Rudeltaktik

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Rudeltaktik (auch Wolfsrudeltaktik) war eine Taktik deutscher U-Boote im Zweiten Weltkrieg. Die alternative Benennung Wolfsrudeltaktik leitet sich von dem englischen Begriff „wolfpack“ ab. Die Briten benutzten den Begriff nach deutschen U-Boot-Angriffen; im Pazifik führte die US-Marine 1943 wolf packs von jeweils drei Booten hauptsächlich für den Tonnagekrieg ein.[1]

Die während des Ersten Weltkriegs im Mittelmeer eingesetzten deutschen U-Boote gingen in den letzten Kriegsmonaten dazu über, feindliche Konvois nicht mehr einzeln, sondern im Verband anzugreifen. Das war die Reaktion auf die, durch die technische Entwicklung ermöglichten, verstärkten Patrouillenflüge des Gegners, mit denen die Schifffahrtswege gesichert wurden.[2] Einer der im Mittelmeer operierenden deutschen U-Bootkommandanten war der damals 23-jährige Karl Dönitz, Kommandant von UB 68, einem U-Boot vom Typ UB II. Die hierbei vom späteren Befehlshaber der U-Boote und Großadmiral gemachten Erfahrungen wurden die Grundlage für seine Einführung der Rudeltaktik[3] in der sich ab 1935 entwickelnden neuen U-Bootwaffe, deren Befehlshaber er im Jahr 1936 wurde. Otto Ciliax, ein Crewkamerad Dönitz’, kritisierte die Rudeltaktik diesem gegenüber bereits vor deren Etablierung als zu anfällig, da ihr Funktionieren „zu stark vom Funkverkehr“ abhinge.[4] Durch erste Übungen in der Nordsee, bei denen sich insbesondere Günther Prien hervortat, fühlte sich Dönitz jedoch in seinen Einschätzungen bestätigt.

Das frühe Geleitzugsystem

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Bereits am 26. August 1939 – also schon vor Beginn der offenen Feindseligkeiten – hatte die britische Admiralität die gesamte britische Handelsschifffahrt unter ihren Befehl gestellt. Direkt nach der Versenkung der Athenia etablierten die Alliierten im Nordatlantik ein Geleitzugsystem, das die Versorgung der britischen Inseln sicherstellen sollte.

  • HX- und SC-Konvois fuhren von Nova Scotia nach Großbritannien.
  • OA- und OB-Konvois gingen von dort aus zurück nach Nordamerika.
  • SL-Konvois wurden vor Sierra Leone zusammengestellt und gingen nach Großbritannien.
  • HG-Konvois entsprechend von Gibraltar aus.
  • OG-Konvois von Großbritannien nach dort zurück.

Die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges hatten gezeigt, dass deutsche U-Boote die eigentliche Gefahr für diese Geleitzüge darstellten. Die britische Marine hatte daher über hundert ihrer Schiffe mit U-Boot-Ortungssystemen (vgl. ASDIC) ausgerüstet. In den ersten Kriegsjahren standen zunächst wenige Schiffe als Geleitschiffe zur Verfügung – oft wurde diese Aufgabe von hastig umgerüsteten Fischtrawlern übernommen.[5]

Erste Erfahrungen

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Im Oktober 1939 kam die Rudeltaktik erstmals zum Einsatz. Zu diesem Zeitpunkt operierten sechs Boote im Nordatlantik: jeweils drei Boote der U-Boot-Klasse VII B und der U-Boot-Klasse IX. Die Boote sollten den Geleitzug KJF 3 attackieren, der vor Kingston zusammengestellt worden war. Zwei Boote gingen bereits verloren, bevor der Konvoi aufgespürt wurde: U 42 wurde im Anschluss an ein Feuergefecht mit dem Handelsschiff Stonepool von zwei zu Hilfe gerufenen Zerstörern versenkt und U 40 sank in einem Minenfeld im Englischen Kanal. Von den verbliebenen vier Booten nahmen U 45, U 48 und U 37 das Gefecht mit den Schiffen des Geleitzugs auf, die durch keine Geleitschiffe geschützt waren, und versenkten mehrere Frachter. Dem vierten Boot, U 46, gelang es nicht, KJF 3 aufzuspüren. Aus den Erfahrungen dieses erstmaligen Versuchs resultierte die konzeptionelle Anweisung, dass das erste Boot, das den Gegner aufspürt, nicht unmittelbar angreifen, sondern abwarten soll, bis weitere Boote durch Signale herangeführt worden sind.[6]

Hauptziel der Rudeltaktik war es, den gemeinsamen Einsatz mehrerer U-Boote am Feind zu ermöglichen. Dem lag das grundsätzliche taktische Bestreben zugrunde, dem Gegner am Ort des Gefechts überlegen zu sein. Daher war der ideale Zeitpunkt für einen solchen gemeinsamen Angriff auch die Nacht; denn dann waren die U-Boote, insbesondere aufgrund ihrer niedrigen Silhouette, die bei ausreichender Entfernung der Fahrzeuge unterhalb des Horizonts lag, vom Gegner nur schwer zu erkennen.

Initiiert wurde der gemeinsame Einsatz durch eines der U-Boote, das den Gegner – idealerweise mehrere potentielle Ziele – entdeckte, doch noch nicht attackierte, sondern zunächst weitere Boote heranführte. Eine U-Bootgruppe, die nach der Rudeltaktik operieren sollte, konnte dabei auf zweierlei Weise entstehen. Zum einen konnten aufgrund einer Meldung eines patrouillierenden Bootes oder Flugzeugs mehrere U-Boote in das jeweilige Seegebiet beordert werden. Weitaus häufiger jedoch wurden solche U-Bootgruppen „am grünen Tisch“ als Reaktion auf die nachrichtendienstlich, z. B. durch den Marinenachrichtendienst, erhaltene Meldung eines Geleitzugs zusammengestellt und anschließend zu der entsprechenden Position befohlen.

Im Falle einer solchen U-Bootgruppe bildeten die einzelnen Boote zunächst, jeweils ca. 15 km voneinander entfernt, ein „Suchfeld“ bzw. einen „Suchstreifen“. Hatte eines der U-Boot einen Geleitzug gesichtet, meldete es diesen anschließend mit einem aus 20 Zeichen bestehenden Kurzsignal, das neben Wetter, Standort, Kurs, Geschwindigkeit, Schiffsanzahl und Geleitsicherung des Konvois auch über die verfügbare Brennstoffmenge des meldenden Bootes informierte, den anderen Booten der Gruppe und gab diese Meldung von nun an alle zwei Stunden ab, um so den Kontakt zu den weiteren auf den Geleitzug zulaufenden U-Booten zu halten (d. h. sie „heranzuführen“).

Weiteres Vorgehen

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Während der „Suchstreifen“ ggf. noch sehr auseinandergezogen war, kamen vor dem eigentlichen Gefecht möglichst viele U-Boote um einen Geleitzug zusammen, wobei es optimal war, wenn das mittlere Boot des „Suchfeldes“ hierbei die Sichtung übernahm. Die anschließenden Angriffe der einzelnen U-Boote des Rudels dagegen erfolgten nur noch teilweise organisiert – die einzige „Organisation“ der Angriffe bestand also im Wesentlichen darin, die anderen U-Boote durch den Fühlungshalter „herangeführt“ zu haben, wobei dieser den übrigen Booten durch sein Aussenden von Peilsignalen außerdem die Position angab, von der aus anschließend alle gemeinsam die Schlacht eröffneten.

Nächtliches Auftauchen und Angriff

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Die Angriffe selbst erfolgten dabei in der ersten Zeit meist nachts und über Wasser, da die U-Boote zu dieser Tageszeit für die Bewacher der Konvois (z. B. Zerstörer) ohne deren erst später verfügbares Radar fast unsichtbar waren: Die alliierten Schiffe besaßen zwar mit dem ASDIC bereits ein Gerät, das die Ortung eines getauchten U-Boots bis zu einer Entfernung von 1500 Metern ermöglichte – aufgetaucht fahrende U-Boote jedoch vermochte es nicht zu erfassen.[7]

Bis zum Sommer 1940 standen der U-Bootführung im Atlantik zu wenige U-Boote zur Verfügung, um die Geleitzüge der Alliierten nach den Prinzipien der Rudeltaktik anzugreifen. Weniger der verstärkte Neubau als die Eroberung der französischen Atlantikhäfen ermöglichte die Aufstellung der ersten U-Bootgruppen, die nach der Rudeltaktik operieren konnten.[8] Als dementsprechend im Herbst 1940 die ersten U-Bootgruppen Konvois attackierten, stiegen die Versenkungsziffern an. Im August hatten die einzeln operierenden Boote insgesamt 267.618 BRT versenkt. Der Einsatz koordinierter U-Bootgruppen bei vier Geleitzugschlachten steigerte die Erfolge im September auf 295.335 BRT und im Oktober auf 352.407 BRT.[9] Gleichzeitig gingen lediglich zwei deutsche U-Boote verloren, davon eines – U 57 – ohne Feindeinwirkung bei einer Kollision vor der Brunsbütteler Schleuse.

Gegenmaßnahmen

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Als Reaktion auf eine U-Bootsichtung wurden üblicherweise mehrere Geleitfahrzeuge auf die Jagd nach dem U-Boot geschickt, während welcher sich diese viele Meilen vom Konvoi entfernten. Wenn der Geleitzug in dieser Zeit – wegen vermuteter oder gar tatsächlicher U-Bootangriffe – einen Kurswechsel vornahm, konnte es dazu kommen, dass die Geleitschützer ihre „Herde“ zunächst einmal gar nicht wiederfanden. Als Reaktion auf die Rudeltaktik stellte die britische Admiralität Verbände auf, die im gemeinsamen Vorgehen gegen U-Boote trainiert wurden. Diese sogenannten Escort-Groups übten den Geleitschutz vor den Küsten Schottlands und Irlands und ihre Offiziere wurden in einer eigens in Liverpool gegründeten Schule in den entsprechenden Taktiken ausgebildet.[10]

Die Rudeltaktik war die konsequente Antwort auf die Taktik der Geleitzugbildung. Der massive Einsatz der U-Boote wurde auf alliierter Seite durch technische Weiterentwicklungen und die entschlüsselten Enigma-Codes im Laufe des Zweiten Weltkrieges letztlich aufgewogen, was sich in massiven Verlustzahlen bei den U-Booten niederschlug und in (vergleichsweise) niedrigen Verlusten an Handelsschiffen ab Mai 1943.

Die Rudeltaktik verlor an Bedeutung, als Ende 1942 das Radar (beim Bomber zunächst kombiniert mit dem Leigh light) und das Sonar (ASDIC etc.) auf der englischen Seite ausgereift war und immer erfolgreicher eingesetzt werden konnte. Mit Einführung des HFDF-Funkpeilgerätes Huff-Duff durch die Alliierten wurde die Aufgabe für das Fühlung haltende Boot extrem gefährlich bis undurchführbar. Trotzdem gab es bis zum Mai 1943 noch mehrere Geleitzugschlachten, die trotz hoher U-Bootverluste als deutsche Siege angesehen werden können. Danach stand der Krieg für die U-Boot-Waffe strategisch verloren, und sie konnte nur noch sporadische Erfolge erzielen. Die Deutschen versuchten ein Gegensteuern mit weiterführender U-Boot-Entwicklung (beispielsweise Schnorchel, zielsuchender Torpedo, leise Boote, Batteriekapazität (insbesondere U-Boot-Klasse XXI), Tarnbeschichtung Alberich), konnten jedoch die Atlantikschlacht nicht mehr zu ihren Gunsten wenden. Teils kam noch das Kriegsende dem Einsatz zuvor.

Zitate zur Rudeltaktik

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„Das ist der Sinn der berühmten Rudeltaktik, die jedoch nicht dahin auszulegen ist, daß unter einheitlicher Leitung im geschlossenen Verband operiert wird. Die Gemeinsamkeit beruht ausschließlich auf Heranführen von noch abseits stehenden Kampfmitteln. Einmal am Geleitzug, handelt jedes Boot selbständig. So ist es möglich, in tagelang andauernden Atlantikschlachten Konvois von 50 und mehr Schiffen völlig aufzureiben.“

Heinz Schaeffer: Kommandant von U 977 in seinem Buch „U 977 – Geheimfahrt nach Südamerika“ (1950)[11]

„Denn auch im Rudel weiß das eine Boot vom anderen wenig mehr als nichts, es sei denn, man analysiert die Funksprüche oder die Gruppe verdichtet sich bis auf Sichtweite, ein seltener Fall. Man wähnt sich alleine auf weiter Flur, ein Pünktchen im unendlichen Atlantik […] Man weiß zwar, daß noch mehr Kameraden mit ihren Booten das gleiche Ziel haben, doch es fehlt einem der Überblick. Alle Fäden liefen beim BdU zusammen.“

Peter-Erich Cremer: Kommandant von U 152, U 333 und U 2519 in seinem Buch „U 333“ (1982)[12]
  • Dan van der Vat: Schlachtfeld Atlantik. Heyne, München 1990, ISBN 3-453-04230-1
  • Elmar B. Potter, Chester W. Nimitz, Jürgen Rohwer: Seemacht – eine Seekriegsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Manfred Pawlak Verlag, Herrsching, 1982, ISBN 3-88199-082-8
  • Karl Dönitz: 40 Fragen an Karl Dönitz. Bernard & Graefe, München 1980, ISBN 3-7637-5182-3
  • Arthur O. Bauer, Ralph Erskine, Klaus Herold: Funkpeilung als alliierte Waffe gegen deutsche U-Boote 1939–1945. Wie Schwächen und Versäumnisse bei der Funkführung der U-Boote zum Ausgang der „Schlacht im Atlantik“ beigetragen haben. Liebich Funk, Rheinberg 1997, ISBN 3-00-002142-6 (Augenzeugenberichte von Alfred T. Collett, Oliver Nelson, Derekek Wellman, die deutsche Übersetzung aus dem niederländischen Original wurde vom Verfasser autorisiert, Erstausgabe im Selbstverlag Arthur O. Bauer, Diemen NL 1997).
  • Winston S. Churchill: Der Zweite Weltkrieg. Mit einem Epilog über die Nachkriegsjahre. 4. Auflage. Scherz, Berlin/München/Wien 1996, ISBN 3-502-19132-8 (Originaltitel: The Second World War. Übersetzt von Eduard Thorsch, Eine einbändige, selbst bearbeitete Fassung von 1960 seines zuvor sechsbändigen Memoirenwerks von 1948, später auch als Fischer-Taschenbuch 16113, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-596-16113-4).
Wiktionary: Rudeltaktik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. John A. Adams: If Mahan ran the Great Pacific War – An Analysis of World War II Naval Strategy Indiana University Press 2008, ISBN 0-253-35105-7, S. 372 f.
  2. van der Vat, S. 117
  3. Dönitz: 40 Fragen, S. 15
  4. D. Hartwig: Großadmiral Karl Dönitz. Legende und Wirklichkeit. Schöningh, 2010, S. 35
  5. Potter, Nimitz, Rohwer: S. 522
  6. Bernard Ireland: Battle of the Atlantic. Naval Institute PRess, Annapolis 2003, ISBN 1-59114-032-3, S. 46–47
  7. Potter, Nimitz, Rohwer: S. 521
  8. van der Vat, S. 236
  9. Dönitz: 40 Fragen, S. 67
  10. van der Vat, S. 242
  11. Heinz Schaeffer: U 977 Geheimfahrt nach Südamerika. Heyne, München 1979, S. 80
  12. P.-E. Cremer, F. Brustat-Naval: Ali Cremer: U 333. Ullstein, Frankfurt 1986, S. 162