Verschiedene: Die Gartenlaube (1885) | |
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aufschrie, als wäre ihm mit eisennbeschlagenen Schuhen auf die vertrackten Hühneraugen getreten worden. Der junge Verkündiger des gesunden Realismus fühlte eben die wachsende Titanenkraft des Himmelsstürmers in seiner Faust und die thronende Ruhe der Olympier galt ihm nichts weniger als unantastbar. Das hatten schon seine ersten Lehrer spüren müssen, die er zwar nicht à la Herkules geravd direkt todtschlug, aber doch wenigstens sehr bald in die Lage versetzte, gestehen zu müssen, daß sie ihn nichts mehr lehren konnten. So wurde er verschiedene Male von der Akademie fortgeschickt, bis er schließlich zu dem vollen Bewußtsein gelangte, daß in der akademischen Zwangs-Glückseligkeitslehre für ihn kein Heil blühe. Er überwarf sich auch mit seinem letzten Lehrer W. Schirmer, wandte der Akademie vollständig den Rücken und wurde der Gründer des ersten Ateliers außerhalb des Bannes der Akademie in Düsseldorf, hiermit die Einwirkung des zielbewußten Reformators beginnend. Seinem radikalen Vorgehen folgte sofort eine Reihe der talenvollsten Mitschüler, die nun in genialer Ungebundenheit ein zwar oft etwas ausgelassenes, aber auch schaffensreiches Leben führten.
Daß ein solcher Sprudelkopf im Kreise seiner Freunde und Kollegen von vorneherein die erste Rolle spielen mußte, liegt auf der Hand. So hat er sich denn auch im „Malkasten“ um das gesellschaftliche Leben und Treiben, bei welchem der Humor in der Regel den Kapellmeister macht, die größten Verdienste erworben, und also war es selbstredend, daß der „Malkasten“ auch ihm in erster Linie seine Ovation darbringen wollte. Darum wählte er dafür den Vorabend des Festtages, den 28. September, um zugleich den ganzen Mann, den frischen, für sich zu haben.
Das Programm des Festes wird, wenn diese Zeilen in die Hände unserer Leser gelangen, gerade verwirklicht und darum wollen wir aus demselben nur das Wichtigste hervorheben. Die Eröffnung bildet eine von Musikdirektor H. Willemsen komponirte interessante und stimmungsvolle Fuge über den Namen Achenbach, das n als Pause nehmend. Nun folgt ein Festspiel von Hauptmann a. D. Henonmont welches im Lichte der laterna magica des Humors den Entwicklungsgang des Künstlers verherrlicht, indem es in drastischen Bildern (als Hintergrund Achenbach’sche Dekorationen benutzend) ihn auf seinen Studienreisen in Norwegen, Italien, Holland und Westfalen zeigt. Die „Jungfer Kunst“ erscheint hier Achenbach in verschiedenen abenteuerlichen Gestalten, bald als Eisbär, bald als Tochter eines Briganten, oder Fischhändlerin. Vergebens sucht der Maler ihren richtigen Namen zu errathen, bis sie in der Heimath als schmucke Müllerin vor ihn tritt und er in ihr endlich seine erste treue Geliebte, die Kunst, erkennt. Ein zum Schluß angebrachtes reizendes Müllerliedchen hat Musikdirektor Jul. Tausch komponirt, welcher auch die verbindenden Musikstücke der Zwischenakte wählte und leitete.
In dem nun folgenden von E. Daelen verfaßten Festspiel entspinnt sich ein drolliger Wettstreit zwischen Neptun, Venus, dem Wolkenschieber, einer Amsterdamer Fischhändlerin, einem Düsseldorfer Bürger und einem Hofrath aus Berlin um den Vortritt, dem Gefeierten in erster Reihe die passendste Gratulation darzubringen. Der Malkastenhumor führt diesen Disput zu befriedigendem Abschluß und überbringt dem Jnbilar einen Lorbeerkranz, „des höchsten Ruhmes Zeichen“ während die Festversammlung folgendes Lied anstimmt:
Stoßt an! Schönheit soll leben! Hurrah hoch!
Die von himmlisch heiterem Licht durchstrahlt
Das Paradies uns auf Erben malt,
Rein ist ihr Glück.
Stoßt an! Malerkunst lebe! Hurrah hoch!
Die mit herzentzückender Farbenpracht
Hell der Begeisterung Flammen entfacht,
Schön ist die Kunst.
Stoßt an! Achenbach lebe! Hurrah hoch!
Den die holde Muse wie nie zuvor
Sich zum besonderen Liebling erkor,
Weihend sein Werk.
Stoßt an! Achenbach lebe! Hurrah hoch!
Der uns zeigt in malerisch vollstem Licht,
Wie der Schönheit Strahl sich in Farben bricht,
Wonne dem Blick.
Stoßt an! Achenbach lebe! Hurrah hoch!
Drum jauchzt der Verehrung, der Liebe Dank
Zum Himmel als brausender Hochgesang:
Andreas hoch!
Als Vertreter des Vorstandes verkündet O. Erdmann in schwungvollen Worten die durch Acclamation erfolgte Verleihung der Ehrenmitgliedschaft des Vereins an den Jubilar und überreicht ihm die betreffende Urknnde, eine prächtige Aquarellzeichnung von Prof. Ad. Schmitz.
So werden denn von ungetrübtem Frohsinn, von echter Begeisterung
die hochgehenden Wogen des allgemeinen Jubels
getragen bis hinüber in den aufgehenden, hellen Morgen des
eigentlichen Jubiläumstages, des Freudentages der Stadt Düsseldorf,
des Ehrentages eines der großten Künstler Deutschlands,
ja der Welt. E. Daelen.
Ich befand mich auf Urlaub in der alten lieben Heimath, war
nach verschiedenen Kreuz- und Querzügen, auf denen ich bei
ehemaligen Studiengenossen und Freunden Anker geworfen hatte,
nach Wiesbaden gekommen, und dort hatte mich meine alte Freundin,
die Gräfin Ferréol bei einer Begegnung im Nerothale erkannt,
freudig begrüßt und eingeladen, sie zu besuchen. Dort nun war
es, wo ich zum ersten Male wieder nach so langen Jahren, mich
von einem weiblichen Wesen angezogen fühlte. Virginie, meine
kleine Feindin von einst, begleitete meine alte Freundin bei jener
denkwürdigen Begegnung, und diese Virginie erinnerte mich zu
stark an Zacharula, als daß sie mir hätte gleichgültig bleiben
können. Nur ihr schwermüthiger Ernst, ihr graziös elegantes
Auftreten und ihre voll erblühte Schönheit waren von der sonnigen
Heiterkeit der naiven Natürlichkeit und der frischen Anmuth meiner
ersten Liebe so verschieden, wie die dunkel glühende Purpurrose
von dem herzigen Wildröslein, das an den Hecken blüht.
Die junge Dame war unbestritten die Königin der Saison in Wiesbaden, wo alle Männer für sie schwärmten, und „wo Alles liebt, kann Karl allein nicht hassen“. An das krankhaft–reizbare Kind von einst erinnerte nur noch die zarte, bleiche Gesichtsfarbe und das ernste Wesen. Aus dem lang aufgeschossenen, mageren Backfische mit den eckigen Formen war ein wunderschönes Weib geworden; sie hatte sich prächtig entwickelt, und nun vollends die Aehnlichkeit der klassisch geformten Gesichtszüge mit denen meiner kleinen Herzenskönigin hatte mich gänzlich gefangen genommen. Virginie hatte eine eigene Art – und das seltsame Mädchen war sich dieser Macht über mich wohl bewußt – mich mit ihren dunklen, sprechenden Augen anzusehen, wobei ich das Gefühl hatte, ich könne vor ihr kein Geheimniß meines Innern verbergen. Zum größten Theile kam dies gewiß eben daher, daß sie durch den Ausdruck, den mitunter ihre Gesichtszüge annahmen, durch manche Bewegungen jene Erinnerungen in mir wach rief, die ich seit den sonnigen, goldenen Tagen von Gallipoli als meine schönsten Schätze hütete; es waren immer nur blitzartig aufleuchtende und schnell wieder verschwindende Momente, die am lebhaftesten auf mich wirkten, wenn ich den silbernen Klang ihres Lachens vernahm, was bei ihrem auffallend ernsten Wesen freilich selten genug geschah; wenn ich dann die Augen schloß, meinte ich den silbernen Brandungsstreifen des Marmarameeres und die herzige Zacharula vor mir zu sehen, wie sie mit ihren dunklen Augen in den Weiher blickte. Ich konnte mir dann wirklich einbilden, sie müsse mir im nächsten Augenblicke ein romäisches Liebeswort
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_655.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2024)