Verschiedene: Die Gartenlaube (1885) | |
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es die Anzeige der Verlobung meiner Tochter mit Ihnen, die ich Seiner Hoheit heute noch vor der Abreise vertraulich erstatten werde, Ihr Einverständniß vorausgesetzt.“
Hier vergaß Sternau alle Subordination, und er wäre seinem Vorgesetzten sicher um den Hals gefallen, wenn dieser ihn nicht rechtzeitig bei den Händen erwischt hätte.
„Julia, meine Braut!“ rief er, „und heute noch! Welches Glück! Wie soll ich Ihnen danken!“
„Gemach, gemach, junger Mann,“ beruhigte ihn der Oberst, „ich habe nur gesagt, daß ich heute noch Seiner Hoheit vertraulich die Anzeige erstatten werde, für die übrige Welt hat es damit nicht solche Eile, und zunächst haben Sie ja, mein lieber Herr Lieutenant, sofern ich recht berichtet bin, einen achttägigen Stubenarrest abzusitzen.“
„Freilich,“ seufzte Sternau „ich hatt’ es vergessen.“
„Nun, beruhigen Sie sich, die Strafe ist noch recht gelind, und länger soll auch Ihre Verlobung kein Geheimniß sein. Aber noch eines möchte ich Ihnen sagen. Wenn meine Zustimmung auch scheinbar eine erzwungene ist, so hab’ ich mich doch nicht so ungern zwingen lassen. Sie sind ein tüchtiger Officier und tragen den Namen eines alten edlen Geschlechts. Ich habe Ihren seligen Herrn Vater wohl gekannt und stehe in freundschaftlichen Beziehungen zu verschiedenen Mitgliedern Ihrer Familie. Ich weiß, daß Ihre Vermögenslage keine glänzende ist, aber Juliens mütterliches Erbe, über das sie schon heute frei verfügt, wird Ihnen beiden ein anständiges Auskommen sichern. Von Ihnen verlange ich nur, daß Sie mir Ihre Verhältnisse offen darlegen und auch das mehr, weil es einmal so Sitte ist, als weil ich an Ihrer Ordnung zweifelte. Dazu finden Sie in Ihrer achttägigen Abgeschlossenheit mehr als genügend Muße, und den Ueberschuß mögen Sie zu einem Briefwechsel mit Ihrer Braut verwenden. Machen Sie Julien glücklich und werden Sie es durch sie! Wenn sich dieser Wunsch erfüllt, dann will ich den gestrigen Vorfall nicht nur nicht beklagen, sondern mich herzlich darüber freuen, daß er zwei Menschen glücklich und dem unnatürlichen Haß zwischen zwei gleich ehrenwerthen Regimentern ein Ende gemacht hat. Und nun, mein künftiger Herr Schwiegersohn, leben Sie wohl, lassen Sie sich die Zeit nicht lang werden! In acht Tagen auf Wiedersehen!“
Damit verabschiedete sich Herr von Helmkron. In welcher Stimmung Sternau zurückblieb, mit welcher Ungeduld er seiner Befreiung entgegenschmachtete, was er in Versen und Prosa im Verkehr mit der entfernten Geliebten leistete, das zu beschreiben, bekenne ich gern mein Unvermögen.
Der Prinz reiste noch am gleichen Abend, durch die ihm gewordene Aufklärung völlig befriedigt, nach der Residenz ab.
Acht Tage später war solennes Verlobungsfest, dem die Officiere beider Regimenter beiwohnten und wo der Friede endgültig besiegelt wurde. Als guter Patriot hoffe ich, daß ihn kein Unfall in der Zukunft mehr stören werde.
Hagedorn allein, der sich auf die Anhänglichkeit seiner Nasenspitze noch nicht ganz verlassen konnte, fehlte dabei. Aber auch er zeigte sich mit dem Gang, den die Ereignisse genommen, ausgesöhnt. Die Fechtkunst seines Gegners hatte ihm gewaltig imponirt. Mochte dieser auch seine Schwächen haben, in den Terzen war er ihm überlegen, das stand fest.
Nach weiteren vier Wochen kam das sehnlichst erwartete Verordnungsblatt. Es brachte den beiden Kommandeurs hohe Orden, Sternau und Hagedorn die Beförderung zum Rittmeister, und zwar – darin vermuthete man den Einfluß des Prinzen – Sternau bei den Ulanen, Hagedorn bei den Dragonern. Auch damit waren sie aus verschiedenen Gründen einverstanden. Frau von Helmkron hatte den Trost, Vorgesetzte geblieben zu sein.
Noch ehe der Lenz seinen Einzug hielt, waren Romeo und Julia ein Paar, der Prinz selbst erwies ihnen die Ehre, sich als Trauzeuge in das Register eintragen zu lassen.
So endete dieser Liebesroman nicht wie eine Tragödie, sondern wie eine richtige Komödie zu allgemeiner Befriedigung mit einer Heirath und
„Niemals gab es ein so süßes Los,
Als Juliens und ihres Romeo’s.“
Die Ungarn feiern jetzt in ihrer Hauptstadt eine Reihe von Festen, welche zwar äußerlich an die Landesausstellung anknüpfen, aber in Wahrheit eine politische Bedeutung haben. Sie haben zuerst den Wiener Gemeinderath und dann den Wiener Journalistenverein „Concordia“ eingeladen, um ihnen ihre neuen Herrlichkeiten zu zeigen, und was dabei an Banketten, Toasten und Verbrüderungsreden absolvirt wurde, das übersteigt bei Weitem das übliche Maß der Freundschaftskundgebungen, welche anderwärts bei solchen Gelegenheiten ausgetauscht zu werden pflegen. Es war, als ob man sich gegenseitig für den zu erneuernden Ausgleich präpariren wolle, bei dem es sich bekanntlich weniger um Toaste und Diners, als um sehr handgreifliche finanzielle Leistungen und Gegenleistungen zu Ehren der dualistischen Staatsgemeinschaft handelt. Die Magyaren sind ein politisches Volk, das den ihm angeborenen gastlichen Sinn doppelt gern bethätigt, wenn dabei ein nationales Interesse im Spiele ist. Man hat den Eindruck, als ob sie, da es an den Ausgleich geht, lieber mit den Deutschen als mit den Slaven in Cisleithanien sich vertragen möchten, und man denkt unwillkürlich bei diesen Festen, die sie jetzt zur Feier ihrer Landesausstellung den Deutschen veranstalten, an die alte Volksliedstrophe:
„Es waren zwei Königskinder,
Die hatten einander so lieb,
Sie konnten zusammen nicht kommen,
Das Wasser war viel zu tief.“
Den Pfingstausflug der „Concordia“ habe ich mitgemacht. Wir trugen weder Attila noch Cfismen, als wir von Wien abfuhren und zwei Stunden vor Pest auf ein Dampfschiff stiegen, um uns auf dem Rücken des schönen Donaustromes zu früher Morgenstunde nach der magyarischen Hauptstadt hinabtragen zu lassen. Aber wir riefen lustig Eljen, als wir mit Reden in ungarischer Sprache empfangen wurden, obwohl wir kein Wort von denselben verstanden, und galant wie sie sind, erwiderten die Arpadsöhne unsere deutschen Reden mit noch lauteren Hochs. Das war das erste Zeichen der Verbrüderung. Der Ungarwein, mit dem man in dem Lande, wo er wächst, nicht karg ist, that dann ein Weiteres, die Zigeunermusik auf dem Schiffsdeck ließ sich auch nicht lumpen, und noch ehe wir die große Kettenbrücke zwischen Pest und Ofen, die Denkmäler von Szechenyi und Eötvös in Sicht bekamen, war der eigentliche politische Zweck erfüllt: in den Armen lagen sich Beide und weinten Thränen der Freude. Der Magyar ist wie alle Enthusiasten leicht befriedigt. Wenn er aus dem Munde des Fremden Komplimente für sein Land, für seine Hauptstadt, für seine Ritterlichkeit vernimmt, wenn namentlich nicht von Pest, sondern von Budapest gesprochen wird – Pest ist ihm eine unliebsame Erinnerung an die verhaßte vordualistische Zeit, Budapest der Ausdruck der wiedergewonnenen politischen Selbständigkeit – wenn endlich die Namen Petöfi, Munkacsy, Jokai in die Unterhaltung hereinklingen, so blitzen seine dunklen Augen in patriotischem Feuer und über sein braunes Antlitz gleitet ein Zug träumerischer Selbstvergessenheit, der ein Erbtheil seiner orientalischen Herkunft zu sein scheint. Wir fuhren die Donau hinab, deren Ufer, je mehr man sich der Hauptstadt nähert, den Rheinufern ähnlich sehen; rechts auf steilem Felsen über dem Strome ragen die Trümmer der Burg von Visegrad, in der einst Matthias Corvinus seinen Hof hielt; dichtbelaubte Inseln erheben sich aus der Wasserfläche; malerische Bergzüge wandern zu beiden Seiten mit dem Auge mit, warme Quellen in ihrem Schoße führend, deren Verwendung für die leidende Menschheit bis jetzt nur deßhalb noch nicht bewerkstelligt ist, weil man in Ungarn vorläufig noch Wichtigeres zu thun zu haben glaubt, bevor man von der Politik zur Hygiene sich wenden kann.
In der That, die Politik ist im Guten wie im Schlimmen die Quelle aller magyarischen Entwickelung seit anderthalb Jahrzehnten. Gustav Freytag hat, wenn ich nicht irre, die Politik eine Hexe genannt, und wer sehen will, was diese Hexe vermag,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 430. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_430.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2024)