Abu Muhammad al-Dschaulani
Ahmed Hussein al-Schar’a[1] (* 1982 in Riad, Saudi-Arabien), bekannt unter dem Kampfnamen Abu Muhammad al-Dschaulani (arabisch أبو محمد الجولاني, DMG Abū Muḥammad al-Ǧaulānī) ist seit 2017 der Anführer des dschihadistisch-salafistischen Milizbündnisses Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS).
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seine Familie väterlicherseits stammt laut Angaben von al-Schar’a aus den Golanhöhen (daher auch sein Kampfname Dschaulani, arabisch für Golan). Sein Vater sei in seiner Jugend von Gamal Abdel Nasser beeinflusst worden und sei ein arabischer Nationalist gewesen. Sein Vater arbeitete in Saudi-Arabien, wo er selbst 1982 geboren wurde, als Wirtschaftswissenschaftler im Ministerium für Erdöl. 1989 sei er mit seinem Vater und seiner Familie nach Syrien zurückgekehrt. Er sei bei Damaskus, in einem liberalen Viertel der Stadt Mezzeh, aufgewachsen. Da er propalästinensisch erzogen wurde, habe ihn die Zweite Intifada während der Jahrtausendwende beeinflusst. Zu der Zeit habe er mit dem Beten angefangen und zum islamischen Glauben gefunden.[1]
Von 2012 bis 2016 war er Anführer der Dschabhat Fatah asch-Scham (ehemals al-Nusra-Front), die als syrische Untergruppe von al-Qaida im Bürgerkrieg in Syrien unter anderem gegen die Regierung Baschar al-Assads, Teile der Freien Syrischen Armee, kurdische Volksverteidigungseinheiten und seit Februar 2014 gegen den Islamischen Staat (IS) kämpfte. Der IS erklärte Dschaulani und seiner Organisation den Krieg, nachdem dieser 2014 al-Qaida Chef Aiman az-Zawahiri die Treue schwor und nicht Abu Bakr al-Baghdadi, dem selbst ernannten Kalifen des IS. Im Jahr 2013 stuften die USA al-Dschaulani aufgrund seiner Beziehungen zu al-Qaida als Terroristen ein.[2][3][1] Für Hinweise, die zu seiner Verhaftung führen lobten die USA 10 Millionen US-Dollar aus.[4] Wegen des russischen Militäreinsatzes in Syrien und dem damit verbundenen Angriffen der russischen Streitkräfte gegen die syrische Zivilbevölkerung rief Dschaulani im Oktober 2015 Dschihadisten im Nordkaukasus zu Racheaktionen gegen russische Zivilisten und Soldaten auf.[5] In einem Video vom Juli 2016 offenbarte al-Dschaulani, dass sein realer Name Ahmad Husain asch-Schaʿra sei, geboren in Darʿā und dass er in Damaskus lebte.[6][7]
Als HTS-Anführer gelang es al-Dschaulani in der Provinz Idlib, andere Rebellengruppen wie die Freie Syrische Armee fast vollständig zu verdrängen.[8] Im November 2024 befahl al-Dschaulani eine Offensive gegen die syrischen Regierungstruppen.[8] Innerhalb weniger Tage nahmen die HTS mit Unterstützung von kurdischen Milizen der Demokratischen Kräfte Syriens mit Aleppo das Wirtschaftszentrum Syriens ein. Während des Einmarschs in Aleppo bemühte sich al-Dschaulani Berichten zufolge, Ängste von Christen oder anderen Minderheiten zu zerstreuen. Ausdrücklich habe er den Befehl gegeben, Zivilisten zu schonen und gefangen genommene Soldaten nicht zu töten.[9][10]
Positionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Februar 2021 gewährte al-Dschaulani US-amerikanischen Journalisten, die für den öffentlich-rechtlichen Sender PBS recherchierten, Einblicke in sein Leben; ließ sich von ihnen interviewen, führte sie durch Idlib und nahm sie mit zu einem Treffen der HTS. Er erklärte, dass es ihm vor dem Hintergrund der kontinentalen Auswirkungen des syrischen Bürgerkriegs und der vielen Opfer ein Anliegen sei, „das wahre Bild der syrischen Revolution“ zu vermitteln. Er wolle vermitteln, dass der Kampf gegen den diktatorisch regierenden syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad ein Gerechter sei und dass von Syrien keine Gefahr für Amerika und Europa ausgehe. Er relativierte seine frühere Zusammenarbeit mit der Terrororganisation al-Qaida; er erklärte, dass er keinen Einfluss auf die Bombenattentate von al-Qaida-Mitgliedern (bei denen mitunter auch Zivilisten starben) hatte, diese bei Gefahr für Zivilisten immer abgelehnt habe und behauptete, dass er und andere Mitglieder der al-Nusra-Front sich immer gegen Operationen im Ausland positioniert hätten und es seiner Politik widerspreche, von Syrien aus „externe Operationen“ gegen Europäer oder Amerikaner durchzuführen. Er behauptete ferner, dass die Einstufung als Terrorist jeglicher Grundlage entbehre. Er sprach der Scharia, die er in Syrien implementiere will, „große Güte, Gerechtigkeit und soziale Lösungen“ zu, behauptete, dass die Scharia Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften nicht ausschließt. Er erklärte aber, dass der Bürgerkrieg in Syrien kein Religionskrieg sei, sondern es in Syrien zuvorderst darum gehe, die Unterdrückung durch ein verbrecherisches Regime zu beenden. Er verwies darauf, dass Christen und Muslime in Syrien über 1.400 Jahre in Koexistenz gelebt haben.[1][3]
Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Februar 2021 veröffentlichte PBS Frontline den Dokumentarfilm „The Jihadist“, in dem al-Dschaulanis Vergangenheit im Kontext des syrischen Bürgerkriegs beleuchtet wird.[3]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d Abu Mohammad al-Jolani. In: pbs.org. PBS, abgerufen am 30. November 2024 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Terrorist Designation of Al-Nusrah Front Leader Muhammad Al-Jawlani. In: 2009-2017.state.gov. Abgerufen am 30. November 2024.
- ↑ a b c The Designated Terrorist and the Fight Over the Future of Syria. In: pbs.org. Abgerufen am 30. November 2024 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Erdogans Syrien-Pakt: Warum der türkische Präsident mit einem der gefährlichsten Terroristen zusammenarbeitet. In: HuffPost Deutschland. 9. November 2017, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 2. August 2018; abgerufen am 2. August 2018. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Islamistische Nusra-Front ruft zu Terror gegen Russen auf. FAZ.net, 13. Oktober 2015.
- ↑ ntv.de, jwu/rts: Neuer Name - neue Ziele?: Nusra-Front kappt Verbindungen zu Al-Kaida. In: n-tv.de. 28. Juli 2016, abgerufen am 10. Februar 2024.
- ↑ https://foreignpolicy.com/2016/07/28/the-nusra-front-is-dead-and-stronger-than-ever-before/
- ↑ a b Şebnem Arsu, Mohannad al-Najjar, Maximilian Popp, Dunja Ramadan: (S+) Syrien: So konnte Aleppo von den Rebellen eingenommen werden. In: Der Spiegel. 30. November 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 30. November 2024]).
- ↑ Eroberung von Aleppo nur Zwischenziel für syrische Rebellen. In: handelsblatt.com. 1. Dezember 2024, abgerufen am 2. Dezember 2024.
- ↑ Bürgerkrieg in Syrien: Druck auf Assad - Syriens Regierung verliert Aleppo. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 1. Dezember 2024]).
Personendaten | |
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NAME | Dschaulani, Abu Muhammad al- |
ALTERNATIVNAMEN | Wahdi, Usama al-Absi al-; أسامة العبسي الواحدي (arabisch); أبو محمد الجولاني (arabisch) |
KURZBESCHREIBUNG | syrischer Terrorist |
GEBURTSDATUM | 20. Jahrhundert |
GEBURTSORT | Deir ez-Zor, Syrien |