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Verfahren und Vorrichtung zur Rektifikation von Flüssigkeitsgemischen
Die Zerlegung von fluiden Gemischen durch Rektifikation wird in der Regel in der
Weise durchgeführt, daß man die Flüssigkeit über einzelne Rektifikationsböden in
einer Rektifikationssäule herabfließen läßt, auf welchen sie mit den von unten aufsteigenden
Dämpfen in innige Berührung kommt und sich dabei mit den schwerer siedenden Bestandteilen
anreichert. Als günstigster Fall ist bisher angesehen worden, daß die von einem
einzelnen Rektifikationsboden herablaufende Flüssigkeit im Gleichgewicht mit den
Dämpfen steht, welche aus diesem Boden austreten. Praktisch werden jedoch meist
nur etwa 5o°/, dieses Wertes erreicht. Hierbei wird vorausgesetzt, daß die Flüssigkeit
auf jedem Boden so gut durchmischt wird, daß sie an allen Stellen des Bodens dieselbe
Zusammensetzung hat, so daß auch die Zusammensetzung, mit der die Flüssigkeit von
dem Boden abläuft, gleich ihrer mittleren Zusammensetzung ist. (Vgl. z. B. Müller-Pouillets
Lehrbuch der Physik, Band III, S. II23).
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Gegenstand vorliegender Erfindung ist ein Verfahren und eine Vorrichtung
zur Durchführung von Rektifikationsvorgängen, welche es ermöglichen, Wirkungsgrade
zu erreichen, die sogar über den nach der bisherigen Berechnungsweise günstigsten
Wirkungsgrade hinausgehen. Es wurde gefunden, daß man eine überraschende Steigerung
des Wirkungsgrades erzielt, wenn man, ohne die innige Berührung zwischen Gas und
Flüssigkeit zu vermindern, die bisher stets erhebliche Durchmischung der Flüssigkeit
auf den einzelnen Rektifikationsböden weitgehend unterdrückt. Man leitet zu diesem
Zweck die Dämpfe in der Weise durch die Flüssigkeit hindurch, daß man zwär eine
sehr innige Berührung fein verteilter Dampfteilchen mit der Flüssigkeit auf großer
Oberfläche erzielt, aber die gleichmäßige Bewegung der Flüssigkeit auf dem Boden
hierdurch nicht gestört wird und Quer- und Gegenströmungen in der Flüssigkeit, die
eine Vermischung von stärker mit schwer Siedendem angereicherter Flüssigkeit mit
weniger angereicherter zur Folge haben, verhindert werden. Wenn diese Bedingungen
eingehalten werden, reichert sich die Flüssigkeit vom Einlauf auf den Boden während
ihres Weges stetig mit schwerer Siedendem an und weist infolgedessen beim Ablauf
einen wesentlich höheren Gehalt an schwerer Siedendem auf, als der mittleren Zusammensetzung
der Flüssigkeit auf dem Boden entspricht. Die Dämpfe, die die Flüssigkeit durchsetzen,
werden demgemäß über den einzelnen Teilen des Bodens verschieden zusammengesetzt
sein. Auf die beschriebene Weise läßt sich erreichen, daß auch bei Unvollkommener
Gleichgewichtseinstellung zwischen Flüssigkeit und Dampf die vom Boden ablaufende
Flüssigkeit mehr an schwer Siedendem enthält, als selbst bei vollkommenem Austausch
auf einem Boden, jedoch mit vollständiger Durchmischung der Flüssigkeit möglich
wäre, denn bei einem solchen Boden kann die. ablaufende Flüssigkeit die Zusammensetzung,
die sie bei Gleichgewicht mit einem
Dampf von der mittleren Zusammensetzung
der oben abziehenden Dämpfe hätte, nicht überschreiten.
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Nach der Erfindung wird außerdem aef.' jedem Boden eine möglichst
weitgehende '#Q, an eine Gegenstromführung v ',t' Flüssigkeit und Dampf angestrebt,
indem die Flüssigkeit auf ihrem Wege über den Boden nacheinander Dampfschichten
trifft, die stetig an schwerer Siedendem reicher sind. Eine vollständige Gegenstromführung
bei_Rektifikationsprozessen hat man bisher nur in Rektifikationssäulen verwirklicht,
in denen Flüssigkeit. und Dampf in einer mit Füllkörpern mit größer Oberfläche gefüllten
vertikalen Zylinder gegeneinander strömen. Hierbei ist jedoch die Intensität der
Berührung zwischen Flüssigkeit und Dampf und damit die Gleichgewichtseinstellung
zwischen beiden, die das Ziel der Rektifikation bildet, sehr viel schlechter als
bei Säulen - reit einzelnen Böden, in denen die Dämpfe nicht nur an,der Flüssigkeit
vorbeistreichen, sondern letztere durchsetzen. Die Verschlechterung des Austausches
zwischen Flüssigkeit und Dampf bei Rieselsäulen überwiegt bei weitem den prinzipiellen
Vorteil der konsequenten Gegenstromführung.
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Demgegenüber ermöglicht vorliegende Er-Findung eine weitgehende Annäherung
an die Gegenstromführung von Dampf und Flüssigkeit unter voller Wahrung der günstigen
Austauschverhältnisse zwischen beiden, wie sie bei Säulen mit getrennten Böden erzielbar
sind. Das angewandte Mittel kann als eine konsequente Kreuzstromführung von Flüssigkeit
und Dampf bezeichnet werden.
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Die Flüssigkeit kommt auf jedem Boden nacheinander mit einzelnen Schichten
der, Dämpfe in Berührung, die nahezu senkrecht' zur Flüssigkeitsbewegung strömen.
Da die Flüssigkeit sich während ihres Weges über den Boden stetig mit schwerer Siedendem
-anreichert, weisen auch die Dämpfe, die den Boden verlassen, in--Jedem Querschnitt
des Flüssigkeitslaufes einen in Richtung des Flüssigkeitsstromes stetig zunehmenden
Gehalt an schwerer Siedendem auf. Erfindungsgemäß läßt man nun die Flüssigkeit auf
sämtlichen Böden parallel und in gleicher Richtung fließen und ,verhindert gleichzeitig,
daß die aufsteigenden Dämpfe auf ihrem Wege von einem Boden zum anderen sich durchmischen.-
Auf diese Weise wird eine Kreuzstromführung zwischen Flüssigkeit und Dampf erzielt,
da die Flüssigkeit auf jedem Boden nacheinander Dampfschichten 'durchsetzt, die
in Richtung der Flüssigkeitsströmung einen zunehmenden Gehalt an schwerer Siedendem
besitzen.
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Es ist an sich bekannt, bei Rektifikationssäulen mit- einzelnen Böden
die Flüssigkeit auf allen Böden in -gleicher Richtung strömen- zu lassen und auch
die Dämpfe ohne wesentliche Durchmischung senkrecht nach oben zu führen. Man hat
jedoch bisher niemals darauf geachtet, üie Durchmischung von Flüssigkeit, die mit
set%verer Siedendem angereichert ist, mit weniger -,,, 'ä:gereicherter zu verhindern.
In diesem Falle - äben die einzelnen Dampfschichten, die in der Rektifikationsgäule
aufsteigen über jedem Teil eines Bodens im wesentlichen die gleiche Zusammensetzung.
Erst durch die Verhinderung der Durchmischung der Flüssigkeit gemäß der Erfindung
in Verbindung mit der Parallelströmung der Flüssigkeit auf sämtlichen Böden wird
erreicht, daß die einzelnen Dampfschichten in Richtung der Flüssigkeitsströmung
den stetig zunehmenden Gehalt an schwerer Siedendem aufweisen, der zur Erzielung
einer Gegenstromwirkung zwischen Flüssigkeit und Dampf in bezug auf ihren Gehalt
an schwerer Siedendem notwendig ist.
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Der Erfindungsgedanke wird in der Weise verwirklicht, daß man die
Flüssigkeit auf einem möglichst langen Weg in dünner Schicht mit größerer Geschwindigkeit
einheitlich und in parallelen Fäden über die Rektifikationsböden hinwegfließen läßt,
während die Dämpfe, in zahlreiche kleine Blasen aufgelöst, die Flüssigkeitsschicht
durchsetzen. Die Dampfbewegung erfolgt senkrecht zur Ebene der Flüssigkeitsbewegung,
um eine Vermischung der Flüssigkeit in den Richtungen der Strömungsebene zu verhindern.
Um eine möglichst geringe Störung der Flüssigkeitsbewegung infolge des Durchtrittes
der Dämpfe zu erzielen, kann man letztere auch in Richtung der Flüssigkeitsströmung
austreten lassen. Der Abstand der Durchtrittsöffnungen für den Dampf auf den Böden
ist so groß zu wählen, daß die einzelnen Dampfblasen innerhalb der Flüssigkeit sich
nicht vereinigen. Er beträgt zweckmäßig mindestens das Doppelte des Lochdurchmessers.
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Die gewünschte Gegenstromwirkung -zwischen Flüssigkeit und Dampf ist
um -so größer, je gleichmäßiger die Strömung der Flüssigkeit, je größer ihre Geschwindigkeit,
je länger ihr Weg und je dünner ihre Schicht ist. Eine gewisse Mindesthöhe der Flüssigkeitsschicht
darf dabei jedoch nicht unterschritten werden, um einen genügend intensiven Austausch
zwischen Flüssigkeit und Dampf und einen gleichmäßigen Durchtritt der Dämpfe auf
allen Teilen des Bodens mit Rücksicht auf den Niveauabfall der Flüssigkeit zu gewährleisten.
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Eine geeignete Ausführungsform des Rektifikationsverfahrens ist als
Beispiel in der Abbildung dargestellt, In der Figur ist ein Längs-und ein Querschnitt
durch eine Rektifikationssäule gezeichnet. Die Flüssigkeit wird durch das Rohr z
auf den ringförmigen Rektifikationsboden aufgegeben. Der Rektifikationsboden besteht
aus einer mit engen Löchern versehenen
Siebplatte, deren Innenteil
konzentrisch zur Säule kreisförmig abgedeckt ist. Nach Durchlaufen der Kreisringfläche
gelangt die Flüssigkeit durch das Ablaufrohr 3 auf den folgenden Boden q., auf welchem
die Flüssigkeit in gleicher Weise und in gleicher Richtung weiterfließt. Zu- und
Ablauf jeden Bodens sind durch eine bis zum nächsten Boden gehende Wand getrennt,
und die Sektorabschnitte des Zu- und Ablaufes sind gegen Gasdurchtritt dicht abgedeckt.
Sie sind auf jeden Boden gegen den vorhergehenden in der Weise versetzt, daß die
Flüssigkeit auf alle Böden in gleicher Richtung fließt. Die Dämpfe, die senkrecht
nach oben strömen, treten durch die kleinen Löcher der Siebplatte hindurch und durchsetzen
die über die Siebplatte strömende Flüssigkeit in fein verteilter Form. Hierdurch
wird eine intensive Berührung zwischen Flüssigkeit und Dampf erzielt, ohne daß in
der Flüssigkeit Gegenströmungen oder Querströmungen hervorgerufen werden. Die Dampfquerschnitte
zwischen den Böden sind so groß, daß die Dampfströmung weitgehend laminar ist und
infolgedessen die Zusammensetzung der Dämpfe zwischen zwei Bödenin senkrechter Richtung
unverändert bleibt, dagegen in jedem Kreissektor von dem über dem Flüssigkeitszulauf
liegenden Teil eines Bodens bis zu dem über dem Flüssigkeitsablauf gelegenen hin
stetig an schwerer siedendem Bestandteil reicher ist. , Außer der beschriebenen
Ausführungsform des Bodens sind zahlreiche andere möglich. Man kann beispielsweise
die Siebblechböden ersetzen durch sogenannte Glocken oder Hütchenböden, bei denen
der Dampf durch von kleinen Hütchen überdeckte Rohre hindurchgeführt wird und unter
der Flüssigkeitsoberfläche in kleinen Blasen austritt. Wesentlich ist stets, daß
bei intensiver Berührung zwischen Flüssigkeit und Dampf eine Durchmischung der Flüssigkeit
in den Richtungen der Strömungsebene verhindert wird. Das Verfahren ist besonders
geeignet zur Zerlegung von flüssiger Luft oder anderen tiefsiedenden Gemischen,
kann jedoch auch mit Vorteil für -die Rektifikation beliebig hochsiedender Flüssigkeiten
verwendet werden. Die Steigerung des Wirkungsgrades, die durch die Erfindung erzielt
wird, beträgt etwa ioo°/a. Bei gleicher Leistung ist daher eine wesentliche Verringerung
der äußeren Abmessungen der Säulen möglich. Dieser Vorzug macht sich besonders bei
der Verarbeitung tiefsiedender Gemische bemerkbar, da der Kältebedarf derartiger
Anlagen von der Größe der Apparatur abhängig ist. Ein weiterer Vorteil des neuen
Verfahrens besteht darin, daß man mit einer geringeren Zahl von Rektifikationsböden
auskommt und hierdurch der Druckabfall in der Rektifikatiönssäule kleiner wird als
bisher. Dies ist gleichfalls für die Zerlegung tiefsiedender Gasgemische besonders
wichtig, da hierdurch an Kompressionsarbeit gespart wird.