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Dorothea Neff

österreichische Schauspielerin

Dorothea Neff (* 21. Februar 1903 in München; † 27. Juli 1986 in Wien) war eine österreichische Schauspielerin.

Nach einer Ausbildung in München führte die Bühnenlaufbahn Dorothea Neffs in Rollen der jugendlichen Heldin und Liebhaberin nach Regensburg und Aachen, dann als Charakterdarstellerin an das Staatstheater München und weiter über Köln und Gera 1939 an das Deutsche Volkstheater nach Wien.[1]

Engagiert wurde Dorothea Neff von Walter Bruno Iltz, der bereits in Gera ihr Intendant gewesen war. Hier spielte sie u. a. die Elisabeth in Friedrich Schillers Maria Stuart an der Seite von Judith Holzmeister, die Königin Isabella im gleichnamigen Theaterstück von Hans Rehberg und in Franz Grillparzers Ein treuer Diener seines Herrn an der Seite von O. W. Fischer.

Von 1941 bis 1945 versteckte Dorothea Neff ihre jüdische Freundin Lilli Wolff, die von der Deportation bedroht war, in ihrer Wohnung in der Annagasse im ersten Wiener Gemeindebezirk und gefährdete damit nicht nur ihre Theaterkarriere, sondern auch ihr Leben. Unterstützt wurde sie dabei vom damals jungen Arzt und späteren Psychiater Erwin Ringel, der Lilli Wolff im Krankheitsfall betreute.[2] Am 2. September 1944 wurden in Wien alle Theater geschlossen und Dorothea Neff wurde in eine Fabrik in der Wurmsergasse eingeteilt, in der Uniformteile und Hemden für Soldaten erzeugt wurden. Sie sorgte die ganze Zeit für Lilli Wolff, bestach die Hausmeisterin und blieb mit Wolff in der Wohnung, auch wenn Luftschutzsirenen ertönten. Lilli Wolff wanderte nach dem Krieg in die USA aus, wo sie sich in Dallas niederließ.

Nach dem Krieg setzte Dorothea Neff ihre Karriere am Volkstheater in Wien fort, zunächst unter Günther Haenel, dann unter Direktor Leon Epp. Sie spielte die Mutter in Karl KrausDie letzten Tage der Menschheit (1945), die Dorfhebamme Képes in Julius Hays Haben (1945) (eine Aufführung, die einen Theaterskandal verursachte, als Neff unter einer Madonnenstatue Gift versteckte), Franz Grillparzers Medea (1946) und die Großmutter in der österreichischen Erstaufführung von Ödön von Horváths Geschichten aus dem Wiener Wald (1948), eine Aufführung, bei der es zum größten Theaterskandal nach dem Krieg kam, als Neff im letzten Bild den von ihr verschuldeten Tod des kleinen Enkels verkündete.[3] Gastspiele führten sie ans Neue Theater in der Scala, wo sie 1953 in Nestroys Eulenspiegel auftrat, und ans Burgtheater.

In der Spielzeit 1962/63 wagte sich das Volkstheater mit Mutter Courage und ihre Kinder an ein Theaterstück von Bertolt Brecht. Dessen Stücke waren in Österreich über viele Jahre hinweg vor dem Hintergrund des Kalten Krieges unter Federführung von Hans Weigel und Friedrich Torberg im so genannten Brecht-Boykott nicht aufgeführt worden. Die Presse sprach von der „Blockadebrecher“-Premiere am 23. Februar 1963 mit Dorothea Neff in der Titelrolle. Regie führte Gustav Manker.[4] Für ihre Darstellung in diesem Stück sowie für ihre Rolle der Frau Oberst Hühnerwadel in Frank Wedekinds Musik (Regie: Gustav Manker) erhielt Neff die Kainz-Medaille.

Von 1973 bis 1976 war Neff am Burgtheater und am Akademietheater engagiert, wo sie u. a. Elisabeth in Maria Stuart, Medea und Mutter Courage verkörperte. Wegen ihrer allmählichen Erblindung musste sie ihre Schauspielkarriere jedoch beenden und gab nur noch privaten Schauspielunterricht. 1978 wurde sie zum Ehrenmitglied des Volkstheaters ernannt.

Darüber, dass sie ihre Freundin Lilli Wolff vier Jahre unter Lebensgefahr in ihrer Wohnung versteckt hielt, hat Dorothea Neff geschwiegen; nur Insider wussten davon. Erst 1978 erfuhr eine Wiener Journalistin von der Rettungsaktion und konnte Neff für ein Interview über diese Zeit gewinnen. Das Interview erschien in der Wochenzeitung Die Furche[5], in der monatlich erscheinenden Gemeinde[6] der Israelitischen Kultusgemeinde und in Jüdische Rundschau[7] in Basel.

 
Offizielle Einladung zum Festakt im Akademietheater im Februar 1980

Während es auf die beiden in Wien erschienenen Artikel keine Reaktion gab, las der damalige israelische Botschafter in Wien den Basler Artikel und leitete ihn an die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem weiter. So kam es zur Ehrung Dorothea Neffs am 21. Februar 1980 im Akademietheater durch den israelischen Botschafter und in Anwesenheit von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, bei der sie mit der Medaille von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet wurde.

Eine für Dorothea Neff besonders wichtige Folge dieser Auszeichnung war, dass sie trotz ihrer Erblindung ihre Schauspielkarriere wieder aufnehmen konnte. Zuletzt trat sie 1981 in einer Folge der Fernsehserie „Die liebe Familie“ zusammen mit ihrer langjährigen Lebensgefährtin, der Schauspielerin Eva Zilcher, auf.

 
Grabstein am Zentralfriedhof

1986 wurde Dorothea Neff auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33G, Nr. 72) in einem Ehrengrab der Stadt Wien beigesetzt. Hier ist auch Eva Zilcher beerdigt.

2007 wurde in Wien im 7. Bezirk ein neuer Park Ecke Seidengasse/Bandgasse nach Dorothea Neff benannt. 2018 wurde im 12. Wiener Gemeindebezirk Meidling der Dorothea-Neff-Weg nach ihr benannt.

Vom damaligen Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg bekam der Tiroler Autor und Dramatiker Felix Mitterer den Auftrag, ein Theaterstück über Dorothea Neffs spontane Entscheidung, ihre Freundin Lilli Wolff bei sich zu verstecken, und die darauf folgenden Jahre zu schreiben. Die Uraufführung von Du bleibst bei mir fand am 9. September 2011 statt; Neff wurde von Andrea Eckert dargestellt, die noch bei Neff und Zilcher Schauspielunterricht hatte.[8] Über die Vorgeschichte des Theaterstückes und seine schwierige Entstehungsgeschichte schrieb Felix Mitterer in der Einleitung des Programmes zur Uraufführung.[9]

Ungeklärt blieb die Frage, warum Dorothea Neff so lange geschwiegen hatte. Ein Grund konnte sein, dass die Liebesbeziehung zwischen ihr und Lilli Wolff an den Anspannungen der Jahre im Versteck gescheitert war. Wolff hat nach ihrer Auswanderung in die USA österreichischen Boden nie wieder betreten. Ausschlaggebend war jedoch etwas anderes: Als Folge des Bekanntwerdens der Ehrung von Dorothea Neff begann sich die Historikerin, politische Journalistin und Autorin Ines Rieder, die über die Geschichte von Schwulen und Lesben forschte, grundsätzlich mit der in der Wissenschaft bislang ausgeblendeten Frage „lesbischer U-Boote“ in der NS-Zeit zu beschäftigen.[10][11] Dabei wurde auch deutlich, dass bis 1971 Homosexualität in Österreich strafrechtlich verfolgt wurde, wovon auch die Beziehung von Dorothea Neff und Eva Zilcher betroffen war.

Filmografie

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Literatur

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  • Peter Kunze: Dorothea Neff. Mut zum Leben. Orac Verlag, Wien 1983, ISBN 978-3-85368-927-1.
  • Helga Thoma: Mahner – Helfer – Patrioten. Porträts aus dem österreichischen Widerstand. Edition Va Bene, Wien / Klosterneuburg 2004. ISBN 978-3-85167-168-1.
  • Brigitte Ungar-Klein: „Die größte schauspielerische Leistung meines Lebens!“. Die Geschichte von Dorothea Neff und Lilli Wolff. In: Manfred Mugrauer, Dr. Diana Schulle, Uta Fröhlich (Red.): Wir hätten es nicht ausgehalten, dass die Leute neben uns umgebracht werden. Hilfe für verfolgte Juden in Österreich 1938–1945. Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte, Berlin 2023, ISBN 978-3-86732-414-4, S. 123–147
  • Jürgen Pettinger: Dorothea – Queere Heldin unterm Hakenkreuz. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2023, ISBN 978-3-218-01404-5.[12]
  • Paulus Manker: Walter Bruno Iltz. Die Enttarnung eines Helden. Alexander Verlag, Berlin 2011

Dorothea-Neff-Preis

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Nach der Umwidmung des Karl-Skraup-Preises in den jetzigen Dorothea-Neff-Preis würdigt das Volkstheater Wien gemeinsam in Kooperation mit der Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG (BAWAG) seit 2011 „eine große couragierte Künstlerin“ am Wiener Volkstheater, die „sowohl durch ihre Menschlichkeit als auch durch ihre künstlerische Bedeutung ein großes Beispiel unserer Zeit ist“.

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Einzelnachweise

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  1. I. Schinnerl: Neff, Dorothea. In: Austria-Forum. Freunde des Austria-Forums, Verein zur Förderung der digitalen Erfassung von Daten mit Österreichbezug, abgerufen am 9. Mai 2017.
  2. Helga Thoma: Mahner - Helfer - Patrioten. Porträts aus dem österreichischen Widerstand. Edition Va Bene, Wien 2004, ISBN 978-3-85167-168-1
  3. 100 Jahre Volkstheater. Theater. Zeit. Geschichte; Jugend und Volk, Wien - München 1989, ISBN 3-224-10713-8
  4. Paulus Manker: Der Theatermann Gustav Manker. Spurensuche, Amalthea, Wien 2010, ISBN 978-3-85002-738-0
  5. Die Kristallnacht, Auftakt für das Elend der Juden: "Nein: Du tauchst bei mir unter". Nr. 45, 10. November 1978, S. 6.
  6. Was geschah vor 40 Jahren, Terrorismus gesetzlich verordnet: Vier Jahre "U-Boot-Kapitän". Nr. 11/1978, November 1978, S. 23.
  7. Der "kleine" Widerstand. Nr. 50. Basel 14. Dezember 1978, S. 23.
  8. Spielplan 2011 / 2012 auf der Volkstheater-Website, 4. September 2011 (Memento vom 26. August 2011 im Internet Archive)
  9. Felix Mitterer: "Du bleibst bei mir". Hrsg.: Volkstheater. September 2011.
  10. Ines Rieder: "Wer mit wem?"Hundert Jahre lesbische Liebe. In: Wiener Frauenverlag (Hrsg.): Reihe Dokumentationen. Band 10, 1994, S. 11.
  11. Andreas Brunner: Ines Rieder 1954-2015. QWien, 7. Januar 2016, abgerufen am 22. Oktober 2020.
  12. Irene Brickner: Jürgen Pettinger spürt einer lesbischen Liebesgeschichte in der NS-Zeit nach. In: DerStandard.at. 7. Oktober 2023, abgerufen am 9. Oktober 2023.