Klosterbibliothek
Eine Klosterbibliothek im weiteren Sinne ist jede von einem Kloster unterhaltene Bibliothek. Oft wird der Begriff jedoch auf eine mittelalterliche Bibliothek bezogen.
Bedeutung und Geschichte
BearbeitenDen mittelalterlichen Klosterbibliotheken ist nicht nur die Überlieferung des geistigen Erbes des Mittelalters, sondern auch der Reste der antiken lateinischen Literatur zu verdanken. Kernbestand jeder Klosterbibliothek waren die Bibel und die Werke der Kirchenväter, einschließlich darauf bezogener Kommentare, sowie die Ordensregel und Predigtmaterialien. Ein in den Klöstern geläufiges Sprichwort lautete: „Ein Kloster ohne Bibliothek ist wie eine Burg ohne Waffenkammer.“[1] Es spiegelt die herausragende Bedeutung der Klosterbibliotheken für das monastische Leben.[2]
Die Reformation führte in weiten Teilen Deutschlands zur Auflösung der Klosterbibliotheken und Überführung der Bestände in Hof-, Pfarr- oder Ratsbibliotheken, manchmal auch in Universitätsbibliotheken.
In katholischen Territorien erlebten die Klosterbibliotheken noch einmal eine große Blüte durch die Gegenreformation und während des Barock. Insbesondere süddeutsche und österreichische Benediktinerabteien (z. B. Zwiefalten, Weingarten, St. Gallen, Melk, Admont) vermochten den durch den Dreißigjährigen Krieg zerstreuten Besitz kleiner Klöster an sich zu ziehen, systematisch neu zu ordnen und ihren Bildungsanspruch auch durch repräsentative Bibliothekssäle auszudrücken. Erst mit der von Napoleon erzwungenen Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts (Reichsdeputationshauptschluss, 25. Februar 1803) gingen die meisten Klosterbibliotheken in staatliche Hände über (z. B. Bayerische Staatsbibliothek). In der Schweiz wurden im 19. Jahrhundert etliche Klosterbibliotheken in die bis heute von ihrem regionalen Sammlungsauftrag bestimmten Kantonsbibliotheken überführt (z. B. die Klosterbibliotheken von Muri und Wettingen in die Aargauer Kantonsbibliothek und die Klosterbibliotheken von Fischingen, Ittingen, Kreuzlingen und St. Katharinental in die Kantonsbibliothek Thurgau). Vornehmlich in Österreich blieben sie erhalten.
Moderne Klosterbibliotheken sind theologische Spezialbibliotheken.
Die im Jahr 1776 fertiggestellte Stiftsbibliothek Admont ist mit 70 m Länge, 14 m Breite und rund 13 m Höhe der weltweit größte klösterliche Büchersaal.
Architektur
BearbeitenEine Reihe von Ordensgemeinschaften zeigen die Wichtigkeit einer qualitätvollen architektonischen Ausstattung von Klosterbibliotheken, besonders im Zeitraum des Barock.
Liste kunsthistorisch bedeutender alter Klosterbibliotheken
BearbeitenDeutschland
Bearbeiten- Kloster Schussenried (Prämonstratenser)
- Stiftsbibliothek Waldsassen (Zisterzienser)
- Kloster Wiblingen (Benediktiner)
- Klosterbibliothek Metten (Benediktiner)
- Bibliothek der Abtei Münsterschwarzach (Benediktiner)
- Alte Bibliothek der Abtei Ottobeuren (Benediktiner)
- Kloster Corvey (Benediktiner)
- Kloster Wedinghausen (Prämonstratenser, nach der Säkularisation aufgehoben, heute Gymnasium)
- ehemaliges Jesuitenkolleg Amberg
- Stiftsbibliothek Xanten (Chorherrenstifts St. Viktor, Kanoniker)
- spätmittelalterlicher Bibliotheksraum des Klosters St. Godehard in Hildesheim (Benediktiner)
Italien
Bearbeiten- Stift Neustift (Augustinerchorherren)
- Biblioteca dei Girolamini, Neapel
Österreich
Bearbeiten- Stift Admont (Benediktiner)
- Stift Altenburg (Benediktiner)
- Stift Herzogenburg (Augustiner-Chorherren)
- Stiftsbibliothek Kremsmünster (Benediktiner)
- Stiftsbibliothek Melk (Benediktiner)
- Stift Sankt Florian (Augustiner-Chorherren)
- Stift St. Paul im Lavanttal (Benediktiner)
- Stift Sankt Peter (Salzburg) (Benediktiner)
Portugal
Bearbeiten- Kloster Mafra (Kapuziner)
Schweiz
Bearbeiten- Stiftsbibliothek St. Gallen (Benediktiner)
Slowenien
Bearbeiten- Kloster Kostanjevica (Görz) (Franziskaner)
Spanien
Bearbeiten- Bibliothek des Escorial
Tschechien
Bearbeiten- Kloster Strahov (Prämonstratenser)
- Clementinum, Jesuiten-Kolleg in Prag
- Stift Tepl (Prämonstratenser)
- Kloster Vyšší Brod (Kloster Hohenfurth, Zisterzienser)
Ungarn
Bearbeiten- Territorialabtei Pannonhalma (Benediktiner)
Literatur
Bearbeiten- Gert Adriani: Die Klosterbibliotheken des Spätbarock in Österreich und Süddeutschland. Zusatz zum Titel: ein Beitrag zur Bau- und Kunstgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, Graz, Wien, Verlag Styria, 1935, zugleich Dissertation an der Universität Jena, 1933
- Andreas Hepperger: Klosterbibliotheken in Österreich und die „Digital Heritage“-Politik Europas, Hochschulschrift, Donau-Universität Krems, Master Thesis, 2003, PDF (1,12 MB)
- Klemens Löffler: Deutsche Klosterbibliotheken. 2. Auflage. Schroeder, Bonn/Leipzig 1922.
- Stefanie Seidel: Das Reiselexikon Bibliotheken. Die schönsten Räume, die wertvollsten Sammlungen Deutschland, Österreich, Schweiz. Callwey 1995.
- Stiftsbibliothek St. Gallen (Hrsg.): Handbuch der Schweizer Klosterbibliotheken. Schwabe Verlag, Basel 2022, ISBN 978-3-7965-4598-6.
- Erbe und Auftrag, Jg. 98 (2022), Heft 1 (Themenheft „Klosterbibliotheken“)
Weblinks
BearbeitenFußnoten
Bearbeiten- ↑ Franz Hettinger: Aus Welt und Kirche. Bilder und Skizzen, Band 2: Deutschland und Frankreich. Herder, Freiburg, vierte Aufl. 1897, S. 290.
- ↑ Heinfried Wischermann: „Claustrum sine armario quasi castrum sine armamentario“. Bemerkungen zur Geschichte der Klosterbibliothek und ihrer Erforschung. In: Winfried Nerdinger (Hrsg.): Die Weisheit baut sich ein Haus. Architektur und Geschichte von Bibliotheken. Prestel, München 2011, ISBN 978-3-7913-5167-4, S. 93–130.