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August Hermann Francke

deutscher Theologe und Pädagoge

August Hermann Francke (* 12. Märzjul. / 22. März 1663greg. in Lübeck; † 8. Juni 1727 in Halle an der Saale) war ein deutscher evangelischer Theologe, Pfarrer, Pädagoge und Kirchenlieddichter. Er war einer der Hauptvertreter des Halleschen Pietismus und gründete im Jahr 1698 die bis heute bestehenden Franckeschen Stiftungen.

August Hermann Francke
 
Zensuren der Selecta des Gymnasiums in Gotha 1677; August Hermann Francke steht als mit Abstand Jüngster ganz unten.
 
Gedenktafel am Logenhaus
 
Logenhaus in Lübeck; an dieser Stelle stand Franckes Geburtshaus

Francke wurde als Sohn des Juristen und letzten Syndikus des Domkapitels am Ratzeburger Dom Johann Francke und dessen Frau Anna Gloxin (25. Juli 1635–1709), Tochter des Lübecker Bürgermeisters David Gloxin († 26. Februar 1671), auf dem umfangreichen Besitz seines Großvaters rund um dessen Palais Brömserhof geboren. Heute steht an der vermuteten Stelle das Logenhaus. Zu seinen Paten gehörte Sibylle Hedwig von Sachsen-Lauenburg, nach deren Vater Herzog August er den Namen August erhielt, sowie der Lübecker Bürgermeister Hermann von Dorne, der ihm den zweiten Vornamen gab.[1] Er hatte acht Geschwister. 1666 wurde sein Vater Hof- und Justizrat des Herzogs Ernst des Frommen, und die Familie zog nach Gotha. Dort starb der Vater am 30. April 1670. August Hermann wurde durch Privatlehrer ausgebildet, besuchte 1676/77 für ein Jahr das Gymnasium Illustre und wurde dann zwei weitere Jahre privat auf ein Hochschulstudium vorbereitet.

Ostern 1679 begann er an der Universität Erfurt bei Conrad Rudolph Hertz ein philosophisches Grundstudium, machte sich mit der griechischen Sprache vertraut und legte die Anfangsgründe eines theologischen Studiums. Sein Onkel Anton Heinrich Gloxin verschaffte ihm das großzügige Schabbel-Stipendium, womit er im Herbst 1679 ein Studium an der Universität Kiel bei Christian Kortholt d. Ä. fortsetzen konnte. 1682 hielt er sich zwei Monate in Hamburg bei Esdras Edzardus auf und kehrte nach Gotha zurück. In Gotha betrieb er anderthalb Jahre ein Selbststudium, studierte ab Ostern 1684 an der Universität Leipzig und wurde Schüler von Adam Rechenberg, Johannes Olearius und Johannes Cyprian.

Nach kurzem Aufenthalt 1685 an der Universität Wittenberg erlangte er im selben Jahr in Leipzig mit einer Disputation über die hebräische Grammatik den akademischen Grad eines Magisters der Philosophie, habilitierte sich an der Leipziger Hochschule und hielt erste Predigten an der Leipziger Paulinerkirche. 1686 gründete er mit Paul Anton das Collegium philobiblicum, einen Verein von Magistern zur regelmäßigen Übung in der damals in hohem Grade auf den Universitäten vernachlässigten Exegese sowohl des Alten als auch des Neuen Testamentes. Dabei lernte er Philipp Jacob Spener kennen, der auf ihn maßgeblichen Einfluss ausübte.

1701 wurde er als auswärtiges Mitglied in die Königlich Preußische Sozietät der Wissenschaften aufgenommen.[2]

Bekehrung

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1687 erlebte er seine mit Glaubenskrise und Neuanfang verbundene Bekehrung. Nachdem er als Wegbereiter des Pietismus zunächst in Leipzig, dann in Erfurt – jeweils von Unruhen und Ausweisungen begleitet – für Aufsehen gesorgt hatte, wurde er an der Theologischen Fakultät der Universität Halle Professor für Griechisch und Orientalische Sprachen, später (1698[3]) für Theologie. Auch hier sorgte sein Auftreten für heftige Auseinandersetzungen mit der lutherischen Orthodoxie. 1692 bis 1715 war Francke Pfarrer der St.-Georgen-Kirche in Halles Vorstadt Glaucha. Kontakte zu maßgeblichen Persönlichkeiten (Carl Hildebrand von Canstein, dem Militär, bis hin zum preußischen Herrscherhaus) ermöglichten ihm schließlich 1715 eine Berufung in die Stadt, wo er 1715 bis 1727 Pfarrer der St.-Ulrich-Kirche war. Zeitgenossen rühmten Franckes Redekunst. Der wohlbegabte und geistreiche Herr Francke zu Halle hat durch seine holdseelige Deutlichkeit im Lehren und Predigen die Gemüther der Menschen an sich gezogen.[4]

Stiftungen

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Franckesche Stiftungen in Halle, 1749

Die Begründung der Franckeschen Stiftungen in Halle stellt sein eigentliches Lebenswerk dar. 1695 begann Francke Kinder in seiner Gemeinde Glaucha zu unterrichten und zu versorgen. Am 18. September 1698 wurde der Grundstein für ein neues Waisenhaus gelegt und innerhalb von 30 Jahren entstanden Schul- und Wohngebäude, Werkstätten, Gärten und eine Apotheke. In insgesamt 50-jähriger Bautätigkeit wuchs eine Schulstadt heran, in der bis zu 2.500 Menschen lebten und an der Konzeption einer christlich inspirierten Gesellschaftsreform arbeiteten. Im Jahr 1708 projektierte Francke zudem einen notwendigen Krankenhausneubau. In seinen Instruktionen Regeln für die Pflege- oder Krancken-Mutter legte Francke seine Vorstellungen von den Aufgaben der Pflegekräfte dar, die im frühen 18. Jahrhundert richtungsweisend wurden.[5] Für Francke war das Gleichnis von der Fußwaschung Jesu aus dem Johannesevangelium (Joh. 13) vorbildhafte und paradigmatische Grundlage für die Tätigkeit von Kranken- und Pflegediakonissen.[6]

Im Februar und März 1718 war Francke in der Residenzstadt Ansbach, wo er predigte, Unterredungen am Hofe hatte und sich unter anderem mit der Oberhofmeisterin von Neuhaus, der Stifterin eines Witwenhauses, sowie der Hofdame von Kniestädt und der schlesischen evangelischen Exulantin Anna Magdalena von Reibnitz, geb. von Pusch (* 1664; † nach 1742), traf.[7]

Francke, von dessen Schulen aus viele Schullehrerstellen und Pfarrämter mit seinen Schülern besetzt wurden und der daher auch „Seelsorger Deutschlands“[8] genannt wurde, war zunächst auf direkte Spenden für sein Unternehmen angewiesen, vermochte aber durch schriftstellerische Tätigkeit, anstaltseigene Betriebe, fiskalische Privilegien etc. die Einkünfte zu steigern. In seinem halleschen Unternehmen sah Francke einen Anfang für eine weltweite „Generalreformation“, die er insbesondere durch die Dänisch-Hallesche Mission und die Cansteinsche Bibelanstalt zu fördern suchte. Am Portal des Haupthauses seiner Stiftungen ließ er Jes 40,31 LUT aufmeißeln: „Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler“. Darüber findet sich eine Abbildung von zwei zur Sonne auffliegenden Adlern, die zum bildlichen Symbol der Franckeschen Stiftungen wurden.

 
Grab in Halle

August Hermann Francke starb am 8. Juni 1727 im Alter von 64 Jahren in Halle. Sein Grab und das seiner Familie befinden sich auf dem Stadtgottesacker in Halle.

Nachwirkung

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Franckedenkmal in Halle
 
4+2 Pf-Zuschlagsmarke der Bundespost (1953) aus der Serie Helfer der Menschheit

Der Francke-Schüler Johann Julius Hecker gründete 1747 in Berlin die erste praxisorientierte Realschule, war 1748 Begründer des ersten preußischen Lehrerseminars und bereitete das Generallandschulreglement vom 12. August 1763 maßgeblich vor. Das Reglement bildete die Grundlage für die Entwicklung des preußischen Volksschulwesens.

Nach August Hermann Francke wurde die 1746 eingeweihte Augustus Lutheran Church in Trappe, Pennsylvania benannt.

August Hermann Niemeyer wird bis heute als zweiter Gründer der Franckeschen Stiftungen genannt.

Am 5. Dezember 1829 wurde in Halle das Franckedenkmal des Bildhauers Christian Daniel Rauch enthüllt.

Der Verlag der Francke-Buchhandlung in Marburg nennt August Hermann Francke als seinen Namensgeber.

Viele evangelische Schulen in Mittel- und Norddeutschland tragen seinen Namen: der Christliche Schulverein Lippe e. V. hat seine acht Schulen verschiedener Schulformen in Detmold, Lage und Lemgo nach ihm benannt, ebenso die sechs Schulen und drei Kitas des Hamburger Trägers „Freie Christliche Bekenntnisschule Hamburg e.V.“, die christlichen Schulverbünde in Gießen und Buchholz/Nordheide und die evangelische Grundschule in Leipzig.

Die Stadt Gotha benannte die Franckestraße im Osten der Stadt nach dem Pädagogen.

Privatbibliothek

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August Hermann Francke war nicht nur Benutzer der „Bibliothek des Waisenhauses“, die den Hauptteil der heutigen Bibliothek der Franckeschen Stiftungen ausmacht, sondern besaß selbst eine umfangreiche Privatbibliothek, über die erst seit 2001 Näheres bekannt geworden ist. Ein großer Teil von ihr ging als Erbe an Franckes Sohn Gotthilf August Francke und wurde zusammen mit dessen Privatbibliothek 1770 in Halle an der Saale versteigert.[9]

 
Anna Magdalena Francke, geb. von Wurmb (1670–1734)

Francke heiratete am 4. Juni 1694 in Rammelburg Anna Magdalena von Wurmb (1670–1734), die Tochter des Erbherrn auf Hopperode Otto Heinrich von Wurmb (1631–1676) und dessen Frau Sidonia, geb. von Bila († 1693). Ihre Brüder sträubten sich gegen die Verbindung, da Francke nicht dem Stand ihrer Schwester entsprach. Anna Magdalena unterstützte und verteidigte ihren Mann bei seinem religiösen Wirken. Sie pflegte ihn aufopferungsvoll in seinen letzten Krankheitsjahren.[10] Aus der 33-jährigen Ehe gingen eine Tochter und zwei Söhne hervor:

  • August Gottlieb Francke (*/† 1695)
  • Gotthilf August Francke (1696–1769), Theologe, ⚭ 1722 mit Johanna Henriette Rachals, Tochter des sächsischen Kammerherrn Johann Georg Rachals und Henriette Rosine Rachals, geb. Bose (12.07.1680–30.06.1749 in Halle (Saale)), nach Rachals Tod in zweiter Ehe mit dem Leipziger Stadtrichter, Ratsherr und Bibliothekar Gottfried Christian Goetze[11][12]
  • Johanna Sophia Anastasia Francke (1697–1771), verheiratet mit Johann Anastasius Freylinghausen

Gedenktag

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8. Juni im Evangelischen Namenkalender.[13]

Kommentierte Ausgabe des von Francke eigenhändig aufgesetzten Lebenslaufs bis zu seiner Bekehrung (1687):

  • Lebensläufe August Hermann Franckes. Autobiographie und Biographie. Hrsg., kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Markus Matthias. 2., überarb. Aufl. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2016 (Edition Pietismustexte, Bd. 9), ISBN 978-3-374-04530-3 (Digitalisat).

Franckes Reform- und Programmschrift des Halleschen Pietismus (1704):

  • August Hermann Franckes Schrift über eine Reform des Erziehungs- und Bildungswesens als Ausgangspunkt einer geistlichen und sozialen Neuordnung der Evangelischen Kirche des 18. Jahrhunderts. Der Grosse Aufsatz. Mit einer quellenkundlichen Einführung hrsg. von Otto Podczeck. Akademie Verlag, Berlin 1962 (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Klasse, Bd. 53, H. 3) (Digitalisat).

Franckes Vorlesung über den Konflikt an der Universität Halle zwischen der Theologischen Fakultät und dem Philosophen Christian Wolff (1723):

  • August Hermann Francke über den Streit mit Christian Wolff. Die paränetische Vorlesung vom 18. November 1723. Einführung von Stefan Borchers. Franckesche Stiftungen, Halle 2022 (Kleine Texte der Franckeschen Stiftungen, H. 22), ISBN 978-3-939922-74-2.

Ein unvollendetes Buchprojekt Franckes (1716):

  • Exzess und Bußkampf. August Hermann Franckes ‚Weitere Nachricht‘ über den ‚Casus tragicus‘ im Wirtshaus Zum Grünen Hofe. 1716. Einführung von Stefan Borchers. Franckesche Stiftungen, Halle 2024 (Kleine Texte der Franckeschen Stiftungen, H. 24), ISBN 978-3-939922-77-3.

Literatur

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Wikisource: August Hermann Francke – Quellen und Volltexte
Commons: August Hermann Francke – Sammlung von Bildern und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Eduard Hach: Aug. Herm. Francke’s Geburtshaus. in: Lübeckische Blätter, 1896, S. 370–372
  2. Mitglieder der Vorgängerakademien. August Hermann Francke. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 24. März 2015.
  3. Michael Sachs: Die Flucht der evangelischen Frau Anna Magdalena von Reibnitz (1664–~1745) mit ihren von der Zwangskatholisierung bedrohten fünf Kindern aus Schlesien im Jahre 1703 – ein Stimmungsbild aus dem Zeitalter der Gegenreformation und des Pietismus. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016), S. 221–263, hier: S. 227.
  4. Johann Gottfried Gregorii alias Melissantes: Curieuser AFFECTen-Spiegel, Frankfurt am Main, Leipzig [und Arnstadt] 1715, S. 389.
  5. Horst-Peter Wolff: August Hermann Francke. In: Horst-Peter Wolff (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte „Who was who in nursing history“. Ullstein Mosby, Wiesbaden / Berlin 1997, S. 55.
  6. Christine R. Auer: Geschichte der Pflegeberufe als Fach. Die Curricular-Entwicklung in der pflegerischen Aus- und Weiterbildung. Dissertation, Institut für Geschichte der Medizin Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, akademischer Betreuer Wolfgang U. Eckart. Heidelberg 2008, S. 122–126. Zusammenfassung/Summary: Geschichte Pflegeberufe als Fach (PDF)
  7. Michael Sachs: Die Flucht der evangelischen Frau Anna Magdalena von Reibnitz (1664–~1745) mit ihren von der Zwangskatholisierung bedrohten fünf Kindern aus Schlesien im Jahre 1703 – ein Stimmungsbild aus dem Zeitalter der Gegenreformation und des Pietismus. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016), S. 221–263, hier: S. 232 und 258.
  8. Michael Sachs (2015), S. 227 f.
  9. Auktionskatalog: Catalogus Libros Continens Ex Vario Artium Disciplinarumque Genere Selectos Potissimum Theologicos Quibus B. D. Gotth. Aug. Franckius … Dum Viveret Usus Est Qui D. XXIV. Sept. MDCCLXX In Orphanotropheo Glauchensi Plus Licitantibus Divendentur. Hundt, Halle 1770 (Digitalisat); Virtuelle Rekonstruktion nach dem Katalog.
  10. Antonius Lux (Hrsg.): Große Frauen der Weltgeschichte. Tausend Biographien in Wort und Bild. Sebastian Lux Verlag, München 1963, S. 171.
  11. 60 Titles for Goetze, Henriette Rosine. In: Frankesche Stiftung. Abgerufen am 29. Juli 2024.
  12. Henriette Rosine Goetze, Gottfried Christian Goetze, Emanuel Schneider, Georg Friedrich Weise, Johann Heinrich Grischow, Johann Michael Witte, Sebastian Andreas Fabricius: Als die Hochedelgeborne Frau, Frau Henriette Rosine, geborne Bosin, des ... D. Christian Gottfried Götzens ... Stadt-Richters zu Leipzig ... Witwe, Am 30sten Junii 1749. ... selig verstorben, Wolten ihre hertzliche Theilnehmung und schuldigstes Beyleid wohlmeinend bezeugen Jnnenbenannte. Schneider, 1749 (uni-halle.de [abgerufen am 13. August 2024]).
  13. Frieder Schulz: Das Gedächtnis der Zeugen – Vorgeschichte, Gestaltung und Bedeutung des Evangelischen Namenkalenders. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie, Band 19. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1975, S. 69–104, Namenliste S. 93–104 (Digitalisat)
VorgängerAmtNachfolger
(Gründung des Waisenhauses 1698)Direktor der Franckeschen Anstalten
1698–1727
Johann Anastasius Freylinghausen