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Verfahren zur Reinigung von rohem Acetonitril
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unter Gewinnung von reiner Blausäure Die Erfindung betrifft ein Verfahren
zur Reinigung von rohem Acetonitril unter Gewinnung von reiner Blausäure.
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Bei der Herstellung von Acrylnitril durch Ammoxydation von Propylen
entsteht als Nebenprodukt rohes Acetonitril, das neben Wasser, freier und gebundener
Blausäure noch eine Vielzahl von organischen Verbindungen, wie Acrylnitril, Propionitril,
Oxazol, Allylalkohol, Acetaldehyd, Crotonsäurenitril, Aceton und andere enthält.
In gebundener Blausäure ist diese in Form von Cyanhydrinen gebunden.
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Es sind bereits mehrere Verfahren bekannt, nach denen aus rohem Acetonitril
reines Acetonitril hergestellt werden kann, jedoch weisen alle diese Verfahren beträchtliche
Nachteile auf. So können nach US-PS 4 119 497 die Verunreinigungen Blausäure und
Acrylnitril durch Erhitzen auf etwa 550C mit einem Überschuß an Alkali etwa in Ammoniumformiat
oder Aminopropionitril umgewandelt werden, worauf durch extraktive Destillation
und zweimalige Azeotropdestillation reines Acetonitril gewonnen wird. Da bei der
extraktiven Destillation ein zusätzlicher Stoff, Benzol, eingeführt werden muß und
das Wasser mit Hilfe des ungünstigen Wasser/Benzol-Azeotrops, das nur 9 % Wasser
enthält, abgetrennt werden muß, ist dieses Verfahren nachteilig.
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Nach DE-OS 30 11 391 kann rohes Acetonitril gereinigt werden, indem
es zuerst etwa 6 Stunden mit wäßriger Alkalilösung erhitzt, das Reaktionsgewisch
dann unter vermindertem Druck destilliert wird, wobei im Kolonnensumpf ein blausäurehältiges
Abwasser entsteht, und das Kopfprodukt in einer Extraktionskolonne im Gegenstrom
neuerlich mit wäßriger Alkalilösung versetzt wird. Die im Sumpf anfallende wäßrige
Alkalilösung, die mit organischen Verbindungen verunreinigt ist, geht ins Abwasser,
während das am Kolonnenkopf anfallende Produkt einer neuerlichen Destillation unterworfen
wird. Auch dieses Verfahren ist aufwendig, es wird zweimal wäßrige Alkalilösung
eingebracht, die zusammen mit organischen Verunreinigungen wieder entfernt werden
muß, und es entsteht ein weiteres blausäurehältiges Abwasser, das ebenfalls noch
gesondert aufgearbeitet werden muß.
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Nach EP-A-0055920 ist ein Verfahren bekannt, nach welchem das rohe
Acetonitril zuerst bei einer Temperatur von über 700C destilliert wird, wobei Blausäure,
Acrylnitril, Oxazol, Aceton am Kolonnenkopf anfallen und verbrannt werden und der
Seitenstrom dieser Kolonne dann einer Destillation bei einem Druck von weniger als
einer Atmosphäre sowie einer Destillation bei einem Druck von über einer Atmosphäre
unterworfen wird. Vor der Unterdruckdestillation kann das Reaktionsgemisch nach
US-PS 4 328 075 noch in einem nDigester" mit Natronlauge und Formaldehyd behandelt
werden, sodaß ein "im wesentlichen" cyanidfreies Reaktionsgemisch mit einem Gehalt
von weniger als 25 ppm, vorzugsweise weniger als 10 ppm Cyaniden erhalten wird.
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Wegen dieses offenbar doch vorhandenen Cyanidgehaltes muß das Kopfprodukt
der Druckdestillationskolonne in EP-A-0055920 ein zweites Mal in den Digester geleitet
und neuerlich mit Formaldehyd verkocht werden, genauere Angaben über den Cyanidgehalt
des Endproduktes fehlen. Weitere Nachteile dieses Verfahrens bestehen darin, daß
die im Rohacetonitril vorhandene Blausäure, ein wertvolles technisches Produkt,
etwa zur Herstellung von Acetoncyanhydrin (Methacrylnitril), verbrannt wird, daß
neben den beiden Destillationskolonnen, die bei Normaldruck bzw. überatmosphärischem
Druck arbeiten, auch noch eine Unterdruckdestillationskolonne verwendet werden muß,
was einen erhöhten technischen Aufwand bedingt.
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Überraschenderweise konnte demgegenüber ein Verfahren zur Reinigung
von
rohem Acetonitril gefunden werden, das keine Unterdruckdestillation
verwendet, bei dem die gebundene Blausäure und Acrylnitril in einem einzigen Schritt
durch kurze Druckbehandlung mit Alkali vollständig vernichtet werden und bei dem
reine Blausäure als wertvolles Nebenprodukt gewonnen wird.
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Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist demnach ein Verfahren zur
Reinigung von rohem Acetonitril unter Gewinnung von reiner Blausäure, dadurch gekennzeichnet,
daß a) in einer ersten Destillationskolonne bei einem Druck von 1 bis 1,5 bar und
einer Kopftemperatur von 28 bis 300C reine Blausäure durch Destillation entfernt,
b) das Sumpfprodukt dieser ersten Destillationskolonne zur Vernichtung von Acrylnitril
und gebundener Blausäure mit einer Base bis zu einem pH-Wert von 8,5 bis 11 versetzt
und in einem Reaktor bei 200 bis 2500C und einer Verweilzeit von 3 bis 20 Minuten
umgesetzt, c) das blausäure- und acrylnitrilfreie Rohacetonitril in einer zweiten
Destillationskolonne bei einem Druck von 1 bis 1,5 bar so destilliert wird, daß
als Kopfprodukt leicht siedendes, mit Oxazol angereichertes Destillat, als Sumpfprodukt
Wasser und schwer siedende Verunreinigungen abgetrennt werden und aus dem oberen
Teil der Kolonne ein Acetonitril-Wasser-Azeotrop entnommen und d) dieses Acetonitril-Wasser-Azeotrop
in den mittleren Teil einer dritten Destillationskolonne eingebracht und bei einem
Druck von 2 bis 15 bar destilliert wird, sodaß vom Boden der Kolonne reines Acetonitril
entnommen wird, während vom Kopf der Kolonne ein leicht siedende Anteile enthaltendes,
wasserreiches Azeotrop in die zweite Destillationskolonne zurückgeführt wird.
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Die erste Destillationskolonne dient zur Abtrennung der freien Blausäure
und arbeitet bei Normaldruck oder geringfügig höherem Druck, also bei etwa 1 bis
1,5 bar und einer Kopftemperatur, die dem Kochpunkt der Blausäure beim
Kolonnendruck
entspricht. Üblicherweise wird bei einem Druck von 1 bis 1,2 bar und einer Kopftemperatur
von 28 bis 300C gearbeitet. Rohes Acetonitril wird etwa im Mittelteil der Kolonne
eingeleitet, reine Blausäure entweicht am Kopf der Kolonne, wird in einem Kondensator
kondensiert und zur Stabilisierung mit einer Säure, wie Essigsäure, versetzt. Ein
Teil des Kondensates wird zur Erhöhung der Trennwirkung als Rücklauf in den obersten
Teil der Destillationskolonne gegeben.
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Das blausäurefreie Sumpfprodukt wird zur Zerstörung von gebundener
Blausäure und Acrylnitril in einem Druckreaktor zusammen mit einer Base auf 200
bis 250°C erhitzt. Als Basen kommen vor allem Alkali oder Erdalkalihydroxyde, wie
NaOH oder Ca(OH)2 als wäßrige Lösungen oder NH3 in Betracht. Die Basenmenge hängt
von der Menge der zu zerstörenden, gebundenen Blausäure ab und soll so gewählt werden,
daß eine mit der 9fachen Menge Wasser verdünnte Probe des Reaktionsgemisches einen
pH-Wert von 8,5 bis 11 aufweist, vorzugsweise von 9 bis 10. Bei üblichem Rohacetonitril
mit einem Gehalt an gebundener Blausäure von etwa 0,5 bis 1,5 Gew.% beträgt die
Basenmenge etwa 0,2 bis 0,8 Gew.% des Rohacetonitrils. Die Verweilzeit im Reaktor
hängt etwas von der Menge der zu vernichtenden, gebundenen Blausäure, hauptsächlich
aber von der Temperatur ab. Sie beträgt 3 bis 20 Minuten bei der bevorzugten Temperatur
von 2300C etwa 10 Minuten und ist bei 2500C noch kurzer. Das von gebundener Blausäure
und Acrylnitril befreite Acetonitril wird in eine zweite Destillationskolonne, die
ebenfalls bei Normaldruck oder geringfügig höherem Druck, also bei 1 bis 1,5 bar
arbeitet, etwas unter der Mitte der Kolonne eingebracht. Im Sumpf der Kolonne sammeln
sich alle Verunreinigungen, die höher als das Acetonitril-Wasser-Azeotrop sieden,
also Propionitril, Allylalkohol, Crotonitril und andere Verunreinigungen sowie das
überazeotrope Wasser und werden zur Verbrennung abgetrennt, während am Kolonnenkopf
mit Oxazol angereicherte, leicht siedende Anteile abgetrennt werden. Etwas über
der Mitte der Kolonne wird ein Acetonitril-Wasser-Azeotrop als Seitenstrom entnommen,
das von höher siedenden Verunreinigungen befreit, jedoch noch mit niedrig siedenden
Komponenten verunreinigt ist.
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Dieses Gemisch wird einer dritten Destillationskolonne, die bei erhöhtem
Druck, und zwar bei Drucken von 2 bis 15 bar arbeitet, zugeführt. Am Kopf
der
Kolonne entsteht ein die restlichen niedrig siedenden Verunreinigungen enthaltendes,
wasserreiches Azeotrop, das in die zweite Kolonne zurückgeführt wird, während im
unteren Teil der Kolonne wasserfreies Acetonitril in Dampfforrn entnommen und in
einem Kondensator kondensiert wird. Die Beheizung aller drei Kolonnen kann auf übliche
Weise erfolgen, etwa durch Beheizung des zirkulierenden Sumpfproduktes.
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Ein weiterer Gegenstand der Erfindung ist eine Vorrichtung zur Durchführung
des erfindungsgemäßen Verfahrens, die anhand der schematischen Darstellung in Figur
1, die eine der möglichen Ausführungsformen der Erfindung darstellt, erläutert werden
soll.
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Rohes Acetonitril gelangt durch die Zuleitung 1 in die bei Normaldruck
oder geringfügig höherem Druck arbeitende erste Destillationskolonne 2. Diese ist
am Kopf über die Dämpfeleitung 3 mit dem Kondensator 4 verbunden, der eine Leitung
5 für die Zugabe eines Stabilisators aufweist. Vom Kondensator 4 führen die Leitung
7 zur Entnahme von Kopfprodukt und Leitung 6 zum Aufgeben vom Rücklauf zum Kopf
der Kolonne 2. Der Sumpf der Kolonne 2 ist über die Leitungen 8 und 38 mit dem Aufkocher
9 verbunden, der zum Beheizen der Kolonne dient. Das Sumpfprodukt gelangt über die
Leitung 10, die Pumpe 11 und die Leitung 12 in den Druckreaktor 14, der eine Basenzuleitung
13 aufweist und über Leitung 15 mit der zweiten Destillationskolonne 16 verbunden
ist. Vorn Kopf der Kolonne 16 führt eine Dämpfeleitung 17 zum Kondensator 18, aus
dem über Leitung 19 Rücklauf auf die Kolonne 16 gegeben und Kopfprodukt über Leitung
20 entnommen wird. Der Sumpf der Kolonne 16 ist über die Leitung 23 mit dem Wärmetauscher
25 verbunden, der als Aufkocher zum Beheizen der Kolonne dient. Über Leitung 24
wird Sumpfprodukt entnommen. Aus dem oberen Teil der Destillationskolonne 16 führt
eine Leitung 21 zur Pumpe 27, die über Leitung 28 mit der unter einem Druck von
2 bis 15 bar arbeitenden dritten Destillationskolonne 29 verbunden ist. Vom Kopf
der Kolonne 29 führt eine Dämpfeleitung 30 zum Wärmetauscher 25, der als Kondensator
dient und über die Leitung 39 mit der Pumpe 31 verbunden ist, von wo über Leitung
32 Rücklauf auf die Kolonne 29 gegeben wird und über Leitung 22 Kopfprodukt der
Kolonne 29 in den unteren Teil der Kolonne 16 geführt wird. Der Sumpf der dritten
Destillationskolonne 29 ist über die
Leitungen 33 und 40 mit dem
Aufkocher 34 verbunden, der die Kolonne beheizt. Die Entnahme von reinem Acetonitril
aus dem Dämpferaum über dem Sumpf der Kolonne 29 erfolgt fieber die Leitung 35,
den Kondensator 36 und Leitung 37.
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Beispiel: Einer Anlage zur Herstellung von Acrylnitril wurden 600
kg/h rohes Acetonitril der Zusammensetzung A entnommen und in einer oben und in
Figur 1 beschriebenen Anlage gereinigt. Als erste Destillationskolonne wurde eine
Kolonne verwendet, die bei einem Druck von 1,1 bar und einer Kopftemperatur von
28°C arbeitete. Die kondensierte Blausäure wurde zur Stabilisierung mit 3 kg/h Essigsäure
versetzt, 42 kg/h reine Blausäure wurden gewonnen. Aus dem Sumpf der ersten Destillationskolonne
wurden 561 kglh Sumpfprodukt der Zusammensetzung B zugleich mit 8 kg/h 50%iger wäßriger
Natronlauge in den dampfbeheizten Rohrreaktor gebracht, der so ausgelegt war, daß
das Reaktionsgemisch 10 Minuten auf 2300C erhitzt wurde. Das den Reaktor verlassende
Produkt hatte die Zusammensetzung C und wurde in die zweite Destillationskolonne
entspannt, die bei einem Druck von 1,1 bar und einer Kopftemperatur von ca. 70°C
arbeitete. Am Kolonnenkopf wurden 20 kg/h eines Gemisches der Zusammensetzung D
als oxazolreiche, leicht siedende Anteile und vom Kolonnensumpf 208 kg/h eines Gemisches
der Zusammensetzung E, bestehend aus Wasser und schwer siedenden Anteilen entnommen.
Als Seitenstrom wurden 869 kg/h der Zusammensetzung F in die dritte Destillationskolonne,
die bei einem Druck von 7 bar und einer Sumpftemperatur von 1550C arbeitete, eingebracht.
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Die Dämpfe vom Kopf dieser Kolonne wurden im Wärmetauscher kondensiert
und 528 kg/h eines Gemisches der Zusammensetzung G wurden in den unteren Teil der
zweiten Destillationskolonne rückgeführt. Aus dem Dämpferaum des Sumpfes wurden
341 kg/h reines Acetonitril gewonnen. Der Gehalt an freier Blausäure, gebundener
Blausäure und Acrylnitril war unter der analytischen Nachweisgrenze. Die analytische
Nachweisgrenze für freie Blausäure war 1 ppm, für gebundene Blausäure 1 ppm und
für Acrylnitril 10 ppm.
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Zusammensetzung in kg/h A B C D E F G H Acetonitril 350 350 350 6
3 720 379 341 Wasser 135 135 139 2 137 147 147 -freie Blausäure 42 - - - - - - -gebundene
Blausäure 4 4 - - - - - -Acrylnitril 3 3 Oxazol 6 6 6 6 - 1 1 -andere 60 63 74 6
68 1 1 -Summe 600 561 569 20 208 869 528 341