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Die vorliegende Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum Detektieren eines Abbiegevorgangs eines zweiten Fahrzeugs in einer Umgebung eines ersten Fahrzeugs. Die vorliegende Erfindung betrifft weiterhin ein System und ein Verfahren zum Detektieren eines Abbiegevorgangs eines zweiten Fahrzeugs in einer Umgebung eines ersten Fahrzeugs.
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Moderne Fahrzeuge (Autos, Transporter, Lastwagen, Motorräder etc.) umfassen eine Vielzahl an Systemen, die dem Fahrer Informationen zur Verfügung stellen und einzelne Funktionen des Fahrzeugs teil- oder vollautomatisiert steuern. Über Sensoren werden die Umgebung des Fahrzeugs sowie andere Verkehrsteilnehmer erfasst. Basierend auf den erfassten Daten kann ein Modell der Fahrzeugumgebung erzeugt werden und auf Veränderungen in dieser Fahrzeugumgebung reagiert werden. Durch die fortschreitende Entwicklung im Bereich der autonom und teilautonom fahrenden Fahrzeuge werden der Einfluss und der Wirkungsbereich solcher Fahrerassistenzsysteme (Advanced Driver Assistance Systems, ADAS) immer größer. Durch die Entwicklung immer präziserer Sensoren ist es möglich, die Umgebung und den Verkehr zu erfassen und einzelne Funktionen des Fahrzeugs vollständig oder teilweise ohne Eingriff des Fahrers zu kontrollieren. Fahrerassistenzsysteme können dabei insbesondere zur Erhöhung der Sicherheit im Verkehr sowie zur Verbesserung des Fahrkomforts beitragen.
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Zusätzlich zur Verwendung von Sensoren am eigenen Fahrzeug können über geeignete Kommunikationssysteme auch Daten ausgetauscht werden mit anderen Fahrzeugen (Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation) und/oder mit Infrastrukturobjekten (bspw. Ampeln, Verkehrsleitsysteme, Kameras etc., Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation). Derartige sogenannte V2X-Systeme und die Formate und Inhalte der ausgetauschten Nachrichten sind zwischenzeitlich in der IEEE 1609 Standardfamilie genauer spezifiziert. Für die Zukunft sollen alle Fahrzeuge mit entsprechenden Kommunikationseinheiten ausgerüstet werden. Die ausgetauschten Daten können beispielsweise dazu dienen, ein Verhalten eines autonomen oder teilautonomen Fahrzeugs an eine aktuelle Situation anzupassen.
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Eine Herausforderung besteht darin, in adäquater Weise auf das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu reagieren. Hierzu ist es zunächst erforderlich, eine Absicht bzw. ein geplantes Fahrmanöver eines anderen Fahrzeugs zu detektieren. Dann kann eine Reaktion des eigenen Fahrzeugs ermittelt werden. In diesem Zusammenhang wird in Tang et al., „Turn Prediction at Generalized Intersections", IEEE 2015, ein Ansatz zum Voraussagen eines Abbiegevorgangs an einer Kreuzung offenbart. Insbesondere wird eine Voraussage einer Intention eines Fahrzeugführers vorgenommen. Das offenbarte Modell verwendet dazu Karten einer Spurführung in einer Kreuzung und trifft eine Vorhersage basierend auf vorherigen Positionen und der Bewegung des Fahrzeugs. Es wird ein Datensatz mit mehreren Hundert Fahrwegen an unterschiedlichen Kreuzungen generiert. Die Voraussage des Abbiegevorgangs basiert auf einem Hidden Markov Model, einer Support-Vektor-Maschine und einem dynamischen Bayes'schen Netzwerk.
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Nachteilig an bisherigen Ansätzen zur Erkennung des Verhaltens eines anderen Fahrzeugs ist, dass diese oft nur in vorbekannten Umgebungen zuverlässige Resultate liefern. Zudem werden als Eingangssignal oft Sensordaten vorausgesetzt, die fehlerhaft oder nicht vorhanden sein können, beispielsweise weil eine Kamera das andere Fahrzeug aufgrund einer fehlenden direkten Sichtverbindung nicht erfassen kann.
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Ausgehend hiervon stellt sich der vorliegenden Erfindung daher die Aufgabe, einen Ansatz zum zuverlässigen Detektieren eines Abbiegevorgangs eines zweiten Fahrzeugs zu schaffen. Es soll erkannt werden, ob ein zweites Fahrzeug in einer Umgebung eines eigenen Fahrzeugs in unmittelbarer Zukunft ein Abbiegemanöver vornehmen wird oder nicht. Insbesondere soll ein Ansatz geschaffen werden, der es ermöglicht, in beliebigen Umgebungen zuverlässige Resultate bereitzustellen.
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Zum Lösen dieser Aufgabe betrifft die vorliegende Erfindung in einem ersten Aspekt eine Vorrichtung zum Detektieren eines Abbiegevorgangs eines zweiten Fahrzeugs in einer Umgebung eines ersten Fahrzeugs, mit:
- einer Eingangsschnittstelle zum Empfangen einer drahtlos übermittelten Nachricht von einer Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit des zweiten Fahrzeugs, wobei die Nachricht Fremdfahrzeugdaten mit Informationen zu einem aktuellen Zustand des zweiten Fahrzeugs umfasst;
- einer Klassifikationseinheit zum Ermitteln, ob das zweite Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführen wird, basierend auf einer Auswertung der Fremdfahrzeugdaten in einem vortrainierten Klassifikationsverfahren; und
- einer Ausgabeeinheit zum Ausgeben eines Ausgabesignals mit Informationen zu dem Abbiegevorgang, wenn das zweite Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführen wird.
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In einem weiteren Aspekt betrifft die vorliegende Erfindung eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit mit einer Vorrichtung wie zuvor beschrieben.
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Weiterhin betrifft ein Aspekt der vorliegenden Erfindung ein System zum Detektieren eines Abbiegevorgangs eines zweiten Fahrzeugs in einer Umgebung eines ersten Fahrzeugs, mit:
- einer Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit in einem zweiten Fahrzeug; und
- einer Vorrichtung oder einer Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit wie zuvor beschrieben.
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Weitere Aspekte der Erfindung betreffen ein entsprechendes Verfahren und ein Computerprogrammprodukt mit Programmcode zum Durchführen der Schritte des Verfahrens, wenn der Programmcode auf einem Computer ausgeführt wird, sowie ein Speichermedium, auf dem ein Computerprogramm gespeichert ist, das, wenn es auf einem Computer ausgeführt wird, eine Ausführung des hierin beschriebenen Verfahrens bewirkt.
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Bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung werden in den abhängigen Ansprüchen beschrieben. Es versteht sich, dass die vorstehend genannten und die nachstehend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen. Insbesondere können das Verfahren und das Computerprogrammprodukt entsprechend der für die Vorrichtung in den abhängigen Ansprüchen beschriebenen Ausgestaltungen ausgeführt sein.
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Erfindungsgemäß ist es vorgesehen, dass von einem zweiten Fahrzeug in einer unmittelbaren Umgebung eines ersten Fahrzeugs per Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation Daten (Fremdfahrzeugdaten) empfangen werden. Basierend auf diesen empfangenen Fremdfahrzeugdaten wird mittels eines vortrainierten Klassifikationsverfahrens ermittelt, ob das zweite Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführen wird. Insoweit wird erfindungsgemäß ausgenutzt, dass Daten, die ohnehin per Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation übermittelt werden, als Eingang für einen Ansatz des maschinellen Lernens verwendet werden können. Es wird prädiziert, ob das zweite Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführen wird. Diese Information kann dann an einen Fahrzeugführer des ersten Fahrzeugs (eigenen Fahrzeugs) ausgegeben werden. Ebenfalls ist es möglich, dass ausgehend von der Erkennung direkt eine Steuerung eines Aktuators des ersten Fahrzeugs erfolgt. Beispielsweise kann ein Brems- oder Beschleunigungsvorgang eingeleitet bzw. beeinflusst werden, wenn ein zweites Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführen wird.
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Durch die erfindungsgemäße Verarbeitung von übermittelten Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationsdaten des zweiten Fahrzeugs in einem Klassifikationsverfahren kann eine zuverlässige Prognose des Abbiegeverhaltens des zweiten Fahrzeugs erfolgen. Es ist nicht notwendig, auf Sensoren des ersten Fahrzeugs zurückzugreifen. Zudem müssen keine Daten von Sensoren in der Infrastruktur empfangen werden. Insoweit ist beispielsweise eine Sichtverbindung und eine Aufnahme eines Bildsignals mittels einer Kamera nicht notwendig. Durch die Anwendung eines Verfahrens des maschinellen Lernens kann eine hohe Zuverlässigkeit auch in bislang unbekannten Umgebungen und Situationen erreicht werden. Es ergibt sich im Vergleich zum Stand der Technik eine größere Flexibilität und Prognosegenauigkeit. Durch die Bereitstellung des Ausgabesignals mit Informationen zu dem Abbiegevorgang kann die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer, insbesondere des ersten und des zweiten Fahrzeugs, verbessert werden. Die Unfallgefahr wird reduziert. Zudem kann die Energieeffizienz erhöht werden, indem eine vorausschauende Fahrweise implementiert wird und unnötige Brems- und/oder Beschleunigungsvorgänge vermieden werden. Insbesondere im Bereich der autonomen und teilautonomen Fahrzeuge kann Energie gespart und die Sicherheit erhöht werden.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung ist das vortrainierte Klassifikationsverfahren ein Random Forest-Klassifikator. Ein Random Forest-Klassifikator ist ein Verfahren des maschinellen Lernens für die Klassifizierung und Regression und erzeugt mehrere Entscheidungsbäume zum Bereitstellen einer Prädiktion. Ein solcher Klassifikator funktioniert gut mit einer Mischung an numerischen und kategorischen Merkmalen auf der Eingangsseite. Der Klassifikator kann beispielsweise basierend auf gesammelten Daten verschiedener Fahrzeuge trainiert werden. Es ergibt sich eine hohe Prognosegenauigkeit bei der Voraussage des Abbiegevorgangs des zweiten Fahrzeugs.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung ist die Klassifikationseinheit zum Ermitteln einer Abbiegerichtung des zweiten Fahrzeugs basierend auf der Auswertung der Fremdfahrzeugdaten in dem vortrainierten Klassifikationsverfahren ausgebildet. Die Ausgabeeinheit ist zum Ausgeben der ermittelten Abbiegerichtung ausgebildet. Zusätzlich zu der (binären) Entscheidung, ob ein Abbiegevorgang erfolgt, kann ermittelt werden, ob ein Abbiegen nach links oder nach rechts oder in eine andere Richtung erfolgen soll. Hierdurch können in der weiteren Verarbeitung des Ausgabesignals zusätzliche Informationen bereitgestellt werden. Die Reaktion des ersten Fahrzeugs kann besser angepasst werden. Die Sicherheit und Energieeffizienz können weiter verbessert werden.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung umfasst die Vorrichtung eine Filtereinheit zum Ermitteln einer Position und Fahrtrichtung des zweiten Fahrzeugs basierend auf der empfangenen Nachricht. Die Klassifikationseinheit ist dazu ausgebildet, den Abbiegevorgang nur zu ermitteln, wenn es sich bei dem zweiten Fahrzeug um ein dem ersten Fahrzeug vorausfahrendes Fahrzeug handelt. Grundsätzlich kann für alle Fahrzeuge in der Umgebung des ersten Fahrzeugs, von denen Nachrichten empfangen werden, ein Abbiegevorgang detektiert werden. Vorteilhaft ist, wenn insbesondere für vorausfahrende Fahrzeuge ein Abbiegevorgang detektiert wird. Im Falle eines vorausfahrenden Fahrzeugs kann die eigene Fahrweise angepasst werden, um ein unnötiges Bremsen beziehungsweise Beschleunigen zu vermeiden und einen Unfall zu verhindern.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung umfasst die Vorrichtung eine Steuereinheit zum Ansteuern eines Motors und/oder einer Bremse des ersten Fahrzeugs basierend auf dem Ausgabesignal. Hierdurch wird ein Beschleunigungs- und/oder Bremsvorgang des ersten Fahrzeugs anpassbar, wenn das zweite Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführen wird. Es ist möglich, dass eine Steuereinheit des ersten Fahrzeugs unmittelbar angesteuert wird, um eine Fahrweise des ersten Fahrzeugs anzupassen. Hierdurch kann eine vorausschauende Fahrweise in einem teilautonomen oder autonomen Fahrzeug umgesetzt werden. Es ergibt sich eine verbesserte Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer sowie eine höhere Energieeffizienz.
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Vorzugsweise ist die Eingangsschnittstelle zum Empfangen einer standardisierten Dedicated Short Range Message, DSRC, ausgebildet. Insbesondere kann eine Cooperative Awareness Message, CAM, eine Decentralized Environmental Notification Message, DENM, eine Signal Phase and Timing Message, SPAT und/oder eine Map Data Message, MAP empfangen werden. Insbesondere können standardisierte Nachrichten anderer Fahrzeuge empfangen und verarbeitet werden. Besonders vorteilhaft ist die Verwendung von CAM-Nachrichten. Es können einerseits die standardmäßig in CAM-Nachrichten enthaltenen Daten als Eingangsgrößen für die Klassifikation verwendet werden. Andererseits ist es möglich, optionale Felder zu verwenden. Durch die Verwendung standardisierter Nachrichten kann eine Interaktion mit beliebigen anderen Fahrzeugen erfolgen. Eine vorherige Anpassung bzw. ein Aushandeln eines Kommunikationsprotokolls ist nicht notwendig. Es ergibt sich eine verbesserte Sicherheit und eine erhöhte Effizienz für alle beteiligten Verkehrsteilnehmer.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung umfassen die Fremdfahrzeugdaten einen Lenkradwinkel, eine Lenkradwinkel-Konfidenz eine Lenkradwinkel-Änderungsrate, einen Fahrzeugradwinkel, eine Beschleunigung, eine Beschleunigungskonfidenz, einen Gierwinkel, eine Gierwinkelkonfidenz, eine Geschwindigkeit, eine Richtung und/oder eine Position. Unter einer Konfidenz wird hierin ein Wert verstanden, der eine Sicherheit beziehungsweise eine Unsicherheit eines Messwerts ausdrückt. Die genannten unterschiedlichen Daten erlauben eine Aufstellung eines Modells des maschinellen Lernens mit hoher Aussagekraft bezüglich eines bevorstehenden Abbiegevorgangs eines Fahrzeugs. Es ist möglich, den Klassifikator basierend auf einer Verwendung mehrerer numerischer und kategorischer Merkmale zu trainieren. Während der Trainingsphase können die unterschiedlichen Daten im laufenden Betrieb eines Fahrzeugs gesammelt werden.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung ist die Eingangsschnittstelle zum Empfangen einer RAW Message ausgebildet. Die Fremdfahrzeugdaten umfassen eine Reibungskonfidenz und/oder eine Drehrate.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung ist das Klassifikationsverfahren basierend auf aufgezeichneten Fremdfahrzeugdaten mehrerer Fahrzeuge vortrainiert. Insbesondere kann ein Trainingsdatensatz basierend auf gesammelten Daten mehrerer anderer Fahrzeuge gewonnen werden. Es ist möglich, dass die Trainingsdaten im laufenden Betrieb des ersten Fahrzeugs aktualisiert bzw. ergänzt werden, gegebenenfalls basierend auf empfangenen Daten anderer Fahrzeuge. Hierdurch ergibt sich eine hohe Aussagekraft des Klassifikators bezüglich eines bevorstehenden Abbiegemanövers des zweiten Fahrzeugs.
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In einer Ausgestaltung ist die Vorrichtung in eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit integriert. In anderen Worten wird in einem Prozessor einer Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit ein entsprechendes Klassifikationsverfahren ausgeführt. Es ergibt sich eine erweiterte und verbesserte Datenbearbeitung der empfangenen Daten.
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Unter dem Detektieren eines Abbiegevorgangs wird hierin insbesondere eine binäre Entscheidung, ob ein Abbiegevorgang unmittelbar bevorsteht, verstanden. Unmittelbar bevorstehend bedeutet dabei in naher Zukunft, wobei sich eine längere Vorwarnzeit positiv auswirkt. Ein genauer Zeithorizont muss nicht definiert sein. In anderen Worten soll die Prognose, ob ein Abbiegevorgang bevorsteht, so früh wie möglich erfolgen. Spätestens wenn der Abbiegevorgang bereits eingeleitet ist, sollte der Klassifikator eine zuverlässige Erkennung des Abbiegevorgangs liefern. Eine Abbiegerichtung kann insbesondere rechts oder links sein. Es ist auch möglich, dass eine weitere beziehungsweise genauere Angabe einer Richtung, beispielsweise mittels einer Gradzahl, erfolgt. Ein vortrainiertes Klassifikationsverfahren ist ein Algorithmus des maschinellen Lernens, der mittels Trainingsdaten trainiert wurde.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand einiger ausgewählter Ausführungsbeispiele im Zusammenhang mit den beiliegenden Zeichnungen näher beschrieben und erläutert. Es zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung eines erfindungsgemäßen Systems zum Detektieren eines Abbiegevorgangs;
- 2 eine schematische Darstellung einer erfindungsgemäßen Vorrichtung;
- 3 eine schematische Darstellung eines Fahrzeugs mit einer erfindungsgemäßen Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit; und
- 4 eine schematische Darstellung eines erfindungsgemäßen Fahrzeugs.
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In der 1 ist ein erfindungsgemäßes System 10 zum Detektieren eines Abbiegevorgangs eines zweiten Fahrzeugs 12 in einer Umgebung eines ersten Fahrzeugs 14 dargestellt. Das System 10 umfasst eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit 16 in dem zweiten Fahrzeug und eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit 18 in dem ersten Fahrzeug 14. Die Darstellung ist dabei als Draufsicht aus der Vogelperspektive auf eine Straße 20 im Bereich einer Einmündung 22 zu verstehen. Das erste Fahrzeug 14 und das zweite Fahrzeug 12 bewegen sich in Richtung der angedeuteten Pfeile. Die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit 18 des ersten Fahrzeugs 14 steht in Verbindung mit einer erfindungsgemäßen Vorrichtung 24 zum Detektieren eines Abbiegevorgangs des zweiten Fahrzeugs 12.
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Erfindungsgemäß stehen die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheiten der beiden Fahrzeuge in Kommunikationsverbindung, wie durch den Pfeil angedeutet. Die Umgebung des ersten Fahrzeugs 14 ist insoweit insbesondere dadurch definiert, dass sie einer Kommunikationsreichweite einer entsprechenden Kommunikationseinheit entspricht. Über die Kommunikationsverbindung werden vom zweiten Fahrzeug 12 Fremdfahrzeugdaten an das erste Fahrzeug 14 übermittelt. Die Übermittlung erfolgt dabei vorzugsweise periodisch mittels standardisierter Nachrichten. Diese Fremdfahrzeugdaten umfassen Informationen zu einem aktuellen Zustand des zweiten Fahrzeugs.
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In der erfindungsgemäßen Vorrichtung 24, die im gezeigten Beispiel innerhalb des ersten Fahrzeugs 14 angeordnet ist, erfolgt eine Auswertung der empfangenen Fremdfahrzeugdaten basierend auf einem Ansatz des maschinellen Lernens. Es wird ein Klassifikationsverfahren durchgeführt, das eine automatische Erkennung eines Abbiegevorgangs des zweiten Fahrzeugs 12 ermöglicht. Basierend auf den übermittelten Fremdfahrzeugdaten wird in der Vorrichtung 24 festgestellt, ob das zweite Fahrzeug 12 an der Einmündung 22 einen Abbiegevorgang vornehmen will. Ein derartiger Abbiegevorgang führt üblicherweise zu einer Verlangsamung der Fahrt des zweiten Fahrzeugs 12. Hierdurch kann es zu einem Auffahrunfall kommen, wenn das erste Fahrzeug 14 auf das zweite Fahrzeug auffährt. Ebenfalls ist es möglich, dass im ersten Fahrzeug 14 ein Bremsvorgang notwendig wird, der nicht unbedingt erforderlich wäre, wenn die Intention des zweiten Fahrzeugs 12 im Vorhinein bekannt wäre. Das erste Fahrzeug 14 kann mit dem ermittelten Wissen eine vorausschauendere Fahrweise implementieren, da es unmittelbar von einem bevorstehenden Abbiegevorgang des zweiten Fahrzeugs 12 in Kenntnis gesetzt wird.
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In der 2 ist die erfindungsgemäße Vorrichtung 24 schematisch dargestellt. Die Vorrichtung umfasst eine Eingangsschnittstelle 26, eine Klassifikationseinheit 28 sowie eine Ausgabeeinheit 30. Optional umfasst die Vorrichtung 24 zudem eine Filtereinheit 32 sowie eine Steuereinheit 34. Die Einheiten und Schnittstellen können teilweise oder vollständig in Soft- und/oder in Hardware umgesetzt sein. Insbesondere können die Einheiten als Prozessor, Prozessormodule oder auch als Software für einen Prozessor ausgebildet sein. Die Vorrichtung 24 kann insbesondere in eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit integriert sein. Beispielsweise kann die Vorrichtung 24 in eine Standardkommunikationseinheit integriert sein und als Software auf einem Prozessor einer derartigen Kommunikationseinheit ausgeführt werden. Es ist dabei auch möglich, dass die erfindungsgemäße Vorrichtung 24 als Mobilgerät oder als Software für ein Mobilgerät (Smart Phone-App oder Ähnliches) implementiert ist.
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Über die Eingangsschnittstelle 26 wird eine drahtlos übermittelte Nachricht von einer Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit des zweiten Fahrzeugs empfangen. Hierzu kann die Eingangsschnittstelle 26 beispielsweise an eine entsprechende Niedrigenergie-Kurzstreckenkommunikationseinheit angebunden sein. Eine derartige Kommunikationseinheit kann beispielsweise den entsprechenden ETSI-Standard umsetzen. Die Eingangsschnittstelle 26 kann auch selbst zur drahtlosen Kommunikation ausgebildet sein.
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Insbesondere kann die Eingangsschnittstelle 26 dazu ausgebildet sein, periodisch eine Cooperative Awareness Message (CAM) zu empfangen. In einer solchen standardisierten Nachricht sind unterschiedliche Daten enthalten, die den aktuellen Zustand des zweiten Fahrzeugs widerspiegeln. Die enthaltenen Daten können insbesondere einen Lenkradwinkel, eine Lenkradwinkel-Konfidenz, eine Lenkradwinkel-Änderungsrate, einen Fahrzeugradwinkel, eine Beschleunigung, eine Beschleunigungskonfidenz, einen Gierwinkel, eine Gierwinkelkonfidenz, eine Geschwindigkeit, eine Richtung und/oder eine Position umfassen. Es versteht sich, dass es aber auch möglich ist, andere Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationsnachrichten zu empfangen. Insbesondere können auch anwendungsspezifische Nachrichten im RAW-Format empfangen werden, die zusätzliche Daten beinhalten.
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In der Klassifikationseinheit 28 wird dann ein vortrainiertes Klassifikationsverfahren mit den Fremdfahrzeugdaten als Eingangsdaten ausgeführt. Insbesondere hat es sich als vorteilhaft herausgestellt, wenn ein Random Forest-Klassifikator verwendet wird. Ein solcher liefert gute Ergebnisse mit gemischten numerischen und kategorischen Merkmalen. Es ist also möglich, dass einerseits Sensordaten und andererseits Eigenschaftsdaten verarbeitet werden. In der Klassifikationseinheit 28 wird ermittelt, ob das zweite Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführen wird. Es erfolgt eine Prädiktion, ob ein Abbiegevorgang durchgeführt wird. Die Fremdfahrzeugdaten erlauben spätestens dann, wenn der Abbiegevorgang bereits eingeleitet wird, eine Erkennung des Abbiegevorgangs. Vorteilhafterweise wird der Abbiegevorgang bereits vor seiner Einleitung detektiert. Es kann sozusagen eine Voraussage erfolgen, ob das zweite Fahrzeug einen Abbiegevorgang vornehmen wird oder nicht.
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Vorzugsweise ist das vortrainierte Klassifikationsverfahren dabei dazu ausgebildet zu erkennen, ob ein Abbiegevorgang durchgeführt wird, und zusätzlich auch eine Aussage darüber zu treffen, in welche Richtung der Abbiegevorgang ausgeführt wird. Vorteilhaft ist es insbesondere, wenn zumindest eine Aussage abgeleitet wird, ob ein Links- oder Rechtsabbiegevorgang bevorsteht. Es ist aber auch möglich, eine noch genauere Aussage zu treffen.
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Um die entsprechende Datenauswertung und Kategorisierung bereitzustellen, ist das Klassifikationsverfahren vortrainiert. Hierzu können in einer Trainingsphase Trainingsdaten verwendet werden, die vorab für mehrere Fahrzeuge aufgezeichnet und manuell und/oder automatisch annotiert wurden. Es werden also Daten aufgezeichnet und jeweils festgelegt, zu welchem Zeitpunkt ein Abbiegevorgang durchgeführt wird. Diese Daten dienen für ein Training des Klassifikationsverfahrens und erlauben insbesondere eine Erzeugung mehrerer Entscheidungsbäume in einem Random Forest-Klassifikator. Durch die Verwendung zutreffender Trainingsdaten kann die Zuverlässigkeit bei der Erkennung des Abbiegevorgangs gesteigert werden.
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Über die Ausgabeeinheit 30 wird ein Ausgabesignal bereitgestellt, das Informationen zu dem Abbiegevorgang umfasst. Insbesondere umfasst das Ausgabesignal eine binäre Information, ob ein Abbiegevorgang durchgeführt wird beziehungsweise unmittelbar bevorsteht. Zudem ist es möglich, dass das Ausgabesignal auch die ermittelte Abbiegerichtung ausgibt. Das Ausgabesignal kann beispielsweise in einer Fahrzeug-Steuereinheit verarbeitet werden, um den Fahrer des Fahrzeugs zu informieren, ob ein vorausfahrendes Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführen wird. Ebenfalls ist es möglich, dass in einem autonomen oder teilautonomen Fahrzeug direkt auf einen Beschleunigungs- und/oder Bremsvorgang eingewirkt wird, um diesen anzupassen.
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Einerseits können hierdurch Unfälle vermieden werden. Andererseits ist es auch möglich, dass die Energieeffizienz beim Fahren verbessert wird, da unnötige Brems- und/oder Beschleunigungsvorgänge vermieden werden.
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In der optional vorhandenen Filtereinheit 32 wird eine Position und Fahrtrichtung des zweiten Fahrzeugs ermittelt. Basierend hierauf ist es möglich festzustellen, ob es sich bei dem zweiten Fahrzeug um ein dem ersten Fahrzeug vorausfahrendes Fahrzeug handelt. Informationen bezüglich eines Abbiegevorgangs des vorausfahrenden Fahrzeugs sind besonders relevant, da die Gefahr von Auffahrunfällen besteht und gerade bei vorausfahrenden Fahrzeugen die Fahrweise des eigenen Fahrzeugs angepasst werden muss, wenn das vorausfahrende Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführt. Die Ermittlung der Position in Fahrtrichtung des zweiten Fahrzeugs kann beispielsweise aus einer Auswertung einer Empfangsrichtung der Nachricht mittels einer Richtantenne erfolgen. Ebenfalls ist es möglich, dass eine Position und Richtung innerhalb der Fremdfahrzeugdaten mit einer Position und Richtung des eigenen Fahrzeugs verglichen wird, um zu ermitteln, ob es sich bei dem zweiten Fahrzeug um ein vorausfahrendes Fahrzeug handelt oder nicht.
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In der optional vorhandenen Steuereinheit 34 wird direkt das Ausgabesignal verarbeitet, um einen Motor und/oder eine Bremse des ersten Fahrzeugs anzusteuern, wenn das zweite Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführen wird. Gerade in einem autonomen oder teilautonomen Fahrzeug ergeben sich hierdurch Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicherheit und zur Verbesserung der Energieeffizienz.
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In der 3 ist schematisch ein erstes Fahrzeug 14 dargestellt, das eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit 18 sowie eine erfindungsgemäße Vorrichtung 24 umfasst. Die Vorrichtung 24 ist an ein Fahrzeugsteuergerät 36 angebunden, über das ein Motor und/oder eine Bremse des ersten Fahrzeugs 14 angesteuert werden kann.
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In der 4 ist schematisch ein erfindungsgemäßes Verfahren dargestellt. Das Verfahren umfasst Schritte des Empfangens S10 einer drahtlos übermittelten Nachricht, des Ermittelns S12, ob das zweite Fahrzeug einen Abbiegevorgang durchführen wird, und des Ausgebens S14 eines Ausgabesignals. Das Verfahren kann beispielsweise als Software für eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit, ein Fahrzeugsteuergerät oder ein Mobilgerät ausgebildet sein. Beispielsweise kann das Verfahren auch als Smartphone-App umgesetzt sein, die mit entsprechenden Steuergeräten des ersten Fahrzeugs kommuniziert.
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Die Erfindung wurde anhand der Zeichnungen und der Beschreibung umfassend beschrieben und erklärt. Die Beschreibung und Erklärung sind als Beispiel und nicht einschränkend zu verstehen. Die Erfindung ist nicht auf die offenbarten Ausführungsformen beschränkt. Andere Ausführungsformen oder Variationen ergeben sich für den Fachmann bei der Verwendung der vorliegenden Erfindung sowie bei einer genauen Analyse der Zeichnungen, der Offenbarung und der nachfolgenden Patentansprüche.
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In den Patentansprüchen schließen die Wörter „umfassen“ und „mit“ nicht das Vorhandensein weiterer Elemente oder Schritte aus. Der undefinierte Artikel „ein“ oder „eine“ schließt nicht das Vorhandensein einer Mehrzahl aus. Ein einzelnes Element oder eine einzelne Einheit kann die Funktionen mehrerer der in den Patentansprüchen genannten Einheiten ausführen. Ein Element, eine Einheit, eine Schnittstelle, eine Vorrichtung und ein System können teilweise oder vollständig in Hard- und/oder in Software umgesetzt sein. Die bloße Nennung einiger Maßnahmen in mehreren verschiedenen abhängigen Patentansprüchen ist nicht dahingehend zu verstehen, dass eine Kombination dieser Maßnahmen nicht ebenfalls vorteilhaft verwendet werden kann. Ein Computerprogramm kann auf einem nichtflüchtigen Datenträger gespeichert/vertrieben werden, beispielsweise auf einem optischen Speicher oder auf einem Halbleiterlaufwerk (SSD). Ein Computerprogramm kann zusammen mit Hardware und/oder als Teil einer Hardware vertrieben werden, beispielsweise mittels des Internets oder mittels drahtgebundener oder drahtloser Kommunikationssysteme. Bezugszeichen in den Patentansprüchen sind nicht einschränkend zu verstehen.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- System
- 12
- zweites Fahrzeug
- 14
- erstes Fahrzeug
- 16
- Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit des zweiten Fahrzeugs
- 18
- Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikationseinheit des ersten Fahrzeugs
- 20
- Straße
- 22
- Einmündung
- 24
- Vorrichtung
- 26
- Eingangsschnittstelle
- 28
- Klassifikationseinheit
- 30
- Ausgabeeinheit
- 32
- Filtereinheit
- 34
- Steuereinheit
- 36
- Fahrzeugsteuergerät
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Zusammenhang wird in Tang et al., „Turn Prediction at Generalized Intersections“, IEEE 2015 [0004]