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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Steuern von regenerativem Bremsbetrieb in einem Kraftfahrzeug.
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In der Antriebstechnik bezeichnet der Begriff Rekuperation das technische Verfahren zur Rückgewinnung von Energie beim Abbremsen oder bei Kraftstoffabschaltung.
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Bei der Rekuperation wird eine elektrische Maschine im Generatorbetrieb durch die rollenden Räder angetrieben und so kinetische Energie des Fahrzeugs in elektrische Energie umgewandelt.
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Aus
US 5 915 801 A ist ein Hybridfahrzeug mit einem Verbrennungsmotor und einem Elektromotor bekannt, bei dem die Rekuperation bei elektrischem Betrieb so dosiert ist, dass sie das Bremsmoment nachbildet, das im Verbrennungsbetrieb der Verbrennungsmotor erzeugen würde.
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BEV-Fahrzeuge können mehrere Rekuperationsmodi haben, die sich in Verzögerung und Steuerbarkeit unterscheiden. In einigen Fällen ist die Generatorlast so hoch, dass das Bremspedal kaum noch betätigt werden muss. Wenn jedoch beim Durchfahren einer Kurve ein Pedalwechsel erfolgt, kann eine plötzliche starke Verzögerung aufgrund der einsetzenden Rekuperation zu einer instabilen Fahrsituation wie Unter- oder Übersteuern führen.
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Eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist, die Stabilität eines elektrisch angetriebenen Fahrzeugs im Rekuperationsbetrieb auch beim Durchfahren einer Kurve zu gewährleisten.
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Die Aufgabe wird einem Aspekt der Erfindung zufolge gelöst durch ein Verfahren zum Steuern von regenerativem Bremsbetrieb in einem Kraftfahrzeug mit den Schritten
- a) Abschätzen einer maximal erlaubten Beschleunigung des Kraftfahrzeugs;
- b) Abschätzen einer aus dem Durchfahren einer Kurve resultierenden Transversalbeschleunigung;
- c) Begrenzen der aus einem regenerativen Bremsen mit Hilfe einer als Generator betriebenen elektrischen Maschine beim Durchfahren der Kurve resultierenden Longitudinalverzögerung derart, dass die aus der Transversalbeschleunigung und der Longitudinalverzögerung resultierende Gesamtbeschleunigung die maximal erlaubte Beschleunigung nicht übersteigt.
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Zu einer instabilen Fahrsituation kommt es, wenn die Summe der Längs- und Querkräfte, d.h. der Verzögerungs- und der Zentrifugalkräfte, größer ist als die Kraft, die zwischen Rad und Straße übertragen werden kann. Diese letztere Kraft begrenzt (ggf. unter Berücksichtigung einer Sicherheitsmarge) die für das Fahrzeug maximal erlaubte Beschleunigung. Die auf das Fahrzeug wirkenden Kräfte (bzw. zu ihnen proportionale Beschleunigungen) können durch den Kraftkreis (Kammschen Kreis) dargestellt werden. Eine Fahrsituation, bei der ein resultierender Kraftvektor über die Grenzen des Kraftkreises hinausreicht, ist eine instabile Fahrsituation. Die aus dem Durchfahren einer Kurve resultierende Transversalbeschleunigung ist durch den Kurvenradius und die Fahrzeuggeschwindigkeit vorgegeben. Sie kann daher, bei durch den Fahrbahnverkauf vorgegebenem Kurvenradius, nicht schneller angepasst werden als die Fahrzeuggeschwindigkeit. Um eine instabile Fahrsituation zu vermeiden oder zu beenden, ist aber eine schnelle Anpassung erforderlich. Eine solche schnelle Anpassung ist möglich bei der durch die Erregung der elektrischen Maschine verursachten Verzögerung.
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Die bei stabiler Fahrt maximal mögliche Beschleunigung (entsprechend dem Radius des Kammschen Kreises) ist abhängig von Eigenschaften des Fahrzeugs wie etwa Lastverteilung auf die Räder, Aufbau des Fahrwerks, Art der Bereifung und der Straße, wie etwa Art der Fahrbahnoberfläche, Nässe, Eis-/Schneeglätte. Diese Einflussgrößen sollten daher beim Schritt des Abschätzens der maximal erlaubten Beschleunigung berücksichtigt werden.
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Der Schritt des Abschätzens der Transversalbeschleunigung kann eine direkte Messung der aktuellen Beschleunigung mit Hilfe eines Beschleunigungssensors beinhalten. Er kann aber auch unter Berücksichtigung einer aktuellen oder einer bevorstehenden Fahrbahnkrümmung erfolgen. Zu diesem Zweck kann z.B. der Einschlagwinkel eines Lenkrades des Fahrzeugs erfasst werden, da davon auszugehen ist, dass ein Fahrer des Fahrzeugs diesen stets an den Verlauf der Fahrbahn anpassen wird. Die Fahrbahnkrümmung kann neben dem Lenkwinkel auch über andere Größen erfasst werden, beispielsweise berechnet aus der Differenzdrehzahl der Räder.
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Eine bevorstehende Fahrbahnkrümmung kann auch basierend auf Daten eines Navigationssystems oder eines vom Fahrzeug mitgeführten ortsauflösenden Sensors wie etwa einer Kamera oder eines Radarsystems erfasst werden.
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Um in Schritt c) die Longitudinalverzögerung angemessen zu begrenzen, kann
- c1) eine erste Soll-Longitudinalverzögerung vorgegeben sein,
- c2) geprüft werden, ob eine aus der ersten Soll-Longitudinalverzögerung und der Transversalbeschleunigung resultierende Gesamtbeschleunigung die maximal erlaubte Beschleunigung übersteigt, und, wenn ja,
- c3) eine die maximal erlaubte Beschleunigung nicht übersteigende zweite Soll-Longitudinalverzögerung ermittelt werden und die elektrische Maschine angesteuert werden, um die zweite Soll-Longitudinalverzögerung zu erreichen.
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Die Schritte c2 und c3 sollten periodisch wiederholt werden, um während des Durchfahrens einer Kurve eine Anpassung der zweiten Soll-Longitudinalverzögerung an sich ändernde Kurvenradien und/oder Fahrzeuggeschwindigkeiten zu ermöglichen.
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Gegenstände der Erfindung sind ferner ein Fahrzeug mit einer Bremssteuereinheit, die eingerichtet ist, das Verfahren wie oben beschrieben auszuführen, sowie ein Computerprogramm, das, wenn es von einem Bordcomputer eines Fahrzeugs ausgeführt wird, diesen veranlasst, das Verfahren auszuführen.
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Weitere Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung von Ausführungsbeispielen unter Bezugnahme auf die beigefügten Figuren. Es zeigen:
- 1 ein Blockdiagramm eines Kraftfahrzeugs;
- 2 einen Kammschen Kreis;
- 3 ein Flussdiagramm eines Arbeitsverfahrens der Steuereinheit des Kraftfahrzeugs aus 1; und
- 4 ein Flussdiagramm eines alternativen Arbeitsverfahrens.
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1 zeigt schematisch ein Kraftfahrzeug mit durch eine elektrische Maschine 1 angetriebenen Rädern 2. Die vorderen Räder 2 sind unter der Kontrolle eines Lenkrades 3 eingeschlagen, so dass sich das Fahrzeug auf einer gekrümmten Bahn bewegt.
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Ein Wechselrichter 4 ist mit der elektrischen Maschine 1 verbunden, um sie im Motorbetrieb mit elektrischer Energie aus einer Batterie 5 zu versorgen und im Rekuperationsbetrieb elektrische Energie zu erzeugen, mit der die Batterie 5 aufgeladen wird oder andere elektrische Verbraucher des Fahrzeugs versorgt werden.
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Eine Steuereinheit 6 ist verbunden mit einem Sensor 7, der an ein Pedal 8 gekoppelt ist, um einen Beschleunigungs- oder Verzögerungswunsch eines Fahrers zu erfassen. Typischerweise wird das Ausmaß einer Betätigung des Pedals 8, d.h. seiner Auslenkung aus einer Ruhestellung, durch den Fahrer von der Steuereinheit 6 als Maß für eine gewünschte Beschleunigung interpretiert, während eine Nichtbetätigung bzw. Freigabe des Pedals 8 durch den Fahrer als Verzögerungswunsch interpretiert wird. Alternativ kann auch eine von der Ruhestellung abweichende Neutralstellung des Pedals 8 definiert sein, so dass, wenn der Fahrer das Pedal in der Neutralstellung hält, dies als Wunsch nach keiner Beschleunigung, eine Stellung zwischen Ruhe- und Neutralstellung hingegen als Verzögerungswunsch interpretiert wird. Das Ausmaß der gewünschten Verzögerung kann von der Stellung eines Wählelements abhängig sein, das wie der Wählhebel einer herkömmlichen Automatikschaltung zwischen mehreren Modi der Vorwärtsfahrt wie etwa D, 1, 2 und wenigstens einem Modus R der Rückwärtsfahrt umstellbar ist. Dem Modus 1 kann eine höhere Soll-Verzögerung zugeordnet sein als dem Modus 2, und diesem wiederum eine höhere Soll-Verzögerung als dem Modus D. Den Soll-Verzögerungen entsprechende Beschleunigungsvektoren a1, a2 und aD sind in dem Diagramm der 2 eingezeichnet.
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Die Steuereinheit 6 ist ferner mit einem Tachometer 9 und einem weiteren Sensor 10 verbunden, der einen Einschlagwinkel des Lenkrads 3 erfasst. Anhand der Daten des Tachometers 9 und des Sensors 10 berechnet die Steuereinheit 6 den Radius der vom Fahrzeug gefahrenen Kurve und eine daraus resultierende Zentrifugalbeschleunigung ay.
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Alternativ oder ergänzend kann eine Kamera 11 oder ein Radarsensor zum Erfassen der vor dem Fahrzeug liegenden Fahrbahn vorgesehen sein, und die Steuereinheit 6 ist ferner eingerichtet, einen Radius der vorausliegenden Fahrbahn aus den erfassten Bilddaten zu ermitteln und der Berechnung der demnächst zu erwartenden Zentrifugalbeschleunigung ay zugrunde zu legen. Ein Navigationssystem 12 kann vorgesehen sein, um seinerseits Informationen über vorausliegende Kurvenradien zu liefern oder die Plausibilität der aus den Bilddaten gewonnenen Ergebnisse zu prüfen.
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Um Aufschluss über die Eigenschaften der Fahrbahnoberfläche zu gewinnen, kann die Steuereinheit mit einem Regensensor und einem Thermometer verbunden sein, um zwischen trockener, nasser und eventuell vereister Oberfläche differenzieren und einen Reibungskoeffizienten der Oberfläche entsprechend abschätzen zu können. Denkbar ist ferner, entsprechende Informationen aus dem Verhalten eines Antiblockiersystems abzuleiten, im einfachsten Fall etwa zeitweilig einen reduzierten Reibungskoeffizienten anzunehmen, wenn das Antiblockiersystem in einen Bremsvorgang eingegriffen hat, und/oder die Rauigkeit der Oberfläche anhand eines Fahrgeräuschspektrums einzuschätzen.
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Der auf diese Weise von der Steuereinheit abgeschätzte Reibungskoeffizient bestimmt den Radius eines Kammschen Kreises K, wie in 2 gezeigt.
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Wie in 2 zu erkennen, liegen die resultierenden Beschleunigungen aus ay und aD bzw. a2 innerhalb des Kammschen Kreises K, die resultierende Beschleunigung aus ay und a1 reicht jedoch über diesen hinaus und würde somit zu einer instabilen Fahrsituation führen.
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Wenn also der Fahrer den Modus 1 gewählt hat und durch Freigeben des Fahrpedals 8 die Steuereinheit 6 veranlasst, in Rekuperationsbetrieb einzutreten, genügt es beispielsweise zum Stabilhalten des Fahrzeugs, dass die Steuereinheit 6 die Maschine 1 anstatt in üblicherweise dem Modus 1 zugeordneten Weise so ansteuert, wie normalerweise im Modus 2 der Fall, und diese Art der Ansteuerung beibehält, bis die Kurve durchfahren ist.
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3 zeigt anhand eines Flussdiagramms ein Beispiel eines von der Steuereinheit 6 ausgeführten Verfahrens zum Steuern der Rekuperation in der elektrischen Maschine 1 für den oben erwähnten Fall, dass eine Freigabe des Pedals 8 als Verzögerungswunsch des Fahrers interpretiert wird. Das Verfahren wird in kurzen Zeitabständen wiederholt, solange das Fahrzeug in Bewegung ist. In Schritt S1 wird abgefragt, ob das Fahrpedal 8 betätigt oder freigegeben ist.
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Wenn es betätigt ist, sammelt die Steuereinheit 6 wie oben skizziert in Schritt S2 Informationen über die Umgebung des Fahrzeugs, anhand derer sie einen Reibungskoeffizienten µ der Fahrbahn abschätzt. Aus diesem Reibungskoeffizienten µ, eventuell vermindert um eine Sicherheitsmarge ε, wird eine maximal erlaubte Beschleunigung aK des Fahrzeugs nach aK=(µ-ε) g erhalten, wobei g die Erdbeschleunigung bezeichnet.
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Die Geschwindigkeit v des Fahrzeugs und der Radius r der gegenwärtig befahrenen oder vorausliegenden Fahrbahn wird in den Schritten S3, S4 ermittelt. Daraus wird die auf das Fahrzeug einwirkende Zentrifugalbeschleunigung ay=v2/r erhalten (S5).
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Für den aktuell eingestellten Fahrmodus M=1, 2 oder D wird in S6 die Gesamtbeschleunigung aGes = (ay 2+ aM 2)1/2 berechnet, die sich aus einer vektoriellen Addition der Zentrifugalbeschleunigung ay und der dem Fahrmodus für den Fall der Freigabe des Fahrpedals 8 durch den Fahrer standardmäßig zugeordneten Soll-Verzögerung aM ergeben würde.
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Wenn die Gesamtbeschleunigung aGes unterhalb von aK bleibt, ist keine Instabilität zu befürchten. Das Verfahren legt daher als eine temporäre Soll-Verzögerung at die Verzögerung aM fest und kehrt zum Ausgang S1 zurück, um von Neuem zu beginnen.
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Anderenfalls ermittelt die Steuereinheit in S7 einen Wert der temporären Soll-Verzögerung at derart, dass (ay 2+ at)1/2<aK erfüllt ist, und kehrt daraufhin zum Ausgang zurück.
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Wenn nun in einer nachfolgenden Iteration des Verfahrens in Schritt S1 festgestellt wird, dass der Fahrer das Pedal 8 freigegeben hat, kann davon ausgegangen werden, dass sich die in den Schritten S2-S4 ermittelten Parameter seit der vorherigen Iteration nicht wesentlich geändert haben und die in dieser Iteration ermittelte Verzögerung at ein stabiles Fahren ermöglicht; folglich steuert die Steuereinheit 6 beim Übergang in den Rekuperationsbetrieb den Wechselrichter 4 so an (S8), dass die Maschine 1 die Verzögerung at bewirkt. Darauf folgen die Schritte S2-S7, so dass in einer anschließenden Iteration des Verfahrens wieder ein aktueller Wert von at zur Verfügung steht.
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Wenn das Pedal 8 wie oben beschrieben eine von der Ruhestellung abweichende Neutralstellung hat, dann kann der Fahrer eine gewünschte Verzögerung ax quantitativ spezifizieren, indem er das Pedal 8 in eine dieser Verzögerung zugeordnete Stellung zwischen Ruhe- und Neutralstellung bringt. Die Schritte S2, S3, S4, S5 sind in diesem in 4 dargestellten Verfahren dieselben wie im Verfahren der 3. Die aus der gewünschten Verzögerung ax und der Zentrifugalbeschleunigung ay=v2/r resultierende Gesamtbeschleunigung aGes=(ay 2+ ax)1/2wird mit aK verglichen (S6). Wenn aGes<aK ist, dann ist bei der gewünschten Verzögerung stabiles Fahren möglich, und die elektrische Maschine 1 wird so angesteuert (S8`), dass die gewünschte Verzögerung ay realisiert wird. Anderenfalls wird eine Verzögerung at ermittelt, für die aGes≤(ay 2+at)1/2 gilt (S7`), und die elektrische Maschine 1 wird in S8' mit der Verzögerung at als Sollverzögerung angesteuert.
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Bezugszeichen
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- 1
- elektrische Maschine
- 2
- Rad
- 3
- Lenkrad
- 4
- Wechselrichter
- 5
- Batterie
- 6
- Steuereinheit
- 7
- Sensor
- 8
- Fahrpedal
- 9
- Sensor
- 10
- Sensor
- 11
- Kamera
- 12
- Navigationssystem
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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