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Die Erfindung betrifft einen implantierbaren Biosensor und ein Verfahren für eine automatisierte kontinuierliche Analytmessung bei minimaler Störung des Konzentrationsgleichgewichts, umfassend eine Mikroelektrode und einen darauf lokalisierten biokatalytisch aktiven Film, der mittels eines Vernetzers auf der Oberfläche der Mikroelektrode haftet, wobei der biokatalytische Film ein Redoxpolymer und ein sauerstoffunempfindliches Enzym umfasst, das ein katalytisches Zentrum aufweist, sowie die Verwendung eines solchen Sensors für die minimalinvasive Implantation im Bereich der Endokrinologie.
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Diabetes mellitus, ist eine weltweit verbreitete Krankheit, an der weltweit mehr als 420 Millionen Menschen leiden, mit steigender Inzidenz. Sie beruht auf einer Stoffwechselstörung in der Regulierung des Blutzuckerspiegels, die auf einen absoluten oder relativen Mangel an Insulin oder einer Insulinresistenz zurückzuführen ist. Um eine Über- und Unterzuckerung rechtzeitig erkennen und behandeln zu können, sind betroffene Personen auf eine möglichst lückenlose Überwachung ihres Blutzuckerspiegels angewiesen. Obwohl die Glukoseselbstkontrolle (engl. glucose self monitoring - GSM) gut akzeptiert ist und einen großen Gewinn an Lebensqualität für Diabetes-Patienten darstellt, ist sie durch die übliche Anzahl der täglich manuell durchzuführenden Tests deutlich eingeschränkt. Die Entnahme kleiner Blutmengen durch Stechen beispielsweise in den Finger und die Messung des Blutzuckerspiegels mit Einwegteststreifen ist weder in der Nacht möglich, noch liefert sie zuverlässige Daten über Trends, Spitzen oder Muster des Blutzuckerspiegels. Der Bedarf an optimierten Sensortechnologien für die automatisierte kontinuierliche Glukosemessung (engl. continuous glucose monitoring - CGM) ist offensichtlich groß. So wird nicht nur dem Patienten größtmöglicher Komfort und eine Verbesserung der Lebensqualität geboten, sondern auch Folgeerkrankungen von Diabetes mitsamt ihren hohen Behandlungskosten können frühzeitig unterbunden oder reduziert werden.
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Eine große Anzahl der aktuell auf dem Markt befindlichen kommerziellen CGM-Systeme verfügt über nadelförmige, minimalinvasive Sensoren, welche in den Arm oder das Abdomen eingeführt werden und die Glukose in der Zwischenzellflüssigkeit (engl. interstitial fluid - ISF) messen. Aufgrund eines konzentrations- und zeitabhängigen Unterschieds zwischen Blutglukose und ISF-Glukose werden die erhaltenen Sensorwerte mit Hilfe von spezifischen Algorithmen korrigiert. Fast alle derzeit verfügbaren CGM-Sensorsysteme basieren auf einer enzymatischen Glukoseumwandlung und elektrochemischer Detektion. Enzymatische Glukosesensoren verfügen über eine sehr hohe Selektivität aufgrund der Spezifität des Enzyms für sein Substrat, was im Allgemeinen zu einer sehr hohen Messgenauigkeit führt. Zudem ist das generelle Messprinzip der elektrochemischen, katalytischen Detektion eine robuste Methode Substrate wie Glukose proportional zu ihrer Konzentration in der jeweiligen Umgebung zu messen. So sind Produkte auf dem Markt, welche nach einer anfänglichen manuellen Kalibrierung des Sensors durch die Fingerstickmethode kontinuierlich und ohne weitere Einstellung für bis zu 14 Tage betrieben werden. Neuere Generationen dieser Sensoren werden sogar werksseitig kalibriert an den Patienten übergeben. Im Gegensatz zu den enzymatischen Sensoren ist bisher ein vollständig implantierbares System zugelassen worden, das auf einem Affinitätswechselwirkungsprinzip an modifizierten Hydrogelen beruht. So genutzte Sensoren dürfen bis zu 90 Tage unter der Haut im Oberarm eines Patienten verbleiben (neuere Studien zeigen auch eine mögliche Verwendbarkeit von bis zu 180 Tagen auf), müssen jedoch täglich manuell kalibriert werden, um die Resultate für etwaige Therapieentscheidungen einsetzen zu können, so wie es bei den zugelassenen enzymatischen Sensoren ohne Kalibration der Fall ist.
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Ein für lange Zeit zu implantierender Biosensor erfordert in erster Linie eine hohe Stabilität aller seiner Komponenten sowie eine hohe Genauigkeit, begleitet von einer sehr einfachen und möglichst seltenen manuellen Kalibrierung des Sensors. Diese Anforderungen werden durch die allgemeine Biokompatibilität des entworfenen Sensors beeinflusst. Zudem verfügt der menschliche Körper über einen komplexen und starken Selbstverteidigungsmechanismus, wenn ein Fremdkörper eingeführt wird. Durch den Implantationsvorgang erleidet das Körpergewebe eine anfängliche Schädigung, die eine Wirtsreaktion auslöst, welche neben der Wundheilung unter anderem die Adsorption von Plasmaproteinen an den Fremdkörper beinhaltet. Gefolgt von einer Zellreaktion und einem Angriff durch Lymphozyten und Makrophagen, führt dies unwiderruflich zu einer fibrösen Einkapselung des Objekts. Diese Fremdkörperreaktion (engl. foreign body response - FBR) persistiert in einer Größenordnung von Tagen bis Wochen und führt zu einer drastischen Veränderung der Bedingungen in der direkten Umgebung des Sensors. Dies führt zu einer zunehmenden Behinderung der Substratdiffusion in Richtung und - im Falle eines katalytisch umwandelnden Sensors - der Produktdiffusion weg von der eigentlichen Sensorschicht. Die FBR wirkt sich somit direkt auf das gemessene Sensorsignal aus. Darüber hinaus schränkt die teilweise Verhinderung der Produktdiffusion weg von der Sensorschicht die Gesamtstabilität des Sensors ein, da bei der Substratumwandlung potentiell Nebenprodukte wie, im Falle von Glukosesensoren, Gluconsäure oder reaktive Peroxidspezies entstehen, die zu lokalen pH-Änderungen oder Radikalreaktionen führen können. Um dem Prozess der fibrösen Einkapselung entgegenzuwirken, wurden Beschichtungen mit verschiedensten Materialien (z.B. mit funktionellen Gruppen dekorierten Polymeren) untersucht, mit dem Ergebnis, dass der Prozess teilweise verlangsamt werden konnte. Da die Einkapselung jedoch über die Zeit der Implantation nicht vollständig verhindert werden kann, ist es von großer Bedeutung, neue Sensorarchitekturen und Messstrategien zu entwickeln, bei denen die Sensorantwort durch Veränderungen im umliegenden Gewebe nicht oder nur in geringem Maße beeinträchtigt wird.
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Die momentan auf dem Markt zugelassenen CGM Systeme bedienen sich zweier verschiedener genereller Messmethoden, den auf ein Enzym basierenden, katalytischen Sensoren und solchen, die auf Affinitätswechselwirkungen an Hydrogelen beruhen. Beide Typen weisen unterschiedliche Vor- und Nachteile bei der (Langzeit)Bestimmung von Glukose auf, die im Folgenden kurz erläutert werden.
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Für Glukosesensoren, die auf Affinitätswechselwirkungen zwischen Substrat und Sensorfilm basieren, werden beispielsweise mit Boronsäuren modifizierte Hydrogele als Erkennungsmatrix genutzt. Glukose bindet reversibel an die Boronate und moduliert die Fluoreszenz der Oberflächenmatrix. Mithilfe einer LED-Quelle kann diese Modulierung über vergleichende Messungen durch bandgefilterte Photodioden erfasst und elektronisch kodiert ausgewertet werden.
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Die reversible Bindung mit ausbleibender Veränderung des Glukosemoleküls hat den großen Vorteil, dass sich die Konzentration im Inneren der Sensormatrix im Gleichgewicht mit der äußeren Substratkonzentration befindet. Änderungen der Konzentration in der Umgebung des Sensors werden nach kurzer Zeit durch Diffusion ausgeglichen. Unter der Voraussetzung der allgemein ausreichenden Stabilität aller im Sensor verbauten Komponenten, wird das glukoseabhängige Sensorsignal auch nach einer fortgeschrittenen Verkapselung des Sensors nach längerer Implantation nur geringfügig beeinflusst. Das führt dazu, dass ein solcher Sensor prinzipiell robust und für lange Zeit zur verlässlichen Glukosebestimmung eingesetzt werden kann.
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Die reversible Art der Glukosemessung kann aber auch nicht vernachlässigbare Nachteile mit sich bringen. Die Glukosebindungskonstante der Erkennungsmatrix muss genau auf die vorherrschenden Bedingungen abgestimmt sein. Ist sie zu stark, löst sich das Substratmolekül nur sehr langsam von der Erkennungsmatrix und Änderungen der Glukosekonzentration in der Sensorumgebung können nur sehr langsam vom Sensor erkannt werden. Ist die Bindungskonstante allerdings zu schwach, ist die Genauigkeit der Detektion beeinträchtigt. Des Weiteren können Moleküle, die der Glukose strukturell sehr ähnlich sind, beispielsweise andere Zuckermoleküle oder vizinale Dialkohole, auch an die Boronsäuren binden, da diese - im Gegensatz zu Enzymen - über keine spezifischen Substraterkennungsmerkmale verfügen. Das führt dazu, dass der Sensor, beispielsweise bei bestimmter Medikamentengabe, verfälschte Ergebnisse liefern kann. Auch Nahrungsmittelzusatzstoffe wie Mannitol oder Sorbitol können, wenn sie ins Blut gelangen, das gemessene Sensorsignal aufgrund der unspezifischen Substraterkennung beeinflussen.
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Im Gegensatz zu den voranstehend beschriebenen Sensoren, die rein auf Affinitätswechselwirkungen beruhen, wandeln katalytische Sensoren die in die Sensorschicht diffundierenden Substratmoleküle chemisch in Produkte um. Bei elektrochemischen Glukosesensoren geschieht dies beispielsweise durch Oxidation der Glukose durch das entsprechende Enzym und anschließender Regenerierung dessen, mit Hilfe eines an der Sensorelektrode angelegten elektrischen Potentials. Während der enzymkatalytischen Umwandlung bindet das Substrat passgenau an das aktive Zentrum eines Enzyms und bildet einen Enzym-Substrat-Komplex. Aus diesem erfolgt die Reaktion unter Bildung des Produktes, das dann die Bindungstasche des Enzyms verlässt, da die Bindungsstärke zum Substrat deutlich höher ist als zum Produkt der Reaktion. Somit steht das Enzymmolekül unverändert für eine weitere katalytische Reaktion zur Verfügung. Durch die chemische Umwandlung und Freisetzung des Produkts reinigt das Enzym die Sensormatrix quasi selbst und steht damit schnell wieder für weitere Umwandlungsreaktionen bereit. Änderungen der Glukosekonzentrationen in der Umgebung eines solchen Sensors können so deutlich schneller erfasst werden als bei Sensoren, die auf Affinitätswechselwirkungen beruhen.
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Ein weiterer Vorteil von enzymbasierten Sensoren gegenüber solchen mit Boronsäuren ist die unübertroffene Substratspezifität der Enzyme. Durch geeignete Modifikation der Enzyme können die Spezifität und Reaktivität für bestimmte Substrate noch weiter angepasst werden und auch unerwünschte Nebenreaktionspfade, wie beispielsweise mit im Blut gelösten Sauerstoff, unterbunden werden. Enzymatische Sensoren sind also im Vergleich schneller, präziser und sensitiver als die meisten konkurrierenden Technologien. Der Vorteil der katalytischen Umwandlung und der damit verbundenen Selbstreinigung der Sensormatrix stellt aber zugleich den bedeutendsten Nachteil der konventionellen elektrochemischen Biosensoren dar, wenn diese in implantierbaren Systemen eingesetzt werden sollen. Aufgrund der Tatsache, dass im aktiven Sensorfilm dauernd Substrat umgewandelt und damit „verbraucht“ wird, befindet sich das System nicht im Gleichgewicht mit seiner Umgebung. Durch die großen Konzentrationsunterschiede zwischen Sensor und Umgebung bildet sich ein steiler Diffusionsgradient aus. Die Stromantwort eines elektrochemischen Sensors ist unter anderem limitiert durch die Diffusion des Substrats zur Elektrode. Wenn im Falle einer fortlaufenden fibrösen Einkapselung eine wachsende Diffusionsbarriere um den Sensor ausgebildet wird, kann sich dadurch das Signal des Sensors bei gleicher äußerer Substratkonzentration deutlich verändern. Dies führt dazu, dass ein solcher Sensor ständig auf die sich ändernde Situation kalibriert werden müsste. Weiterhin kann das Ausbilden einer hohen Diffusionsbarriere eine Erniedrigung der Langzeitstabilität des Sensors zur Folge haben, da sich die Produkte und Nebenprodukte der enzymatischen Umwandlung im Sensorfilm anreichern und beispielsweise lokale pH-Wert Änderungen hervorrufen können.
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Im Stand der Technik sind einige der vorangegangen Sensortypen bereits beschrieben.
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So ist in der
EP 0778897 A1 ein implantierbarer Glucose-Biosensor beschrieben, bei dem auf einer Redoxpolymerelektrode immobilisierte Enzyme vorhanden sind, dessen Signale periodisch rekalibriert werden. Weitere analoge Systeme mit immobilisierten Enzymen sind in den Druckschriften der
EP 1230249 A1 und der
EP 0958495 A1 genannt.
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Ferner wird die Abschaltung der Enzymaktivität in der
EP 2478350 A2 , der
EP 3303574 A1 , der
US 2020072823 A1 , der
DE 19814761 A1 und der
EP 0958351 B1 beschrieben. Allerdings wird insbesondere in der
EP 2478350 A2 offenbart, dass die Glucosemessung von der Geschwindigkeit der Substratdiffusion in den Enzymfilm abhängt. Die Messung findet daher nicht im „quasi“ Gleichgewicht mit der Umgebung statt. Auch erfolgt keine reversible Inaktivierung eines Enzyms, die chemischer und nicht elektrischer Natur ist.
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Die Abhängigkeit der Messgenauigkeit der Biosensoren von der Diffusionsgeschwindigkeit ist in den Druckschriften
EP 2401390 B1 ,
EP 1691679 B1 , sowie der
EP 1119637 B2 offenbart. Dabei wird insbesondere in der
EP 1119637 B2 auf die unterschiedlichen Diffusionskoeffizienten in unterschiedlichen Medien hingewiesen. Die Konzentration des Analyten wird darin über ein coulometrisches Verfahren bestimmt, in dem die Ladung direkt mit der Menge des Analyten in einem definierten Volumen korreliert wird. Allerdings ist die Zeitspanne, bis eine solche Messung durchgeführt ist, relativ groß und es ist schwierig in implantierbaren Systemen mit definierten Volumina zu rechnen.
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Schließlich wird in dem Artikel, Advances in organic transistor-based biosensors: From organic electrochemical transistors to electrolyte-gated organic field-effect transistors, September 2011 in Analytical and Bioanalytical Chemistry 402(5):1813-26 beschrieben, wie eine spannungsinduzierte Abschaltung eines Enzyms durch so genannte „enzyme transistors“ erfolgt. Zwar gibt es mehrere Wege ein auf einer Elektrode immobilisiertes Enzym vom Umsatz seines Substrats zu hindern. Die Messzeiten sind jedoch relativ lang und es ist nicht möglich den Sensor quasi im Konzentrationsgleichgewicht mit seiner Umgebung (und damit unabhängig von Diffusionsbarrieren) zu halten.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher einen katalytischen Biosensor für Analytmessungen mit minimaler Störung des Konzentrationsgleichgewichts des Analyten zu entwickeln, um damit die hauptsächlichen Vorteile (sensitive, sowie akkurate, von der Substratdiffusion unabhängige und schnelle Analytmessungen über einen langen Zeitraum) der auf dem Markt befindlichen Technologien zu nutzen und gleichzeitig die Nachteile des Standes der Technik auf ein Minimum zu reduzieren.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die Merkmale der unabhängigen Ansprüche 1 und 6 gelöst.
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Die (Wieder)Einstellung eines Substratkonzentrationsgleichgewichts zwischen Sensor und Umgebung kann ausschließlich erfolgen, wenn die enzymatische Reaktion am Sensor schnell, vollständig und reversibel unterbunden werden kann. Nur dann wird sich kein dauerhafter Diffusionsgradient zwischen den Kompartimenten einstellen. Dieser An- und Abschaltprozess wird mit der Wahl einer geeigneten Sensorarchitektur erreicht, in der das Enzymensemble effizient elektrisch über ein Redoxpolymer mit der Elektrode verbunden ist.
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Das Redoxpolymer übernimmt einerseits die Funktion einer geeigneten, stabilen Immobilisierungsmatrix für die Enzyme und ist andererseits verantwortlich für den Elektronentransfer zwischen Enzym und Elektrode, welcher über die am Redoxpolymer gebundenen Mediatoren stattfindet. Durch die räumliche Nähe zwischen den Mediatorkomplexen und den Enzymen im immobilisierten Film ist es möglich, die Prozesse, die innerhalb der katalytisch aktiven Schicht ablaufen, schnell zu kontrollieren. Dies bedeutet, dass der enzymatische Umwandlungsprozess schnell und zuverlässig zwischen „An“- und „Aus“-Zuständen umgeschaltet werden kann.
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Das führt zu zwei Grenzzuständen eines mit einem Redoxenzym modifizierten Biosensors, bei dem das Enzym in ein Os-Komplex-modifiziertes Redoxpolymer eingebettet ist und durch Anlegen unterschiedlicher Potentiale an der Elektrode zwischen Umwandlungs- und Nichtumwandlungszustand umgeschaltet wird. Die enzymatische Reaktion kann nur fortwähren, wenn an der Elektrode ein ausreichendes Überpotential angelegt wird, welches die Reoxidation des elektronenvermittelnden Os-Komplexes ermöglicht. Bei einem angelegten Potential, das ausreichend negativer ist als das Mittelpunktspotential des Os2+/Os3+-Paares, wird der Mediator und damit final auch das Enzym selbst in einen reduzierten Zustand gezwungen, so dass kein (weiterer) Substratumsatz stattfindet; dies verhindert die Etablierung eines Substratgradienten. Um eine ausreichend kleine Anzahl oxidierter Os-Komplexe im Film zu erreichen, z.B. ein Os2+/Os3+-Verhältnis von 10000:1, muss das angelegte Potential gemäß Nernst-Gleichung 236 mV negativer sein als das Potential des verwendeten Komplexes unter Standardbedingungen.
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Um die Enzymreaktion verlässlich auszuschalten, müssen alle Nebenreaktionen verhindert werden, die zu einer Reoxidation des Os-Komplexes oder des Enzyms selbst führen, da das wiederum einen Substratverbrauch und somit Nachdiffusion von Substrat in den Film zur Folge haben würde, was die Einstellung einer Gleichgewichtskonzentration behindern würde. In einer vergleichenden Untersuchung von acht Redoxpolymeren mit unterschiedlichen Standardpotentialen wurde gezeigt, dass molekularer Sauerstoff durch Osmiumkomplexe mit einem Redoxpotential negativer als +0.07 V gegen Ag/AgCI/3 M KCI (pH 7) unter Bildung von Wasserstoffperoxid reduziert werden kann, von dem ein Teil durch dieselben Os-Komplexe weiter zu Wasser reduziert wurde. Die direkte Reaktion von Sauerstoff mit Os-Komplexen führt zu zwei Effekten, die unterdrückt werden müssen: Während des Glukoseumsatzes würde das erzeugte Stromsignal verringert, da die Reaktion des Sauerstoffs mit den Metallkomplexen einen effizienten mediierten Elektronentransfer zwischen Enzym und Elektrode teilweise verhindert. Darüber hinaus führt die Anwesenheit von Sauerstoff im Ruhezustand zur Oxidation von Os2+, das anschließend mit den umgebenden Enzymen reagieren kann und dadurch einen unerwünschten Substratumsatz ermöglichen kann. Daher sollte das Redoxpotential des verwendeten Polymers positiver sein als der zuvor genannte Wert, aber gleichzeitig niedrig genug, um Cooxidation interferierender Verbindungen, wie Ascorbinsäure oder Harnsäure, die im Analyten vorhanden sein können, zu vermeiden. Außerdem muss das Enzym selbst unempfindlich gegenüber Sauerstoff sein. Da native Glukoseoxidase aus Aspergillus Niger Sauerstoff als natürlichen Elektronenakzeptor verwendet, kann es nur dann für solche Messungen eingesetzt werden, wenn Sauerstoff zuverlässig ausgeschlossen wird. Das ist aber für den Einsatz als Implantat im menschlichen Körper praktisch nicht umsetzbar. Enzyme wie PQQ-GDH, CDH und FAD-GDH weisen nur eine geringe Empfindlichkeit gegenüber Sauerstoff auf und sind daher geeignete Kandidaten. Weiterhin können die Sauerstoffempfindlichkeit sowie die Glukoseaffinität und auch die generelle enzymatische Stabilität durch genetische Mutation in gewünschte Regionen moduliert werden.
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Die eigentliche Analytmessung, also die Zeit, in der der Sensor das Substrat katalytisch umsetzt, bevor er wieder in den „Aus“-Zustand geschaltet wird, muss extrem kurz sein, um dabei möglichst wenig Substrat zu verbrauchen und damit das Konzentrationsgleichgewicht geringstmöglich zu stören. Im Vergleich zu makroskopischen Elektroden mit Radien von mehreren Millimetern und mehr, bieten elektrochemische Sonden im Mikrometer- und Nanometerbereich aufgrund ihrer geringen Größe mehrere Vorteile, wie z.B. eine geringere Kapazität, eine schnelle sphärische Diffusion und vernachlässigbare ohmsche Verlusteffekte. Diese Eigenschaften sind für elektrochemische Messungen auf sehr kurzen Zeitskalen von großer Bedeutung. Neben der Wahl von Elektroden mit geringen Dimensionen muss auch die auf der Elektrodenoberfläche immobilisierte Redoxhydrogelschicht hinreichend dünn sein, da der Elektronentransport in solchen Filmen nur über kurze Distanzen effizient und störungsfrei erfolgen kann. Zu dicke Polymerfilme mit ineffizientem Elektronentransport können zu Inhomogenität von Ladungen, sprich Gradienten zwischen reduzierten und oxidierten Mediatorkomplexen, innerhalb des Films führen und würden die Messung damit beeinträchtigen oder verlangsamen.
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Die nachfolgende Beschreibung eines enzymatischen Glukosesensors zeigt die Umsetzbarkeit des entwickelten Sensorkonzepts. Dabei handelt es sich um eine kombinierte, in Zyklen wiederholbare Messreihenfolge bestehend aus einer potentiostatischen Kontrolle des Sensorzustands zwischen „An“ und „Aus“ und einer Datenerfassung während einer kurzen potentiometrischen Analytmessung. Die hier vorgestellte universelle Messstrategie kann durch Austauschen der im Hydrogelfilm immobilisierten redoxaktiven Enzyme auch für andere Substrate als Glukose eingesetzt werden (z.B. zur Glutamat- oder Lactatbestimmung).
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Alle hier vorgestellten Messergebnisse wurden mit Sensoren erhalten, welche auf Kohlenstoffmikroelektroden mit einer scheibenförmigen Elektrodenoberfläche basieren. Die Herstellung von Kohlenstofffasermikroelektroden mit einem Durchmesser von 6-8 µm erfolgte nach einem etablierten Prozess. Für die dynamische Langzeitmessung des Analyten wurden Kohlenstoffmikroelektroden mit einem vergrößerten Durchmesser von 18-20 µm verwendet. Die hergestellten Elektroden wurden unabhängig von ihrer Größe wie folgt modifiziert: Zunächst wurde die Kohlenstoffoberfläche elektrochemisch mit 1,7-Diaminoheptan (DAH) mittels zyklischer Voltammetrie kovalent dekoriert. Dazu wurden 2 voltammetrische Zyklen mit einer Spannungsvorschubgeschwindigkeit von 25 mV/s in einem Potentialbereich von 0.2 bis 1.6 V vs. Ag/AgCI/3M KCl in einer Lösung mit 4.7 mM DAH in 0.1 M LiCLO4/EtOHabs gefahren. Anschließend wurden die Elektroden jeweils abwechselnd durch zweimaliges Tauchen in Ethanol und destilliertes Wasser von Resten der DAH Lösung befreit. Dieser Vorgang ermöglicht kovalente Bindungen zwischen dem zu immobilisierenden Polymerrückgrat und der modifizierten Elektrodenoberfläche und führt damit zu einer erhöhten Stabilität des Hydrogelfilms auf der Elektrodenoberfläche. Die aminomodifizierten Elektroden wurden anschließend für 10 min in eine wässrige Lösung des bifunktionellen Diepoxyvernetzers Poly(ethylenglykol)diglycidylether (PEGDGE) (5 mg/mL) getaucht, um eine epoxyterminierte Oberfläche zu bilden, an der die freien Aminogruppen des Redoxpolymerrückgrats (Struktur siehe 1, links - vorwiegend das N-Atom des Imidazols) kovalent binden können.
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Nachfolgend wurden die Elektroden abwechselnd durch Eintauchen in Redoxpolymer und einer Mischung desselben Polymers und dem sauerstoffunempfindlichen Enzym GcFAD-GDH, exprimiert in Pichia Pastoris, im Verhältnis 1:1 (alle Lösungen 2.5 mg/mL in Wasser) beschichtet. Hierfür wurden die Elektroden für 20 s in die reine Polymerlösung eingetaucht, dann für 30 s an Luft mit der modifizierten Spitze nach unten zeigend getrocknet und danach für 60 s in die Polymer/Enzymlösung getaucht und abermals für 30 s an der Luft getrocknet. Je nach gewünschter Gesamtfilmdicke wurden die Eintauchvorgänge mehrmals wiederholt, und die Elektrode wurde zum Schluss für 20 s mit einer Schicht reinem Polymer überzogen. Zur weiteren Unterstützung der Stabilität der biokatalytisch aktiven Filme können die Elektroden optional mit einer weiteren Schutzschicht, z.B. bestehend aus dem Polymer P-(SS-BA-GMA) (Struktur 1 rechts) überzogen werden.
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Das erarbeitete Sensorkonzept basiert auf einer potentiostatischen Kontrolle des Potentials, um den Sensor durch Ausschalten und Verhindern der enzymatischen Glukoseumwandlung im Substratkonzentrationsgleichgewicht zu halten. Dazu wird ein ausreichend negatives Potential von -250 mV gegenüber dem Redoxpotential des Os2+/Os3+-Übergangs des verwendeten Mediators angelegt. Damit liegt das Ladungsgleichgewicht stark auf der Seite des reduzierten Os2+-Komplexes, welcher so keine Elektronen vom reduzierten Enzym aufnehmen kann.
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Ein kurzer potentiostatischer Aufladepuls führt durch Anlegen eines gegenüber dem Os2+/Os3+ -Übergang um 250 mV höheren Potentials zu einem Überschuss von Os3+-Komplexen im Hydrogelfilm. Das ermöglicht die Elektronenübertragung vom Enzym auf die Mediatoren und damit die enzymatische Umwandlung der Glukose, die sich innerhalb des Films in unmittelbarer Nähe der Enzyme befindet. Dieser Puls muss lang genug andauern, um den Film ausreichend aufzuladen. Gleichzeitig muss der Ladevorgang kurz genug sein, um nicht zu viel Glukose im Film zu verbrauchen. Ansonsten diffundiert das Substrat von außerhalb des Films in diesen hinein und es würde sich der unerwünschte Diffusionsgradient ausbilden.
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Die eigentliche Messung des Analyten und Datenerfassung erfolgt direkt nach dem potentiostatischen Puls, wobei der Stromkreis zur Arbeitselektrode geöffnet wird und der Elektronenfluss damit unterbunden wird. Ein parallel geschaltetes Potentiometer mit hochohmigem Widerstand dient der Messung einer Potentialänderung an der Arbeitselektrode (2). Die hier vorgestellte Messsequenz kann sowohl analog als auch an digitalen Potentiostaten mit entsprechender schneller Datenerfassung durchgeführt werden. Viele moderne (digitale) Potentiostaten vereinen die Möglichkeit der potentiometrischen und potentiostatischen Kontrolle durch eine „interne“ Verschaltung dieser Komponenten in einem Gerät. Bei geöffnetem Stromkreis ist die gemessene Potentialänderung (bei Wahl einer geeigneten Enzym-/Polymerkombination) ausschließlich auf die enzymatische Glukoseoxidation und die damit verbundene Reduktion der zuvor extern aufgeladenen Os3+-Komplexe zurückzuführen. Diese Änderung verläuft umso schneller, je höher die Glukosekonzentration im Film zum Zeitpunkt des Pulses ist. Daher kann diese Art der Messung als zuverlässige Detektionsmethode der Glukosekonzentration herangezogen werden.
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Im Anschluss an die Datenerfassung wird der Stromkreis wieder geschlossen und gleichzeitig wird das Ausgangspotential von 250 mV negativ vom Os2+/Os3+-Halbzellenpotential angelegt, um die enzymatische Reaktion schnell und reversibel zu deaktivieren und somit die Wiederausbildung des Substratkonzentrationsgleichgewichts zu erlauben. Dieser Messzyklus dargestellt in 3 kann beliebig oft wiederholt werden und damit auch für eine zeitabhängige Beobachtung sich ändernder Glukosekonzentrationen eingesetzt werden.
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Das erarbeitete Messkonzept wurde mit zuvor hergestellten Mikrobiosensoren verschiedener Größen experimentell umgesetzt und überprüft. Dabei wurden die Sensoren jeweils in eine Messzelle mit angeschlossener Zu- und Abflussregelung platziert und in einem Dreielektrodensystem mit einer Ag/AgCI/3M KCI Referenz und einer Platingegenelektrode an einem digitalen Potentiostaten verschaltet. Als Messelektrolyt diente PBS mit einem pH-Wert von 7.4. Die zu untersuchenden Glukosekonzentrationen wurden manuell über die Zu- und Ablauföffnungen an der Messzelle durch Ein- und Ausleiten verschieden konzentrierter Glukoselösungen in PBS eingestellt. Eine isolierte Messung beinhaltet eine potentiostatische Aufladung des Redoxpolymerfilms für eine Sekunde, gefolgt von einer Messwertdatenerfassung für 2.5 s, währenddessen kein Potential an die Arbeitselektrode angelegt wurde.
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Zwischen den Messungen wurde der Sensor über eine Zeit von 90 s durch Anlegen eines Potentials von -50 mV in den „Aus“-Zustand versetzt (4 links). Die aufgezeigten Kurvenverläufe zeigen eine Änderung des Potentials in Abhängigkeit der Glukosekonzentration, die im Einklang mit den zuvor im Detail beschriebenen Modellvorhersagen steht. Dabei fällt das Potential am Anfang der Datenerfassung stark ab und schwächt sich dann deutlich auf einen quasi-linearen Verlauf mit einer geringen Steigung ab, welcher hauptsächlich durch Diffusion von Glukose zum Sensor und in den Hydrogelfilm bestimmt wird. Ist kein Substrat in der Messlösung vorhanden, fällt der Potentialabfall nach potentiostatischem Aufladen des Polymerfilms sowohl am Anfang der Messkurve als auch im späteren Teil deutlich geringer aus, als wenn eine größere Glukosekonzentration in der Messlösung eingestellt wird, da die Oxidation von Glukose final über den zuvor beschriebenen Elektronentransferweg zu einer Reduktion der am Polymer gebundenen Os3+Komplexe führt. Ein Vergleich der individuellen Messkurven für gleiche Substratkonzentrationen zeigt praktisch Deckungsgleichheit (4 rechts). Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen sowohl die erfolgreiche Umsetzung des zuvor beschriebenen Messkonzepts sowie eine hohe Zuverlässigkeit der hergestellten Sensoren.
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Einer der zentralen Aspekte für einen für eine lange Zeit verlässlich funktionierenden „substratverbrauchenden“ implantierbaren Sensor ist sein Verhalten bei vergrößerter Diffusionsbarriere. Wie zuvor beschrieben, darf das Sensorsignal möglichst nicht von einer sich im menschlichen Körper kontinuierlich ausbildenden fibrösen Proteinkapsel um das Sensorkompartiment abhängig sein. In einem Kontrollexperiment wurde ein Sensor mit einer zusätzlichen verdickten Polymerschicht aus P(SS-GMA-BA) so modifiziert, dass die Diffusion von Glukose in den redoxaktiven Hydrogelfilm, ähnlich zum FBR-Effekt, stark eingeschränkt war.
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Mit diesem Sensor wurden vergleichende Messungen mit kurzen Regenerationszeiten (t) zwischen den Aufladepulsen (Sensor für 2 s ausgeschaltet 5a) und längeren Regenerationszeiten durchgeführt (Sensor für 10 s oder 30 s ausgeschaltet, 5b bzw. 5c). In diesem Beispiel war nach nur zwei Sekunden Wartezeit zwischen den jeweiligen Messungen eine starke Verarmung der Glukosekonzentration im Film beobachtbar, was sich durch die Verschiebung der diffusionsabhängigen Potentiale hin zu höheren Werten im Vergleich zur ersten Messung manifestiert, bei der der Hydrogelfilm im Glukosekonzentrationsgleichgewicht mit seiner Umgebung stand. Bei einer Wartezeit von 30 s (5c) sind die erhaltenen Datenkurven wieder so, wie auch für den Sensor ohne zusätzliche Diffusionsbarriere gezeigt werden konnte. In diesem Fall wird dem Sensor durch das längere Ausschalten eine genügend lange Zeit zur Regeneration zur Einstellung des Gleichgewichts gegeben. Man könnte also einen solchen Sensor in der Praxis mit einem Messintervall von ca. 30 s betreiben. Mit einem solch kurzen Messintervall können beispielsweise Trends während sich schnell ändernder Glukosekonzentrationen im menschlichen Körper schnell erkannt und damit behandelt werden.
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Das übergeordnete Ziel war, eine katalytische Messung von Substrat (Glukose) unter quasi Gleichgewichtsbedingungen zwischen dem Sensorfilm und der dem Sensor umgebenden Lösung zu etablieren. Die Ausbildung eines ausgedehnten linearen Bereichs ab einer Zeit von 0.5 s der Datenerfassung im zuvor gezeigten Sensor legt nahe, dass das Sensorsignal spätestens zu diesem Zeitpunkt der Messung hauptsächlich durch die Substratdiffusion zum Sensor kontrolliert wird. Damit wäre also kein Vorteil gegenüber einer amperometrischen, diffusionslimitierten Glukosemessung mit demselben Sensor geschaffen worden. Das bedeutet, dass die Zeit zur Datenerfassung in unseren Experimenten noch deutlich verkürzt werden musste. Um weitestgehend ohne Einfluss von Substratdiffusion in den Redoxpolymerfilm hinein messen zu können, befasst sich unser Lösungsansatz daher mit der Bestimmung der unterschiedlichen Steigungen der Messkurven innerhalb der ersten maximal 75 ms direkt nach dem Aufladepuls. Zur Rauschunterdrückung wurden die jeweiligen Messdaten mit einem digitalen schnellen Fourier Transformation (FFT) Tiefpassfilter (Grenzfrequenz ~ 50 Hz) aufbereitet und der Potentialverlauf im Vergleich zum Anfangswert nach der potentiostatischen Aufladung gegenüber der Zeit aufgetragen (6 links). Die Steigungen des im Bereich von 20-45 ms linearen Messdatenverlaufs zeigen deutlich erkennbare Unterschiede zwischen einem geringen Potentialabfall in Anwesenheit von keinem bzw. wenig Substrat, bis zu einer größeren zeitabhängigen Potentialabnahme bei höheren Glukosekonzentrationen. Um die direkte Abhängigkeit der Steigung der Änderung des Potentials von der Glukosekonzentration in der Messlösung zu validieren, wurden die Sensoren hinsichtlich dreier Parameter (Strom, Potential, Steigung des Potentialtransienten) untersucht und die Sensorantwort dieser Parameter gegenüber der eingestellten Glukosekonzentration in einer Kalibrierkurve aufgetragen (6 rechts). Die Werte der diffusionskontrollierten Messungen (Strom und Potential, Abgelesen nach wenigen Sekunden Messzeit) korrelieren sehr eng mit den ermittelten Steigungen der Potentialkurven am Anfang der Potentialtransienten für denselben Sensor unter gleichen Bedingungen. Diese Beobachtung bestätigt unseren Anspruch an das entwickelte Messkonzept, innerhalb einer extrem kurzen Zeit von wenigen Millisekunden für die Datenerfassung die gleiche Qualität an validen Messdaten zu erreichen wie mit den auf Diffusionskontrolle beruhenden Standardmessverfahren. Durch die sehr kurze Messdatenerfassung ist die Wiedereinstellung des Konzentrationsgleichgewichts zwischen Sensor und Umgebung deutlich beschleunigt. Das ermöglicht eine weitere drastische Verkürzung des Messintervalls.
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Nach Nahrungsaufnahme kann der Glukosespiegel bei einem Diabetespatienten schnell stark ansteigen bzw. nach Insulingabe zu sehr niedrigen Werten absinken. Ein potentiell, implantierbarer Glukosesensor sollte während dieser Änderungen schnelle und zuverlässige Ergebnisse liefern, die helfen, solche Trends früh erkennen zu können. Um solche Glukoseänderungen zu simulieren und graphisch darzustellen, wurde mit einem Sensor ein dynamisches Glukoseprofil über einen Zeitraum von ca. 4 Stunden gemessen und die Beträge der Steigungen für jede Messung bei sich ständig ändernder Glukosekonzentration (7) aufgetragen. Die Glukosekonzentration wurde währenddessen durch manuelles Öffnen der Zu- und Ablaufventile in der Messzelle zwischen 1 und 7.5 mM eingestellt. Die in den Graphen eingezeichnete Linie stellt den laufenden Durchschnitt aus vier gepulsten Messungen dar. Nach jeweils 20 Pulsmessungen (mit je 60 s Regenerationszeit; 1 s Aufladepuls; Bestimmung der linearen Steigungen zwischen 10 und 20 ms nach dem Puls) wurde zusätzlich eine amperometrische Messung bei einem Potential von 450 mV gegenüber einer Ag/AgCI/3 M KCI Referenzelektrode für 120 s durchgeführt (■). Wie schon bei der vorherigen Kalibierkurve passen sich die korrelierten Messwerte der Amperometrie auch bei der dynamischen Messung fließend in den Messablauf der Pulsmessungen ein. Damit konnte gezeigt werden, dass sich das entwickelte Messprinzip als robuste, zuverlässige und extrem schnelle Methode, auch für länger andauernde Messreihen unter sich kontinuierlich ändernden Bedingungen, eignet und die Qualität der erhaltenen Messwerte derer der Standardmethoden in nichts nachsteht.
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Die Auswertung der Steigungen der Potentialtransienten bei unterschiedlichen Glukosekonzentrationen zeigte eine sehr gute Korrelation zwischen diesen Messungen und vergleichenden Kontrollen mit denselben Sensoren. Zudem konnte gezeigt werden, dass die hergestellten Sensoren auch bei künstlich vergrößerter Diffusionsbarriere (Simulation des FBR Effekts) nach einer kurzen Regenerationszeit die gleiche Messdatenqualität liefern wie nicht veränderte Sensoren. Durch die erhaltenen experimentellen Ergebnisse wurde erstmals die Möglichkeit geschaffen, die Vorteile der zurzeit den Markt beherrschenden konkurrierenden Glukosesensortechnologien (Affinitätssensoren und elektrochemische Sensoren) zu vereinen und die bisherigen Nachteile (langsames Einstellen des Gleichgewichts, Beeinflussung durch Interferenzen, Substratdiffusionslimitierung nach fibröser Einkapselung) auf ein Minimum zu reduzieren.
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Die Erfindung wird anhand der nachfolgenden Erläuterungen für die 1 bis 7 nochmals eingehend erklärt.
- 1 zeigt chemische Strukturen der Redoxpolymere (4) P(VI-AH)-Os und P(SS-GMA-BA). Nominelle Zusammensetzung (in mol %) der funktionellen Gruppen im Polymerrückgrat für P(VI-AH)-Os: k = 79, I = 20, m-I < 1 und für P(SS-GMA-BA): k = 50, I = 30, m = 20.
- 2 zeigt den schematischen Messaufbau für ein analoges System bestehend aus einem separatem Potentiostaten und einem Potentiometer. Der Stromkreis wird extern über ein computergesteuertes digitales in-/out Interface zwischen Potentiometer und Potentiostat geschaltet.
- 3 offenbart die graphische Darstellung des entwickelten Messprinzips. Das An- bzw. Ausschalten des Sensors (1) erfolgt über das Anlegen eines um 250 mV positives oder negatives Potential gegenüber des E1/2 des verwendeten Os-Komplexes am Redoxpolymer (4). Ein übergeordneter Stromkreis zur Mikroelektrode (2) des Sensors (1) ermöglicht das Schalten zwischen potentiostatischer Kontrolle und potentiometrischer Messung.
- 4 zeigt Links: Isolierte Potentialtransienten eines Sensors (1) unter sich ändernden Glukosekonzentrationen von 0 mM (PBS, pH 7.4), 1 mM, 3 mM, 5 mM und 7.5 mM (von oben nach unten). Rechts: Je gemessene Konzentration 0 mM bzw. 3 mM wurden 4 individuelle Potentialtransienten aufgetragen, welche sich nahezu vollständig überlagern.
- 5 zeigt vergleichende Messungen eines Sensors (1), der mit einer hohen Diffusionsbarriere für die Eindiffusion des Analyten (8), hier Glukose, in den aktiven Polymerfilm (3) ausgestattet wurde. Während kurzer Regenerationszeiten von 2 s zwischen den individuellen gepulsten Messungen des Analyten (1. - 4.) a) ist eine Verarmung des Analyten (8), hier Glukose im Film (3), sukzessiv zwischen der ersten Messung (1. - unterste Kurve mit stärkstem Potentialabfall) und der letzten Messung (4. - oberste Kurve mit geringstem Potentialabfall) erkennbar - durch eine schwächere Veränderung des Potentials während der Messung. b) Je länger die Regenerationszeit, desto geringer ist die Verarmung des Analyten (8) im Film (3). c) Ab einer Regenerationszeit von 30 s ist kein Unterschied zwischen den individuellen Messungen mehr erkennbar.
- 6 zeigt Links: Auftragung der Steigungen individueller Potentialtransienten gegenüber ihres Anfangspotentials bei steigender Glukosekonzentration (0 mM, 1 mM, 3 mM, 5 mM und 7.5 mM - von oben nach unten) mit Bestimmung der jeweiligen Geradensteigung im Bereich zwischen 20 und 45 ms. Rechts: Kalibrierkurve bestehend aus korrelierten Werten des Stroms (■), Potentials (Δ) und der Steigung der Potentialtransienten (•) für denselben Sensor (1) abhängig von der Glukosekonzentration.
- 7 beschreibt die dynamische Messreihe bei sich ständig ändernder Glukosekonzentration zwischen 1 und 7.5 mM. Die einzelnen Messpunkte (x) wurden aus der Steigung ihrer Potentialtransienten zwischen 10 und 20 ms nach dem Aufladepuls ermittelt. Die Quadrate (■) zeigen unabhängig durchgeführte amperometrische Messungen in Korrelation mit den Pulspotentialtransienten. Die eingezeichnete Spur wurde aus dem laufenden Durchschnitt von 4 individuellen Pulsmessungen ermittelt.
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Bezugszeichenliste:
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- 1
- Biosensor
- 2
- Mikroelektrode
- 3
- Biokalytischer Film
- 4
- Redoxpolymer
- 5
- Epoxyvernetzer
- 6
- Enzym
- 7
- Katalytisches Zentrum
- 8
- Analyt
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 0778897 A1 [0012]
- EP 1230249 A1 [0012]
- EP 0958495 A1 [0012]
- EP 2478350 A2 [0013]
- EP 3303574 A1 [0013]
- US 2020072823 A1 [0013]
- DE 19814761 A1 [0013]
- EP 0958351 B1 [0013]
- EP 2401390 B1 [0014]
- EP 1691679 B1 [0014]
- EP 1119637 B2 [0014]