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Stand der Technik
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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Fahrassistenzverfahren für ein Fahrzeug, eine Steuereinheit für ein Fahrassistenzsystem eines Fahrzeugs und ein Fahrassistenzsystem sowie ein Fahrzeug als solche.
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Fahrassistenzverfahren und -systeme für Fahrzeuge erfreuen sich steigender Beliebtheit. Ein wesentlicher Aspekt derartiger Verfahren und Systeme ist die Fähigkeit der Selbstlokalisation des Fahrzeugs, zum Beispiel im Hinblick auf eine Positionierung und Orientierung des Fahrzeugs in Bezug auf eine Fahrbahn, Umgebungsobjekte, den umgebenden Verkehr und insbesondere in Bezug auf eine Parklücke oder dergleichen.
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Bei herkömmlichen Systemen und Verfahren wird auf Grund der Echtzeitanforderungen derartiger Fahrassistenzverfahren und -systeme auf Signale so genannter Radimpulszähler oder WICs (englische Abkürzung „wheel impulse counter“) zurückgegriffen. Diese liefern jedoch im Niedriggeschwindigkeitsbereich, zum Beispiel beim Einparken mit weniger als 5 km/h, Werte mit häufig nicht ausreichender Messgenauigkeit.
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Offenbarung der Erfindung
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Das erfindungsgemäße Fahrassistenzverfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 weist demgegenüber den Vorteil auf, dass auch im Niedriggeschwindigkeitsbereich Messwerte mit ausreichender Messgenauigkeit für eine Selbstlokalisation eines zu Grunde liegenden Fahrzeugs bereitgestellt werden. Dies wird erfindungsgemäß mit den Merkmalen des Anspruchs 1 dadurch erreicht, dass ein Fahrassistenzverfahren für ein Fahrzeug geschaffen wird, bei welchem (i) eine momentane Geschwindigkeit des Fahrzeugs und eine momentane Gierrate des Fahrzeugs ermittelt werden und bei welchem (ii) auf der Grundlage der ermittelten momentanen Geschwindigkeit und der ermittelten momentanen Gierrate des Fahrzeugs ein Vorgang der Selbstlokalisierung des Fahrzeugs durchgeführt wird, wobei dazu eine momentane Radumfangsgeschwindigkeit eines oder mehrerer Räder des Fahrzeugs direkt erfasst, ausgewertet und dem Ermitteln der momentanen Geschwindigkeit und der momentanen Gierrate des Fahrzeugs zu Grunde gelegt wird. Die Messung der Radumfangsgeschwindigkeit eines oder mehrerer Räder kann mit einer höheren Messgenauigkeit erfolgen als die üblicherweise verwendeten Messwerte von Radimpulszählern. Dadurch stellt sich erfindungsgemäß auch eine höhere Genauigkeit bei der Selbstlokalisation des zu Grunde liegenden Fahrzeugs insgesamt ein.
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Die Unteransprüche zeigen bevorzugte Weiterbildungen der Erfindung.
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Bei einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Fahrassistenzverfahrens wird eine jeweilige momentane Radumfangsgeschwindigkeit durch einen Radumfangsgeschwindigkeitssensor erfasst und bereitgestellt.
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Es ist von besonderem Vorteil, wenn bei einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Fahrassistenzverfahrens ein zeitlicher Verzug einer erfassten momentanen Radumfangsgeschwindigkeit durch zeitliche Extrapolation von Messwerten zu einem früheren Messzeitpunkt hin zu einem aktuellen Bewertungszeitpunkt kompensiert wird. Durch diese Maßnahme kann die bei vielen Radumfangsgeschwindigkeitsensoren auf Grund zeitlichen Verzugs nicht immer ausreichende Aktualität oder Präsenz der Messdaten kompensiert werden, so dass sich bevorzugt Vorteile einer Echtzeitanwendung einstellen.
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Eine besonders einfache Ausgestaltung der Kompensation lässt sich erreichen, wenn diese (i) durch zeitliche Integration vom früheren Messzeitpunkt zum aktuellen Bewertungszeitpunkt, (ii) auf der Grundlage eines oder mehrerer Messwerte zu einer momentanen Beschleunigung des Fahrzeugs und/oder auf der Grundlage eines Einspurmodells des Fahrzeugs erfolgt.
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Bei einem anderen vorteilhaften Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Fahrassistenzverfahrens ergibt sich eine im Hinblick auf eine Implementation besonders vorteilhafte und schnelle Ausführbarkeit der einzelnen Verarbeitungsschritte, wenn beim Ermitteln der momentanen Geschwindigkeit und der momentanen Gierrate des Fahrzeugs ein Vorgang der Mooreschen Pseudoinversion bereitgestellt und auf die ermittelten Radumfangsgeschwindigkeiten angewandt wird. Durch diese vorgesehenen Maßnahmen wird in eleganter und gleichzeitig zuverlässiger Weise ein Zusammenhang zwischen verschiedenen Größen, die den Zustand des Fahrzeugs beschreiben ausgenutzt, nämlich der Zusammenhang zwischen der momentanen Geschwindigkeit und der momentanen Gierrate des Fahrzeugs einerseits, die zu bestimmen sind, und den messbaren Werten der Radumfangsgeschwindigkeit.
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Dies kann insbesondere dadurch erfolgen, dass beim und zum Ermitteln der momentanen Geschwindigkeit und der momentanen Gierrate des Fahrzeugs eine Mooresche Pseudoinverse einer Transformationsmatrix zwischen einem Zustand des zu Grunde liegenden Fahrzeugs und einem von den einzelnen ermittelten Radumfangsgeschwindigkeiten gebildeten Vektor erzeugt und zum Bereitstellen der momentanen Geschwindigkeit und der momentanen Gierrate des Fahrzeugs auf den von den einzelnen ermittelten Radumfangsgeschwindigkeiten gebildeten Vektor angewandt wird. Dabei beschreibt der Zustand des Fahrzeugs insbesondere die momentane Geschwindigkeit und die momentane Gierrate des Fahrzeugs. Optional kann auch die zurückgelegte Weglänge eines Radkontaktpunkts, die auch als momentan zurückgelegte Weglänge eines Radkontaktpunkts bezeichnet werden kann, zu einem oder zu mehreren Rädern des Fahrzeugs berücksichtigt werden.
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Ein Vorteil der Mooreschen Pseudoinversen besteht in ihrer analytisch angebbaren Darstellung und Struktur und ihrer Eigenschaft, eine zu Grunde liegende Norm ohne numerische Verfahren oder Iteration inhärent minimieren oder optimieren zu können.
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Ein besonders hohes Maß an Genauigkeit bei der Selbstlokalisation lässt sich erreichen, wenn gemäß einer anderen vorteilhaften Weiterbildung des erfindungsgemäßen Fahrassistenzverfahrens zusätzlich zur Radumfangsgeschwindigkeit eine momentan zurückgelegte Wegstrecke des Kontaktpunkts eines oder mehrerer Räder des Fahrzeugs erfasst, ausgewertet und dem Ermitteln der momentanen Geschwindigkeit, der momentanen Gierrate, einer momentanen Position und/oder einer momentanen Orientierung des Fahrzeugs zu Grunde gelegt wird.
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Dabei kann in vorteilhafter Weise eine jeweilige momentan zurückgelegte Wegstrecke eines jeweiligen Kontaktpunkts eines Rads des Fahrzeugs über einen jeweiligen Radimpulszähler unter Berücksichtigung eines bereitgestellten Werts für den Umfang des Rads erfasst und bereitgestellt werden. Durch diese Maßnahme können also in einem ESP-System ohnehin bereitgestellte Messwerte erfindungsgemäß genutzt werden.
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Dabei lässt sich die Genauigkeit weiter steigern, wenn gemäß einer anderen vorteilhaften Ausgestaltungsform des erfindungsgemäßen Fahrassistenzverfahrens eine jeweilige erfasste momentane Radumfangsgeschwindigkeit eines oder mehrerer Räder des Fahrzeugs und eine jeweilige erfasste momentan zurückgelegte Wegstrecke des Kontaktpunkts eines oder mehrerer Räder des Fahrzeugs einem Bayesschen Filter und insbesondere einem erweiterten Kalmanfilter zur Bewertung, zur Plausibilisierung und/oder zur Bestimmung einer momentanen Position und/oder momentanen Orientierung des Fahrzeugs zugeführt werden.
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Gemäß einem weiteren Aspekt der vorliegenden Erfindung wird eine Steuereinheit für ein Fahrassistenzsystem eines Fahrzeugs vorgeschlagen, wobei die Steuereinheit eingerichtet ist, ein erfindungsgemäßes Fahrassistenzverfahren zu initiieren, auszuführen, zu steuern und/oder zu regeln.
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Ferner ist Gegenstand der vorliegenden Erfindung auch ein Fahrassistenzsystem für ein Fahrzeug als solches, wobei das Fahrassistenzsystem eingerichtet ist, ein erfindungsgemäßes Fahrassistenzverfahren zu initiieren, auszuführen, zu steuern und/oder zu regeln, und/oder wobei das Fahrassistenzsystem eine erfindungsgemäß ausgestaltete Steuereinheit oder eine Wirkverbindung zu einer derartigen erfindungsgemäß ausgestalteten Steuereinheit aufweist.
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Das erfindungsgemäße Fahrassistenzverfahren und das erfindungsgemäße Fahrassistenzsystem können rein hardwaretechnisch, z.B. auch als Vorrichtung zum Steuern des Betriebs eines Fahrzeugs, aufgefasst und realisiert werden.
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Denkbar ist zum Beispiel eine Umsetzung als ASIC. Alternativ dazu ist eine rein verfahrenstechnische Umsetzung, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Computerimplementation des erfindungsgemäßen Fahrassistenzverfahrens und Fahrassistenzsystems, denkbar, vorzugsweise im Zusammenhang mit einem oder als ein Verfahren zum Steuern des Betriebs eines Fahrzeugs. Auch sind kombinierte oder gemischte Systeme denkbar, bei welchen Teilaspekte der Erfindung hardwaretechnisch und/oder softwaretechnisch oder verfahrenstechnisch umgesetzt sind oder werden.
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Des Weiteren schafft vorliegende Erfindung auch ein Fahrzeug als solches. Das erfindungsgemäße Fahrzeug ist eingerichtet, mit einem erfindungsgemäß ausgestalteten Fahrassistenzverfahren verwendet zu werden. Alternativ oder zusätzlich ist das vorgeschlagene Fahrzeug mit einem erfindungsgemäßen Fahrassistenzsystem ausgebildet.
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Figurenliste
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Unter Bezugnahme auf die beigefügten Figuren werden Ausführungsformen der Erfindung im Detail beschrieben.
- 1 zeigt nach Art eines schematischen Blockdiagramms ein erfindungsgemäß ausgestaltetes Fahrzeug, bei welchem eine Ausführungsform des erfindungsgemäßen Fahrassistenzverfahrens verwendet wird.
- 2 zeigt ein Flussdiagramm einer Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Fahrassistenzsystems nach Art eines Fahrassistenzverfahrens.
- 3 erläutert in schematischer Weise verschiedene bei einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Fahrassistenzsystems oder Fahrassistenzverfahrens verwendete Parameter in Bezug auf den Zustand eines zu Grunde liegenden Fahrzeugs.
- 4 bis 7 zeigen Graphen zur Erläuterung der Wirkungsweise von Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Fahrassistenzsystems und Fahrassistenzverfahrens.
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Bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung
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Nachfolgend werden unter Bezugnahme auf die 1 bis 7 Ausführungsbeispiele der Erfindung und der technische Hintergrund im Detail beschrieben. Gleiche und äquivalente sowie gleich oder äquivalent wirkende Elemente und Komponenten werden mit denselben Bezugszeichen bezeichnet. Nicht in jedem Fall ihres Auftretens wird die Detailbeschreibung der bezeichneten Elemente und Komponenten wiedergegeben.
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Die dargestellten Merkmale und weiteren Eigenschaften können in beliebiger Form voneinander isoliert und beliebig miteinander kombiniert werden, ohne den Kern der Erfindung zu verlassen.
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1 zeigt nach Art eines schematischen Blockdiagramms ein erfindungsgemäß ausgestaltetes Fahrzeug 1, welches eine Ausführungsform des erfindungsgemäßen Fahrassistenzsystems 100 und/oder eine Ausführungsform des erfindungsgemäßen Fahrassistenzverfahrens T verwendet.
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Das erfindungsgemäße Fahrzeug 1 ist schematisch dargestellt mit einer Karosserie 2, Rädern 4, einem Antrieb 30 mit Antriebstrang 31 und einem System 40 für Lenkung und Bremsen mit einem Lenk- und/oder Bremsstrang 41.
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Vorgesehen ist des Weiteren eine erfindungsgemäß ausgestaltete Steuereinheit 50 für das zu Grunde liegende erfindungsgemäße Fahrassistenzsystem 100, welche zum Beispiel auch als Teil einer Fahrzeug- oder Motorsteuerung ausgebildet sein kann und welche über eine Steuer- und/oder Erfassungsleitung 51 eine Verbindung herstellt mit dem Antrieb 30 und dem System 40 für Bremsen und Lenkung.
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Ferner ist über die Steuer- und/oder Erfassungsleitung 51 die Steuereinheit 50 auch mit Sensoren 10 verbunden, nämlich einem ersten Sensor 10-1 in Form eines Sensors für die Radumfangsgeschwindigkeit und einem zweiten Sensor 10-2 in Form eines Radimpulszählers.
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Im Betrieb des Fahrzeugs 1 werden über die Sensoren 10, 10-1, 10-2 der Steuereinheit 50 entsprechende Messsignale im Hinblick auf die Radumfangsgeschwindigkeit bzw. im Hinblick auf die Raddrehzahl oder im Hinblick auf den Raddrehwinkel zugeführt und unter Verwendung eines Bayesschen Filters und insbesondere eines Kalmanfilters 20 einer Weiterverarbeitung und Analyse unterzogen, um einerseits Werte für die Fahrzeuggeschwindigkeit v und für die Gierrate ω und andererseits Werte für den vom jeweiligen Kontaktpunkt eines Rads 4 zurückgelegte Wegstrecke S zu generieren, bereitzustellen und daraus eine Position und/oder eine Orientierung des Fahrzeugs 1 im Umfeld mit einem hohen Grad an Zuverlässigkeit auch bei niedrigen Geschwindigkeiten des Fahrzeugs 1 bereitzustellen.
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2 zeigt ein Flussdiagramm einer Ausführungsform eines als Fahrassistenzverfahren T ausgestalteten erfindungsgemäßen Fahrassistenzsystems 100.
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Dem Kern nach untergliedert sich die Ausführungsform des erfindungsgemäßen Fahrassistenzverfahrens T gemäß 2 (i) in einen Schritt T1 zum Ermitteln von Geschwindigkeit v und Gierrate ω eines Fahrzeugs 1, (ii) einen Schritt T2 der Selbstlokalisierung des Fahrzeugs 1 auf der Grundlage bereitgestellter Messwerte und/oder daraus abgeleiteter Daten, (iii) einen Schritt T3 des Erfassens und Bewertens der Fahrzeugumgebung sowie (iv) einen Schritt T4 des Steuerns eines Fahrzeugaggregats auf Grund der Selbstlokalisierung und der Bewertung der Fahrzeugumgebung.
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Der Schritt T1 des Ermittelns von Geschwindigkeit v und Gierrate ω des Fahrzeugs 1 untergliedert sich in eine Reihe von Teilschritten T1-1 bis T1-3.
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Im ersten Teilschritt T1-1 wird die Radumfangsgeschwindigkeit V in Bezug auf ein oder mehrerer Räder 4 erfasst, insbesondere durch direkte Messung mit einem entsprechenden Sensor 10-1 für die Radumfangsgeschwindigkeit V eines zugeordneten Rades 4.
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Im zweiten Teilschritt T1-2 wird ein gegebenenfalls auftretender zeitlicher Verzug bei der Erfassung der Radumfangsgeschwindigkeit V kompensiert, zum Beispiel durch zeitliche Extrapolation in die Zukunft mittels zeitlicher Integration, wie dies unten im Zusammenhang mit einer bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Erfindung im Detail erläutert ist.
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Im dritten Teilschritt T1-3 werden schließlich Geschwindigkeit v und Gierrate ω des zu Grunde liegenden Fahrzeugs 1 generiert und bereitgestellt.
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Auch der Schritt T2 der Selbstlokalisierung des Fahrzeugs 1 kann bei einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung in eine Reihe von Teilschritten T2-1 bis T2-3 untergliedert sein.
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In einem ersten Teilschritt T2-1 wird der momentan zurückgelegte Weg S eines Radkontaktpunktes zu einem oder zu mehreren Rädern 4 erfasst, insbesondere durch direkte Messung und/oder im Zusammenhang mit aus einem WIC-Sensor 10-2 ausgelesenen Messdaten unter Zugrundelegung eines Radradius', Raddurchmessers und/oder Radumfangs eines jeweils zugeordneten Rades 4 des Fahrzeugs 1.
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In einem zweiten Teilschritt T2-2 wird ein Bayesscher Filter und insbesondere ein Kalmanfilter 20 auf die erfassten Daten angewandt, nämlich auf die Geschwindigkeit v und die Gierrate ω des zu Grunde liegenden Fahrzeugs 1 einerseits und auf die erfassten Daten zu den momentan zurückgelegten Wegstrecken S der Radkontaktpunkte andererseits.
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Daraus ergibt sich dann eine Bestimmung und/oder Plausibilisierung von Position und/oder Orientierung des zu Grunde liegenden Fahrzeugs 1 in seinem Umfeld in einem weiteren Teilschritt T2-3.
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Die so mit hoher Zuverlässigkeit erzeugten Daten hinsichtlich Position und/oder Orientierung des Fahrzeugs 1 in seiner Umgebung werden dann der Bewertung der Fahrzeugumgebung im Schritt T3 und in Folge der Steuerung mindestens eines Fahrzeugaggregats im Schritt T4 zu Grunde gelegt, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Steuerung eines Systems 40 aus Lenkung und Bremse und/oder eines Antriebs 30 des Fahrzeugs 1.
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Diese und weitere Merkmale und Eigenschaften der vorliegenden Erfindung werden an Hand der folgenden Darlegungen weiter erläutert:
- Präzise Fahrzeugselbstlokalisierung
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Eine erhöhte Kundenakzeptanz von automatisierten Parksystemen führt zu einem steigenden Einsatz derartiger Systeme. Durch den Anwender wird dabei die Leistung des Gesamtsystems bewertet und das Konzept der Selbstlokalisierung spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle.
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Zwei entscheidende und messbare Aspekte im Kontext des automatisierten Parkens sind (i) die Anwesenheit oder Abwesenheit von Bordsteinkanten und (ii) die erforderliche Mindestgröße eines Parkplatzes für ein gegebenes Fahrzeug. Der Einfluss dieser Aspekte kann reduziert werden, um die Erfahrung für den Kunden zu verbessern. Jedoch ist zum Erreichen eines derartigen Ziels, eine genauere Lokalisierung des Fahrzeugs während des Parkens eine wesentliche Voraussetzung.
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Die vorliegende Erfindung schlägt ein neues Verfahren zum Verwenden von Information vor, die aus gewöhnlichen ESP-Systeme ableitbar ist.
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Durch das erfindungsgemäße Vorgehen wird die Leistungsfähigkeit bei Systemen des automatisierten Fahrens und Parkens erhöht, ohne dass neue oder zusätzliche Sensoren benötigt werden und ohne Notwendigkeit, neue und/oder zusätzliche Signale ESP-Systems auswerten zu müssen. Herkömmliche Selbstlokalisierungsalgorithmen Verwenden bei niedrigen Geschwindigkeiten Informationen, die aus in ESP-System eingesetzten Radimpulszählern (englisch: Wheel Impulse Counter oder WIC) ausgelesen werden können. Die entsprechenden Messwerte stehen zwar mit einem bekannten, festen zeitlichen Verzug zur Verfügung, sind jedoch zur Bewertung der Fahrzeuggeschwindigkeit und der Gierrate durch Quantisierung mit einem vergleichsweise hohen Fehler beaufschlagt und daher ungenau und erlauben somit keine präzise Selbstlokalisierung in einer Fahrzeuganwendung, zum Beispiel beim automatisierten Fahren oder Parken.
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Herkömmlicherweise werden nicht die präziseren Messwerte aus Sensoren zu den Radumfangsgeschwindigkeiten oder Raddrehgeschwindigkeiten (Weglänge pro Zeiteinheit) verwendet.
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Dies ist darauf zurückzuführen,
- (A) dass die Messwerte der Sensoren zur Radumfangsgeschwindigkeit oder Raddrehgeschwindigkeit unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts der Erfassungszeit nicht unmittelbar verfügbar sind und
- (B) dass die Messwerte der Sensoren zur Radumfangsgeschwindigkeit oder Raddrehgeschwindigkeit nur mit einem variablen Verzug verfügbar sind.
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Beides beruht auf damit im Zusammenhang stehenden Signalvorverarbeitungen und entsprechenden Timeoutverhältnissen.
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Schätzung der Fahrzeuggeschwindigkeit und Gierrate
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Im Folgenden wird beschrieben, wie genaue Schätzungen für die Fahrzeuggeschwindigkeit und für die Giergeschwindigkeit des zu Grunde liegenden Fahrzeugs 1 aus den vier verfügbaren Radumfangsgeschwindigkeiten V = (VFrL VFrR VRrL VRrR)T ∈ ℝ4 oder Raddrehgeschwindigkeiten erzeugt werden.
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Erfindungsgemäß kann das Fahrzeug 1 im Allgemeinen eine Vierradlenkung aufweisen. Das bedeutet, dass erfindungsgemäß sämtliche vier Räder 4 des Fahrzeugs 1 lenkbar sein können.
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Außerdem kann bei dem erfindungsgemäßen Verfahren und in der Implementation als Algorithmus eine Echtzeitumsetzung erreicht werden, obschon bei einer Ausgestaltungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens bei der Auswertung eine Matrixinversion enthalten ist.
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Die Dimension der zu invertierenden Matrix kann beispielsweise durch Verwendung eines Extended-Information-Filters gegenüber einem Extended-Kalmanfilters oder erweiterten Kalmanfilters so weit reduziert werden, dass das erfindungsgemäße Verfahren und der der Algorithmus wegen geringer Rechenzeit echtzeitfähig bleiben.
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Außerdem kann bei anderen Ausgestaltungsformen des erfindungsgemäßen Verfahrens Verzögerungskompensation eingeführt werden, so dass insbesondere Messwerte aus Sensoren zur Radumfangsgeschwindigkeit oder Raddrehgeschwindigkeit verwendet werden können.
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Geschwindigkeit und Gierrate eines Fahrzeugs aus den Radgeschwindigkeiten Wenn die Gierrate ω - also die zeitliche Änderung des Gierwinkels des Fahrzeugs
1 - und die Geschwindigkeit v des Fahrzeugs
1 gegeben sind und als Zustand x = (v ω)
T ∈ ℝ
2 dargestellt werden, können die Raddrehgeschwindigkeiten V, die auch als Radgeschwindigkeiten oder Radumfangsgeschwindigkeiten bezeichnet werden (sämtliche Begriffe werden synonym verwendet), mittels einer geeigneten Transformationsmatrix H(u) ∈ ℝ
4×2 durch folgenden Ausdruck dargestellt werden:
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Es sind nur Werte zu Messungen der Radumfangsgeschwindigkeiten oder Radgeschwindigkeiten
V gegeben, nicht jedoch der Zustand
x als solcher. Daher ist es wünschenswert, die beste Schätzung für den Zustand
x zu finden, welche der Wert einer als Gütemaß der Bewertung gewählten zu Grunde liegende Norm - also hier z.B. der Minimumsnorm - minimiert
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Dieses Problem kann gelöst werden, indem die der Matrix H(u) zugeordnete Pseudoinverse pinv (H(u)) (statt der eigentlich erforderlichen Inversen) bestimmt und verwendet wird. Diese ist entweder die eindeutige Kleinste-Quadrate-Lösung oder es ist Kleinste-Quadrate-Lösung der Minimumsnorm nach 1.1.4:
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Analytische Lösung von Pseudoinverse
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Die Eleganz der erfindungsgemäßen Verwendung der Pseudoinversen pinv (H(u)) besteht darin, dass die Pseudoinverse pinv (H(u)) für die Matrix H(u) analytisch berechnet werden kann, wodurch das Berechnungsverfahren leicht in einer Echtzeitanwendung implementiert werden kann, zum Beispiel auf der Grundlage der nachfolgenden Ausdrücke 1.1.6:
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Verzögerungskompensation für Fahrzeuggeschwindigkeit und Gierrate
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Zu einem Zeitpunkt K = k·Ts ist eine direkte Geschwindigkeitsmessung mit dem Wert V
k auf Grund der Zeitverzögerung der Signale nicht verfügbar. Unter der Annahme, dass Messungen V
l zu der Zeit L = l·T
s mit k > l verfügbar sind, kann man die entsprechenden Zustände x bestimmen, zum Beispiel gemäß (1.1.7):
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Eine Möglichkeit, Werte zum späteren Zeitpunkt K = k·T
s zu bestimmen kann zum Beispiel darin bestehen, die Änderungen im Zustand x über Zeit zu integrieren, also vom Zeitpunkt L bis zum Zeitpunkt
K, zum Beispiel gemäß dem Ausdruck (1.1.8):
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Die zeitliche Ableitung x zum Zustand x kann man aus Beschleunigungsmessungen A ∈ ℝ. und einem Einspurmodell ermitteln, welches den Abstand R ∈ ℝ vom Zentrum der Rotation oder vom Drehzentrum liefert. Es ergibt sich der Ausdruck (1.1.9):
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Damit ergibt sich eine Darstellung für den Zustand x̂ zum Zeitpunkt
K gemäß dem Ausdruck (1.1.10):
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Zur Berechnung der Werte für eine derartige Darstellung gemäß dem Ausdruck (1.1.10) müssen Messwerte zur Beschleunigung A und zum Drehzentrum oder Rotationszentrum bzw. zum entsprechenden Abstand R des Drehzentrums hinsichtlich des Einspurmodells ohne signifikante Verzögerung zur Verfügung stehen und bekannt sein. Bei der Verwendung Messungen aus einem ESP-System hinsichtlich der Beschleunigung muss eine Offsetabschätzung implementiert werden.
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Anwendung des Konzepts - Messung und Simulation
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In den 4 und 5 sind in Form von Graphen 140, 150 Spuren 143-1 bis 153-3 zu verschiedenen Signale für Gierrate und Geschwindigkeit als Funktion der Zeit t dargestellt, und zwar als Teil eines Szenarios parallelen Parkens.
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Die durchgezogenen Spuren 143-1, 153-1 beziehen sich auf ein Referenzsystem, welches zur Darstellung der tatsächlichen Gegebenheiten herangezogen wird. Die Messungen im Zusammenhang mit dem Referenzsystem wurden mit einer Trägheitsmesseinheit aufgezeichnet, die mit DGPS-System gekoppelt war, um Sensorfehler zu kompensieren, zum Beispiel Offset, Drift und Gain.
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Die aus den Radumfangsgeschwindigkeiten oder Radgeschwindigkeiten berechneten Werte werden als abgeleitete Werte oder Schätzwerte in den Spuren 143-2, 153-2 gestrichelt dargestellt. Sie weisen eine Zeitverzögerung auf und werden gemäß dem Ausdruck (1.1.7) bestimmt.
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Die durch Beschleunigungsmessungen im zeitlichen Verzug kompensierten Messungen werden in den Spuren 143-3, 153-3 punktiert dargestellt, die entsprechenden Werte werden gemäß dem Ausdruck (1.1.10) erzeugt.
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In den Graphen 140 und 150 der 4 und 5 ist auf den Abszissen 141 und 151 die Zeit aufgetragen. Auf den Ordinaten 142 und 152 ist die Gierrate bzw. die Fahrzeuggeschwindigkeit aufgetragen.
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Fusionskonzept
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Unter Verwendung eines Bayesschen Filters und insbesondere eines erweiterten Kalmanfilters (extended Kalman filter) zusammen mit der oben beschriebenen Pseudoinversen zur eigentlichen Transformationsmatrix H(u) können Messungen von Werten der Radumfangsgeschwindigkeit V und Werte einer zurückgelegten Strecke von Radkontaktpunkten oder Radaufstandspunkten S fusioniert oder miteinander verbunden werden.
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Dazu werden eine Systemfunktion f ∈ ℝ
8 und eine Messfunktion h ∈ ℝ
9 eingeführt. Die Systemfunktion beschreibt, wie die Fahrzeuggeschwindigkeit v ∈ ℝ, die Fahrzeuggierrate ω ∈ ℝ und die zurückgelegten Wegstrecken s ∈ ℝ
4 der Radaufstandspunkte sich mit der Zeit entwickeln. Es ergibt sich eine Darstellung gemäß dem Ausdruck (1.2.1):
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In dieser Darstellung ist T
s die Abtastzeit. Die Größen r
x und r
y bezeichnen die Kontaktpunktvektoren. Die Größe δ bezeichnet den Vektor der einzelnen Raddrehwinkel. Es ergeben sich folgende Komponentendarstellungen (1.2.2) für diese Größen:
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Die Messfunktion h beschreibt, wie die Werte der Messungen z als Funktion der Systemzustände x und Eingabewerte oder Eingangswerte u bestimmt werden können. Es ergibt sich folgende Komponentendarstellung (1.2.3):
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In dieser Darstellung treten folgende Größen gemäß der Komponentendarstellung (
1.2.4) auf:
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Dabei bezeichnet die Größe S
i die von dem entsprechenden Radberührungspunkt zurückgelegte Wegstrecke, die auf der Grundlage des entsprechenden Umfangs des zugeordneten Rads
4 und dem aus dem WIC-Sensor ausgelesenen Wert ermittelt werden kann. Die Größen V̂
k und Ω̂
k bezeichnen die Werte oder Schätzungen von Werten der Geschwindigkeit bzw. der Gierrate unter Verwendung des oben genannten Ansatzes.
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In den Zusammenhängen gemäß (1.2.5) bezeichnen P die Systemkovarianz, S die Innovationskovarianz, K den Kalmangain, Q das Systemrauschen und R das Messrauschen. Mit Ψ ist eine Hilfsgröße bezeichnet.
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Die Matrizen F und H werden im Zusammenhang mit den Ausdrücken (1.2.6) und (1.2.7) definiert.
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Bei einer bevorzugten Ausführungsform wird ein Bayesscher Filter und insbesondere ein erweiterter Kalmanfilter gemäß dem obigen Schema (1.2.5) eingesetzt, um die Werte von v und ω zu bestimmen oder zu schätzen. Im Allgemeinen wird dabei der vollständige Zustand ermittelt, welcher S enthält.
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Dabei wird
S allerdings nur aus
v und
ω integriert. Dadurch kann die Position des Fahrzeugs
1, welche aus
v und
ω berechnet werden kann, außerhalb des Filters ermittelt werden. Dafür ergibt sich die Darstellung gemäß dem Ausdruck (1.2.6):
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Beachten ist dabei, dass
gilt, weil die untere rechte (4 × 4)-Untermatrix von H keine Identitätsmatrix ist. Es ergibt sich:
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Dabei kann s nicht direkt durch eine Messung von S beeinflusst werden. Trotzdem wird s indirekt korrigiert über die Zustände oder Werte von v und ω.
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Dadurch kann die Position des Fahrzeugs 1 bestimmt oder geschätzt werden, und zwar aus den Zuständen oder Werten von v und ω und über den zurückgelegten Weg, und zwar gemäß und in Übereinstimmung mit dem Weg der Kontaktpunkte.
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Simulationsergebnisse
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In den 6 und 7 werden in den Graphen 160 und 170 Simulationsergebnisse für dieselbe Sequenz, wie sie oben beschrieben wurde, dargestellt.
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In den Graphen 160 und 170 der 6 und 7 ist auf den Abszissen 161 und 171 die Zeit aufgetragen. Auf den Ordinaten 162 und 172 ist die Gierrate bzw. die Fahrzeuggeschwindigkeit aufgetragen.
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Die durchgezogenen Spuren 163-1 und 173-1 beziehen sich wieder auf Referenzmessungen, die gestrichelt dargestellten Spuren 163-2 und 173-2 beziehen sich auf Werte, die unter Verwendung eines Bayesschen Filters und insbesondere eines erweiterten Kalmanfilters 20 (EKF) generiert wurden.
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Zu erkennen ist, dass insbesondere während derjenigen Zeit, während der eine Pseudomessung der Geschwindigkeit v und Gierrate ω verfügbar ist, die finale oder endgültige Bestimmung oder Schätzung durch den Bayesschen Filter und insbesondere den erweiterten Kalmanfilter 20 sehr gut sind. Die Genauigkeit Winkelrate kann weiter verbessert werden durch Pseudomessungen unter Verwendung eines Einspurmodells oder einfach durch Messungen der Gierrate.