Es war Prof. Wolfram Burgard, der mich auf den Online-KI-Kurs von Sebastian Thrun und Peter Norwig aufmerksam machte. Ursprünglich wollte ich gerne die Vorlesung zur KI an der Uni Freiburg hören. Unglücklicherweise wird diese jedoch nur im Sommersemester angeboten, und das Wintersemester stand bevor. Daher hatte ich die Idee, mir anhand der im Internet vorhandenen Vorlesungsaufzeichnungen den Stoff selbst beizubringen und anschließend die Nachklausur zur Vorlesung des vorhergehenden Semesters mitzuschreiben. Als ich Prof. Burgard von meinem Vorhaben in Kenntnis setzte, erzählte er mir von dem Onlinekurs, den Sebastian Thrun und Peter Norwig anboten.

Begeistert von dieser Gelegenheit registrierte ich mich also für den Onlinekurs. Ich entschied mich für den advanced track, der wöchentliche Hausaufgaben und zwei Klausuren beinhalten würde. Die ersten Wochen war es für mich relativ einfach, da der Stoff sehr Stochastik-lastig war und ich im Semester zuvor bereits eine Vorlesung zur Stochastik besucht hatte. In diesen ersten Wochen lernte ich es daher sehr zu schätzen, dass man in den Videos vorwärts und rückwärts spulen konnte – so konnte ich Teile, die ich nicht zu sehen brauchte, auch einfach überspringen, und wenn ich etwas nicht gleich beim ersten Mal verstand, konnte ich es einfach noch einmal anschauen.

Ein weiterer Vorteil war, dass ich nirgendwo hingehen musste, um dem Kurs beizuwohnen, ich konnte mich einfach zuhause hinsetzen und mir die Vorlesungen weiter ansehen, wann immer ich Zeit und Lust hatte. Die einzige Ausnahme waren die Hausaufgaben, die natürlich in einem gewissen Zeitrahmen eingereicht werden mussten. Abgesehen davon war man aber völlig frei in seiner Zeiteinteilung. Ich musste nicht eine komplette Vorlesung am Stück bearbeiten, wann immer ich Schwierigkeiten hatte, mich zu konzentrieren, konnte ich einfach eine Pause einlegen und später weitermachen. Das war sehr entspannend.

Zwischendrin gab es immer mehr oder weniger einfache quizzes, um zu überprüfen, ob man bis dahin alles verstanden hatte. Das war super, denn so hatte ich nie das Problem, dass sich eine falsche Vorstellung in meinem Gedächtnis festsetzte, ohne dass ich es merkte. Das einzige Problem an den quizzes und auch an den Hausaufgaben war, dass die meisten Fragen multiple choice Fragen waren, manchmal musste man auch eine Zahl als Ergebnis einer Rechnung angeben, beispielsweise eine zu berechnende Wahrscheinlichkeit. Das machte es schwierig, alle Fragen richtig zu beantworten, da man nicht die Möglichkeit hatte, zu erklären, wie man auf das Ergebnis kommt oder wie man die möglichen Antworten versteht. Zusätzlich waren manche Fragestellungen aus meiner Sicht etwas unklar formuliert. Normalerweise stellte das kein Problem dar, da es ein Forum gab, in dem man andere danach fragen konnte, was einem selbst unklar war, und andere Kursteilnehmer konnte ihre Ideen dazu kundgeben. Es ist klar, dass Sebastian Thrun und Peter Norwig nicht alle Fragen selbst beantworten konnten, denn dafür waren es einfach zu viele. Daher war das Forum ein guter Kompromiss. Sie wählten außerdem einige der häufigsten Fragen aus und stellten zusätzliche Videos zu diesen Fragen online, was eine tolle Sache war.

Es gab nur zwei Dinge, die ich dann doch als etwas störend empfand. Erstens war der Server des Öfteren nicht erreichbar. Ich vermute, dass dies daran lag, dass der Kurs ursprünglich nicht für so viele Leute angelegt war. Es kam einige Male vor, dass die Deadline für die Hausaufgaben nach hinten verschoben wurde, weil der Server nicht erreichbar war. Ein paar Mal hatte ich keine Zeit, die Vorlesungen anzuschauen, bevor ich die Hausaufgaben machte, weil der Server offline war, wenn ich Zeit hatte, und wenn er wieder online war, hatte ich keine Zeit mehr.

Das andere was ich als störend empfand, war, dass die Vorlesungs-Videos nicht immer rechtzeitig online waren. Am Anfang hieß es, es würde wöchentlich neue Vorlesungen geben, und sie würden immer am gleichen Wochentag online gestellt werden. Es kam jedoch vor, dass die Videos mit drei Tagen Verspätung online waren, und die Hausaufgaben dennoch zum zuerst angegebenen Termin fertig sein sollten.

Als die Midterm-Klausur näher rückte, wurde uns die Vorgehensweise für die Klausuren erklärt. Sie würden aus mehreren Fragen bestehen, die ähnlich zu den quizzes und den Hausaufgaben sein sollten. Drei Tage hätten wir Zeit, um die Klausur zu bearbeiten, und zwar, wie alles andere auch, im Internet. Etwa eine Woche vor der ersten Klausur hatte Prof. Burgard gute Neuigkeiten für mich: Er erzählte mir, dass er beabsichtige, die Klausur für etwa 50 Studenten zu beaufsichtigen und anschließend einen Schein auszustellen, der die Bemerkung beinhalte, dass ein Bestehen der Klausuren dieses Onlinekurses äquivalent zum Bestehen der Klausur zur Vorlesung KI an der Uni Freiburg sei. Das war für mich natürlich wesentlich bequemer, als die Nachklausur des vorigen Semesters mitzuschreiben, also meldete ich mich sofort an und war eine der ersten auf der Liste von ungefähr 50 Studenten, die diesen Schein – nach dem Bestehen – erhalten würden.

Da ich ohnehin Studentin an der Uni Freiburg bin, half ich Prof. Burgard ein wenig mit der Organisation der Klausur, so setzte ich beispielsweise die Internetseite auf, die auf diese Möglichkeit hinweisen sollte. Alle waren ziemlich überrascht angesichts der Anmeldungszahlen für die beaufsichtigte Klausur. Zu Anfang war Prof. Burgard der Meinung, dass sich niemals auch nur 50 Interessenten melden würden. Da hatte er sich aber geirrt – Leute meldeten sich sogar von Finland oder aus Spanien an, um an der beaufsichtigten Klausur teilzunehmen.

Natürlich würde diese beaufsichtigte Klausur unter strengeren Regulierungen stattfinden als dies für die anderen Teilnehmer der Klausur der Fall war. So hatten wir beispielsweise nur drei Stunden statt drei Tage Zeit, um die Klausur zu bearbeiten, und mussten sie in einer beaufsichtigten Umgebung ablegen, ohne andere Leute um ihre Meinung fragen zu können.

Dennoch waren die Ergebnisse der Midterm-Klausur ziemlich gut, und so konnte der zweite Teil des Kurses beginnen. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass die zweite Hälfte wesentlich schneller vorbeiging als die erste – vielleicht, weil sie zum Großteil im Dezember stattfand, die Abschlussklausur wurde kurz vor Weihnachten abgelegt, und in dieser Zeit hat man nunmal oft andere Sachen im Kopf.

Vielleicht lag es aber auch an den – zumindest für mich – spannenderen Themen. Statt der Stochastik wurden jetzt mehr Anwendungen vorgestellt. In einer Vorlesung ging es zum Beispiel um eines von Sebastian Thruns Projekten, den DARPA Grand Challenge, und „sein“ autonomes Auto, genannt Stan. Die Abschlussklausur fand in sehr ähnlicher Form wie die Midterm-Klausur statt, und schien mir etwas entspannter abzulaufen, vielleicht weil im Vorfeld nicht so viel Organisation nötig war.

Nach Ende des Kurses erhielt jeder (zumindest im advanced track) eine Mail von Sebastian Thrun und Peter Norwig mit einem Statement of Accomplishment in Form eines signierten PDF-Dokuments. Außerdem erhielten fast alle Teilnehmer der beaufsichtigten Klausur einen Schein über deren Bestehen, und viele Universitäten, wie beispielsweise die Uni Freiburg, erkannten diesen auch an und rechneten den Absolventen des Kurses die 6 ECTS-Punkte an – entsprechend der an der Uni Freiburg für das erfolgreiche Bestehen des KI-Kurses ausgeschriebenen Punktzahl, wie auch auf dem Schein vermerkt war. Zusätzlich gab es einen Glückwunsch-Brief vom AI Exam Team Freiburg zum erfolgreichen Bestehen.

Rückblickend hat mir der Kurs sehr viel Spaß gemacht, und vielleicht habe ich einen Einblick gewonnen, wie Bildungsarbeit in Zukunft aussehen könnte – Onlinekurse, Diskussionsforen, Video-Vorlesungen, usw. Für mich war das eine gute Sache, da es mir dadurch möglich war, meine Zeit frei einzuteilen und ich die Vorlesungen hören konnte, wann ich Lust darauf hatte, und nicht, wenn sie vorgesehen waren.

Etwas merkwürdig im Vergleich zu „normalen“ Vorlesungen war, dass man keinen Sitznachbarn hatte, den man zwischendrin etwas fragen konnte, wenn man etwas nicht verstanden hatte. Natürlich konnte man einfach zurückspulen und sich das Video noch einmal anschauen, aber eine zweite Meinung oder einfach eine andere Formulierung helfen mir oft mehr, als eine Wiederholung zu sehen oder zu hören.

Alles in allem bin ich Sebastian Thrun und Peter Norwig dankbar, dass sie diesen Kurs für die ganze Welt zugänglich gemacht haben. Mein persönlicher Dank geht natürlich auch an Prof. Burgard, für das Angebot, die Klausur zu beaufsichtigen, womit er mir und vielen anderen die Möglichkeit gab, einen „echten“ Schein zu erhalten.