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Die Bestimmung von exakten Werten absoluter Bißkräfte beim Menschen, zum Beispiel in Newton, wird bislang in der Regel nur in Studien oder Forschungslaboren unternommen. Dabei werden üblicherweise Apparaturen verwendet, die individuell für den Probanden angefertigt werden.
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Im klinischen Alltag haben sich solche Messungen bislang nicht etablieren können, da diese Apparaturen wegen ihrer Dimensionierung, mangelnder Wiederverwendbarkeit, hygienischen Unzulänglichkeiten und ungenügender Reproduzierbarkeit beim gleichen Probanden nicht praxistauglich sind.
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Mittlerweile gibt es Versuche, praxistaugliche Systeme zu entwickeln, bei denen Folien zwischen die Zähne gelegt werden, die durch druckabhängige Farbgebung eine Druckmessung puntkuell erlauben. Die Kalibrierung solcher Systeme und das Aufsummieren der Kräfte, die zum Beispiel pro Kieferhälfte wirken, ist jedoch schwierig, da dies ein hoher apparativer Aufwand mit sich bringt.
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Auch Messsungen mit einfachen Druckfedern oder flüssigkeitsgefüllten Schläuchen wurden diskutiert. Jedoch mangelt es hier auch an der exakten Reproduzierbarkeit, da kleinste Lageveränderungen dieser Geräte zu unterschiedlichen Werten führen würden. In weiteren Veröffentlichungen findet man auch Bißkraftmessungen mithilfe von DMS Streifen, die in Schienen eingearbeitet sind, welche ganz oder zum Teil über den Zähnen liegen. Auch hier ist die Reproduzierbarkeit nicht gegeben, da einerseits die Möglichkeit der Kalibrierung kaum vorhanden ist und unterschiedliche Bisse auf diesen Schienen nicht ausgeschlossen werden können.
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Obwohl noch nicht klinisch etabliert hätten jedoch Messungen absoluter Bißkräfte im Praxisalltag vor allem bei Zahnärzten einige wichtige Konsequenzen für die Therapie und lieferten bedeutende Erkenntnisse im Verlauf von Behandlungen, die Kaumuskeln involvieren. So würde die Planung für die Dimensionierung und Materialauswahl bei Zahnersatz, für die Anzahl Last tragender Elemente, zum Beispiel von Implantaten, und für den Schutz geschwächter Zähne eine größere Sicherheit bieten, wenn die maximalen Bißkräfte bekannt wären.
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Auch eine zeitabhängige Messung der Bißkräfte könnte für muskuläre Erkrankungen diagnostische Rückschlüsse bieten, deren Aussagekraft momentan noch nicht abzusehen ist. So könnten kleinste zeitliche Veränderungen der Muskelkraft, die sich als minimaler Tremor zeigen, für diagnostische Zwecke zukünftig herangezogen werden. Frequenz- und Amplitudenanalysen dieser Oszillationen müßten dann praktischer Weise mit dem gleichen System durchführbar sein.
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Darüber hinaus könnte man durch die gleichzeitige Verwendung von elektromyographischen Daten, die simultan beim Zubeißen gewonnen würden, Rückschlüsse auf die beitragenden Kräfte von Muskeln erhalten, die der klinischen Bewertung unzugänglich sind. Dies trifft bei den Kaumuskeln insbesondere für den m. pterygoideus medius zu, da er durch Palpation kaum und durch Oberflächenelektroden nicht zu erreichen ist.
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Zudem ist durch die Möglichkeit, den Probanden mit einer vorbestimmten, auf einem Bildschirm visualisierten Kraft zubeißen zulassen, eine Normierung der oberflächenelektromyographisch gewonnen Meß-Daten der Kau- und Nackenmuskulatur möglich.
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Das Ziel der Erfindung war daher, ein exaktes und einfach zu handhabendes System zur Messung von Bißkräften mit Kalibrierungsmöglichkeit zu entwickeln, das klinischen Anforderungen bezüglich Hygiene und Reproduzierbarkeit entspricht und weitestgehend wiederverwendbar ist.
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Dieses wurde erreicht durch ein System, das im wesentlichen aus folgenden drei Teilen besteht:
- 1. einer Kalibrierbox (a)
- 2. einem Handgriff (g) zur Aufnahme eines Trägers für Druckfoliensensoren
- 3. einer Software zur Kalibrierung, graphischen Darstellung, Datenanalyse und -Speicherung in einer Datenbank
- 1. Die Kalibrierbox besteht aus einem stabilen Rahmen, in dem zwei Kraftdosimerter (b) mit analogem Ausgang (y) auf dem Rahmenboden nebeneinander montiert sind. Im oberen Rahmenteil ist mittig ein Bolzen (c) mit Gewinde eingelassen, der außerhalb der Box mit einer Eindrehhilfe (d) ein- und ausgedreht werden kann. An dem Bolzen innerhalb der Box hängt eine frei bewegliche Platte (e) mit einer geraden Durchbohrung und einer im gleichen Bohrloch eingearbeiteten schrägen Bohrung, die dazu dient, dass die Platte beim Auftreffen eine vorzugsweise schräge Aufbissfläche des Druckfolienträgers berücksichtigt. Die Platte hat zwei abgerundete vertikale Kanten, die die vordere Fläche definieren. An den seitlichen Flächen können Markierungen (v) oder Hilfen für die exakte horizontale Platzierung des Trägers angebracht werden. Die Dimensionierung von Platte und innerer Boxbreite wird so gewählt, dass der Träger eine seitliche Begrenzung erfährt, die ein Einführen mit nur geringem Spielraum ermöglicht.
- 2. Der Handgriff, der die Elektronik trägt, besitzt in einer bevorzugten Version eine vordere Extension (r) mit vier Stiften (j), die als Führung für die Öffnungs- und Schließbewegung eines Trägers (q) in Form einer Bißgabel dienen. Auf der Oberseite ist in einer bevorzugten Ausführung ein Schieber (h) eingelassen, der mit seinem vorderen Teil auf der Extension liegt. In diesem Teil hat der Schieber einen Stift (i), auf den beide Arme einer solchen Bißgabel an ihrem Drehpunkt montiert werden. Durch Vor- und Rückbewegen des Schiebers öffnen oder schließen sich die Arme der Gabel. In einer anderen Ausfertigung ist anstatt des Schiebers eine Scherenbewegung mit nach hinten verlängerten Armen eines Druckfolienträgers in Form einer Bißgabel denkbar. Auf der Oberseite des Handstücks befinden sich zwei Drucktasten (s), die in einer Ausführung nur Start- und Stopfunktion haben. Zwei Bohrungen (x) für LED Leuchten befinden sich in einer Ausführung neben diesen Drucktasten. Der Handgriff besitzt in einer Ausführung folgende Anschlüsse:
• vier Steckverbinder (k) im vorderen Teil zum Einstecken von Druckfoliensensoren,
• drei Steckverbindungen (t) an der Seite, von denen zwei die analogen Ausgänge der Kraftdosimeter aufnehmen,
• zwei Steckverbindungen (1) und ein Strom- und Datenkabelanschluß (m) im hinteren Teil.
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Da die Elektronik weitere In- und Outputs bereit hält, sind auch weitere Anschlüsse am Handstück in Zukunft in anderen Ausfertigungen möglich.
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Von den vier Steckverbindungen (k) im vorderen Teil stellen die beiden oberen eine direkte Verbindung zu den zwei Steckern im hinteren Teil (1) her. Dadurch wird die im Handgriff befindliche Elektronik umgangen und eine Möglichkeit zum Anschluß fremder Systeme erreicht, die zu weiteren Kalibrierungen, Druckmessungen oder Vergleichsmessungen herangezogen werden könnten.
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Von den drei seitlichen Anschlüssen (t) stellen zwei den Anschluß zu den analogen Ausgängen aus der Kalibrierbox und einer den Anschluß an ein weiteres analoges Gerät her. Letzteres könnte zum Beispiel ein einfacher Schieber sein, mit dem der Proband die Schmerzen während des Zubeißen oder andere Parameter in einer vordefinierten Skala eingeben kann. Auf der Rückseite des Handgriffes befindet sich in einer bevorzugten Ausführung ein LCD Display zur Darstellung numerischer Werte, zum Beispiel Maxima- und Minima- Werte. Als Träger in Form einer Bißgabel (q) kann eine bereits existierende Bißgabel, wie sie als Gebrauchsmuster
DE 20 2008 014 348.9 U1 vorliegt, benutzt werden, jedoch vorzugsweise mit schrägem Aufbiß (n) und definierter Aufbißfläche, zum Beispiel Kreis, Viereck oder Raute. Zudem ist auf der Rückseite (p) der Aufbißfläche eine Arretierungsmöglichkeit von Vorteil, zum Beispiel als einfache runde Vertiefung, in die sich die Stifte (f) der Kraftdosimeter einlagern können.
- 3. Die Software erfaßt beim Kalibrierungsvorgang sowohl die Werte der beiden Kraftdosimeter als auch die beider Druckfoliensensoren. Die Werte der Kraftdosimeter dienen dabei als Referenzwerte, mit deren Hilfe dann die Software eine Näherungsfunktion für die Meßwerte der zwischen dem Träger eingeklemmten Druckfoliensensoren regressiv errechnet. Eine graphische Darstellung beider Wertepools wird ausgegeben. Beim Erfassen der Werte der anschließenden Bißkraftmessung werden die Meßdaten mit Hilfe der Näherungsfunktion berechnet und in einem Zeitdiagramm graphisch dargestellt. Die Erfassung der Werte erfolgt nach Überschreitung einer Schwelle.
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Da die Drucksensoren eine sehr hohe Empfindlichkeit gegenüber Druckschwankungen besitzen, werden in diesem Zeitdiagramm auch kleinste Oszillationen der Muskulatur erfasst. Die Software erlaubt, diese Oszillationen zu analysieren, indem eine Markierung des Signals auf dem Bildschirm zu einer graphischen Darstellung der Frequenzanalyse führt. In einer weiteren Ausführung erlaubt die Software eine Berechnung des Anteils des m. pterygoideus medialis beim Zubiß. Dieser Kaumuskel erstreckt sich von der Kieferwinkelinnenseite in Richtung Schädelbasis und ist somit der klinischen Diagnose z. B durch Abtastung (Palpation) kaum zugänglich. Durch Hinzuziehung von elektromoygraphischen Meßdaten der beiden verbleibenden Kieferschließmuskeln m. temporalis und m. masseter und deren näherungsweiser Umrechnung in Kraftmaßeinheiten kann durch einfache Vektor-Algorithmen der Anteil des m. pterygoideus medialis durch die Software berechnet und graphisch dargestellt werden. In einer weiteren Ausführung kann die Software auch eine Druckbelastungsberechnung durchführen auf Wurzeloberfächen natürlicher Zähne und Implantatoberflächen.
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In einer weiteren Ausführung bietet die Software eine Trigger Output Funktion, die bei Betätigen einer der Drucktasten einen 5 V Rechteck-Impuls über einen digitalen Output bereitstellt. Diesen Impuls können andere Systeme benutzen, um eine Synchronisation bei gleichzeitig zur Bißmessung zu erfassender anderer Parameter, z. B. elektromyographischer Messdaten, zu ermöglichen.
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Der Vorgang der Kalibrierung erfolgt in der Weise, dass der Träger mit Drucksensoren (u) am Handgriffmontiert in die Kalibrierbox eingeführt wird, bis die Markierungen an der Druckplatte und/oder die Arretierungen an der Unterseite des Aufbisses des Trägers erreicht werden. Die Kraftdosimeter werden nun an den Handgriff angeschlossen. Der Bolzen wird nun so lange nach unten gedreht bis die Software einen maximalen zu erwartenden Bißkraftwert an den Kraftdosimetern anzeigt. Nun wird knapp eine Minute gewartet, in der eine von den Herstellern der Druckfoliensensoren geforderte Konditionierung erfolgt. Danach wird die Platte wieder gelockert. Die Software wird nun auf Kalibrierung eingestellt. Danach erfolgt wiederum ein Eindrehen des Bolzens und damit ein Andrücken der Platte auf den Drucksensorträger. Die Software berechnet in dieser Zeit die Näherungsfunktion und gibt anschließend beide Wertepools in verschiedenen üblichen Kraftmaßeinheiten als Graphen wieder.
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Der Vorgang der Bißkraftmessung erfolgt in der Weise, dass kurz nach erfolgter Kalibrierung der Träger mit Drucksensoren am Handgriff montiert in den Mund des Probanden eingeführt wird, nachdem auf Unter- und Oberseite des Aufbisses des Trägen Dentalsilikon mit hoher Endhärte (sogenanntes Registriersilikon) aufgetragen wurde. Auf das noch weiche Silikon beißt der Proband ohne Kraftaufwand bis zum ersten Kontakt zu. Nach Erhärten des Silikons wird der Träger wieder aus dem Mund entnommen. Dann wird das Silikon auf der Oberseite entsprechend der Form der Schräge so ausgeschnitten, dass es nur noch auf dieser Fläche haftet. Dies hat eine gleichmäßige Verteilung der Zahnkontakte auf einer vorbestimmten Flache zur Folge. Danach wird der Träger wieder auf die Stelle an den Oberkieferzähnen gesetzt, die das Silikon vorgibt. Dabei kann ein Stift (o) am Träger wie bei der Ausführung
DE 20 2008 014 348.9 U1 als Orientierungshilfe dienen. Die Software wird auf Aufnahme gestellt. Der Proband wird aufgefordert zu zu beißen, wobei das Silikon auf der Unterseite des Aufbisses die Unterkieferlage vorgibt. Sobald die Aufnahmeschwelle überschritten ist, werden die Werte von der Software erfasst.
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Die Drucksensorträger sind mit dem Silikon beim gleichen Probanden wiederzuverwenden, was somit die Reproduzierbarkeit gewährleistet. Ansonsten sind sie nur eingeschränkt, abhängig von dem verwendeten Material, wieder zu verwenden.
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Die in diesem System verwendeten Druckfoliensensoren sind sterilisierbar und mehrmals, auch bei unterschiedlichen Probanden, zu verwenden.
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Das System wird in einer weiteren Ausführungen auch kabellos bereitgestellt, entweder nur Handgriff zum PC oder auch Handgriff zum PC und Kalibrierbox.
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Die Erfindung ist in den Zeichnungen beispielhaft dargestellt.
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Es zeigen:
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1 Ansicht von schräg oben auf den Handgriff (g) mit aufmontiertem Träger in Form einer Bißgabel (q), welcher in die Kalibrierbox (a) eingeführt ist. Die Druckfoliensensoren (u) sind gepunktet dargestellt und mit den unteren Steckern, somit mit der systemeigenen Elektronik verbunden.
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2 Ansicht auf den Handgriff (g) mit aufmontiertem Träger in Form einer Bißgabel (u) von oben. Die von dem Träger eingeklemmten Druckfoliensensoren sind gepunktet dargestellt. Der drucksensitive Anteil der Druckfoliensensoren liegt unter der rautenförmigen Schräge (n).
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3 Ansicht der Kalibrierbox von vorne.
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4 Ansicht auf den Handgriff ohne Drucksensorträger und ohne Elektronik von schräg hinten.
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5 Ansicht des linken Arms der Bißgabel von 1 und 2 von der Seite.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 202008014348 U1 [0013, 0017]