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Die vorliegende Erfindung betrifft eine Mikropumpe, die ohne bewegliche mechanische Elemente auskommt, sowie eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Erzeugung einer (quasi-)kontinuierlichen Strömung eines in einem Mikro- oder Nanokanalsystem befindlichen Fluids. Insbesondere zielt die Erfindung auf Anwendungen der Mikrobiologie und Mikroreaktionstechnik, in welchen die verwendeten Analysesysteme vorzugsweise kostengünstige Einwegprodukte aus der Massenfertigung sind.
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Pumpen gehören zu den wichtigsten Komponenten in fluidischen Systemen. Mikrosystemtechnische Pumpen stellen nach wie vor eine Herausforderung für die Mikrofluidik dar. Rotatorische Pumpen, die makroskopische Lösungen dominieren, sind aufgrund einer Vielzahl von Schwierigkeiten (Abrieb, Abdichtung, Antrieb, Oberflächenspannung von Flüssigkeiten) für den Einsatz in der Mikrosystemtechnik weitgehend ungeeignet. Mikropumpen werden deshalb zumeist als komplexer Aufbau mit bewegten Festkörpermembranen realisiert, die über vergleichsweise leistungsstarke Antriebe bewegt werden müssen. So sind z. B. die in Laser, D. J.; Santiago, J. G.: A review of micropumps, In: J. Micromech. Microeng., 2004, No. 14, pp. R35–R64 und Nguyen, Nam-Trung; Huang, Xiaoyang; Chuan, Toh Kok: MEMS-Micropumps: A Review, In: Transactions of the ASME, June 2002, Vol. 124, pp. 384–392 vorgeschlagenen Lösungen für mikrofluidische Anwendungen Systeme, die sich ohne zusätzlichen Aufwand (z. B. Montageschritte oder spezielle Aufbau- und Verbindungstechniken) nicht in den Prozessablauf zur Herstellung mikrofluidischer Systeme unter Verwendung von Standard-Technologieschritten integrieren lassen. Die für die meistverwendeten Aktorprinzipien notwendigen komplexen Aufbauten sind ein Nachteil existierender Lösungen, der bislang aufgrund der damit einhergehenden Kosten den Einsatz in Einweglösungen verhindert.
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Die Entwicklung von Mikropumpen wird seit langem intensiv bearbeitet. Zahlreiche Arbeiten wurden auf Grund der Bedeutung von Pumpen bereits in den 90er Jahren durchgeführt. Aus der Patentschrift
DE 4223019 C1 ist z. B. eine „ventillose” Mikropumpe, die dem „klassischen” Aufbau folgt, bekannt, bei der in den spaltartigen Bereich, welchem der Pumpenaktor eine Oszillationsbewegung einprägt, strömungstechnisch anisotrope Strukturen eingebracht sind, die dem Fluid eine Vorzugsrichtung geben.
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Der größte Anteil an Arbeiten zu diesem Thema setzt auf Membran-basierte Pumpen, entweder mit aktiver oder passiver Ventilsteuerung. 1 zeigt die Prinzipdarstellung eines „klassischen” Mikropumpenaufbaus: Über die Auslenkung einer Membran (6) wird das Volumen einer Pumpkammer (1) zyklisch vergrößert bzw. verkleinert, wobei die Pumpkammer mit einem Zufluss und einem Abfluss verbunden ist. In Kombination mit passiven oder aktiven Ventilstrukturen (3) in Zu- und Ablauf wird dem zu fördernden Fluid (5) eine Vorzugsrichtung eingeprägt, woraus eine Pumpwirkung resultiert.
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Als Antriebssysteme wurden bislang in überwiegender Mehrzahl Piezoantriebe, teilweise auch magnetische Antriebe eingesetzt. 2 zeigt als Ausführungsbeispiel für eine „klassische” Mikropumpe einen Aufbau mit einem piezoelektrischen Element als Aktor (9), der die Membran (6) über der Pumpkammer (1) auslenkt.
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Eine derartige „klassische” Mikropumpe wird z. B. in der Patentschrift
WO 2009/059664 A1 beschrieben, die auf einer Pumpenkammer mit einer Membran basiert, die durch ein Piezoelement ausgelenkt wird. Durch die Kombination mit Ventilstrukturen wird eine Pumpwirkung generiert. Die beschriebene Pumpe besteht dabei aus einer Reihe verbundener Pumpkammern, die mittels einer Phasenverschiebung im Ansteuersignal betrieben werden.
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Weiterhin ist aus der Patentschrift
EP 0844395 B1 eine Mikropumpe, bestehend aus Pumpkammer und Aktor, bekannt. Die Ventilwirkung bzw. die dem Fluid eine Vorzugsrichtung einprägenden Strukturen sind als Kanäle mit nichtlinearem Strömungswiderstand ausgeführt. Je nach Ansteuerregime wird in diesen Kanälen eine laminare oder eine turbulente Strömung generiert, was mit unterschiedlich großen Strömungswiderständen in den einzelnen Kanälen einhergeht. Weitere Ausführungsbeispiele für Mikromembranpumpen sind z. B. in der
DE 197 19 862 A1 und
US 2004/0033146 A1 beschrieben.
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In allen diesen bekannten Mikropumpen sind jedoch bewegliche mechanische Elemente (hier: Membranen) vorgesehen, über deren Auslenkung der Pumpenhub realisiert wird. Derartige Pumpen wurden in zahlreichen Ausführungsvarianten realisiert.
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Neben den bereits oben benannten wird in der
US 2006/0292013 A1 eine Pumpe für Ferrofluide (d. h. Flüssigkeiten, in denen sich Nanopartikel befinden, die ferromagnetisch sind und auf die demzufolge Anziehungskräfte von magnetischen Polen ausgeübt werden können) beschrieben.
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Bisher bekannte elektrostatische Antriebe für Membranen sind eher ungeeignet, da hier die Kraftwirkung auf die Membranen zu gering ist. Gelegentlich werden auch Verfahren mittels Dampfblasen (thermische Aktoren) oder Ultraschall untersucht.
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Aufgrund der technischen Ähnlichkeit liegt es nahe, Aufbauten, welche zur Erzeugung einer Pumpwirkung dienen, ggf. nach leichter Modifikation auch als Ventil (d. h. zur Beeinflussung des Volumenstroms) sowie zur Beeinflussung anderer Parameter zu nutzen. Werden zum Beispiel Heizelemente integriert, so können diese beispielsweise zur Temperierung des strömenden Fluids genutzt werden. Dabei ist aus der
DE 101 17 772 A1 die Integration von Heizelementen auch zu dem Zweck bekannt, das Benetzungsverhalten des Fluids zu beeinflussen. In der
US 2004/0191127 A1 wird u. a. auch eine Einrichtung zur Abfuhr von Wärme aus technischen Systemen (d. h. zur Kühlung eines Bauteils) beschrieben („heat dissipation”).
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Alle bekannten Mikropumpen nutzen bewegte Festkörperelemente (i. d. R. Membranen), über deren Auslenkung durch verschiedene Aktoren das Volumen einer Pumpkammer periodisch vergrößert bzw. verkleinert wird. In Kombination mit Ventilen, die der erzeugten periodischen Strömung eine Vorzugsrichtung einprägen, entsteht so ein gerichteter Transport des Fluids. Mit der Nutzung bewegter Festkörperelemente ist eine Reihe von Nachteilen zwingend verbunden. Aufgrund der Notwendigkeit, träge Massen zu bewegen, kommt es zu einer Erhöhung der Trägheit und damit auch der Systemzeitkonstante. Außerdem ist der Einsatz bewegter Festkörperelemente immer mit Phänomenen wie Verschleiß oder Materialermüdung verbunden. Für die Pumpwirkung ist de facto nur die Bewegung des durch den Aktorhub definierten Fluidvolumens notwendig. Die Nutzung bewegter Festkörperelemente führt zu einem zusätzlichen parasitären Energieverbrauch, der den Wirkungsgrad einer Pumpe bzw. deren Energieeffizienz verschlechtert. Daneben erfordert die Notwendigkeit bewegter Festkörperelemente in einer Pumpe zusätzliche Schritte im Herstellungsprozess, welche den Stückpreis unnötig erhöhen und damit prinzipiell der Fertigung von häufig benötigten Einweglösungen entgegensteht. Gleichzeitig gehört die Montage von Aktor und Membran zu den kostenintensivsten Schritten bei der Herstellung von Pumpen nach dem o. g. Prinzip. Entfällt dieser Schritt, ist eine enorme Kostenersparnis zu erwarten. Zudem werden die Aktoren für Mikropumpen häufig nicht mit den Standardverfahren der Mikrosystemtechnik hergestellt, weshalb die Herstellung von Mikropumpen derzeit nicht innerhalb einer einzigen Prozesskette realisiert werden kann. Dies ist allerdings zwingende Voraussetzung für die Herstellung preiswerter Einweglösungen.
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Der Nutzung von bewegten Festkörperelementen sind bei fortschreitender Miniaturisierung bereits aus Sicht der Herstellungsprozesse fertigungstechnische Grenzen gesetzt. Damit gehen Grenzen einher, was die reproduzierbare Dosierbarkeit kleinster Fluidvolumina anbelangt. Zahlreiche Aktoren, die nach dem oben beschriebenen Prinzip arbeiten, tragen prinzipbedingt Wärme in das zu fördernde Fluid ein. Dies muss aber insbesondere im Zusammenhang mit biologischen Anwendungen häufig vermieden werden. Externe Pumpen bzw. Pumpen mit deutlich ausgebildeten Pumpenkammern führen darüber hinaus zu zusätzlichem Totvolumen im mikrofluidischen System. Deshalb wäre es von Vorteil, wenn der Fluidkanal selbst als Pumpe genutzt werden kann, ohne extern Totvolumen zu generieren. Insbesondere bei mobilen Geräten oder in Verbindung mit kostenintensiven Reagenzien besteht hier noch Optimierungsbedarf. Erste Ansätze wie „im Kanal” arbeitende Blasenpumpen oder Ultraschallaktorik haben den Nachteil eines signifikanten Energieeintrags in das zu fördernde Medium, der für biologische Medien oft nicht zulässig ist.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es deshalb, die Nachteile, welche in der Beschreibung des Standes der Technik herausgearbeitet wurden, zu überwinden und eine Mikropumpe ohne bewegliche mechanische Elemente sowie eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Erzeugung einer (quasi-)kontinuierlichen Strömung eines in einem Mikro- oder Nanokanalsystem befindlichen Fluids bereitzustellen, mit denen eine weitere Miniaturisierung mikrofluidischer Systeme für Anwendungen bspw. der Mikrobiologie und Mikroreaktionstechnik realisiert werden kann, in welchen die verwendeten Analysesysteme vorzugsweise kostengünstige Einwegprodukte aus der Massenfertigung sind. Ergänzend zur Pumpwirkung soll mit der vorliegenden Erfindung auch die Viskosität des Fluids lokal beeinflussbar sein.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe mit einer Mikropumpe nach den Merkmalen des ersten Patentanspruches gelöst, während die vorrichtungsseitige Lösung mit den Merkmalen des achten Patentanspruchs und die verfahrensseitige Lösung mit den Merkmalen des neunten und zehnten Patentanspruches angegeben sind. Bevorzugte weitere Ausgestaltungen der erfindungsgemäßen Mikropumpe sind in den Patentansprüchen zwei bis sieben gekennzeichnet, während deren bevorzugte Verwendung in den Patentansprüchen elf und zwölf angegeben sind.
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Weitere Einzelheiten und Vorteile der Erfindung sind dem nachfolgenden Beschreibungsteil zu entnehmen, in dem die Erfindung unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen, in denen dieselben Bezugszeichen gleiche oder ähnliche Teile in den gesamten Figuren bezeichnen, näher erläutert. Es zeigt:
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1 – Prinzipdarstellung einer Mikropumpe nach dem Stand der Technik
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2 – Prinzipdarstellung eines Ausführungsbeispiels einer Mikropumpe nach dem Stand der Technik mit Piezoaktor
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3 – Benetzung einer Oberfläche und Young-Gleichung
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4 – CASSIE-BAXTER- und WENZEL-Zustand einer Flüssigkeit auf einer periodisch und definiert strukturierten Oberfläche
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5 – CASSIE-BAXTER- und WENZEL-Zustand einer Flüssigkeit auf einer zufällig strukturierten Oberfläche wie z. B. Siliciumgras („black silicon”)
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6 – Prinzipdarstellung des Electrowetting (on dielectrics) – EW(OD)
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7 – Prinzipdarstellung einer erfindungsgemäßen virtuellen Membran auf einer nanostrukturierten Oberfläche
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8 – Prinzipdarstellung eines Ausführungsbeispiels für eine erfindungsgemäße Mikropumpe
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9 – Perspektivdarstellung eines Ausführungsbeispiels für eine erfindungsgemäße Mikropumpe
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Mit der erfindungsgemäßen Lösung wird nicht auf die geometrische Miniaturisierung bekannter Prinzipe und Aufbauten gesetzt, sondern ein völlig neuartiger Effekt ausgenutzt, der nur durch die Integration von Mikro- bzw. Nanostrukturen innerhalb von technischen Systemen bzw. Mikrosystemen überhaupt realisierbar ist.
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Mikro- und Nanostrukturen können elektrisch leitfähig und so gestaltet werden, dass sie lyophob (d. h. das Fluid abstoßend bzw. entnetzend) sind, d. h. dass beispielsweise wässrige Medien in einem mikrofluidischen Kanal „oberhalb” der Strukturierung entlang strömen. Durch Anlegen einer elektrischen Spannung zwischen Fluid und (isolierter) Unterlage kann jedoch eine erzwungene Benetzung auf lyophoben Oberflächen erreicht werden, bei der das Medium durch elektrostatische Kräfte auch in die Zwischenräume hineingezogen wird. Dieser als Electrowetting (On Dielectrics) bezeichnete Effekt soll erfindungsgemäß genutzt werden, um durch periodisches Anlegen einer elektrischen Spannung das Flüssigkeitsvolumen zwischen den Mikro- bzw. Nanostrukturen zu modulieren, ähnlich einer „virtuellen Membran”. Die durch die Oberflächenspannung definierte Flüssigkeitsoberfläche wirkt in diesem Falle als Membran. Durch geeignete passive Ventilstrukturen kann dann ein gerichteter Fluss und damit ein Pumpeffekt erzeugt werden. Unter einem Ventil wird dabei nach DIN ISO 5598 ein „Bauteil” verstanden, „das die Richtung, den Druck oder den Volumenstrom eines Fluids steuert oder regelt.” Dabei kann das Ventil auch aus verkleinerten, wiederkehrenden Ventilstrukturen in kaskadierter Anordnung bestehen.
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Zum besseren Verständnis der erfindungsgemäßen Lösung werden an dieser Stelle die physikalischen Grundlagen erläutert.
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Das Benetzungsverhalten einer Flüssigkeit auf einer Festkörperoberfläche ist grundlegend chemischen Ursprungs und stellt sich über das materialspezifische Verhältnis der Grenzflächenspannungen der drei beteiligten, nicht mischbaren Phasen (fest, flüssig, gas- bzw. dampfförmig) ein. Makroskopisch äußert sich das Benetzungsverhalten im Kontaktwinkel θY, der ein Maß für die Benetzbarkeit von Oberflächen ist. Er ist derjenige Winkel, den die Ebene der Festkörperoberfläche und die Tangente an das Flüssigkeitsvolumen in einem beliebigen Punkt der Dreiphasenkontaktlinie (engl. triple phase contact line, TPCL) einschließen (s. 3). Als benetzend oder lyophil werden Oberflächen bezeichnet, deren Kontaktwinkel θY in Verbindung mit einer bestimmten Flüssigkeit kleiner als 90° ist. In diesem Fall sind die Adhäsisonskräfte zwischen Festkörper und Flüssigkeit größer als die Kohäsionskräfte der Flüssigkeit. Als entnetzend oder lyophob werden Oberflächen bezeichnet, deren Kontaktwinkel θY in Verbindung mit einer bestimmten Flüssigkeit größer als 90° ist. Bei vollständiger Benetzung beträgt der Kontaktwinkel theoretisch 0°, bei vollständiger Entnetzung 180°. Im letzteren Falle schrumpft die Dreiphasenkontaktlinie zu einem Punkt zusammen.
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Generell kann man sich die Oberflächenspannung eines abgegrenzten Volumens dabei als infinitesimal dicke „Membran” an der Grenzfläche des Volumens vorstellen, die das Volumen umspannt.
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Die sogenannte YOUNG-Gleichung beschreibt den direkten Zusammenhang zwischen dem Kontaktwinkel θY und den Grenzflächenspannungen, die sich zwischen den drei beteiligten Phasen ausbilden:
- • Flüssig-gasförmig σlv (engl. liquid-vapour)
- • Fest-flüssig σsl (engl. solid-liquid)
- • Fest-gasförmig σsv (engl. solid-vapour)
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Die YOUNG-Gleichung basiert auf der Erkenntnis, dass die Summe aller Grenzflächenspannungen in der Dreiphasenkontaktlinie null sein muss, wenn sich das System im thermodynamischen Gleichgewicht befindet. Dazu muss σlv in die Ebene der Festkörperoberfläche projiziert werden. Die YOUNG-Gleichung lautet: σlv·cosθY = σsv – σsl
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Sind alle Grenzflächenspannungen bekannt, kann über diese Gleichung der sich einstellende Kontaktwinkel ermittelt werden.
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Zusätzlich zu den bisherigen Betrachtungen weichen reale Oberflächen in ihrer Topografie vom theoretisch angenommenen, ideal ebenen und glatten Profil ab. Neben der Oberflächenrauheit auf atomarer Ebene spielen dabei auch Verunreinigungen oder sonstige Strukturierungen der Oberfläche eine Rolle. Wie in 4 und 5 dargestellt, lassen sich auf Oberflächen mit Mikro- oder Nanostrukturen (2) nach Callies, Mathilde; Quéré, David: On water repellency, Review in: Journal of Soft Matter, 2005, No. 1, pp. 55–6 zwei grundlegende Zustände der Flüssigkeitsgrenzfläche ausmachen:
- • Szenario a – sogenannter WENZEL-Zustand (Wenzel, Robert N.: Resistance of Solid Surfaces to Wetting by Water, In: Journal of Industrial and Engineering Chemistry, 1936, Vol. 28, No. 8, pp. 988–994): Die Flüssigkeit füllt die Unebenheiten vollständig aus bzw. „folgt” der Oberflächentopografie,
- • Szenario b – sogenannter CASSIE-BAXTER-Zustand (Cassie, A. B. D.; Baxter, S.: Wettability of Porous Surfaces, In: Trans. Faraday Soc., 1944, Vol. 40, pp. 546–551): Die Flüssigkeit benetzt nur einen Teil der erhabenen Strukturen, während darunter Hohlräume verbleiben, die mit dem umgebenden Gas bzw. Dampf gefüllt sind.
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Im WENZEL-Zustand verursachen die Mikro- oder Nanostrukturen (
2) auf der Festkörperoberfläche (
4) eine Vergrößerung der Oberfläche der Flüssigkeit und verstärken so die Benetzungseigenschaften in die jeweilige Richtung. Im CASSIE-BAXTER-Zustand liegt die Flüssigkeit auf den erhabenen Festkörperstrukturen auf. In denjenigen Bereichen, in denen sich Gas bzw. Dampf in den Vertiefungen befindet, stellt sich ein (gedachter) Kontaktwinkel von 180° ein. In diesem Zusammenhang wird oftmals von superlyophoben Oberflächen gesprochen. Der effektive (makroskopisch beobachtbare) Kontaktwinkel ist dabei abhängig vom Verhältnis der Kontaktflächen jeweils zum Festkörper bzw. zum Gas/Dampf. In der
CN 101256132 A wird z. B. eine Entwurfsmethode beschrieben, die es basierend auf den Theorien nach WENZEL und CASSIE-BAXTER erlaubt, den scheinbaren Kontaktwinkel eines Flüssigkeitstropfens auf einer mikrostrukturierten Oberfläche vorauszuberechnen.
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In beiden Szenarien werden die Phänomene überlagert von der sogenannten Kontaktwinkelhysterese, die die Differenz zwischen Fortschreite- und Rückzugskontaktwinkel (der Fortschreitekontaktwinkel stellt sich während einer dynamischen Volumenzunahme an der Dreiphasenkontaktlinie ein, der Rückzugskontaktwinkel stellt sich während einer dynamischen Volumenabnahme ein) beschreibt und gleichzeitig ein Indikator dafür ist, welchen der beiden genannten Zustände eine Flüssigkeit auf einer Festkörperoberfläche gerade einnimmt. Sie ist die Ursache für das Anhaften selbst entnetzender Tropfen auf Festkörperoberflächen. Im WENZEL-Zustand ist die Kontaktwinkelhysterese besonders groß. Im CASSIE-BAXTER-Zustand nimmt die Kontaktwinkelhysterese besonders geringe Werte an, da die Flüssigkeit nur eine vergleichsweise kleine Kontaktfläche zum Festkörper hat.
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In der Fachliteratur wird beschrieben, dass sich eine Flüssigkeit u. a. durch Temperaturfelder, Licht oder elektrische Felder vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand überführen lässt (s. z. B.
Callies, Mathilde; Quéré, David: On water repellency, Review in: Journal of Soft Matter, 2005, No. 1, pp. 55–61). Ein Beispiel für die Wirkung von elektrischen Feldern auf das Benetzungsverhalten von Flüssigkeiten auf Festkörperoberflächen ist der Electrowetting-Effekt, der in der Fachliteratur als vielversprechende Methode angeführt wird, um das Verhalten von Flüssigkeiten auf (strukturierten) Festkörperoberflächen dynamisch einstellen zu können (
Krupenkin, Tom N.; Taylor, J. Ashley; Schneider, Tobias M.; Yang, Shu: From Rolling Ball to Complete Wetting: The Dynamic Tuning of Liquids on Nanostructured Surfaces, In: Langmuir, 2004: Vol. 20, pp. 3824–3827). Der Begriff Electrowetting wurde in den 1980er Jahren eingeführt und bezeichnet, wie in
6 dargestellt, einen kondensatorähnlichen Aufbau, bei welchem die Grundelektrode die Festkörperoberfläche (
4) bildet, auf welcher sich eine Flüssigkeit (
5) (i. d. R. in Form eines Tropfens) befindet. Die Grundelektrode kann dabei mit einem Dielektrikum (Electrowetting On Dielectrics – EWOD) beschichtet sein oder nicht (Electrowetting). Die Flüssigkeit wird von einer zweiten Elektrode (z. B. in Form eines Drahtes) elektrisch kontaktiert. Legt man nun zwischen den beiden Elektroden (
8) eine elektrische Spannung an, so verändert sich der Kontaktwinkel der Flüssigkeit auf der Festkörperoberfläche in Richtung geringerer Kontaktwinkel. Dieser Effekt wird heute als Teilgebiet der Mikrofluidik betrachtet. Die These, dass die Grenzflächenspannung zwischen zwei Stoffen (z. B. flüssig-gasförmig oder flüssig-flüssig) durch das Anlegen einer elektrischen Spannung (sowohl Gleich- als auch Wechselspannung) herabgesetzt werden kann, spiegelt sich in der den Effekt beschreibenden YOUNG-LIPPMANN-Gleichung wieder:
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Hierbei ist ΘEW der Kontaktwinkel während der Electrowetting-Aktuierung, ΘY der YOUNGsche Kontaktwinkel, ε0 die elektrische Feldkonstante (Permittivität von Vakuum), εr die relative Permittivität bzw. Dielektrizitätskonstante des Dielektrikums, d die Dicke des Dielektrikums, σlv die Grenzflächenspannung flüssig-gasförmig und U die elektrische Spannung.
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In einem zweiten Electrowetting-Szenario befindet sich der Flüssigkeitstropfen zwischen zwei parallelen Platten, von denen die eine ein Feld aus einzeln adressierbaren, gegenüber dem Tropfen isolierten, Elektroden enthält, während die andere als gemeinsame Gegenelektrode dient. Durch eine geeignete Beaufschlagung einzelner Elektroden mit einer elektrischen Spannung kann der Tropfen gezielt auf dem Elektrodenfeld bewegt werden (vgl. entsprechende Abbildungen in der
US 2006/0040375 A1 sowie in der
US 2004/0191127 A1 ). Die in diesem Zusammenhang in der
US 2006/0040375 A1 beschriebene Beschichtung der tropfenzugewandten Elektrodenseite mit einem Fluorpolymer eignet sich u. U. allein nicht als fluiddichtes Dielektrikum auf einer Elektrode: bei Kontakt mit Wasser würde sich in diesem Fall Elektrolyse einstellen.
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Um den Übergang vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand herbeizuführen, werden als mögliche Prinzipe in der Fachliteratur u. a. Temperaturfelder, Licht und elektrische Felder angeführt. Insbesondere der Electrowetting-Effekt wird als vielversprechende Methode angeführt, um das Verhalten von Flüssigkeiten auf (superlyophoben, d. h. natürlicherweise unbenetzbaren) Oberflächen dynamisch einstellen zu können. Aus der
WO 2008/124046 A1 ist z. B. eine Methode bekannt, wie sich das Verhalten einer Fluidströmung über den Kontaktwinkel des Fluides auf der Festkörperoberfläche steuern lässt, worüber eine Ventilfunktion realisiert wird. Der Übergang vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand ist in einschlägigen Publikationen gut dokumentiert (z. B. in
Vrancken, Robert J.; Kusumaatmaja, Halim; Hermans, Ko; Prenen, An M.; Pierre-Louis, Olivier; Bastiaansen, Cees W. M.; Broer, Dirk J.: Fully reversible transition from Wenzel to Cassie-Baxter states on corrugated superhydrophobic surfaces, In: Langmuir, 2010, Vol. 26, No. 5, pp. 3335–3341), während über die Reversibilität des Übergangs wenige und widersprüchliche Aussagen existieren.
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Die Mikro- bzw. Nanostrukturierung kann sowohl durch additive (z. B. das Wachstum von Nanodrähten) als auch durch subtraktive (z. B. dem Ätzen von Siliciumgras) Techniken erfolgen. Gemäß dem Stand der Technik sind hierzu zahlreiche Methoden bekannt (z. B.
US 6,551,849 B1 , in der eine Methode zur Herstellung eines Feldes aus Mikronadeln beschrieben wird).
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Folgende Herangehensweise für die Realisierung des Electrowetting-Effekts auf nanostrukturierten, superhydrophoben Oberflächen wird beispielsweise in
Krupenkin, Tom N.; Taylor, J. Ashley; Schneider, Tobias M.; Yang, Shu: From Rolling Ball to Complete Wetting: The Dynamic Tuning of Liquids on Nanostructured Surfaces, In: Langmuir, 2004: Vol. 20, pp. 3824–3827 beschrieben: Durch das Ätzen nanoskaliger Säulen auf einem Substrat wird eine hydrophobe Oberfläche erzeugt; der Säulendurchmesser beträgt 350 nm, ihre Höhe 7 μm. Der Rasterabstand der Säulen wird zwischen 1 und 4 μm variiert. Zur Erzeugung des typischen Electrowetting-Schichtaufbaus werden die Strukturen thermisch oxidiert und auf diese Weise mit einer elektrisch isolierenden Schicht versehen. Die entnetzenden Eigenschaften der Strukturen werden durch eine abgeschiedene Polymerschicht verstärkt. Die Flüssigkeit wird nun (z. B. über einen Platindraht) kontaktiert, das Substrat bildet die Gegenelektrode. Das Anlegen einer elektrischen Spannung U führt nun gemäß der den Electrowetting-Effekt beschreibenden, fundamentalen YOUNG-LIPPMANN-Gleichung zu einer Kontaktwinkeländerung, die proportional zum Quadrat der elektrischen Spannung ist. Der durch Electrowetting induzierte Übergang vom CASSIE-BAXTER-Zustand in den WENZEL-Zustand wurde in
Krupenkin, Tom N.; Taylor, J. Ashley; Schneider, Tobias M.; Yang, Shu: From Rolling Ball to Complete Wetting: The Dynamic Tuning of Liquids on Nanostructured Surfaces, In: Langmuir, 2004: Vol. 20, pp. 3824–3827 nachgewiesen und als „abrupter” Wechsel beschrieben. Der Übergang aus dem WENZEL- in den CASSIE-BAXTER-Zustand bleibt in der Literatur jedoch weitgehend unbehandelt. In der
US 2010/0112286 A1 wird z. B. eine strukturierte Oberfläche beschrieben, bei der ein Flüssigkeitstropfen auf allseitig geschlossenen Zellen abgesetzt wird, wodurch die Oberfläche superhydrophobes Verhalten zeigt. Der Übergang vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand soll gezielt vermieden werden. Der Übergang vom WENZEL- zurück in den CASSIE-BAXTER-Zustand wird nicht erwähnt. Dieser wird lediglich in
Vrancken, Robert J.; Kusumaatmaja, Halim; Hermans, Ko; Prenen, An M.; Pierre-Louis, Olivier; Bastiaansen, Cees W. M.; Broer, Dirk J.: Fully reversible transition from Wenzel to Cassie-Baxter states on corrugated su-perhydrophobic surfaces, In: Langmuir, 2010, Vol. 26, No. 5, pp. 3335–3341 ausführlicher beschrieben.
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Um generell von einer schaltbaren Benetzung sprechen zu können, muss die Systemantwortzeit sehr gering sein – die Änderung des Benetzungsverhaltens muss sich umgehend einstellen. Der reversible Wechsel des Tropfenzustandes (d. h. insbesondere die Rückkehr in den CASSIE-BAXTER-Zustand) wird in
Callies, Mathilde; Quéré, David: On water repellency, Review in: Journal of Soft Matter, 2005, No. 1, pp. 55–61 als Herausforderung eingestuft. Der Echtzeit-Abstimmung der Benetzungseigenschaften von Oberflächen wird ein wachsendes wissenschaftliches Interesse bescheinigt (siehe hierzu:
Heikenfeld, Jason; Dhindsa, Manjeet: Electrowetting on Superhydrophobic Surfaces: Present Status and Prospects, Review in: Journal of Adhesion Science and Technology, 2008, No. 22, pp. 319–334 oder
EP 1 683 570 A1 (Es wird eine Methode zur Steuerung von Volumenströmen beschrieben, bei der die chemischen Eigenschaften des Fluids ausgenutzt werden. Dazu wird ein Teil eines Fluidkanals mit einer Substanz versehen, deren Eigenschaften sich bei Bestrahlung mit Licht so verändern, dass sich auch der Kontaktwinkel von Wasser auf dieser Substanz verändert. Über den entstehenden Kontaktwinkelgradienten wird der Flüssigkeit eine Bewegung eingeprägt) oder
US 2008/135411 A1 (beschrieben wird die Bewegung von Fluiden über eine Oberfläche aufgrund elektrostatischer Kräfte, die durch in die Oberfläche eingebrachte Elektroden erzeugt werden). Die Autoren beschreiben jeweils eine Electrowetting-induzierte Kontaktwinkeländerung auf superhydrophoben Oberflächen von > 150° auf ca. 100°. Sie beschreiben analog zu
Krupenkin, Tom N.; Taylor, J. Ashley; Schneider, Tobias M.; Yang, Shu: From Rolling Ball to Complete Wetting: The Dynamic Tuning of Liquids on Nanostructured Surfaces, In: Langmuir, 2004: Vol. 20, pp. 3824–3827 den Übergang aus dem CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand, sofern die Spannung nach der Kontaktwinkeländerung weiter erhöht wird. Dieser Übergang wird als irreversibel bezeichnet, weil der Wenzel-Zustand ein neues energetisches Minimum für den Tropfen darstelle. Die Relativierung dieser Aussage an späterer Stelle in
Krupenkin, Tom N.; Taylor, J. Ashley; Schneider, Tobias M.; Yang, Shu: From Rolling Ball to Complete Wetting: The Dynamic Tuning of Liquids on Nanostructured Surfaces, In: Langmuir, 2004: Vol. 20, pp. 3824–3827 weist jedoch auch auf den Forschungsbedarf auf diesem Gebiet hin: Die Autoren schränken ein, dass die Irreversibilitäten vermeidbar seien, sofern die sich in die Oberflächenstruktur hineinziehende Flüssigkeit nicht deren Grund erreiche. Als Voraussetzung für die Reversibilität werden außerdem das Abschalten der elektrischen Spannung und eine geringe Kontaktwinkelhysterese benannt.
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Die Nutzbarkeit von Mikro- bzw. Nanostrukturen zum Zwecke der Manipulation von Fluiden ist aus Wissenschaft und Technik hinreichend bekannt. So wird z. B. in der
US 2004/0191127 A1 beschrieben, wie ein Tropfen (d. h. ein wohldefiniertes, abgeschlossenes und begrenztes Flüssigkeitsvolumen) auf einer mikro- oder nanostrukturierten Oberfläche entlang eines Dichtegradienten bezüglich der flächenbezogenen Dichte dieser Mikro- oder Nanostrukturen bewegt werden kann (vgl. auch die Strukturen in
US 2006/0040375 A1 ). Die Bewegung resultiert hierbei aus dem Bestreben des Tropfens, einen Gleichgewichtszustand einzunehmen. Das erfindungsgemäße technische System umfasst im Gegensatz dazu nicht die Bewegung einzelner Tropfen. Gegenstand der Erfindung ist vielmehr die Erzeugung eines (quasi-)kontinuierlichen Volumenstroms (d. h. die Bewegung bzw. der Antrieb eines im Extremfalle beliebig großen Fluidvolumens) entsprechend dem technischen Zwecke einer Pumpe. In der
US 2004/0191127 A1 wird die Bewegungsrichtung des Fluids von der Strukturierung vorgegeben, während die Vorzugsbewegungsrichtung bei der vorliegenden Erfindung vom Verlauf des Kanals bzw. von den im Kanal enthaltenen Ventilstrukturen eingeprägt wird. In der Vorrichtung nach
US 2004/0191127 A1 ist die Bewegung des Tropfens auf diejenige Fläche begrenzt, die mit Mikro- bzw. Nanostrukturen versehen wurde. Demzufolge ist diese Vorrichtung keinesfalls zur Erzeugung eines (quasi-)kontinuierlichen Volumenstromes (bzw. einer beliebig einzustellenden Pumprate) geeignet, da der Tropfen den Rand der strukturierten Fläche nicht aus eigenem Antrieb überschreiten kann. Zusätzlich wird in der
US 2004/0191127 A1 ein zweites Anwendungsszenario beschrieben, in welchem der Tropfen durch die Strukturierung der Oberfläche an einer bestimmten Stelle gezielt unbeweglich wird.
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Um die im Stand der Technik bzw. in den physikalischen Grundlagen beschriebenen Effekte für eine fluidische Systemkomponente nutzbar machen zu können, wird erfindungsgemäß davon ausgegangen, dass eine Flüssigkeit reversibel vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand überführt werden kann. Der Übergang zwischen beiden Zuständen wird beispielsweise durch Electrowetting realisiert. Er kann vollständig oder teilweise vollzogen sein.
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Dass die beim Electrowetting entstehende Kontaktwinkeländerung (im Rahmen der Kontaktwinkelhysterese) reversibel ist, ist aus der Literatur hinlänglich bekannt (vgl.
Vrancken, Robert J.; Kusumaatmaja, Halim; Hermans, Ko; Prenen, An M.; Pierre-Louis, Olivier; Bastiaansen, Cees W. M.; Broer, Dirk J.: Fully reversible transition from Wenzel to Cassie-Baxter states on corrugated superhydrophobic surfaces, In: Langmuir, 2010, Vol. 26, No. 5, pp. 3335–3341) und wurde eingangs im Stand der Technik beschrieben. Darüber hinaus wurde in der
US 2004/0191127 A1 Electrowetting als Methode beschrieben, die Eindringtiefe einer leitfähigen Flüssigkeit in Mikro- oder Nanostrukturen gezielt zu verändern (s. auch
Krupenkin, Tom N.; Taylor, J. Ashley; Schneider, Tobias M.; Yang, Shu: From Rolling Ball to Complete Wetting: The Dynamic Tuning of Liquids on Nanostructured Surfaces, In: Langmuir, 2004: Vol. 20, pp. 3824–3827,
US 2010/0112286 A1 oder
Vrancken, Robert J.; Kusumaatmaja, Halim; Hermans, Ko; Prenen, An M.; Pierre-Louis, Olivier; Bastiaansen, Cees W. M.; Broer, Dirk J.: Fully reversible transition from Wenzel to Cassie-Baxter states on corrugated superhydrophobic surfaces, In: Langmuir, 2010, Vol. 26, No. 5, pp. 3335–3341). Zweck dieser Veränderung gemäß der
US 2004/0191127 A1 ist jedoch die Vergrößerung des Strömungswiderstands des strukturierten Kanalabschnitts, den ein Tropfen bei einer Bewegung über die Mikro- bzw. Nanostrukturen hinweg erfährt. Demzufolge handelt es sich hier um ein parasitäres Element. Erfindungsgemäß wird die beschriebene Veränderung der Eindringtiefe nicht zur Beeinflussung einer Strömung benutzt, die sich bereits (aufgrund anderer Ursachen) im Fluss befindet. Vielmehr wird sie als Aktuierungsbewegung – d. h. als Quellenelement – genutzt, welches nicht eine bereits vorhandene Strömung beeinflusst, sondern zur Erzeugung der Strömung dient. Das setzt voraus, dass die Aktuierungsbewegung (im Gegensatz zu
US 2004/0191127 A1 ) reversibel und wiederholbar stattfindet. Dies kann durch geeignete Auslegung der Strukturierung erreicht werden (vgl.
Vrancken, Robert J.; Kusumaatmaja, Halim; Hermans, Ko; Prenen, An M.; Pierre-Louis, Olivier; Bastiaansen, Cees W. M.; Broer, Dirk J.: Fully reversible transition from Wenzel to Cassie-Baxter states on corrugated superhydrophobic surfaces, In: Langmuir, 2010, Vol. 26, No. 5, pp. 3335–3341). Erfindungsgemäß ist der vollständige Übergang vom CASSIE-BAXTER- in den WENZEL-Zustand und umgekehrt zwar als Aktuierungsbewegung geeignet, jedoch nicht notwendig: es genügt, wenn das Fluid zyklisch, aber nur teilweise in die Mikro- bzw. Nanostrukturen hineingezogen wird. Auf diese Weise wird das Volumen einer virtuellen Pumpkammer periodisch vergrößert bzw. verkleinert, sodass in Verbindung mit Ventilstrukturen eine Pumpwirkung erzielt wird.
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Der Aufbau, mit welchem Electrowetting auf strukturierten Oberflächen durchgeführt wurde, wird ausgehend von dem System für die Manipulation eines Tropfens dergestalt modifiziert, dass er für die lokale Manipulation eines Flüssigkeitsabschnittes innerhalb eines mikrofluidischen Kanals geeignet ist (s.
7 und
8). Dabei ist die Ausstattung einer Kanalinnenwand mit Mikro- bzw. Nanostrukturen z. B. aus der
US 2004/0191127 A1 bekannt. Die Mikro- bzw. Nanostrukturen (
2) auf der Festkörperoberfläche (
4) können dabei durch Lithografieverfahren, insbesondere UV-Lithografie, Nano-Imprint-Lithografie (NIL) oder Elektronenstrahllithografie, selbstmaskierende Ätzprozesse (z. B. Siliciumgras bzw. black silicon) oder durch selbstorganisierende Wachstumsprozesse (z. B. carbon nanotubes) erzeugt werden.
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Durch den schnellen und wiederholten Wechsel zwischen CASSIE-BAXTER- und WENZEL-Zustand – je nachdem, ob eine elektrische Spannung U1 anliegt oder nicht – wird der effektive Kanalquerschnitt im betreffenden mikro- oder nanostrukturierten Kanalabschnitt – der Pumpkammer (1) – zyklisch vergrößert bzw. verkleinert. Die durch die Oberflächenspannung gebildete Grenzfläche des Fluids (5) bildet dabei eine virtuelle Membran (7). Damit geht summiert über die Grundfläche der Elektroden der Elektrodenanordnung (8) eine Volumenänderung durch Vergrößerung der virtuellen Membran einher, ohne dass sich dabei die physische Geometrie der Kanalinnenwände verändert. Kombiniert man dieses veränderliche, schaltbare Volumen, welches dem Pumpenhub entspricht, mit mindestens einer passiven Ventilstruktur (3), welches eine Vorzugsrichtung für die periodische Strömung in das System einprägt (z. B. passive Mikroventile wie Düsen-Diffusor- oder Klappenmikroventile), so kann eine Pumpwirkung erzielt werden.
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9 zeigt eine erfindungsgemäße Mikropumpe mit einer virtuellen Membran (7) auf einer Festkörperoberfläche (4) mit Mikro- und Nanostrukturen (2) als Aktor auf der Basis von Electrowetting ohne bewegte Elemente als Verfahren zum Transport von Fluiden. Der oben beschriebene Ansatz des Electrowettings auf superlyophoben Oberflächen wird mit zwei passiven Düsen-Diffusor-Mikroventilen (3) kombiniert, die dem periodisch aktuierten Fluid eine Vorzugsrichtung einprägen, wodurch eine Pumpwirkung erzielt wird.
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Voraussetzung für die Erzeugung einer Pumpwirkung ist erfindungsgemäß die elektrische Kontaktierung des Fluids (
5) selbst, während die Mikro- bzw. Nanostrukturen (im Gegensatz zu dem in der
US 2004/0191127 A1 beschriebenen Aufbau) in ihrer Gesamtheit als isolierte Gegenelektrode dienen. Auf diese Weise liegt erfindungsgemäß ein elektrostatischer Aktor vor, in welchem das Fluid gleichzeitig (verformbare und bewegliche) Elektrode und Dielektrikum ist (engl. leaky dielectric). Im Gegensatz zur erfindungsgemäßen Mikropumpe wird in der
US 2004/0191127 A1 die Kontaktwinkelhysterese als Ursache der Bewegung bei der Verwendung von Ultraschall zur Bewegung des Tropfens benannt. Außerdem werden akustische Oberflächenwellen als weitere Methode zur Bewegung des Tropfens angeführt.
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Es liegt weiterhin im Bereich der Erfindung, das anstelle einer Pumpkammer (1) in Kombination mit Ventilstrukturen (3) auch mehrere Pumpkammern (1) seriell vom Fluid (5) durchströmt werden, wobei die Vorzugsrichtung durch peristaltische (d. h. phasenverschobene) Aktuierung in das Fluid eingeprägt wird.
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Ein weiterer Aspekt der Erfindung besteht darin, dass ergänzend zur Pumpwirkung nicht nur das Benetzungsverhalten des Fluids, sondern auch dessen Viskosität lokal im Bereich der mikro- oder nanostrukturierten Kanalinnenwand beeinflusst werden kann. Dazu können die erfindungsgemäßen Mikro- bzw. Nanostrukturen zusätzlich bzw. alternativ als Heizelemente fungieren und Wärme in das vorbeiströmende Fluid eintragen. Resultierend aus der gezielten Temperierung des Fluids kann die Flussrate des Fluids im Kanal variiert werden. Dabei kann durch die große effektive Oberfläche der Mikro- und Nanostrukturen eine besonders hohe Energieeffizienz im Vergleich zu planaren bzw. glatten Strukturen erreicht werden, während die thermische Zeitkonstante stark verringert wird.
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Neben der gezielten Temperierung des Fluids kann in Verbindung mit speziellen Flüssigkeiten (z. B. Pluronic
® Solution) die Viskosität der Flüssigkeit so beeinflusst werden, dass sich durch die Viskositätserhöhung bei Wärmeeintrag ein Pfropfen im Kanal bildet, der den Volumenstrom bremst bzw. blockiert. Auf diese Weise kann – ebenfalls ohne bewegte mechanische Teile – eine Ventilwirkung generiert werden. Der Vorteil dieses Verfahrens gegenüber Anordnungen wie beispielsweise Düsen-Diffusor-Mikroventilen liegt in der Möglichkeit, den Volumenstrom nicht nur durch Verwirbelungen zu verlangsamen (vgl.
US 2004/0191127 A1 ) bzw. dem Fluid eine Vorzugsrichtung einzuprägen, sondern den Volumenstrom vollständig zum Erliegen bringen zu können.
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Die vorliegende Erfindung zeichnet sich gegenüber dem bekannten Stand der Technik durch eine Reihe von Vorteilen aus. Die erfindungsgemäße Mikropumpe kommt vollkommen ohne bewegte (bewegliche) Teile, wie z. B. Membranen, sowie ohne jedes Totvolumen aus, da sie ausschließlich den Kanal selbst als Pumpkammer benutzt. Das zu fördernde Fluid selbst wird als Arbeits- bzw. Aktormedium benutzt. Mit dem Verzicht auf zusätzliche bewegte Massen geht eine besondere Energieeffizienz des Systems einher. Zusätzlich ist eine Steigerung der Dynamik des Systems zu erwarten. Außerdem werden Versagensursachen wie Verschleiß und Materialermüdung von vorneherein ausgeschlossen. Da die beschriebene Pumpe auf deutlich kleineren Strukturen basiert, als es derzeitige Pumpen technologisch erlauben, können noch geringere Fluidvolumina reproduzierbar dosiert werden. Das beschriebene Aktuierungsprinzip trägt keinerlei Wärme in das zu fördernde Medium ein, was ein wichtiges Kriterium für den Einsatz bspw. in der Mikrobiologie und Mikroreaktionstechnik darstellt. Der Herstellungsprozess des beschriebenen Systems vereinfacht sich gegenüber konventionellen Lösungen enorm, womit eine Reduzierung der Herstellungskosten einhergeht. Die Herstellung der erfindungsgemäßen Mikropumpe ist unter Rückgriff auf eine einzige Kette aus Standardprozessen der Mikromechanik bzw. -elektronik möglich, was die Herstellung preisgünstiger Einweglösungen überhaupt erst ermöglicht. Das in Plasmaätzverfahren (Standard-Verfahren der Elektronik- bzw. Mikrosystemtechnik) hergestellte Siliciumgras ist einfach herstellbar. Aber auch andere Nanostrukturen (z. B. sogenannte Nanodrähte oder lithografisch hergestellte Strukturen) sind als Alternative ebenfalls denkbar.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Pumpkammer („mikro- oder nanostrukturierter Kanalabschnitt”)
- 2
- Mikro- und/oder Nanostrukturen
- 3
- (Mikro-)Ventilstrukturen
- 4
- Festkörperoberfläche, optional mit dielektrischer Beschichtung
- 5
- Fluid (Flüssigkeit oder Gas)
- 6
- Membran
- 7
- Virtuelle Membran
- 8
- Elektrodenanordnung für Electrowetting bzw. zur elektrostatischen Aktuierung
- 9
- Aktor
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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