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Paradies (Architektur)

Bauteil mittelalterlicher Kirchen

Das Paradies (Paradiesvorhalle) bezeichnet in der Architektur bestimmte Vorhallen an mittelalterlichen Kirchen.

Paradiesvorhalle am Lübecker Dom

Begriff, geschichtliche Entwicklung

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Die Bezeichnung Paradies geht auf den Gottesgarten Eden zurück. Im architektonischen Zusammenhang taucht der Begriff zunächst im persischen Wort paradaiza auf und bedeutet umzäunter, geweihter, heiliger Bezirk.[1] Vermutlich haben schon orientalische Tempelhöfe diesen Namen getragen.[1] Spätestens seit dem 7. Jahrhundert wurde das einer Kirche westlich vorgelagerte Atrium gleichbedeutend als Paradies bezeichnet.[1] Im 8. /9. Jahrhundert ist die Bezeichnung Paradies für Atrium durch den Liber Pontificalis und den St. Galler Klosterplan als plana paradisi und campus paradisiacus bezeugt. Bauweise und Funktion waren vielfältig. Frühe Anlagen hatten die Form atriumartiger Vorhöfe (so noch Maria Laach, 13. Jahrhundert). Sie dienten für Prozessionen, als Bestattungsort und boten Asylsuchenden einen Zufluchtsort.

 
Die Gottesmutter vor der geöffneten Paradiespforte (Tafelgemälde um 1450, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe)

Zusätzlich zum Atrium werden als Paradies bezeichnet auch die dreischiffigen Vorkirchen der burgundischen Cluniazenserkirchen Burgund Cluny III (1135), Paray-le-Monial (11. Jahrhundert) und die dreiteiligen, ein Joch tiefen Vorhallen der Zisterzienserkirchen (Pontigny, gegen 1170; Maulbronn, Ende 12. Jahrhundert) sowie ähnliche Vorhallen an Domen (Mainz, Straßburg, Merseburg, Fritzlar), die liturgischen Prozessionen dienten.[2] Das zugehörige Westportal der Kirchen wird entsprechend auch Paradiespforte genannt.[2]

In gotischer Zeit entstanden Paradiesvorhallen auch vor den Eingängen an den Langhausseiten von Kirchen, wo sie bevorzugt zu Marienportalen führten (Dome in Magdeburg, Münster, Paderborn, Lübeck, Hildesheim). Manche werden bis heute als Brautportale bezeichnet, was auf den Ort der kirchlichen Eheschließung zurückgeht, wozu Vorhallen bis zur Reformation und zum Teil darüber hinaus genutzt wurden.

Nachmittelalterlich wurde, vor allem an kleineren Kirchen, statt der Paradiesvorhalle nur ein kleines, mit Satteldach gedecktes Brauthaus vor den Eingang gesetzt.

Das Grimmsche Wörterbuch beschrieb Funktion und Wortherkunft 1886 so: der zuweilen mit gartenanlagen versehene (auch zum begräbnisplatz der geistlichen dienende) vorhof einer kirche sowie der klostergarten und der begräbnisplatz für die klostergeistlichen hiesz mlat. paradisus und darnach deutsch paradies.[3]

Siehe auch

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Die architektonische Bezeichnung „Paradies“ überschneidet sich mit den Begriffen Atrium, Narthex und Galiläa:

  • Atrium ist die Bezeichnung für einen der Kirche im Westen vorgelagerten, mit einem Säulengang umschlossenen Hof.
  • Narthex bezeichnet eine westliche Vorhalle, vor allem in byzantinischen und frühchristlichen Kirchen. Ein Narthex kann geschlossen sein.
  • Galiläa ist ein Name für die Vorhalle einer romanischen Kirche in Frankreich (galilée) und England (galilee); Beispiele: Vezelay, Tournus, Lincoln.

Sonstiges

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Als Paradies wurde spottweise auch die oberste Galerie im Zuschauerraum eines Theaters bezeichnet.[4][5]

Literatur

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  • Jürgen Krüger: Paradies. VI. Architektur. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 7. Herder, Freiburg im Breisgau 1998, Sp. 1364.
  • Ludwig Joutz: Der mittelalterliche Kirchenvorhof in Deutschland. Berlin 1936.
  • Hans Reinhardt: Atrium, Paradies (Vorhof), Galilaea (Vorkirche), Vestibulum (Narthex, Vorhalle). In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Band 1, 1937, Sp. 1197–1205 (RDK Labor [abgerufen am 29. September 2024]).

Einzelnachweise

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  1. a b c Hans Reinhardt: Atrium, Paradies (Vorhof), Galilaea (Vorkirche), Vestibulum (Narthex, Vorhalle). In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 1, 1937, Sp. 1197–1205. (Abschrift)
  2. a b Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 29. September 2024), S. 353: Paradies.
  3. paradies, n. In: dwds.de (Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)). Abgerufen am 29. September 2024 (Abschnitt 3b).
  4. Oscar Mothes: Illustrirtes Bau-Lexikon, Band 3: H bis P. Leipzig 1883, S. 501: Paradies. (Digitalisat)
  5. Barbara Denscher: Ein Juchee im Paradies? In: flaneurin.at. 7. März 2023, abgerufen am 29. September 2024.