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Die Erfindung betrifft ein Fahrzeugstabilisierungssystem, insbesondere für Kraftfahrzeuge, gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1, sowie ein Verfahren zur Fahrzeugstabilisierung gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 9.
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Fahrzeugstabilisierungssysteme VSS (Vehicle Stabilising System) umfassen im wesentlichen die Systeme ABS (Antiblockiersystem), ASR (Antriebsschlupfregelung) oder ESP (elektronisches Stabilitätsprogramm) und dienen dazu, die Kontrollierbarkeit von Kraftfahrzeugen in kritischen Fahrsituationen, wie z.B. beim Übersteuern in Kurvenfahrten, zu verbessern und das Fahrzeug zu stabilisieren. Neben den genannten Systemen werden unter dem Begriff „Fahrzeugstabilisierungssystem“ auch Stabilisierungsfunktionen, wie z.B. AFS (Active Front Steering), andere Fahrzeugstabilisierungssysteme, wie z.B. aktive Feder-Dämpfer-Systeme (Normalkraftverteilungssysteme), die bekannten Zusatzfunktionen des ESP, wie z.B. die Wankstabilisierungsfunktion ROM (Roll Over Mitigation), eine Abstandsregelung ACC (Active Cruise Control), sowie prinzipiell alle Regelungssysteme verstanden, die zu Zwecken der Fahrzeugstabilisierung aktiv in den Fahrbetrieb eingreifen können.
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Derartige Fahrzeugstabilisierungssysteme verfolgen das Ziel, das Fahrverhalten eines Fahrzeugs unter Berücksichtigung der Fahrbedingungen (Fahrbahnzustand, Geschwindigkeit, etc.) durch Betätigung verschiedener Aktuatoren, wie z.B. der Bremsen, des Motormoments oder der Lenkung, an den Fahrerwunsch anzupassen und das Fahrzeug gleichzeitig zu stabilisieren.
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Im Rahmen der Fahrdynamikregelung ermitteln diese Systeme verschiedene Zustandsgrößen, wie z.B. eine Soll-Gierrate, einen Soll-Schwimmwinkel, einen Sollschlupf oder verschiedene andere Regelgrößen und berechnen aus der Regelabweichung einen erforderlichen Stabilisierungseingriff, wie z.B. ein radindividuelles Bremsmoment oder Antriebsmoment. Die berechneten Werte werden mittels der entsprechenden Aktuatoren umgesetzt und beeinflussen schließlich das Fahrverhalten des Fahrzeugs.
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Bekannte Fahrzeugstabilisierungssysteme sind im Bezug auf den Fahrbahnuntergrund üblicherweise sehr robust, d.h. für eine große Bandbreite unterschiedlicher Fahrbahn- bzw. Geländebeschaffenheiten ausgelegt. Gerade bei Geländefahrten, wie z.B. dem Klettern in einem Bachbett oder dem Fahren in tiefem Sand, verhält sich das Fahrzeug jedoch grundlegend verschieden zu einer Fahrt auf Asphalt, so dass es bereits in unkritischen Fahrsituationen zu Stabilisierungseingriffen kommen kann, die unter den speziellen Bedingungen nicht erwünscht sind. In gleicher Weise können auch Fahrsituationen auftreten, in denen das Fahrzeugstabilisierungssystem zu spät oder zu schwach in den Fahrbetrieb eingreift.
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Die Druckschrift
DE 41 33 238 A1 offenbart ein System zur Erlangung eines die Fahrbahnoberfläche repräsentierenden Signals.
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Die Druckschrift
DE 196 01 529 A1 offenbart ein Verfahren zur Verbesserung des Regelverhaltens eines Blockierschutz-Regelungssystems (ABS) in einer Off-Road-Fahrsituation.
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Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Fahrzeugstabilisierungssystem an die aktuelle Untergrundbeschaffenheit der Fahrbahn bzw. des Geländes anzupassen und das Fahrverhalten des Fahrzeugs bzw. die Funktion des VSS zu optimieren.
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Gelöst wird diese Aufgabe gemäß der Erfindung durch die im Patentanspruch 1 sowie im Patentanspruch 9 angegebenen Merkmale. Weitere Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand von Unteransprüchen.
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Ein wesentlicher Aspekt der Erfindung besteht darin, dem Fahrzeugstabilisierungssystem VSS eine Information über die Untergrundbeschaffenheit der Fahrbahn bereitzustellen und das Regelverhalten des Stabilisierungssystems an die Untergrundbeschaffenheit anzupassen, indem wenigstens eine Reglergröße eines Stabilisierungs-Regelalgorithmus in Abhängigkeit von der bereitgestellten Untergrundinformation eingestellt wird. Dies hat den wesentlichen Vorteil, dass das Stabilisierungssystem auf unterschiedliche Untergrundbeschaffenheiten, wie z.B. Schlamm, Sand, Asphalt, etc., angepasst und das Regelverhalten optimiert werden kann.
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Unter dem Begriff „Reglergröße“ wird dabei eine beliebige Größe verstanden, die in einem Regelalgorithmus verwendet wird und mittels der das Regelverhalten beeinflusst werden kann, sowie eine Information, aus der sich eine solche Größe ableiten lässt. Die Reglergröße kann beispielsweise eine Sollgröße, wie z.B. eine Soll-Gierrate oder ein Sollschlupf, eine Reglerverstärkung, eine Anregelschwelle bzw. eine die Empfindlichkeit der Regelung bestimmende Größe, eine Stellgröße, wie z.B. ein Bremsdruck oder ein beliebiger Aktuator-Ansteuerwert, ein Parameter, wie z.B. die charakteristische Geschwindigkeit, oder eine beliebige andere Größe sein, die für die Regelung von Bedeutung ist.
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Weiterhin ist eine Untergrundmodus-Auswähleinrichtung, wie z.B. ein einfacher Wählschalter, vorgesehen, an dem eine bestimmte Untergrundart vom Fahrer einstellbar ist. Der eingestellte Untergrundmodus kann ebenfalls dem Steuergerät des Fahrzeugstabilisierungssystems zugeführt werden, das dann wenigstens eine Reglergröße entsprechend anpasst.
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Weiterhin wird eine Änderung des Regelverhaltens nur zugelassen, wenn das Fahrzeugstabilisierungssystem VSS nicht aktiv ist. Dadurch wird insbesondere verhindert, dass das Regelverhalten in einer bereits kritischen Fahrsituation verändert und die Fahrzeugstabilisierung negativ beeinflusst wird.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird ein Gierratenregler, ein Traktionsregler und/oder ein Fahrgeschwindigkeits- bzw. Fahrbeschleunigungsregler des Stabilisierungssystems an die aktuelle Untergrundbeschaffenheit angepasst. Neben den genannten Regelalgorithmen können auch beliebige andere Stabilisierungsregelalgorithmen, wie z.B. ROM, ACC, AFS, etc. an die Untergrundbeschaffenheit angepasst und optimiert werden.
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Die Information über die Untergrundbeschaffenheit kann von unterschiedlichen Systemen erzeugt und bereitgestellt werden: Zum Einen kann eine Sensorik vorgesehen sein, mittels der die Untergrundbeschaffenheit erfasst wird. Die entsprechende Sensorinformation wird vorzugsweise dem Steuergerät des Fahrzeugstabilisierungssystems zugeführt, das dann wenigstens eine Reglergröße entsprechend anpasst.
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Die Anzahl der möglichen Reglergrößen-Einstellungen bei einem bestimmten Regelalgorithmus, z.B. einem Traktionsregler, ist vorzugsweise auf wenige Einstellungen begrenzt. D.h. der Regelalgorithmus hat z.B. in einem ersten Untergrundmodus die gleiche Einstellung wie in einem anderen Untergrundmodus. Die Vielfalt der durch die Auswahleinrichtung angebotenen Untergrundmodi ergibt sich dann durch geeignete Kombination der in den Regelalgorithmen verfügbaren Einstellungen. Dadurch kann die Komplexität der einzelnen Regelalgorithmen ohne Einschränkung der Funktionsvielfalt des Gesamtsystems reduziert werden.
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Bei einer solchen Untergrundmodus-Auswähleinrichtung ist es durch Fehlbedienung leicht möglich, dass der eingestellte Untergrundmodus (z.B. Sand, Schlamm, Asphalt) von der tatsächlichen Untergrundbeschaffenheit abweicht. Aus Gründen der Sicherheit wird daher vorgeschlagen, eine Anpassung des Regelverhaltens nur unter vorgegebenen Bedingungen, wie z.B. innerhalb eines vorgegebenen Geschwindigkeitsbereichs, eines vorgegebenen Querbeschleunigungsbereichs oder innerhalb der Grenzen einer oder mehrerer anderer Fahrzustandsgrößen, die für die Fahrsicherheit von Relevanz sind, zuzulassen. Bei Überschreitung der vorgegebenen Bereiche bzw. Grenzen wird das Fahrzeugstabilisierungssystem vorzugsweise automatisch in einen sicheren Modus (Standardmodus) gesetzt, der von den auswählbaren Modi (z.B. Sand, Schlamm, Asphalt, etc.) eine besonders hohe Fahrsicherheit bietet. Die Bereiche bzw. Grenzen können wiederum eine Funktion des Untergrundmodus sein.
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Vorstehend wurden für die Aktivierung/Deaktivierung des Untergrundmodus-Auswählsystems harte Grenzen (z.B. für die Fahrzeuggeschwindigkeit) vorgegeben und die veränderten Reglergrößen bei Überschreiten der Grenzen auf Standardwerte zurückgesetzt. Wahlweise können die veränderten Reglergrößen auch über einen vorgegebenen Bereich einer Fahrzustandsgröße „gleitend“ auf einen Standardwert zurückgeführt werden. Zu diesem Zweck können z.B. Kennlinien vorgesehen sein, die das Zurückführen der Reglergrößen vorgeben (sogenanntes „Blending“).
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Die Änderung einer Reglergröße erfolgt darüber hinaus vorzugsweise nicht sprungartig, sondern gleitend. Zu diesem Zweck kann beispielsweise eine „Überblendfunktion“ vorgesehen sein, mit der die Reglergröße auf den neuen Wert der Reglergröße geführt wird. Diese Überblendfunktion berechnet beispielsweise mehrere Zwischenwerte nach dem Prinzip einer Interpolation, die sukzessive berücksichtigt werden. Die Regelung arbeitet dadurch wesentlich sanfter.
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Meldet das VSS einen Fehlerzustand, der z.B. aufgrund eines Sensorfehlers oder einer kurzfristigen Unterspannung entstanden ist, wird die Änderung einer Reglergröße vorzugsweise ebenfalls nicht zugelassen und der entsprechende Algorithmus geht vorzugsweise in einen Sicherheitsmodus (z.B. den Standardmodus) über. Diese Maßnahme trägt wiederum zu einer Vermeidung von Fehleinstellungen und damit zur Erhöhung der Fahrsicherheit bei.
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Sofern das Fahrzeug außer dem VSS noch andere, das Fahrverhalten beeinflussende Systeme aufweist, wie z.B. eine adaptive (geschwindigkeitsabhängige) Höhenregulierung des Fahrzeugs, wird diesen Systemen vorzugsweise ebenfalls die Information über die Untergrundbeschaffenheit bzw. ein daraus abgeleitetes Steuersignal, zugeführt, mit dem diese Systeme ebenfalls an den jeweiligen Untergrund angepasst werden können. Im Falle einer adaptiven Höhenregulierung kann das Fahrzeugchassis bei einer Fahrt auf Sand z.B. automatisch höhergelegt werden als z.B. bei einer Fahrt auf Asphalt.
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Bekannte Fahrzeugstabilisierungssysteme, wie z.B. ESP oder ASR, umfassen üblicherweise auch einen vom Fahrer bedienbaren Ein/Aus-Schalter, mit dem die jeweilige Funktion aktiviert bzw. deaktiviert werden kann. Die Zulässigkeit einer Aktivierung bzw. Deaktivierung ist dabei üblicherweise von einer oder mehreren weiteren Bedingungen, wie z.B. der Fahrzeuggeschwindigkeit oder der Querbeschleunigung des Fahrzeugs, abhängig. Dadurch soll verhindert werden, dass die entsprechende Sicherheitsfunktion in potentiell gefährlichen Fahrzuständen, wie z.B. bei hohen Geschwindigkeiten, vom Fahrer deaktiviert wird. Außerdem ist es bekannt, eine deaktivierte Stabilisierungsfunktion bei Überschreiten vorgegebener Grenzwerte automatisch zu reaktivieren, um in möglichen kritischen Fahrzuständen eingreifen zu können.
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Gemäß der Erfindung wird nun vorgeschlagen, vorzugsweise eine oder mehrere Aktivierungs- und/oder Deaktivierungsbedingungen in Abhängigkeit von der Information über die Untergrundbeschaffenheit einzustellen. Dadurch kann beispielsweise erreicht werden, dass das Fahrzeugstabilisierungssystem auf Sand nur bis zu kleineren Geschwindigkeiten deaktiviert werden kann als z.B. bei einer Fahrt auf Asphalt. Im deaktiven Zustand sind die Parameter des Stabilisierungs-Regelalgorithmus vorzugsweise gemäß einem Standardmodus eingestellt.
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Zur Durchführung eines Fehlermanagements kann der Untergrundmodus-Auswähleinrichtung z.B. der aktuelle Status des Fahrzeugstabilisierungssystems VSS zugeführt werden. Das Statussignal kann z.B. eine Information über den Untergrundmodus, der vom VSS-Steuergerät gerade eingestellt ist, sowie eine Fehlerinformation umfassen. Die Auswähleinrichtung kann somit erkennen, in welchem Modus das VSS gerade arbeitet und gegebenenfalls in welche Modi die Auswähleinrichtung momentan umgeschaltet werden kann. Wenn das VSS-Steuergerät einen Fehler meldet, werden Anforderungen von der Auswähleinrichtung vorzugsweise ignoriert und sämtliche Regelungssysteme in einen Standardmodus gesetzt.
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Darüber hinaus kann das Statussignal auch eine Information darüber enthalten, ob sich das VSS-Steurgerät gerade im Hochlauf (Initialisierungsphase) befindet.
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Daneben übermittelt das VSS-Steuergerät an die Untergrundmodus-Auswähleinrichtung vorzugsweise auch eine Information darüber, in welchen anderen Untergrundmodus gewechselt werden kann (Modusverfügbarkeitsinformation).
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Die Erfindung wird nachstehend anhand der beigefügten Zeichnung beispielhaft näher erläutert:
- 1 zeigt ein Fahrzeugstabilisierungssystem VSS zur Stabilisierung eines Fahrzeugs in kritischen Fahrsituationen. Das Stabilisierungssystem VSS umfasst im wesentlichen ein Steuergerät 2, in dem verschiedene Stabilisierungsregelalgorithmen 6,7,8 hinterlegt sind, eine Sensorik 3 zum Erfassen aktueller Ist-Werte von Fahrzustandsgrößen (z.B. Radgeschwindigkeiten, Lenkradwinkel, Bremsdruck, Gierrate etc.) und verschiedene Aktuatoren 4, wie z.B. Radbremsen, ein Motor-Steuergerät, etc., zum Durchführen eines Stabilisierungseingriffs bei Erkennen einer instabilen Fahrsituation. Die Sensoren und Aktuatoren des Systems VSS sind aus Gründen der Übersichtlichkeit jeweils in einem Block 3 bzw. 4 zusammengefasst.
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Das Stabilisierungssystem VSS umfasst hier die Regelalgorithmen ESP 6, ASR 7 und ABS 8, die jeweils eine oder mehrere Regelfunktionen enthalten können. Der Algorithmus ESP 6 kann beispielsweise eine Wankdynamikregelung ROM eine Lenkwinkelregelung (z.B. AFS) oder eine andere bekannte Zusatz-Regelfunktion enthalten, die z.B. auf einer Gierratenregelung basiert. Neben den genannten Stabilisierungsregelalgorithmen 6,7,8 können auch andere Regelalgorithmen (nicht gezeigt) im Steuergerät 2 hinterlegt sein, die in kritischen Fahrsituationen in den Fahrbetrieb eingreifen können.
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Das Stabilisierungssystem VSS umfasst ferner eine Untergrundmodus-Auswähleinrichtung 1, die z.B. einen Wählschalter aufweisen kann, an dem der Fahrer die Untergrundbeschaffenheit der Fahrbahn auswählen kann. Mögliche Einstellungen sind beispielsweise:
- - Standard
- - Gras, Schnee, Eis
- - Schlamm, Spurrillen
- - Sand
- - Bachbettklettern
- - Sport
- - Fehler
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Der vom Fahrer eingestellte Untergrundmodus wird mittels eines Signals U an das Steuergerät 2 übertragen.
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Im Steuergerät 2 wird die Information U über die Untergrundbeschaffenheit zunächst von einer Modus-Einleselogik 5 eingelesen und verarbeitet. Einer oder mehrere der Stabilisierungsregelalgorithmen 6,7,8 (und gegebenenfalls auch zusätzliche Stabilisierungsalgorithmen) werden schließlich an den eingestellten Untergrundmodus angepasst.
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Zu diesem Zweck wird wenigstens eine Reglergröße der Stabilisierungsregelalgorithmen 6,7,8 in Abhängigkeit von der Untergrundinformation U modifiziert. Die „Reglergröße“ kann dabei eine beliebige Größe sein, die in einem Regelalgorithmus verwendet wird und mittels der das Regelverhalten beeinflusst werden kann, oder eine Information, aus der sich eine solche Größe ableiten lässt. Die Reglergröße kann beispielsweise eine Sollgröße, wie z.B. eine Soll-Gierrate oder ein Sollschlupf, eine Reglerverstärkung, eine Anregelschwelle bzw. eine die Empfindlichkeit der Regelung bestimmende Größe, eine Stellgröße, wie z.B. ein Bremsdruck, ein Parameter oder eine beliebige andere Größe sein, die für die Regelung von Bedeutung ist.
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Das Fahrzeugstabilisierungssystem VSS kann in unterschiedlicher Art und Weise an den jeweiligen Untergrundmodus angepasst werden. Im Folgenden werden nur einige der Möglichkeiten einer Anpassung exemplarisch dargestellt, wobei die grundsätzlichen Aspekte auf andere Stabilisierungsregelalgorithmen gleichermaßen anwendbar sind.
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4. Anpassung des Fahrdynamikregelungssystems (ESP)
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Die Funktion des Fahrdynamikregelungssystems basiert im wesentlichen auf einer Gierratenregelung eines Gierratenreglers, der einem unterlagerten Schlupfregler Sollwerte in Form von Sollschlupf vorgibt. Der Schlupfregler wird üblicherweise dann aktiviert, wenn die Regelabweichung der Gierrate dψ
ist/dt - dψ
soll/dt einen vorgegebenen Schwellenwert (die sogenannte Anregelschwelle) überschreitet und somit gilt:
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Insbesondere beim Fahren auf weichem Untergrund, wie z.B. Schlamm oder Sand, kann es zu wesentlich größeren Regelabweichungen kommen als in Standardsituationen auf einer Asphaltfahrbahn. Daher kann es zu ungewünschten Anregelungen des Gierratenreglers und entsprechenden Bremseingriffen an den Rädern des Fahrzeugs kommen.
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Zur Vermeidung derartiger Anregelungen wird die Anregelschwelle für Fahrten auf weichem Untergrund angehoben. Für die Anregelschwelle gilt in diesem Fall:
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Dabei ist K1 ein Anhebungsfaktor und „Anregelschwelle0“ die Anregelschwelle in einem Standardmodus, z.B. auf Asphalt.
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Um die Fahrsicherheit bei einer Fehleinstellung der Untergrundmodus-Auswähleinrichtung 1 nicht zu gefährden, wird die Anregelschwelle vorzugsweise nur in einem „sicheren Fahrbetrieb“ an den Untergrundmodus angepasst. Dieser kann z.B. durch Vorgabe einer maximalen Geschwindigkeit und/oder einer maximalen Querbeschleunigung oder einer anderen Fahrdynamikgröße definiert werden. Außerhalb des Bereichs wird die Anregelschwelle vorzugsweise wieder auf den Standardwert Anregelschwelle0 zurückgesetzt.
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Das vorgesagte gilt in gleicher Weise auch für eine Schwimmwinkelregelung.
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Die Anregelschwelle kann auch für Unter- und Übersteuersituationen unterschiedlich eingestellt werden. Dabei gilt beispielsweise:
mit K2,K3>1.
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Das Fahrdynamikregelungssystem 6 umfasst üblicherweise auch einen Differenzbremsmomentenregler, der das Differenzbremsmoment zweier gegenüberliegender Räder einer Achse auf einen maximalen Wert beschränkt. Der Differenzbremsmomentenregler ist üblicherweise inaktiv, wenn das Differenzbremsmoment dem Betrag nach kleiner ist als eine sogenannte „tote Zone“, wobei gilt:
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Die tote Zone wird bei Einstellung eines weichen Untergrunds, wie z.B. Schlamm oder Sand, wiederum aufgeweitet, um unerwünschte Bremseneingriffe zu vermeiden. Dabei gilt:
wobei K4 ein Untergrundmodus abhängiger Multiplikationsfaktor ist.
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Zusätzlich zu den genannten Anpassungen kann auch der Traktionsregler des Systems 6 an den Untergrundmodus angepasst werden. Es ist bekannt, den maximal zulässigen Antriebsschlupf bei starkem Unter- oder Übersteuern des Fahrzeugs abzusenken, um die Seitenführungskraft der Räder möglichst hoch zu halten. Die Antriebsschlupfabsenkung ist dabei üblicherweise eine Funktion eines Übersteuer- und eines Untersteuerindikators und gegebenenfalls weiterer Parameter.
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Der Über- und Untersteuerindikator wird gemäß dem Stand der Technik als eine Funktion der Sollgierrate dψ
soll/dt, der Ist-Gierrate dψ
ist/dt und der Gierratenabweichung dψ
ist/dt - dljψ
soll/dt gebildet, wobei gilt:
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Der Verstärkungsfaktor K5
0 kann z.B. in Abhängigkeit vom Untergrundmodus verändert und damit das Ausmaß der Antriebsschlupfabsenkung eingestellt werden. Dabei gilt:
wobei f(U) eine vom Untergrundmodus abhängige Funktion ist. Der Stabilitätsindikator kann auch in Abhängigkeit von anderen Fahrzustandsgrößen, insbesondere der Fahrzeuggeschwindigkeit v oder der Querbeschleunigung a
y verändert werden. Dabei gilt z.B.:
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Die Verstärkung ist hierbei geschwindigkeits- und querbeschleunigungsabhängig und kann z.B. über Kennlinien dargestellt und implementiert werden.
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5. Anpassung der Traktionsregelung ASR
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In Abhängigkeit vom Untergrund kann es sinnvoll sein, mehr oder weniger Traktionsschlupf zuzulassen, um ein optimales Beschleunigungsverhalten zu erreichen. Der vom Regler eingestellte Sollschlupf λ
soll wird daher Untergrund abhängig modifiziert, wobei gilt:
wobei λsoll
0 ein Standard-Sollschlupf und K6 ein untergrundabhängiger Faktor ist. Der Faktor K6 ist vorzugsweise auch geschwindigkeitsabhängig und kann darüber hinaus von einem Stabilitätsindikator abhängen.
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Voraussetzung für die Manipulation des Sollschlupfes λsoll ist eine ausreichende Fahrzeugstabilität. Befindet sich das Fahrzeug in einem instabilen Zustand, wird der Sollschlupf vorzugsweise auf einen sicheren Wert λsoll0 zurückgeführt. Die Grenzwerte, z.B. für die Fahrzeuggeschwindigkeit v, eine Querbeschleunigung ay oder einen anderen Stabilitätsindikator, die eine Instabilität indizieren, sind vorzugsweise ebenfalls abhängig vom Untergrundmodus. Dadurch kann die Fahrzeugquerdynamik an unterschiedliche Gelände- und Untergrundanforderungen angepasst werden.
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Das ASR-System 7 umfasst üblicherweise auch einen Kardanregler, mit dem das Motormoment geregelt wird. Zur Anpassung des Kardanreglers an unterschiedliche Untergrundbeschaffenheiten kann z.B. die Reglerverstärkung verändert werden. Dadurch wird es möglich, z.B. in einem Geländemodus deutlich schneller einen vorgegebenen Sollschlupf λsoll zu erreichen als im Standardmodus, wodurch ein besseres Beschleunigungsverhalten erzielt werden kann.
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Das System 7 ASR umfasst üblicherweise auch einen Differenzdrehzahlregler (Bremsmomentenregler), der in den Fahrbetrieb eingreift, wenn die Differenzgeschwindigkeit der angetriebenen Räder einen Maximalwert überschreitet bzw. die Ist-Radgeschwindigkeit eines angetriebenen Rades von der aus der Sollschlupfvorgabe errechneten Soll-Radgeschwindigkeit zu stark abweicht und somit gilt:
wobei Δv die Regelabweichung der Radgeschwindigkeit ist. Die Eingriffsschwelle der Bremsmomentenregelung kann wiederum an verschiedene Untergrundeigenschaften angepasst werden. Somit gilt:
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Durch diese Aufweitung der Anregelschwelle kann insbesondere auf losem Untergrund (Schlamm, Sand) ein vortriebshemmender Regeleingriff der Brems- oder Antriebsmomentenregelung verhindert und der Vortrieb in Bezug auf Komfort und Traktion optimiert werden.
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Daneben kann auch die Reglerverstärkung der Bremsmomentenregelung in Abhängigkeit vom Untergrundmodus eingestellt werden. Bei einer Kriechfahrt durch ein Bachbett oder einer Fahrt über felsiges, sehr unebenes Gelände, kommt es häufig zum Abheben oder zu einer starken Entlastung der Räder. Wegen der verminderten oder fehlenden Normalkräfte werden diese Räder sehr schnell beschleunigt. Es ist daher sinnvoll, durch einen vergleichsweise schnelleren Bremsmomentenaufbau am betreffenden Rad dieses Rad schneller wieder einzufangen.
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Es wird daher vorgeschlagen, die Reglerverstärkung an den eingestellten Untergrundmodus anzupassen. Dadurch kann der Bremsmomentenaufbau in bestimmten Untergrundmodi wesentlich beschleunigt werden.
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6. Anpassung eines Reglers zur Verzögerungsunterstützung
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Es ist bekannt, bei extremer Bergabfahrt, einen Zusatzregler einzusetzen, mit dem die Fahrzeuggeschwindigkeit durch automatische Bremseingriffe auf einen Maximalwert (Zielgeschwindigkeit) begrenzt werden kann. Bei sehr rauhem Untergrund, wie z.B. beim Bergabfahren in steinigem Gelände, sollte diese maximale Geschwindigkeit kleiner sein als z.B. bei einer Bergabfahrt auf einer Asphaltstraße. Wenigstens eine der folgenden Parameter des Zusatzreglers wird daher an den eingestellten Untergrundmodus angepasst:
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Die Faktoren K8, K9 und K10 sind dabei eine Funktion des Untergrundmodus.
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Bezugszeichenliste
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- 11
- Untergrundmodus-Auswähleinrichtung
- 12
- Steuergerät
- 13
- Sensorik
- 14
- Aktuatoren
- 15
- Modus-Einleseeinrichtung
- 16
- Fahrdynamikregelungssystem ESP
- 17
- Traktionsregelungssytem ASR
- 18
- Bremsmomentenregelungssystem ABS
- 19
- Fehlerüberwachung
- 20
- Zusätzliche externe Fahrzeugsysteme
- U
- Untergrundinformation
- Stat
- aktueller Status
- ModVerf
- Modusverfügbarkeit