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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ansteuerung von Stellern in einem in Vertikalrichtung aktiven oder semiaktiven Fahrwerk eines zweispurigen zweiachsigen Kraftfahrzeugs solchermaßen, dass unter Berücksichtigung eines gewünschten Fahrmanövers ein zur Verfügung stehendes Kraftschlusspotential zwischen den Rädern des Fahrzeugs und der Fahrbahn weitgehend genutzt werden kann, indem die in Vertikalrichtung wirkenden Radaufstandskräfte zwischen den Rädern und der Fahrbahn beeinflusst werden. Zum Stand der Technik wird zunächst auf die
EP 1 197 409 B1 oder die
EP 1 536 957 B1 oder die
DE 10 2011 11 977 A1 verwiesen.
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Hinsichtlich eines an späterer Stelle verwendeten Begriffs einer Bahnplanung eines Systems zum automatisierten Fahren wird beispielshalber auf die
DE 10 2013 207 572 A1 verwiesen. Ferner seien die Begriffe des aktiven und semiaktiven Fahrwerks kurz soweit erläutert, als an einem semiaktiven Fahrwerk die Vertikaldynamik des Fahrzeugs als Reaktion auf von außen kommend Kräfte veränderbar ist, bspw. indem an einem hydraulischen Schwingungsdämpfer in der Radaufhängung durch Änderung des Drosselquerschnitts der Übertrittsöffnung für das Dämpfer-Arbeitsfluid zwischen den beiden Dämpferkammern die Dämpfungscharakteristik von Schwingungsdämpfern geändert wird, so dass deren Reaktion auf von außen eingeleitete Kräfte unterschiedlich eingestellt werden kann. Demgegenüber können bei einem aktiven Fahrwerk mittels eines Aktuators gezielt Kräfte in dieses eingebracht werden, indem der Fahrzeugaufbau entgegen den von außen wirkenden Kräften radindividuell gezielt angehoben oder abgesenkt und damit die jeweilige Radaufstandskraft verändert werden kann, bspw. durch Fußpunktverstellung der jeweiligen Tragfeder oder durch aktive hydraulische Schwingungsdämpfer, bei denen das Arbeitsfluid zwischen den Dämpferkammern gezielt umgepumpt werden kann.
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Die eingangs erstgenannte
EP 1 197 409 B1 beschreibt ein Fahrdynamik-Regelsystem eines vierrädrigen Kraftfahrzeuges, wobei das zwischen den Fahrzeug-Rädern und der Fahrbahn zur Verfügung stehende Kraftschlusspotential durch ein Rechenverfahren ermittelt wird und unter Berücksichtigung hiervon ein Kräfte auf die Fahrzeugräder aufbringendes Regelsystem geeignet betrieben wird, wobei in die Berechnung des Kraftschlusspotentials neben den in der Horizontalebene zwischen den Rädern und der Fahrbahn übertragenen Kräften zusätzlich die in Vertikalrichtung orientierte Radlast mit eingeht und ein Kraftschlussregler neben einem Längskräfte auf die Fahrzeugräder aufbringenden Regelsystem zusätzlich ein querdynamisches Regelsystem, welches Seitenkräfte in die Räder einleitet und ein vertikaldynamisches Regelsystem, welches die in Vertikalrichtung orientierte Radlast ändert, für ein gewünschtes Fahrmanöver derart ansteuert, dass das vorhandene Kraftschlusspotential weitgehend ausgenutzt werden kann. Damit können bspw. mittels eines verstellbaren Stabilisators bei einem bevorstehenden Bremsmanöver die Radaufstandskräfte an denjenigen Rädern des Fahrzeugs erhöht werden, die den höchsten Kraftschlussbedarf haben. Vergleichbares ist in der eingangs weiterhin genannten
DE 10 2011 110 977 A1 mittels einer Veränderung der Dämpfungscharakteristik eines Schwingungsdämpfers der Radaufhängung oder durch Federkrafterhöhung in radindividuellen Luftfedern beschrieben, während nach der weiterhin genannten
EP 1 536 957 B1 die Charakteristik der Schwingungsdämpfer unter Berücksichtigung der Abweichungen einer Ist-Gierrate des Fahrzeugs von einer Referenz-Gierrate geeignet geändert wird.
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Im bekannten Stand der Technik wird somit entweder von Soll-Ist-Abweichungen einer gemessenen Größe ausgegangen oder es ist ein erkannter bevorstehender Bremsvorgang ein Auslöser für eine vorteilhafte Ansteuerung eines Stellers in einem in Vertikalrichtung semiaktiven oder aktiven Fahrwerk, oder es werden zeitlich fortlaufend die Radaufstandskräfte ermittelt und an ein jeweils aktuell gewünschtes Fahrmanöver möglichst ideal angepasst. Letzteres (gemäß
EP 1 536 957 B1 ) wäre zwar ideal, bereitet aber erhebliche Schwierigkeiten in der Umsetzung, wenn dies an einem unter akzeptablen Kosten herstellbaren Fahrzeug dargestellt werden soll.
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Hiermit soll nun ein weiteres günstiges Anwendungsgebiet für ein bspw. aus dem vorstehend geschilderten Stand der Technik grundsätzlich bekanntes Verfahren zur Ansteuerung von Stellern in einem in Vertikalrichtung aktiven oder semiaktiven Fahrwerk aufgezeigt werden (= Aufgabe der vorliegenden Erfindung).
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Die Lösung dieser Aufgabe ist für ein Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 dadurch gekennzeichnet, dass das gewünschte Fahrmanöver aus einem aktuellen Lenkwinkel an lenkbaren Rädern des Fahrzeugs und einer Bahnplanung eines im Fahrzeug vorgesehenen Systems zum teilautomatisierten oder hochautomatisierten oder autonomen Fahren ermittelt wird.
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Nach einer besonders vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung wird mittels Stellern, welche die jeweiligen Radaufstandskräfte aktiv, d.h. unabhängig von äußeren Kräften zu ändern in der Lage sind, zu jedem Zeitpunkt eines Fahrmanövers die Verteilung der Radaufstandskräfte gemäß dem aktuellen Bedarf an zu übertragenden Längskräften und Querkräften der einzelnen Räder untereinander sichergestellt und es wird über den zeitlichen Verlauf eines Fahrmanövers in Phasen erhöhter Bedarfe von Längskraftübertragung und/oder Querkraftübertragung die temporäre Summen-Radaufstandskraft an sämtlichen Rädern zu Lasten der Summen-Radaufstandskraft in Phasen niedrigerer Längskraft- und/oder Querkraftbedarfe dadurch erhöht, dass zwischen dem jeweiligen Rad und dem Fahrzeugaufbau eine Kraft aufgebaut wird, die unter Nutzung der Massenträgheit des Fahrzeugaufbaus die jeweiligen Radaufstandskräfte temporär erhöht oder verringert.
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Vorliegend wird somit vorgeschlagen, beim teilautomatisierten oder hochautomatisierten Fahren sowie beim autonomen Fahren, die grundsätzlich bekannte Beeinflussung der Vertikaldynamik des Fahrzeugs (sowie im Rahmen einer vorteilhaften Weiterbildung eine ebenfalls grundsätzlich bekannte aktive Veränderung der Radaufstandskräfte) beim Befahren einer bekannten bevorstehenden Bahn des Fahrzeugs zu nutzen, d.h. aus der bereits vorliegenden Bahnplanung eines das automatisierte Fahren steuernden Systems ein zeitlich bevorstehendes Fahrmanöver als Grundlage für eine hierfür geeignete Ansteuerung der Steller eines in Vertikalrichtung aktiven oder semiaktiven Fahrwerks zu verwenden. Dabei sei im Folgenden kurz wiedergegeben, was unter den Begriffen „teilautomatisiertes Fahren“ und „hochautomatisiertes Verfahren“ und „autonomes Fahren“ üblicherweise und auch vorliegend verstanden wird:
Beim teilautomatisierten Fahren übernimmt das System die Längsführung und die Querführung des Fahrzeugs in zumindest einem spezifischen Anwendungsfall und der Fahrer des Fahrzeugs muss das System dauerhaft überwachen. Auch beim hochautomatisierten Fahren übernimmt das System die Längsführung und die Querführung des Fahrzeugs in zumindest einem spezifischen Anwendungsfall, erkennt dabei jedoch Systemgrenzen und fordert notfalls den Fahrer zur Übernahme (mit ausreichender Zeitreserve) auf, so dass der Fahrer das System nicht mehr dauerhaft überwachen muss, aber potentiell in der Lage sein muss, die Führung des Fahrzeugs jederzeit zu übernehmen. Beim autonomen Fahren schließlich kann das System während der ganzen Fahrt alle Situationen automatisch bewältigen, so dass überhaupt kein Fahrer erforderlich ist.
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In sämtlichen vorstehend genannten Fällen plant also das besagte System einen kürzeren oder längeren Abschnitt einer bevorstehenden Bahn, welcher das Kraftfahrzeug folgen soll bzw. welche das Kraftfahrzeug befahren soll. Bestandteil dieser Bahnplanung sind sich auf die Längsdynamik und/oder Querdynamik des Fahrzeugs auswirkende Aktionen von einem oder mehreren Stellern und angepasst an diese Aktionen werden nun erfindungsgemäß auch Steller des in Vertikalrichtung aktiven oder semiaktiven Fahrwerks geeignet angesteuert, welche die in Vertikalrichtung wirkenden Radaufstandskräfte zwischen den Rädern und der Fahrbahn zu beeinflussen in der Lage sind.
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Ziel der vorliegenden Erfindung ist daher eine gezielte Beeinflussung der transienten Radaufstandskräfte durch eine in Vertikalrichtung wirkende Aktuatorik (= Steller) dergestalt, dass während eines komplexen bevorstehenden Fahrmanövers die Verteilung der Radaufstandskräfte sowohl untereinander als auch über dem zeitlichen Verlauf möglichst ideal mit den jeweils zum schnellst möglichen Durchfahren dieses Fahrmanövers benötigten Längskräften und Querkräften harmoniert. Das dadurch gewonnene Fahrdynamikpotenzial kann dann entweder zu einer Erhöhung der Geschwindigkeit beim Durchfahren des genannten Fahrmanövers oder zu erhöhten Sicherheitsreserven führen. Dies kann unter Berücksichtigung üblicher Ausweichmanöver, welche das Fahrzeug bzw. das System zum automatisierten Fahren situationsabhängig beherrschen muss, ggf. sogar in einer einfacheren Reifenspezifikation (bspw. mit geringerer Reifenbreite), welche bspw. einen geringeren Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs zur Folge hat, münden.
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Beispielhaft genannt sei in diesem Zusammenhang, dass bspw. beim Anlenken aus der Geradeausfahrt zunächst eine kurzzeitig erhöhte Radaufstandskraft an der Vorderachse zu Lasten der Radaufstandskräfte an der Hinterachse wünschenswert sein kann, was ein geübter Fahrer durch einen kurzen Verzögerungsimplus unter Inkaufnahme eines ungewünschten Fahr-Geschwindigkeitsverlustes darstellen kann. Beim Durchfahren eines Slaloms dagegen wäre eine globale, alternierende Belastung und Entlastung der Radaufstandsflächen ideal, was mit einem derzeitigen passiven Fahrwerk auch durch einen geübten Fahrer nicht herbeigeführt werden kann, wohl aber mit dem hier vorgeschlagenen erfindungsgemäßen Verfahren und vorteilhafterweise ohne Geschwindigkeitsverlust, wenn die Bahnplanung des Systems zum automatisierten Fahren eine bevorstehende ggf. auch kurze Slalomstrecke kennt, welche bspw. auch Bestandteil eines Ausweichmanövers sein kann.
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Abweichend vom bekannten Stand der Technik, welcher lediglich eine Anpassung der Vertikaldynamik an ein aktuelles und aus einer Aktion des Fahrers abgeleitetes gewünschtes Fahrmanöver vorschlägt bzw. ggf. einen bevorstehenden Bremsvorgang erkennt und daraufhin das vertikaldynamische Verhalten des Fahrzeugs bzw. von dessen Fahrwerk geeignet einstellt, wird vorliegend eine solche Einstellung anhand einer bekannten Bahnplanung vorgeschlagen, wobei die Bahnplanung ausdrücklich nicht nur die Längsdynamik sondern insbesondere auch die Querdynamik des Fahrzeugs betrifft. Ausdrücklich berücksichtigt werden somit neben dem aktuellen Lenkwinkel an lenkbaren Fahrzeug-Rädern auch künftige Lenkwinkel beispielsweise über eine vorausliegende gekrümmte oder kurvige Fahrtstrecke von mehreren hundert Metern. Über eine solche längere Fahrtstrecke vorausschauend und dabei die in dieser Fahrtstrecke einzustellenden Lenkwinkel berücksichtigend wird nun erfindungsgemäß das vertikaldynamische Verhalten des Fahrzeugs dahingehend angepasst, dass das zur Verfügung stehende Kraftschlusspotential zwischen den Rädern des Fahrzeugs und der Fahrbahn weitgehend genutzt werden kann. In anderen Worte lässt sich dies – wie weiter oben bereits kurz ausgeführt – auch derart beschreiben, dass das vertikaldynamische Verhalten des Fahrzeugs dahingehend angepasst wird, dass die bevorstehende längere Fahrtstrecke von bspw. einigen hundert Metern in möglichst kurzer Zeit (bzw. mit möglichst hoher Geschwindigkeit) durchfahren werden kann bzw. nennenswert schneller oder in kürzerer Zeit durchfahren werden kann als wenn diese Anpassung des vertikaldynamischen Verhaltens des Fahrzeugs bzw. eine daraus resultierende Beeinflussung der in Vertikalrichtung wirkenden Radaufstandskräfte zwischen den Rädern und der Fahrbahn nicht durchgeführt werden würde.
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Besonders vorteilhaft ist in diesem Zusammenhang eine geeignete Ansteuerung von Stellern oder Aktuatoren, welche in das Fahrwerk des Kraftfahrzeugs aktive Kräfte einleiten können und somit aktiv (und nicht nur reaktiv auf von außen einwirkende Kräfte) die Radaufstandskräfte verändern können, d.h. wenn das Fahrzeug mit einem in Vertikalrichtung aktiven Fahrwerk ausgerüstet ist. Selbstverständlich ist eine solche aktive Veränderung der Radaufstandskräfte nur über ein gewisses geringes Zeitintervall möglich, da schließlich der Fahrzeugaufbau nicht unbegrenzt gegenüber der Fahrbahn angehoben oder abgesenkt werden kann, sondern nach einem räumlich beschränkten Anheben auch wieder abgesenkt werden muss. Aber geradeeben ein solches alternierendes Erhöhen oder Verringern der Radaufstandskräfte vorzugsweise an den verschiedenen Rädern des Fahrzeugs zu unterschiedlichen Zeitpunkten erlaubt es, beim Durchfahren einer bevorstehenden und somit bekannten kurvigen Fahrstrecke oder gekrümmten Bahn (bspw. von den genannten einigen hundert Metern) zum jeweils günstigsten Zeitpunkt bzw. am jeweils günstigsten Ort mittels geeigneter Ansteuerung der genannten Steller die Radaufstandskraft am jeweiligen Rad dahingehend günstig einzustellen, dass mit dieser Steller-Ansteuerung die besagte (bevorstehende) Fahrstrecke in kürzerer Zeit durchfahren werden kann als wenn diese Ansteuerung der Steller nicht durchgeführt werden würde. Besteht also zu einem gewissen Zeitpunkt bzw. genauer an einer bestimmten Stelle (bzw. an einem bestimmten Ort) der bekannten bevorstehenden Fahrtstrecke Bedarf an erhöhter Radaufstandskraft an zumindest einem Rad, so kann (vorausschauend) an dieser Stelle bzw. an diesem Ort der Fahrstrecke der Fahrzeug-Aufbau an diesem Rad bzw. mittels dessen aktivem Steller kurzfristig angehoben werden. Besteht danach, nachdem das Fahrzeug wenige weitere Meter zurückgelegt hat, an diesem Rad nur noch ein geringerer Bedarf an Radaufstandskraft, so kann dann an diesem Rad der Fahrzeug-Aufbau wieder abgesenkt werden. Physikalisch betrachtet wird über diesen zeitlichen Prozess betrachtet insbesondere auch die Masse des Fahrzeug-Aufbaus zur gezielten Veränderung der Radaufstandskräfte genutzt. Ein erhöhter Bedarf an Radaufstandskraft besteht dabei dann, wenn über dieses Rad ein erhöhter Anteil von Längskräften und/oder Querkräften bezüglich der gesamthaft über sämtliche Räder des Fahrzeugs zu übertragenden Längskraft und/oder Querkraft übertragen werden soll. In anderen Worten kann der vorstehend geschilderte Sachverhalt wie im abhängigen Anspruch 2 formuliert beschrieben werden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 1197409 B1 [0001, 0003]
- EP 1536957 B1 [0001, 0003, 0004]
- DE 10201111977 A1 [0001]
- DE 102013207572 A1 [0002]
- DE 102011110977 A1 [0003]