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Physiologisches Kniegelenk
Es ist ein physiologisches Kniegelenk für
Kunstbeine bekannt, bei dem das Kniestück im Oberschenkel eine Gleitkurve besitzt,
die dem natürlichen Gehablauf des gesunden Kniegelenkes entspricht, und zwar nach
dem physiologischen Gesetz: Rückwanderung des Gelenkes in die Unterstützungslinie
bei Kniestreckung des Kunstbeines und in einer entsprechenden Lagerfläche, der Pfanne,
des Unterschenkels gleitet, die die Tibia-Fläche des natürlichen Kniegelenkes bedeutet.
Bei diesem Kniegelenk befindet sich die Gleitfläche in der Mitte des Kniegelenkes,
das von einer fünfachsigen Verbindungsmechanik zusammengehalten ist. Durch das Knieoberteil
der Gelenkkurve gehen zwei Achsen, die über je eine gerade und eine gebogene Lasche
beiderseitig der Gleitfläche mit je einer im Knieunterteil liegenden Führungslasche
verbunden sind, die ihrerseits drehbar an einem T-Stück gelagert sind, welches die
Achse der Führungslasehe bildet und in Verbindung mit einer spannbaren Einstellschraube
im Knieunterteil das Gelenk zusammenhält und den Ablauf der Gelenkkurve gestattet.
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Bei diesem Kniegelenk ist die Begrenzung der Streckung durch einen
im vorderen Teil des Gelenkes befindlichen Anschlag erreicht. Die Gleitkurve im
Knieoberteil ist in Vulkanfiber, die entsprechende Pfanne im Knieunterteil aus etwa
2,5 mm starkem Stahlblech ausgeführt.
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Es hat sich gezeigt, daß dieses Kniegelenk durch seine sechs Laschen
und fünf Achsen im Gewicht zu schwer ist und außerdem sehr viel Reibung besitzt.
Weiter weist die Mechanik eine für den Träger sehr störende Gelenkunruhe auf, die
insbesondere bei Streckung des Knies infolge des Anschlages deutlich hör- und fühlbar
wird im Zuge der entstehenden Abnutzung der Lagerungen bei seiner Kompliziertheit
(zu viele Bewegungspunkte).
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Es ist ferner ein Kniegelenk bekannt, bei dem die bekannte Gleitkurve
und sein Gelenkablauf der ge-
schilderten Ausführung beibehalten
wurde, dieMängel der dargestellten Verbindungsmechanik jedoch durch eine Bänderkonstruktion
behoben sind. An Stelle der fünfachsigen Verbindungsmechanik ist eine lAandführung
angeordnet. Zwei parallel laufende im Kniegelenkunterteil auf einem in Gummi gelagerten
Stift festgelegte Gelenkbänder führen huber zwei im Knieoberteil angeordnete Rollen
zurück in das Knieunterteil auf eine zum Spannen verstellbare Spannschraube und
stellen die Verbindungsmechanik des Gelenkes dar. Die Bänderspannung und damit die
Gleitung des Gelenkes ist huber die Spannschraube einstellbar. Die gesamte Gleitfläche
einer aus Vulkanfiber bestehenden Kniegelenkoberkurve und einer fettledernen Pfanne
wird aus einer Gleitfläche in der Mitte des Gelenkes und je einer seitlich der Bänder
gebildet. An Stelle des Begrenzungsanschlages bei Streckung des Gelenkes ist eine
verstellbare Hemmgurte, ein sog. Hemmstrang, kniel>eugewärts angeordnet.
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Die Vorteile dieser bekannten Ausführung, die gegenüber der fünfachsigen
zu schweren Gelenkmechanik vor allem in der Gewichtsersparnis und in einem reibungsloseren,
weicheren Ablauf der Gelenkbewegung bestehen, sind jedoch nicht ohne andere wesentliche
Nachteile erreicht worden. Die länder erweisen sich vor allem als eine für die großen
Beanspruchungen eines Kniegelenkes nicht immer genügend sichere Verbindung. Die
ständige Spannung der Bänder in Verbindung mit den Bandern immer anhaftenden mehr
oder weniger groben Schmutzteilen führen zu vorzeitigem Verschleiß der Bänder. Ein
meist unvorgesehenes Reißen der Gelenkbänder mit plötzlichem Ausfall des Gelenkes
ist die Folge. Die geringe Festigkeit der Ausführung ist insbesondere dann offenbar,
wenn der 'I'räger durch irgendwelche Umstände, beispielsweise durch Sturz oder unwillkürliches
ruckartiges Kniebeugen, veranlaßt wird. In derartigen Fällen linsen sich die Bänder
meist und machen das Gelenk funktionsunfähig. Ein weiterer großer Nachteil ist,
daß sich beim Bändergelenk infolge der bloßen Bandführung das Knieunterteil gegen
das -oberteil verdrehen läßt, was sich bei der Bänderlockerung oder Dehnung noch
steigert. Diese Erscheinung erweist sich für den Träger des Kunstbeines besonders
bei Dreh- und Wendebewegungen als ein bedeutender Unsicherheitsfaktor. Beim Bandgelenk
lassen sich daher unvorhergehende Lockerungen oder Reißen der Bänder nicht absolut
vermeiden. Die bei Ablauf der Bewegung meist ruckartig beanspruchte Hemmgurte aus
Werkstoff (Igamit) unterliegt den gleichen Mängeln, wie Reißen und Lockerungen durch
Dehnungen. Infolge der Dehnung der Hemmgurte tritt ein Uberstrecken des Kniegelenkes
und damit eine unnatürliche Gehstellung ein, aus der der Träger nur mit zusätzlichem
Kraftaufwand im Geh akut herauszukommen vermag. die Aufgabe der Erfindung besteht
also darin, unter Beibehaltung der bekannten Äblaufkurve nach dem physiologischen
Gesetz: Rückwanderung des Gelenkes in die Unterstützungslinie bei Kniestreckung
des Kunstl) eines, eine neuartige Kniegelenkverbindungsmechanik zu schaffen, die
genügende Starrheit und Festigkeit ihrer Verbindungselemente aufweist, die damit
die Nachteile des Bandsystems überwiiidet. jedoch die Vorzüge desselben gegenüber
der schweren fünfachsigen Gelenkverbindung beibehält und die Geheigenschaften durch
besondere Ausbildung von Gleitflächen und Hemmvorrichtung noch verbessert.
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Gleichzeitig sollte eine wesentliche Senkung der Herstellungskosten
mit dem neuen Gelenk ermöglicht verden. Diese Aufgabe wurde durch eine Verbindungsmechanik
gelöst, die aus einer im Knieoberteil gelagerten Achse. vorzugsweise Hohlachse,
besteht, an der eine Zugstange befestigt ist, die eine im Knieunterteil parallel
lagernde zweite Hohlachse radial durchdringt. wobei letztere durch eine Spannvorrichtung,
bestehend aus einer Flügelschraube und einem Spaniigummi. gegen das Knieoberteil
einstelllar ist und kuiebeugewärts eine feststellbare auf einem Exzenter lagernde
einen U-Schenkel bildende Hemmlasche angeordnet ist.
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Zur Verbesserung der Gleiteigenschaften der Ablaufkurve sind die Gleitflächen
nicht mehr Metall auf Fiber oder Leder auf Fiber gewählt, vielmehr ist die Oberkurve
aus Fiber. während die Lagerfläche im Unterschenkel aus zähem Filz besteht.
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Hierdurch entsteht ein bisher unerreichtes, völlig geräuschloses,
weiches Auftreten und Abrollen mit dem besonderen großen Vorteil, daß die Beanspruchung
des ganzen Gelenkes vermindert ist und dadurch einfacher und klarer konstruktiv
wird.
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Außerdem fällt das so lästige Schmieren des Gelenkes, insbesondere
der Abrollflächen mit Fett oder Öl, was immer eine Verschmutzung der Beinkleider
zur Folge hatte, weg.
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Durch die Verbindungsmechanik, bestehend aus zwei Hohlachsen, einer
Zugstange mit Einstellmutter und Spanngummi sowie einer Exzenterhemmlasche, ist
nun eine sehr leichte, einfache und doch starre Verbindung des Kniegelenkes geschaffen,
auf die sich der Kunstbeinträger in jeder Lage verlassen kann. Die gleiteiiden Teile
sind auf ein Mindestmaß herabgesetzt. so daß keine den Bewegungsablauf störenden
Reilungen auftreten. Die Verdrehsteifigkeit von Unterschenkel gegen Oberschenkel
bei Wende- und Drehbewegungen ist absolut gewährleistet, so daß der Amputierte bei
allen Bewegungen nunmehr stabil bleibende Gelenkverhältnisse hat.
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Die Erfindung ist in der Zeichnung beispielsweise dargestellt : Abb.
1 zeigt das Gelenk teilweise im Schnitt nach A-A der Abb. 2 und in Ansicht von hinten;
Abb. 2 zeigt das Gelenk im Schnitt der Bewegungsebene; Abl. 3 stellt die Exzenterllemmlasche,
teilweise geschnitten dar.
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Das Knieoberteil I bewegt sich beim Gehen des Amputierten mit der
bekannten, dem natürlichen Gehablauf des gesunden Gelenkes nachgebildeten Fibergleitkurve
4 in der entsprechenden Lagerfläche 3, der sog. Pfanne. des Knieunterteiles 2.
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Zur Herbeiführung eines weichen Gelenkahlaufes ist diese Lagertläche
aus einem zähen Filz, vorzugsweise einem Merinoblockfilz hergestellt. Die Lagerflächen
des neuen Gelenkes sind zu beiden Seiten der in der Mitte des Gelenkes liegenden
eigentlichen Verhindungsmechanik angeordnet und konnten dadurch ebenfalls zur Erhöhung
der Stand-und Bewegungssicherheit verbreitert werden.
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Die eigentliche Verbindungsmechanik besteht erfindungsgemäß aus einer
im Knieoberteil 1 angeordneten Hohlachse I3, mit einem aus Festigkeitsgründen aufgesetzten
Verbindungsstück I4, in das die leicht schräg nach vorn zum Knieunterteil 2 führende
Zugstange 5 radial eingeschraubt ist. Die Zugstange 5 führt dann ebenfalls radial
durch eine im Knieunterteil 2 fest angeordnete, aber auf der Zugstange in Längsrichtung
bewegliche zweite Hohlachse 7, die parallel zu derjenigen im Oberteil I liegt. Ein
zwischen Fil,erunterlegscheiben II befindlicher Spanngummi g wird von der Flügelmutter
10 gegen die Hohlwelle 7 des Knieunterteiles 2 gedrückt und läßt somit das Knieunterteil
2 über Flügelmütter 10, Spanngummi 9, Zugstange 5 und Hohlachse I3 gegen das Knieoberteil
I spannen.
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Die Hohlachse I3 liegt in Preßstoffbüchse 12, ebenso die des Kniennterteiles
2 in Preßstoffbüchse 6. Hohlachse 13 und 7 sind derart um Kiiieober- und -unterteil
gelagert, daß bei Bewegung der Ablauf in bekannter Weise auf der Gleitkurve stattfinden
kann.
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Zur Vermeidung von Reibungen der Hohlachse 7 gegen die Zugstange 5
ist in die Hohlachse 7 von I,eiden Seiten ein Schmierstopfen 8 eingeschraubt, der
die Bohrungen und die Zugstange mit Fett versorgt und jedes metallische Geräusch
verhindert.
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Es ist somit eine aus zwei Achsen, einer Zugstange mit Spanngummi
und Flügelmutter bestehende Verbindungsmechanik geschaffen, die durch ihre Stabilität
gegen die vorkommenden Beanspruchungen volle Sicherheit gewährt, einfach und billig
in der Herstellung ist und durch Verwendung von Leichtmetall für Hohlachse 7 und
Mutter 10 überaus leicht ist.
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In weiterer Ausgestaltung der Erfindung ist statt des bekannten Werkstoffhemmstranges
eine neuartige. unnachgiebige, starre Exzenterhemmlasche 15 kniebeugewärts angeordnet.
Die Exzenterhemmlasche nimmt auf den eigentlichen Gelenkablauf keinen Einfluß, sie
hat vielmehr die Aufgabe, die Kniestreckung zu begrenzen, und soll durch ihre neuartige
Ausführung die bisher vorhandene Drehgefahr von Knieunterteil gegen Knieoberteil
beseitigen. Die Exzenterhemmlasche besteht aus zwei nach dem Knieoberteil zu einen
offenen U-förmigen Schenkel bildenden geraden Laschen 15a Die Laschen sind durch
eine im Knieunterteil lagernde Hohlachse 17 verbunden, wobei letztere wiederum in
einem mit Druckschraube I8 feststellbaren Exzenter I6 gelagert ist. Im Knieoberteil
ist die offene Seite des U-Schenkels; damit beim Knieablauf die Zugstange 5 für
ihre Verwendung genügend Raum hat. Jeder Schenkel der Exzenterhemmlasche ist daher
für sich durch einen kurzen, parallel der unteren Hohlachse I7 geführten einschraul)laren
Zapfen 20 gelagert. Die Anordnung der Hemmlasche ist derart, daß bei vollkommener
Streckung des Gelenkes die Exzenterhemmlasche auf Zug. heansprucht ist und dadurch
eine Überstreckung des Gelenkes verhindert.
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Der Endpunkt der Streckung ist durch den auf Hohlachse I7 lagernden
Exzenter I6 im Knieunterteil regelbar. Bei der neuen Hemmlasche sind unvorhergesehene
Überstreckungen des Gelenkes durch Ausdehnung des bekannten Hemmstranges ausgeschlossen.
Die übersichtliche und leicht zugängliche Anordnung im Gelenk selbst bietet den
Vorteil der leichten Einstellbarkeit. Ferner ist eine vollkommene Drehfestigkeit
des Gelenkes durch die starke und doch leichte Verbindung erreicht.