Ring A ein, wobei gleichzeitig die Acetalreste
unter Freisetzung der Carbonylgruppen abgespalten werden, und es entstehen wieder
die Verbindungen (XVIa) oder (XVIb), wie nachstehendes Schema zeigt:
Die Weiterverarbeitung der Verbindung (XVI a) und (XVI b) erfolgt
nach den früher gemachten Angaben.
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Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, Cyclisierung und die etwa notwendige
Decarboxylierung in i6-Stellung unter Sauerstoffausschluß in einem indifferenten
Gas, wie Stickstoff, durchzuführen.
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Nachstehende Beispiele erläutern das erfindungsgemäße Verfahren näher.
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Beispiel i io g ß - 7 - Methoxy - 2 - methyl - 2 - carbomethoxy -i,
2, 3, 4 - tetrahydrophenanthren - i - propionsäuremethylester (I) werden mit
500 ccm Eisessig, 230 ccm konzentrierter Salzsäure und 45 ccm Wasser
io Stunden unter Durchleiten von reinem Stickstoff rückfließend gekocht. Dann wird
die Lösung im Vakuum bei tieferer Temperatur eingeengt und die nach dem Abkühlen
fast vollständig ausgeschiedene Bachmannsäure (II) abgesaugt, mit Wasser gewaschen
und getrocknet.
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g g Bachmannsäure werden in einer Schüttelente in der iofachen Menge
Eisessig mit i g Platinoxyd und gereinigtem Wasserstoff hydriert. Die Hydrierungstemperatur
beträgt 5o bis 6o°. Die Lösung des hydrierten Stoffes wird nach dem Evakuieren des
Wasserstoffes vom Katalysator abfiltriert und bei i5° unter Rühren im Laufe von
1/4 Stunde mit einer Eisessig-Chromsäure-Mischung versetzt, die 1,5 Atomen aktivem
Sauerstoff entspricht. Die Temperatur von i5° soll nicht wesentlich überstiegen
werden. Man läßt noch 2 Stunden weiter stehen, setzt etwas Methanol zur Reduktion
der überschüssigen Chromsäure zu und läßt weiter über Nacht stehen. Der größte Teil
des Eisessigs wird durch Verdampfen im Vakuum entfernt und das Gemisch der isomeren
Dekahydroketobachmannsäure durch Wasser ausgefällt. Das Produkt wird mit Wasser
gewaschen und getrocknet.
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8 g Dekahydroketobachmannsäure werden in 8o ccm Eisessig gelöst und
dann bei i8° mit 40 ccm einer Mischung von Eisessig und 4 Atomen Brom -a- 5 °/o
Überschuß innerhalb von 15 Minuten unter Rühren bromiert. Nach der Bromierung wird
die Lösung etwa 2 Stunden bei 25 bis 28° gehalten, dann kühlt man die Lösung auf
2o° ab und läßt sie über Nacht verschlossen stehen. Am nächsten Tage versetzt man
sie unter Rühren mit Wasser; läßt etwas stehen und saugt ab. Man wäscht mit Wasser
nach und trocknet im Vakuum bei So bis 6o°.
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ii g Dibromdekahydroketobachmannsäure werden mit der 4fachen Menge
trocknem Pyridin 2 Stunden unter Rückfluß gekocht. Nach dem Erkalten wird das abgeschiedene
Pyridinhydrobromid abgesaugt und mit Äther gewaschen. Von der Pyridin-Äther-Lösung
destilliert man zunächst den Äther und dann möglichst alles Pyridin im Vakuum ab.
Den Rückstand übergießt man mit der 3ofachen Menge Äther und versetzt unter Schütteln
mit verdünnter Schwefelsäure. Nach dem Trocknen über Natriumsulfat wird die abgetrennte
Ätherlösung auf ein geringes Volumen eingedampft und mit einer für die Veresterung
der beiden Carboxylgruppen ausreichenden Menge einer ätherischen Diazomethanlösung
versetzt. Aus der erhaltenen ätherischen Lösung des Dimethylesters werden die phenolischen
Anteile durch mehrfaches Ausziehen mit 5%iger wäßriger Kalilauge abgetrennt. Die
nach dem Ansäuern mit verdünnter Schwefelsäure in Freiheit gesetzten Esterphenole
werden wieder in Äther aufgenommen und die ätherische Lösung nach dem Trocknen verdampft.
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Für die Ringschlußreaktion wird eine Lösung von o,6 g blankem Natrium
in io ccm wasserfreiem Methanol bereitet. Sowie das Natrium in Lösung gegangen ist,
wird das überschüssige Methanol auf dem Wasserbad im Vakuum abgedampft. Das feste
Natriummethylat wird grob zerkleinert und 4 g Oktahydrophenanthroldicarbonsäureester
zugefügt. In dem mit einem Kühler versehenen Kolben wird die Luft durch reinen trocknen
Stickstoff ersetzt. Durch den Kühler werden 40 ccm trocknes Benzol gegeben und die
Mischung auf dem Wasserbad 2 Stunden unter Rückfluß gekocht. Die unter Stickstoff
abgekühlte Lösung wird mit Eisessig angesäuert und anschließend noch mit salzsäurehaltigem
Wasser versetzt. Die organische Schicht wird mit Bicarbonatlösung gewaschen, getrocknet
und im Vakuum verdampft. Es hinterbleibt ein Gemisch isomerer Oestroni6-carbonsäuremethylester.
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Eine Mischung von 3,5 g dieses Isomerengemisches, 150 ccm Eisessig,
7o ccm konzentrierter Salzsäure und 15 ccm Wasser wird in einer Stickstoff- oder
Kohlendioxydatmosphäre unter Rückfluß gekocht. Innerhalb von 30 Minuten findet
eine lebhafte Entwicklung von Kohlensäure statt, entsprechend der Bildung des d,
1-Oestronisomerengemisches. Nach dem Abkühlen und Stehenlassen scheiden sich die
Oxyketone gast vollständig aus. Nach Sublimation im Hochvakuum wird das d,1-Oestron
durch fraktionierte Kristallisation gewonnen und über einen aktiven Ester in die
d- und 1-Form gespalten. Das nach Zerlegung und Spaltung des Esters gewonnene d-Oestron
erweist sich nach Schmelzpunkt, Mischschmelzpunkt und physiologischen Eigenschaften
als identisch mit natürlichem Oestron. Beispiel 2 Wird die vorstehend beschriebene
Dekahydroketobachmannsäure mit i Mol Brom halogeniert und anschließend genau die
gleichen Reaktionen der Halogenwasserstoffabspaltung, der Esterkondensation und
Decarboxylierung in derselben Weise, wie vorstehend beschrieben, durchgeführt, so
erhält man nach Hochvakuumsublimation und fraktionierter Kristallisation das io-Normethylandrosten-4,
5-dion-3, 17 als Isomerengemisch, das im Hahnenkammtest eine hohe männliche Wirksamkeit
entfaltet.