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Verfahren und Vorrichtung zum Bestimmen der Reife von Viscoselösungen
Die
Reife von Viscoselösungen wird bisher fast ausschließlich nach der sogenannten Hottenroth-Methode
bestimmt. Das Verfahren besteht darin, das eine iii bestimmter Weise verdünnte Viscose
durch Zutropfenlassen einer 10% igen Ammonchloridlösung unter ständigem Rühren vom
Sol- in den Gelzustand übergeführt wird. Die bis zum Erreichen des Gelzustandes
erforderliche Menge an Ammonchloridlösung dient als Maß für den jeweiligen Reifezustand
der Viscose.
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Diesem Verfahren haften zahlreiche Unsicherheiten an, welche die
Reifebestimmung in der Tech -nik vielfach problematisch erscheinen lassen. Die Feststellung
des Endpunktes hängt nämlich u. a. von der li ihal tung konstanter Rührgeschwindigkeiten,
Voll der Zulaufgeschwindigkeit der Chlorammoniumlösung, der Menge und Konzentration
der verwendeten Viscose, der Temperatur und verschiedenen anderen Faktoren ab, die
dazu führen, daß kaum zwei verschiedene Untersucher die gleiche Reife bestimmen,
zumal auch die Beurteilung des Endpunktes weitgehend von dem subjektiven Ermessen
des Untersuchenden abhängt. Bei unreifen Viscosen, d. h. solchen, deren Reifezahl
nach Hottenroth etwa über 20 liegt, ist eine genaue Bestimmung der Reife nach diesem
Verfahren überhaupt nicht mehr möglich.
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Es wurde nun überraschenderweise gefunden, daß die Dielektrizitätskonstante
der Viscose ein ausgezeichnetes Maß für die Reife darstellt. Die Dielektrizitätskonstante
ist von verschiedenen Faktoren abhängig, im allgemeinen von dem jeweiligen
Dipolmoment
und von der makromolekularen Struktur des zu untersuchenden Kolloids. Da sich in
der Viscose beim Reifen makrochemische Strukturänderungen zeigen, ändert sich auch
die Dielektrizitätskonstante. Statt die Dielektrizitätskonstante, die bekanntlich
das Verhältnis der Kapazität eines mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllten
Kondensators gegenüber der Kapazität des gleichen Kondensators im Vakuum darstellt,
zu messen, genügt es für die Fälle der Praxis, bei denen es sich ja nur um relative
Messungen handelt, in vielen Fällen auch, die Kapazität des mit der zu untersuchenden
Flüssigkeit gefüllten Kondensators selbst zu bestimmen.
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Zur Messung der Dielektrizitätskonstante bzw. der Kapazität verwendet
man in der Praxis am einfachsten eine Wheatstonesche Brückenschaltung oder die bekannte
Resonanzmethode, wobei die Kapazität des mit Viscose gefüllten Kondensators mit
einer stufenlos regelbaren Kapazität, beispielsweise eines drehbaren Plattenkondensators,
verglichen wird. Man kann die Dielektrizitätskonstante auch aus dem Brechungsquotienten
der zu untersuchenden Viscose für elektrische Wellen bestimmen, indem man die bekannte
Maxwellsche Gleichung DK = n2 zugrunde legt, wobei DK die Dielektrizitätskonstante
und n den Brechungsquotienten bedeutet. In diesem Fall reduziert sich die Messung
der Dielektrizitätskonstante auf ein Verfahren zur Messung der Längen elektrischer
Wellen.
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Als weiteres bekanntes Verfahren sei die Messung der Kraftwirkung
erwähnt, die zwischen zwei auf festem Potential gehaltenen Leitern auftritt, zwischen
denen sich die zu untersuchende Flüssigkeit befindet. Hierzu kann man beispielsweise
einen Kondensator verwenden, dessen einer Belag beweglich angeordnet ist, während
der zweite Belag feststeht. Legt man an die beiden Belegungen eine bestimmte Spannung,
so tritt eine mechanische Kraft auf, die im Sinn einer Vergrößerung der Kapazität
und damit einer Verminderung des Blindwiderstandes gerichtet ist, also eine Anziehung
des beweglichen Kondensatorbelages bewirkt. Die Anordnung kann auch so getroffen
werden, daß der bewegliche Kondensatorbelag an einem Waagebalken aufgehängt ist,
so daß die auftretenden Anziehungskräfte ohne weiteres durch Gewichtauflagen auf
das freie Ende des Waagebalkens bestimmt werden können. Schließlich kann auch der
eine Kondensatorbelag gegenüber dem anderen seitlich verschiebbar sein, so daß die
Anderung der Kapazität nicht durch Verminderung des Plattenabstandes, sondern durch
Vergrößern der sich gegenüberstehenden Kondensatorflächen erreicht wird. Diese an
sich bekannten Meßmethoden sind hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt und
sind an sich nicht Gegenstand der Erfindung.
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Für die Verwendung im praktischen Betrieb hat sich besonders der
in der Zeichnung veranschaulichte topfförmige Meßkondensator bewährt. Gegenüber
den normalen Kondensatoren sind hier die beiden Kondensatorplatten 5 und 6 zu zwei
Zylindern abgewandelt, die mit einer Isolierschicht gegenüber der Flüssigkeit versehen
sind, um Leitfähigkeitseinflüsse auszuschalten, die bei direkter Berührung der Flüssigkeit
mit dem Metall auftreten würden. Der innere Zylinder 6 sitzt auf einem isolierenden
Sockel 7, beispielsweise aus Hartgummi. An seiner Oberseite kann der Topf durch
einen metallischen Deckel geschlossen werden, der auf seiner Innenseite ebenfalls
mit der Isolierschicht versehen ist, aber im übrigen mit dem Außenzylinder 5 in
leitender Verbindung steht. Der Deckel besitzt in der Mitte eine Stromzuführungsbuchse
4, die das Leitungskabel 2 trägt. Der eine Pol des Kabels ist durch die Kappe 3
mit dem Leitungsstutzen 4 und - durch Vermittlung des Deckels mit der äußeren Zylinderwand
5 leitend verbunden, während der andere Pol durch den Anschlußstutzen 4 isoliert
hindurchgeführt ist und mit dem inneren Zylinder 6 in leitender Verbindung steht.
Außerdem trägt der Deckel auf seiner Oberseite das Überlaufgefäß I, welches zur
Aufnahme überschüssiger Untersuchungsflüssigkeit dient.
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Für die Zwecke der Untersuchung wird das Gefäß vollständig mit der
zu prüfenden Flüssigkeit gefüllt, und zwar so weit, daß nach dem Aufsetzen des Deckels
die Untersuchungsflüssigkeit ein Stück weit im Uberlaufgefäß hochsteigt. Die IMessung
der Kapazität des so gefüllten Kondensators kann nun in bekannter oben beschriebener
Weise erfolgen.
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Wie gefunden wurde, ist die Messung der Dielektrizitätskonstante
innerhalb weiter Grenzen von der Frequenz des angewendeten Wechselstromes unabhängig.
So haben sowohl Messungen bei einer Frequenz von 800 Hz als auch solche bei einer
Frequenz von 800 kHz sehr günstige Resultate ergeben. Die Anwendung höherer Frequenzen
scheint zur Ausschaltung etwaiger Einflüsse, die von der Leitfähigkeit herrühren
können, empfehlenswert.
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Bei Anwendung von Frequenzen über I MHz zeigt sich eine Frequenzabhängigkeit
der Dielektrizitätskonstante, so daß also für praktische Zwecke derart hohe Frequenzen
weniger günstig erscheinen. Bei Anwendung des oben beschriebenen Kondensators ergaben
sich bei unreifen Viscosen Kapazitätswerte von beispielsweise 426 Pikofarad, die
im Verlaufe der Reife innerhalb 50 Stunden auf etwa 330 Pikofarad sanken. Dabei
spielen interessanterweise geringe Schwankungen in der Viscosezusammensetzung, wie
sie im laufenden Betrieb vorkommen, keine Rolle. Die Kapazitätsänderungen sind offensichtlich
praktisch ausschließlich durch die Änderung der kolloiden Struktur der Viscose bedingt.
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Infolge der außerordentlichen Einfachheit des neuen Meßverfahrens
läßt sich nunmehr der Fortgang der Reife auch im laufenden Betrieb ohne weiteres
ermitteln. Die Reife der Viscose kann sowohl im Spinnkessel als auch in der Viscoseleitung
laufend festgestellt werden, wobei lediglich der Einbau entsprechender Meßkondensatoren
an den betreffenden Stellen notwendig ist. Da die Temperaturverhältnisse aus Betriebsgründen
stets gleichgehalten werden müssen, werden auf diese Weise ohne weiteres vergleichbare
Ergel>nisse er-
zielt, die überdies von jeder subjektiven Beobachtung
der Untersuchungsperson unabhängig sind.
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Denkbar ist sogar eine fortlaufende Registrierung des Reifeverlaufes
durch selbsttätig anzeigende Registrierinstrumente.
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Die Messung kann sowohl mit verdünnter als auch mit unverdünnter
Viscose vor sich gehen.
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Dabei ergibt sich die interessante Tatsache, daß man den Reifeverlauf
ohne Zusatz irgendwelcher Reagenzflüssigkeiten lediglich durch Kapazitätsmessung
im Kondensator verfolgen kann. Die dabei ermittelten Werte sind den nach der Hottenroth-Methode
gefundenen Reifewerten direkt proportional. Sell,stverständlich muß bei den Messungen
auf genaue Temperaturkonstanz geachtet werden, da die Dielektrizitätskonstante bzw.
die Kapazität ebenso wie die Viscosität weitgehend temperaturabhängig ist.