DE2644987C1 - Nitrocellulosefreies Treibladungspulver - Google Patents
Nitrocellulosefreies TreibladungspulverInfo
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Description
Gegenstand der vorliegenden Erfindung sind nitrocellulosefreie
Treibladungspulver mit erhöhter Selbstentzündungstemperatur.
Es ist bekannt, als Treibladungspulver für die Munition konventioneller
Rohrwaffen solche Pulver einzusetzen, die einen
großen Prozentsatz an Nitrocellulose enthalten. Diese Treibladungspulver
haben jedoch folgende Nachteile: Ihre Selbstentzündungstemperatur
ist mit etwa 175°C so niedrig, daß sich das
Treibladungspulver einer neu ins Lager geführten Patrone durch
die Hitze von selbst entzündet. Dies gilt insbesondere für
Maschinenwaffen hoher Kadenz, bei denen durch die hohe Feuergeschwindigkeit
das Patronenlager bereits nach kurzer Zeit sehr
heiß wird. Die Folgen davon sind z. B. Unregelmäßigkeiten oder
Überhöhungen des Gasdruckes und damit eine bedenkliche, unkontrollierbare
Beeinflussung des innenballistischen Pulverabbrands
und der automatischen Funktion, sowie erhöhte Unfallrisiken.
Zur Behebung dieser Nachteile ist bereits versucht worden,
Sprengstoffe mit einer hohen Selbstentzündungstemperatur zusammen
mit phlegmatisierend wirkenden Bindemitteln als Treibladungspulver
einzusetzen. Solche Sprengstoffe sind z. B. Hexogen,
Guanidinnitrat, Hexanitrodiphenylamin, Dipikrylsulfon, Hexanitrostilben,
Tetranitrobenzo-1,3a-4,6a-tetraazapentalen u. ä.
Diese Sprengstoff/Bindemittelgemische können jedoch Nitrocellulose-
Treibladungsgemische als Treibladungspulver nicht ersetzen,
das sie in keiner Weise die günstigen innenballistischen
Abbrandeigenschaften von Nitrocellulose-Treibladungsgemischen
auch nur annähernd erreichen. Beim Einsatz von
Sprengstoff/Bindemittelgemischen als Treibladungspulver
wurden bisher folgende Nachteile festgestellt.
Ohne oder bei sehr geringen Bindemittelzusätzen führt der
Abbrand zu detonationsähnlichen Umsetzungsvorgängen in
kristallinen Teilbereichen des Sprengstoffs, obwohl die
innenballistische Abbrandgeschwindigkeit zu langsam ist.
Die Folge ist ein ungewünschter, unregelmäßiger Druckaufbau.
Weiterhin wirkt sich bei geringen Bindemittelzusätzen
nachteilig aus, daß die Pulver eine ungenügende Verfestigung
zeigen.
Wenn der Anteil des Bindemittels bei Sprengstoff/Bindemittelgemischen
erhöht wird, besteht die Gefahr, daß der
Abbrand infolge der phlegmatisierenden Wirkung des Bindemittels
nahezu völlig zum Erliegen kommt, so daß es zu
keinem vernünftigen Druckaufbau im Patronenlager kommt.
Nachteilig wirkt sich bei solchen Sprengstoff/Bindemittelgemischen
auch aus, daß im Patronenlager und auch im Lauf
der Waffe unangenehme Mengen an unverbrannten Umsetzungsprodukten
(z. B. Ruß) verbleiben, da der Heizwert und
Sauerstoffwert des Treibmittels durch erhöhte Bindemittelmengen
sehr stark gesenkt wird.
Es bestand nun die Aufgabe, ein Treibladungspulver zu
finden, dessen Selbstentzündungstemperatur über 200°C
liegt und das auf temperaturunempfindlichen Sprengstoffen
und Bindemitteln aufgebaut ist. Dieses Treibladungspulver
soll weiterhin innenballistische Abbrandeigenschaften
besitzen, die mindestens denen des Nitrocellulosepulvers
entsprechen.
In Erfüllung dieser Aufgabe wurde nun ein nitrocellulosefreies
Treibladungspulver mit Selbstentzündungstemperaturen
oberhalb 200°C auf der Basis von Oktogen und
polymeren Bindemitteln gefunden, das durch die Bedingungen
des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 gekennzeichnet
ist.
Es ist zwar schon aus der US-PS 39 59 042 bekannt, Oktogen
(Cyclotetramintetranitramin) als Bestandteil in
Treibsätzen einzusetzen. Dort wird jedoch angegeben, daß
dieses in Form seiner β-Modifikation eingesetzt wird. Da
die β-Form des Oktogens die bei Raumtemperatur stabile
Form eines Sprengstoffes ist, muß es als überraschend
angesehen werden, daß man auch die α-Form in Treibsätzen
einsetzen kann (Vgl. Anal. Chem. 22 (1950), 1225).
Das Oktogen wird in Form seiner α-Modifikation eingesetzt.
Diese Kristallisationsform ermöglicht eine Verwendung
von geringen Mengen an Bindemitteln, die im wesentlichen
nur der Verfestigung und Phlegmatisierung des
Sprengstoffpulvers dienen. Die bevorzugt eingesetzte Menge
an α-Oktogen liegt zwischen 80 und 90 Gew.-%, bezogen
auf das gesamte Treibladungspulver.
Das α-Oktogen kristallisiert in Form von ortho-rhombischen
Nadeln, die beim Verformungsvorgang ein in sich
verfilztes Vlies bilden, das durch Zusatz von Bindemitteln
lediglich gestützt wird. Der Abbrand dieser Modifikation
erfolgt mit einer Geschwindigkeit, die erheblich
höher ist als bei bekannten Sprengstoff-Bindergemischen.
Auch erfolgt der Abbrand selbst bei geringen Bindemittelzusätzen
gleichmäßig.
Der sich beim Einsatz von α-Oktogen aufbauende Druck entspricht
dem Druck, der bei Verwendung von Nitrocellulose-
Treibladungspulvern erhalten wird.
Es ist erfindungsgemäß möglich, einen Teil des α-Oktogens
- etwa bis zu 50 Gew.-% - durch β-Oktogen zu ersetzen,
wodurch eine erwünschte Steuerung des Abbrandverhaltens
erzielt werden kann.
Das Bindemittel kann ein beliebiges Bindemittel auf Kunstharzbasis
sein. Da dem Bindemittel neben der Herabsetzung
der Detonationsempfindlichkeit des Sprengstoffes die Aufgabe
zufällt, die Verfestigung des Kristallpulvers zu bewirken,
muß es besonders gute Klebeeigenschaften besitzen
und bei Temperaturen zwischen etwa -40°C und +70°C formbeständig
sein. Weiterhin sollte es möglichst halogenfrei
sein und möglichst wenig feste oder leicht kondensierbare
Verbrennungsprodukte bilden.
Als Beispiele für geeignete Bindemittel seien Polyurethane,
Poly(meth)acrylate oder Polyvinylacetale genannt.
Auch organische
Binder auf Siliconbasis sind unter Umständen geeignet.
Als besonders gut haben sich Bindemittel auf der Basis von
acetalisiertem Polyvinylalkohol erwiesen, wobei die Acetalisierung
mit C₁ bis C₅-Aldehyden durchgeführt ist und teilweise
oder vollständig erfolgt sein kann. Als Beispiele dafür seien
die im Handel erhältlichen Polyvinylbutyral-Harze genannt.
Die Bindemittel können selbstverständlich die zur Verbesserung
ihrer Eigenschaften an sich bekannten Weichmacher, Gleitmittel
oder Stabilisatoren enthalten.
Das erfindungsgemäße Treibladungspulver wird nach an sich bekannten
Misch- und Verarbeitungsverfahren hergestellt und
gekörnt bzw. zu Formkörpern verarbeitet. Die Formgebung zu
Röhrchen, Blättchen, Streifen, Kugeln oder Tabletten erfolgt
auf an sich bekannte Weise in Pressen oder anderen geeigneten
Formgebungsapparaturen.
Die erfindungsgemäßen Treibladungspulver können zur weiteren
Steuerung des innenballistischen Verhaltens nach ihrer Formgebung
auch als poröse Pulver ausgebildet sein. Dies kann durch
Anwendung an sich bekannter Verfahren (z. B. durch Auswaschen mit
eingearbeiteter eluierbarer Substanzen) erfolgen.
Vorbedingung für die Eluierbarkeit ist ein niedriger Bindemittelgehalt,
damit diese Substanzen nicht völlig vom Bindemittel
eingeschlossen werden. Beim alleinigen Einsatz von
α-Oktogen ist z. B. diese Voraussetzung gegeben.
Eine noch weitergehende Steuerung des innenballistischen Verhaltens
kann durch oberflächliche Beschichtung (Dragierung) der
Treibmittelkörner nach an sich üblichen Verfahren erfolgen.
Z. B. kann die Anzündfreudigkeit durch Beschichtung mit an sich
bekannten Anzündstoffen erheblich gesteigert werden.
Es wurde ein Treibladungspulver aus etwa 83 Gew.-% α-Oktogen
und etwa 17 Gew.-% Polyvinylbutyral, das etwa 2% Weichmacher
enthält, hergestellt. Die ballistischen Prüfergebnisse ergaben
folgende Resultate:
Diese Ergebnisse wurden alle mit einem Modell eines Infanteriegewehres
erhalten, das ein Kaliber von 4,7 mm, eine Rohrlänge
von 550 mm und ein Geschoßgewicht von 3,4 p aufwies. Die Treibladungsmenge
betrug 1,8 g.
Claims (4)
1. Nitrocellulosefreies Treibladungspulver mit Selbstentzündungstemperaturen
oberhalb 200°C auf Basis von
Oktogen und polymeren Bindemitteln, dadurch
gekennzeichnet, daß es 70 bis 95 Gew.-%,
vorzugsweise 80 bis 90 Gew.-%, α-Oktogen enthält, das
bis zu 50 Gew.-%, bezogen auf die Menge an α-Oktogen,
durch β-Oktogen ersetzt sein kann, und der auf 100 Gew.-%
ergänzende Rest auf das Bindemittel entfällt.
2. Treibladungspulver gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
daß das Bindemittel zusätzlich noch Weichmacher
und/oder Stabilisatoren enthält.
3. Treibladungspulver gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
daß es als poröser Formkörper ausgebildet
ist.
4. Treibladungspulver gemäß einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, daß es oberflächlich beschichtet
ist.
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Legal Events
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