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RE:Chios 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Insel in d. Ägäis
Band III,2 (1899) S. 22862297
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Chios (ἡ Χίος, nach Plin. n. h. V 136 bei einigen Χία; der Bewohner Χῖος; latinisiert Chǐus, daneben Chia [adiect.] insula). 1) Insel im aegaeischen Meer, dessen Ἰκάριον πέλαγος ihre Südküsten [2287] bespült (Entfernung von Samos Plin. n. h. II 245 und V 136: 94 m. p., von Teos Plin. n. h. V 138: 71½ m. p., von Lesbos [Südküste] Plin. n. h. V 139: 56 m. p., von Mytilene 65 m. p., im Mittelalter ebenso, vgl. Tomaschek S.-Ber. Akad. Wien CXXIV 1891 VIII 20), der ionischen oder erythraeischen Halbinsel und der Chalkitis gegenüber (kürzeste Entfernung 7,5 km., bei Strab. XIV 645 60 Stadien), im Mittelalter Χίος (genuesisch Scio), auch Μαυρονήσι(ον), persisch Sejéx, arabisch Dschesirát-al Mastíki, türkisch Saqís adásch genannt. Die mythologisierenden antiken Etymologien zum Namen Χίος bei Plin. n. h. V 136. Paus. VII 4, 6. Steph. Byz.; beachtenswert Isid. orig. XIV 6: Syri mastichen chion vocant, dagegen mit Unrecht Bochart Geographia sacra (Lugd. Bat. 1707) 382ff. von הִרְיָא‎ = Schlange (unter Berufung auf Ael. h. a. XVI 39, s. u.; vgl. σχῖνος = Mastixbaum). Dichterische Beinamen waren: Αἰθαλία Ephoros bei Plin. n. h. V 136; Αἰθάλη bei Steph. Byz.; Πιτυοῦσσα (von den Pinien, vgl. den Ortsnamen Πίτυς, jetzt Pityós, auf der Insel) Strab. XIV 589. Plin. n. h. V 136, Μάκρις (von der länglich gestreckten Gestalt) Plin. n. h. V 136. Aithalia und Pityussa sind auch für andere Plätze vorkommende Namen, Aithalia und Makris hiessen auch zwei Eilande in der Nähe.

Litteratur (Auswahl): Ch. Alimonakis Χίος ἡ νῆσος ἐν τῇ ἀρχαιότητι, Erlangen 1882 (Inaug.-Diss.). P. Belon Les observations de plusieurs singularitéz etc. trouvées en Grèce etc., Par. 1553. Chr. Bondelmonte Liber insularum Archipelagi ed. L. Sinner, Lips. et Berol. 1824. M. Boschini L’arcipelago con tutte le isole, scoglie, secche e bassi fondi, Venet. 1658. C. de Bruyn Reizen door de vermaardste Deelen van Klein-Asia, de Eilanden Scio, Rhodus ... Delft 1698. R. Chandler Travels in Asia M., Lond. 1776. G. Choiseul-Gouffier Voyage pittoresque de la Grèce, Par. 1782 I 87ff. A. Conze Philologus XIV 155ff. (die δασκαλόπετρα [sog. Schule des Homer] Phanai). J. A. Cramer A geogr. and hist. descript. of Asia Min. Oxf. 1832 II 395–402. Ο. Dapper Naukeurige Beschryving der Eilanden in de Archipel der Middelantsche Zee, Amsterd. 1688 II 75ff. G. v. Eckenbrecher Die Insel Chios. Vortrag Berl. 1845. U. Emmius De Chio et eius statu ac fortuna = Gronovii Thesaur. graec. antiquitatum IV 1 p. 167. 544–550. N. D. Fustel de Coulanges Mémoire sur l’île de Chio, Archives des Missions Scientifiques et Littéraires V (Par. 1856) 481–642. H. Houssaye L’île de Chio dans l’antiquité, Revue des deux Mondes XLVI 1ff. W. Judeich Kleinasiat. Studien, Marburg 1892. A. Karawas Τοπογραφία τῆς νήσου Χίου; ἐν Χίῳ 1866. A. Koraïs Χιακῆς ἀρχαιολογίας ὕλη = Ἅτακτα III Par. 1830. K. Krumbacher Griech. Reise 190ff. L. Lacroix Iles de la Grèce, Par. 1853 259ff. Ch. Newton Travels and Discoveries in the Levant, Lond. 1865 I 214–217. A. G. Paspatis Χιακὸν Γλωσσάριον. Ἐν Ἀθήναις 1888. R. Pococke A Description of the East and some others countries, Lond. 1743–52. E. Poppo Beiträge zur Kunde der Insel Chios und ihrer Geschichte, Frankf. a. Ο. 1822. A. Prokesch v. Osten Denkwürdigkeiten und Erinnerungen aus dem Orient, Stuttgart 1836 II 545ff. Fr. [2288] Teller Geologische Beobachtungen auf der Insel Ch. = Denkschr. Akad. Wien. Math. Kl. XL (1880) 340–356. P. Tschichatscheff Asie Mineure II 251–255. J. Pitton de Tournefort Relation d’un voyage du Levant, Amsterd. 1718 II 140ff. H. F. Tozer The Islands of the Aegean, Oxf. 1890, 139–156. H. K. Whitte De rebus Chiorum publicis ante dominationem Romanorum, Hauniae 1838. A. Wlastos Χιακὰ ἤτοι ἱστορία τῆς νήσου Χίου. Ἐν Ἑρμουπόλει 1840. D. Sygomalas Πραγματεία περὶ τῆς Χίου. Ἐν Ἀθήναις 1884. Ausserdem die Litteratur bei A. Miliarakis Νεοελληνικὴ Γεωγραφικὴ Φιλολογία, Ἐν Ἀθήναις 92 . Inschriften ausser im CIG II und IV in vielen oben angeführten Schriften und in andern Werken und Zeitschriften. Münzen: Mionnet Description III 265ff.; Suppl. VI 388ff. Imhoof-Blumer Monnaies grecques, Par. 1883, 297ff.; Abb. Akad. München XVIII (1890) 654. Vgl. Friedländer Repertorium 269ff. Head HN 513f.

Karten: Nr. 1645 der Britischen Admiralität, Karte zu Paspatis s. o. Kiepert Westl. Kleinasien Bl. VII; Formae orb. ant. IX. Geologische Übersicht bei Teller (s. o.).

Chorographie: Die Insel ist 826,7 ☐km. gross (das Fürstentum Reuss j. L. 830 ☐km.); Nach Strab. XIV 645 beträgt ihr Umfang 900 Stadien, nach Isidor (bei Plin. n. h. V 136) 134 m. n., nach Plin. a. a. O. 125 m. p. Sie erhebt sich im Πελινναῖον (jetzt Ἅγιος Ἠλίας, s. u.) bis zu 1260 m. Od. III 170 wird die Insel παιπαλόεσσα = klippenreich genannt. Eine Anzahl Eilande, Reste der ehemaligen Zwischenglieder zwischen dem Festland und Ch., beweisen neben der geringen Tiefe des Sundes durch die tektonische und geognostische Gleichförmigkeit mit beiden Rissteilen, dass an der Bruchstelle in tertiären Zeiten Festland war. Die Οἰνοῦσσαι des Altertums, die jetzt Ἀγνοῦσσαι genannten Inseln im Norden zwischen Ch. und der Mimashalbinsel, zeigen ältere halbkrystallinische Schiefergesteine, der nordwestliche Teil (Ἀριουσία der Alten), das Πελινναῖον, das Gebiet des jetzigen Καρδαμύλη, der Strich nordwestlich von der alten Stadt paläozoische Schiefer und Sandsteine mit Kieselschiefer und Kalkeinlagerungen; mesozoische Kalkbildungen (Reste eines miocänen Tieres gaben wohl Anlass zu den Sagen, die Ael. h. a. XVI 39 erwähnt, wie ähnlich auf Samos, Bürchner Ion. Samos I 2, 6f.) sind in dem grössten Teil der Insel, abgesehen vom Nordwesten und Südosten, wo limnäische Tertiärbildungen anstehen. Strandebenen und χείμαρρος-Alluvionen giebt es nördlich und südlich von der alten Stadt und bei Βολλισσός.

Kommt man zur See von Norden her, so erblickt man einen hohen, felsigen und waldigen Teil Ἀριουσία (jetzt Ἀπανωμερία) mit dem dunkelgrauen Πελινναῖον (Ἅγ. Ἠλίας). Von der dunklen Farbe kommt dessen Name (πελιδνός), vgl. Μέλαινα ἄκρα beim jetzigen Dorf Μελανιός im Gegensatz zum Vorgebirg Ἄργεννον auf der Chalkitis gegenüber. Von ihm nach Süden wird der Gebirgsgrat, der die Insel mit nordsüdlicher, sich näher der Ostküste haltender Achse durchzieht, etwas niedriger, erhebt sich dann im Mittelteil zu 837 m. im jetzigen Πρόβατος, senkt sich wieder und schliesst mit divergierenden Ausläufern (südlichster Punkt [2289] ἀκρωτήριον Φάναι jetzt κάβος Μαστικοχώρων 300 m.). Eine kegelförmige Inselklippe ist das Eiland Βενετικόν. Der Gebirgsgrat, der ebensowenig jetzt, wie es im Altertum der Fall war, einen einheitlichen Namen trägt, entsendet viele Querriegel, zwischen denen mehr oder weniger ausgebreitete Thäler an die See sich hinausstrecken, namentlich nördlich und südlich der alten Stadt Ch. (jetzt Κάστρον), durch den Fleiss der Bewohner sehr ergiebig an edlen Baumfrüchten. Der südliche Teil, das Gebiet der heutigen μαστικοχώρια, trägt den Charakter eines kultivierten Hains von Oliven- (und Agrumi)bäumen und namentlich ausgezeichneten Lentiskusterebinthen, von denen das berühmte chiische Mastíchiharz gewonnen wird. Im Altertum gab es in der Nähe des Apollontempels von Φάναι, in dem dort vor rauher Witterung geschützten Bezirk, einen Dattelpalmenhain.

Teils von der Beschaffenheit des Bodens und seiner Bewachsung, teils von der horizontalen Gliederung stammen sechs Namen für Bezirke auf Ch. im Altertum: 1) Ἀγριουσία, Strab. XIV 645. An Ableitung des Namens aus dem Semitischen (Bochart Geogr. sacr. 384 הַר–רֹאשׁ–יַיִן‎ = Berg des vorzüglichsten Weins) ist aus mehreren Gründen nicht zu denken. Ich vermute, der Name bezeichnet eine Gegend, in der die Ilexart ἀρία häufig vorkommt (ähnlich schon Koraïs 7). Die Eigenschaften, die Theophrastos (hist. plant. III 3, 8. III 4, 2. III 4, 4. V 4, 2. V 9, 1) von der ἀρία aussagt, passen auf die Art von Ilex, die wie auf den meisten Inseln des aegaeischen Meeres so auch auf den steinigen Berghalden der Ἀριουσία, wie ich selbst sah, sich findet und noch heute ἀρία, ἀριός genannt wird (vgl. Fraas Synopsis plant, flor. class.² 255; Irrtum hinsichtlich der Ableitung von ἀριός [ἀρέος bei Fraas]). Die Ἀριουσία des Altertums ist ein Teil des heutzutage von der hohen Lage Ἀπανωμεριά genannten Landstrichs, 30 Stadien lang, zwischen der Μέλαινα ἄκρα und dem Πελινναῖον des Altertums. Vgl. noch Bd. II S. 1117 Ariusia und ebd. S. 1290 Arsysia. Über die Weinproduction s. u. 2) Τὰ Κοῖλα (von der Einbuchtung), Herodot. VI 26. Man hat früher angenommen, es sei die in der Bogensehne 20 km. weite starke Ausbuchtung in der Mitte der Insel im Westen gemeint. Da aber an einer fjordähnlichen Bucht im Nordosten noch jetzt der Name Κοῖλα haftet, haben Paspatis und H. Kiepert Formae orb. ant. IX recht, wenn sie in ihren Karten dort τὰ Κοῖλα ansetzen. Es war hier an der Küste der Hafen Δελφίνιον (jetzt der ziemlich tiefe Λιμένας Κολοκύθια). 3) Der Name Λαΐους, doch wohl von λα-, λαι- = Stein; vgl. jetzt Λιθί in der Nähe (var. Λαιούς; Conjecturen Ἐλαιοῦς, Λάινος, Λαινοῦς, Λιθίς, Ἁλιεύς) bezeichnet eine Küstenstrecke, die nach Strab. XIV 645 von der alten Stadt eine Küstenfahrt um den Südteil der Insel von 300 Stadien (ist zu niedrig angesetzt) entfernt ist. Der Isthmos zwischen der Stadt Χίος im Osten und Λαΐους im Westen soll 60 Stadien breit sein (stimmt ungefähr). 4) Νότιον (d. h. südwestlicher Strich), nach Strab. a. a. O. eine Küstenstrecke mit Rheden. Sie ist da zu suchen, wo um den jetzigen Ὅρμος Καρίντα die weit einschneidenden Einbuchtungen mit recht tiefem Küstenwasser sind. Früher hat man Notion [2290] am jetzigen Λιμένας Μεστῶν angesetzt. Dazu passt nicht gut der Name Νότιον. Notion ist ein Teil der heute so genannten Μαστικόχωρα, der Gegend der Mastixdörfer. 5) Μέλαινα ἀκτή in einer chiischen Inschrift ionischen Dialekts (wohl bei der Μέλαινα ἄκρα anzusetzen), Μουσεῖον κ. βιβλιοθήκη τῆς ἐν Σμύρνῃ Εὐαγγελικῆς Σχολῆς Περ. β' ἔτ. α' 1876 σ. 40 ἀρ. ρνγ' δ. Ebendort ist ein Bezirk 6) Λοφῖτις genannt, möglicherweise das wellige Hügelland mit Tafelbergen im südöstlichen Teil des Gebiets der Μαστικόχωρα.

Gebirge und Berge: Vor allem ist der Name des Πελινναῖον (s. o. S. 2288) zu erwähnen, bei den Schriftstellern in etwas verschiedener Form auftretend: Πελιναῖον Strab. XIV 645. Nicephor. geogr. synopt. 512–554, Pellenaeus Sil. Ital. VII 210, Πελληναῖον Schol. Dionys. orb. descr. 536, Pelinna (patula) Avien. 714. Arius auf Ch. wird von Vib. Sequester unter den montes genannt unde vinum Ariusium; also ist damit die Berggegend Ἀριουσία gemeint. Die Karte zu Paspatis (s. o.) bietet, ohne dass die Quelle im Text angegeben wäre, für den jetzigen Πρόβατος oder Προβατᾶς, an dessen Ostabhang das berühmte Kloster Νέα Μονή (westlich von der Stadt) liegt, einen älteren Namen Πένθοδος (wohl mittelalterlich). Über Χήλιππος s. Koraïs 24. Vorgebirge: Von den sehr vielen Vorgebirgen der Insel sind nur die Namen Μέλαινα ἄκρα (jetzt Μελανιός oder Ἁγ. Νικολάου ἀκρωτήριον) im Nordwesten, Ποσίδειον (jetzt ἀκρωτήριον Ἁγ. Ἑλένης oder Κατωμερᾶς) im Osten, Φάναι (jetzt ἀκρωτήριον Μαστικοχώρων), bei Ptol. V 2, 13 Φαναία ἄκρα, im Süden zu belegen.

Die Wasserläufe sind (den Quellbach von Ναγός Krumbacher a. a. O. 225 ausgenommen) alle Trockenbäche (χείμαρροι) und der Achse des Gebirgsreliefs entsprechend kurz, aber zur Regenzeit sehr reissend. Der jetzige Βαρβάσι (in seinem Oberlauf Παρθένης, ein Name, der auf Verehrung der Artemis hinweist, s. u.) südlich vom Κάστρον hat mit seinen Verzweigungen den alten Hafen ausgesandet (Fustel de Coulanges a. a. O. 496).

Quellen giebt es auf der Insel viele; eine grosse Anzahl hat leichtes, gesundes Trinkwasser, so die heutige Πασαβρύσις (die sog. Quelle des Homeros) bei der δασκαλόπετρα. Eine Quelle hiess im Altertum κρήνη Ἑλένης; an ihr soll sich die mythische Helene gebadet haben (Steph. Byz. s. Ἑλένη). Auch Quellen mit brackischem und solche mit natürlich warmem Wasser giebt es an verschiedenen Stellen. Über die Temperatur der Quellen in der Nähe der alten Stadt Plin. n. h. XXXI 50.

An Seehäfen ist, abgesehen vom hafenlosen Nordwesten (Strab. XIV 645), kein Mangel (Fustel de Coulanges 482). An den besten lagen Ortschaften und Castelle, auch Tempel, an dem trefflichsten Hafen die alte Hauptstadt (Strab. XIV 645), durch die Lage daran zu schöner Blüte gebracht. Jetzt wird er, da er versandet war, ausgebaggert.

Im allgemeinen herrscht auf der Insel eine milde, durch die regelmässigen Etesien gemässigte Temperatur. Nur selten tritt, gerade wie auf Inseln der Nachbarschaft, so strenge Kälte ein, dass die Fruchtbäume geschädigt werden. Das [2291] Gebiet der μαστικόχωρα bleibt verschont. Die Insel wurde im Altertum dank ihrer ἀρετῇ χώρας, τόπων εὐκαιρίᾳ, ἀέρων κράσει zu den Μακάρων νῆσοι gerechnet, Diod. V 82. Mildere Winter und kühlere Sommer als in Athen. Bewölkungsziffer im jährlichen Durchschnitt 33%, Neumann und Partsch Physikalische Geogr. von Griechenl. 49, 25.

Bodenausbeute und Erzeugnisse: Marmor Plin. n. h. V 136. XXXVI 132, vgl. versicoloris marmoris maculae XXXVI 46. Fustel de Coulanges 482. Steinbrüche öfters erwähnt, Theophr. de lapid. I p. 647. Strab. XIV 645. Plin. XXXVI 46. Stellenweise trifft man auf alte Steinbrüche z. B. in Λειβάδια, dem jetzigen Vorort des Κάστρον, bei Θυμιανά im Süden, dann nördlich von der Πασαβρύσις Teller s. o. Seifenerde, feine Töpfererde, Stellen bei Koraïs 46, medicinische Erden, Gal. simpl. med. IX 1. Plin. XXXV 194. Rubine Koraïs 45. Die Humuskrume hat der Fleiss der Einwohner geschaffen und durch Terrassenbauten nach Möglichkeit bewahrt. Nur etwa ein Drittel des Bodens eignet sich zum Anbau von Kulturgewächsen (daher das Streben nach auswärtigem Landbesitz). Die hervorragendsten waren im Altertum, wie sie es heutzutage noch sind, Weinreben, Lentisken und Feigenbäume. Kallimachos nennt die Insel οἰνηρή (frg. 165 Bgk.). Von Aristophanes bis Athenaios sind die griechischen Schriftsteller voll des Lobes für den dunklen chiischen Wein, insbesondere den aus der Gegend Ἀριουσία, s. Bd. II S. 1117 Ariusia. Dort auch die Stellennachweise. Dazu besonders Strab. IV 637. 657. Horat. carm. III 19; serm. I 10, 24. Plin. n. h. XIV 73. 96. 97. Wein von Φάναι Verg. georg. II 98. Von Ch. hat man nicht nur Weintrauben (Varro de r. r. II init.: navibus vindemiam condimus ex insula Coa et Chia), sondern auch Rebstöcke nach Italien gebracht, Plin. n. h. XIV 24. Chiischen Wein verwendete man zu Heilzwecken, Eudemos bei Galen, antidot. II 2, 452. Plin. XXXIV 104. Die μαστίχη von Ch. war am meisten geschätzt, Plin. n. h. XII 72, vgl. XXII 121 (medicinisch) und Koraïs 59. 439. Feigen Koraïs 52f. Chiische Feigenbäume in Italien. Pinienharz, Koraïs 61f. Das Terebinthenharz von Ch. galt und gilt als das vorzüglichste, Galen, antidot. II 435; theriac. 471; τραγορίγανον Diosc. III 35. Aus Getreide Kraftmehl, Plin. n. h. XVIII 76. Über die ἁμαμηλίδες Koraïs 56f. Bürchner Das ionische Samos Ι 1, 42f. Landschnecken Diosc. II 11, Kammmuscheln Varro bei Gell. VII 16. Xenocr. περὶ τῆς ἀπὸ τῶν ἐνύδρων τροφῆς III 44 p. 9. Austern von den Küsten von Lesbos in die chiischen Gewässer versetzt, Aristot. de gen. III 11.

Topographie: Hauptstadt und Mittelpunkt des politischen Lebens war stets die Stadt Ch. (s. Nr. 2), andere Niederlassungen waren im Altertum: 1) Βαβράντιον (s. d.), jetzt Βροντάδος, nördlich gelegener Vorort der Hauptstadt. 2) Βολισσός (jetzt Βολισσός), an der südlichen Grenze der Ἀριουσία. Nach Ps.-Herodot. Hom. gen. et vit. § 20. 23. 24 West. lag er in der Nähe von Pitys. Ηomer soll dort die scherzhaften Gedichte verfasst haben. Thukyd. VIII 24 berichtet, bei ihm hätten die Athener die Chier geschlagen. Fustel de Coulanges fand dort zwei schlecht erhaltene Inschriften [2292] (a. a. O. 503). Südöstlich dehnt sich eine Strandebene (jetzt Κάμπος Βολισσοῦ) aus, die ziemlich fruchtbar ist. 3) Γερόντων Λιμήν. Aelian (hist. an. XII 30) berichtet, in ihm habe man zahme Fische unterhalten ἐς παραμυθίαν τοῦ γήρως τοῖς πρεσβυτάτοις (zum Zeitvertreib?). Aus einer andern Quelle erfahren wir bei Plin. n. h. XXXII 16, dass beim delubrum Senum Aale Ringe an den Kiemen (?) oder Halsflossen (?) trügen. Es scheinen somit dort heilige Aale (wie z. B. in der Quelle des karischen Zeus Λαβρανδεύς, vgl. Bd. I S. 4) gehalten worden zu sein. Da der Aal ein Flussfisch ist, der zeitweise in die See geht, so haben wir den Γερόντων λιμήν und das delubrum Senum an der Mündung eines χείμαρρος zu suchen, etwa des Βαρβάσι 1 km. südlich vom grossen Hafen der Hauptstadt und südlich vom jetzigen Vorort Ψωμί (s. Plan S. 2299f.). 4) Δελφίνιον, nach Thukyd. VIII 38 ein χωρίον nicht weit von der Stadt Ch., das schon von Natur aus auf der Landseite fest war und 412 von den Athenern bei ihrem Einfall auf Ch. auch auf der Seeseite, wo mehrere Häfen sich befanden, befestigt wurde. VIII 40 wird von grösseren Schanzen um ihr Feld- und Schiffslager dort berichtet, so dass Δελφίνιον auf einer mehr landeinwärts gelegenen Bergkuppe zu suchen ist; daraus Diod. XIII 76 und Steph. Byz.; vgl. Harpocr. s. v. Schol. Demosth. XXIII 74. Schol. Aristoph. equit. 772. Suid. Es ist an der Ostküste (in der Nähe von Κοῖλα. s. o.) 15 km. nördlich von der Hauptstadt, beim heutigen Λιμένας Κολοκύθια anzusetzen, wo noch im Mittelalter und wohl auch später ein Hafen Porto Delfino, Porto Fino mit dem fiume Belofano genannt wird, Tomaschek S.-Ber. Akad. Wien CXXIV VΙΙΙ 21. Dass dort Ἀπόλλων Δελφίνιος verehrt wurde, ist wahrscheinlich (Koraïs 10). 5) ἡ Καρδαμύλη (nach Eustath. zu Od. I 241 p. 1414 bedeutet das Appellativum auch ein εἶδος μάζης; die Vergleichung von Ortslagen mit einem Brot ist im alten und neuen Griechenland nichts Seltenes, vgl. den Namen des Hügels Ψωμί südlich von der Stadt Ch.), Thukyd. VIII 24. Steph. Byz. Jetzt Τὰ Καρδάμυλα (etwas weiter landeinwärts als die alte Stadt). 6) αἱ Καρίδες (von καρίς = Squillenkrebs, Seekrabbe [?], wohl vom Fangort) bei Ephoros (erhalten bei Athen. III 105 d. e) πόλις περὶ Χίον τὴν νῆσον genannt. Die Namenform und die Präposition περί scheinen auf einen langgestreckten Seeort hinzudeuten. Die Sage, dass der Ort von Leuten gegründet sei, die unter Makar aus der deukalionischen Flut sich gerettet hätten, scheint sich auf einen Hügel an der See zu beziehen. Καρίδες des ähnlichen Klangs wegen da anzusetzen, wo jetzt das Dörfchen Καρυές (5 km. westnordwestlich vom Κάστρον am Πηγάνιον) liegt, geht nicht an. Dieses hat seinen Namen von den Nussbäumen. 7) τὰ Καύκασα (var. Καύκασος, von καύκη [= weite Schale] wegen der Form des Küstenbodens, auf dem der Ort gebaut war, vgl. E. Curtius Gesammelte Abh. I 487; Ethnikon: Καυκασεῖς Inschr. Ἐφημ. ἀρχ. 1889 Αὐγούστου = Rev. Et. Gr. III 1890, 212; Καυκασίων Name von Chiern auf Inschriften und Münzen, z. B. Mionnet Suppl. VI 393), Küstenort, erwähnt von Herod. V 33. Der persische Flottenbefehlshaber Megabates fährt Frühjahr 499 mit Aristagoras aus Milet, der ionischen [2293] Flotte und den Naxiern nach Ch., hält seine Flotte bei Καύκασα, um von da mit dem Nordwind nach Naxos zu fahren (vgl. 34). Also wird es an der Südküste von Ch. gelegen haben. Im Süden von Ch. giebt es viele gute Häfen, vor allem die der alten Φάναι. Auf Kieperts Formae orb. ant. IX ist Καύκασα da angesetzt, wo der χείμαρρος von Καλαμωτή bei der Gegend Δώτια in den κόλπος Καλαμωτῆς mündet. Gleich in der Nähe, 1½ km. südlicher, ist eine kleine muldenförmige Einbuchtung mit tiefem Wasser. Die Form des Einschnittes (die sich sonst noch öfters an der Südküste findet) passte zu dem Namen. 8) τὸ Λευκώνιον (von der hellen Farbe des Bodens) oder ἡ Λευκωνία Thukyd. VIII 24. Plut. de mul. virtut. 3 p. 244f. Polyaen. strat. VIII 66. Frontin. strat. II 5 § 18. Die Athener machten bei ihrem Einfall (412) auf Ch. die Runde auf der Insel, landeten im Norden bei Kardamyle und Bolissos, bei Phanai im Süden und bei Leukonion. Daher ist Leukonion im südlichen Teil anzusetzen, wohl dort, wo die Felsküste hellere Färbung zeigt, etwa beim heutigen Λευκωνία, 5 km. südsüdöstlich von der Hauptstadt, Kiepert Formae orb. ant. IX. Die Vermutung von Koraïs a. a. O. 17f. ist unhaltbar, da bei Plutarch statt Κορωνεῖς Κολωνεῖς oder Κολωναεῖς (von einem Ort im Gebiet der kleinasiatischen Erythraier) zu ändern ist. 9) ἡ Πίτυς (von Pinien, die dort wuchsen, vgl. den dichterischen Beinamen der Insel Πιτυοῦσσα). Nach der Pseudoherodoteischen vita Homeri 20 hielt sich Homeros dort auf. Beim Ruhen soll ihm dort ein Pinienzapfen auf die Nase gefallen sein. Nahe bei Βολισσός, jetzt Πιτυός, 14 km. östlich vom heutigen Βολισσός. 10) ἡ Πολίχνη Herodot. VI 26 wird bei Gelegenheit des Einfalls des Histiaios auf Ch. und seines Sieges bei τὰ Κοῖλα genannt. Es wird das Örtchen wohl an einer der zahlreichen Einbuchtungen in der Nähe zu suchen sein. 11) αἱ Φάναι, Thukyd. VIII 24. Strab. XIV 645. Steph. Byz. Liv. XXVIII 24. XXXVI 43. 44. Genannt von dem weithin sichtbaren Vorgebirge Φάναι oder Φαναία ἄκρα s. o., wegen dessen Nähe, etwa in mehrere Teile getrennt (noch jetzt Ἀπάνω Φανά und Κάτω Φανά). Über den Apollontempel und dessen Ruinen, Conze a. a. O. 156f. Fustel de Coulanges a. a. O. 505. Im Süden der Insel Ἀπόλλων Ἀγρέτης verehrt, s. Bd. II S. 41. Tiefe Häfen (Strab. XIV 645) giebt es um dieses Vorgebirge mehrere. Palmenhain s. o. 12) ἡ Χίος die Hauptstadt, s. u. Nr. 2.

In chorographisch wichtigen Inschriften (Μουσεῖον καὶ βιβλιοθήκη τῆς ἐν Σμύρνῃ Εὐαγγελ. Σχολῆς περ. β' ἔτ. α' 1876 σσ. 39 ἑπ. Studniczka Athen. Mitt. XIII 1882, 164, 1. Blass Satura philol. Sauppio oblata 127ff.) finden sich noch folgende Namen (s. auch oben): τὸ Δήλιον, vielleicht ein Heiligtum des delischen Apollon, ἡ Ἑρμώνοσσα, wahrscheinlich ein Weiler oder Flecken (genannt von einem Eigennamen?), Εὐάδαι (?), ἐν Εὐάδῃσιν (von εὖ und ἀδεῖν [?] oder von einem Eigennamen [?]), Καμινήη (von der backofenartigen Bodenform [?]), τὸ Οἶον (= Einöd). Die drei letzteren Namen sind wohl Flur- oder Gewannenamen, denn es handelt sich in der Inschrift um Grenzsteine.

Die Betriebsamkeit und Arbeitsamkeit in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel wurde an den [2294] Chiern stets gerühmt. Auf die Pflege von Kulturpflanzen (edler Fruchtbäume, der Weinrebe, der Mastichibäume) auf dem nur teilweise ergiebigen Boden wurde, wie auch auf andern Inseln, z. B. Samos in alter und neuer Zeit, alle Mühe und Sorgfalt (Errichtung von Mauern zur Erhaltung der Krume) verwendet. Davon zeugen die Erfolge in der Zucht des Feigenbaums, Plin. n. h. XV 69, der Pistacia lentiscus XII 72, einer Art des Birnbaums XVII 237. Der kalkige Boden der Insel, geeignet für die Pflege des Weinstockes, belohnte die Emsigkeit der Weinbauer. Die Chier angeblich Erfinder der Weinbereitung, Theopomp, bei Athen. I 26 b. Über den Wein s. o. S. 2291. Im 5. Jhdt. wurde in Athen eine Amphora um eine Mine verkauft, d. h. um den Preis, den 30 hl. Getreide kosteten, Plut. tranqu. an. 10. Feigen s. o. Varro de r. r. I 41. Athen. III 75f. Kraftmehl, Plin. n. h. XVIII 76. Töpfergeschirre (grosse Χῖοι κάδοι, Plin. n. h. XXXVI 59. Luc. ver. hist. II 40. Hesych. s. σταμνία; kleine: Strab. XIII 317. Athen. XI 480 e). Betten und Sofas, Crit. bei Athen. I 28 b. Athen. XI 486 e. Inschriften Boeckh Staatsh. d. Ath. II 153f. Purpur, Athen. XII 539 f. Schuhe, Hesych. s. Χῖαι. Für den Betrieb des Handels war die Insel durch die Lage an dem Vereinigungspunkt grosser Verkehrsstrassen zwischen Asien, Griechenland, Ägypten und den Pontosländern sehr begünstigt, Strab. XIV 663; Näheres bei Fustel de Coulanges 519ff. Über das Fehlen von Pflanzstädten ausser der Beteiligung am Hellenion von Naukratis und der Gründung von Ch. in Ägypten ebd. 521f. Maroneia in Thrakien, Colonie der Chier s. Bd. I S. 2831 und unten. Gesetze zum geordneten Betrieb der Handelsgeschäfte (Notariat) Ps.-Arist. oec. II 2, 12, Inschriften Μουσεῖον καὶ βιβλ. τ. ἐν Σμύρνῃ Εὐαγγ. Σχολ. περ. β' ἔτ. α' σ. 39 ἀρ. ἑπ. und die oben angeführten Arbeiten. Viele Sclaven, Thukyd. VIII 40. Plut. de mul. virt. 3 p. 244f. Polyaen. strat. III 9.

Im 5. Jhdt. v. Chr. waren die Chier die reichsten Griechen, Thukyd. VIII 45. In der Zeit des Mithridates betrug die in der Stadt gebrandschatzte Summe 2000 Talente, Appian. Mithr. 47. Von dem regen Handelsverkehr und Geldumsatz geben die zahlreich gefundenen antiken Münzen Zeugnis.

Poesie, Litteratur und bildende Kunst: Über Ch. als angebliche Heimat des Homeros, die Homeriden auf Ch., Kreophylos von Ch. oder Samos, Kynaithos s. den Art. Homeros. Ein Verzeichnis hervorragender Chier bei Koraïs 179–254 (Βιογραφία Χίων ὀνομαστῶν). Und daraus Wlastos a. a. O. 76–124. Was den Dialekt der alten Chier betrifft, so enthielt der Wortschatz, wie die mehrfach angeführten Grenzsteinurkunden bezeugen, noch im 5. Jhdt. Aiolismen. Die Volkssprache war sehr wahrscheinlich ionisch-aiolisch, O. Hoffmann Die griech. Dialekte III 225. Glossen bei Hesychios, Hoffmann Gr. Dial. III 221f. Über die bildenden Künstler und die Kunstwerke H. Brunn Geschichte der griech. Künstler², Stuttg. 1889, II Register.

Kulte in der Hauptstadt und auf der Insel: Ausser Dionysos und Kybele (s. o.) Zeus Olympios (und Herakles, Paspatis 410, 24) beim jetzigen Μεστά (6 km. südöstlich noch heutzutage ein Örtchen [2295] Ὀλύμπι). 7 km. von Ὀλύμπι Herakles und Athena (ebd. 409, 23). Herakles beim jetzigen Πυργίον im Südosten der Insel, ebd. 404f., 9. Apollon s. Bd. II S. 76: Ἀργέτης, Βοηδρόμιος, Δελφίνιος, Δήλιος, Καυκασεύς, ὁ ἐν Κοίλοις, Ξένιος, Πύθιος, Φαναῖος. Artemis s. Bd. II S. 1406. Cultstätte vielleicht am jetzigen Παρθένης s. o. Athena s. o. und ἱρὸν Ἀθηναίης Πολιούχου, Herodot. I 160. Poseidon s. das Vorgebirge Ποσίδειον. Dionysos Aktaios und Phloios, Asklepios Alimonakis 29f.

Bewohner: Als erste Bewohner nennen uns die Schriftsteller wie von vielen andern Nachbarplätzen Leleger und Pelasger (Strab. XIII 621. XIV 632. Paus. VII 2, 4; vgl Schol. Pind. Pyth. 10, 6). Nach Ion (Paus. VII 4, 8) sagenhafte Einwanderung aus Kreta unter Oinopion, Sohn des Dionysos oder des Theseus und der Ariadne. Unter seiner Herrschaft kommen Karer und Abanten aus Euboia. Nach Oinopion und seinen Söhnen bekam Amphiklos aus Histiaia auf Euboia die Herrschaft. Der Urenkel des Amphiklos, Hektor, vertreibt die Abanten und Karer. Unter ihm wird Ch. Mitglied des ionischen Bundes. Nach Strab. XIV 633 war Egertios Führer einer Schar, die aus verschiedenen Stämmen gemischt war. Die nahe Verwandtschaft der Chier und Erythraier, deren Stadt auch vom östlichen Boiotien und von Euboia aus gegründet war, in Sprache, Ortsnamen, Kulten u. s. w. ist unverkennbar und wird von Busolt Gr. Gesch. I² 314 mit einer Besiedlung des Gebiets von Erythrai von Ch. aus erklärt. Die Nachricht des Marmor Parium II 43 von einer Besiedlung von Ch. durch Neleus aus Athen hat als unglaubhaft zurückgewiesen Fustel de Coulanges a. a. O. 512. Nach Beloch Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt 234 hatte die Insel Ch. zur Zeit des peloponnesischen Krieges etwa 30 000 freie Einwohner und 100 000 Sclaven (über 130 Einwohner auf 1 ☐km.). Berühmte Chier des Altertums und der Neuzeit bei Koraïs 179 ἑπ. und Wlastos 76 ἑπ. Dichter, Schriftsteller und Philosophen s. d. Art. Ariston Nr. 56 (Bd. II S. 957ff.), Ion, Kynaithos, Likymnios, Metrodoros, Skymnos, Theokritos, Theopompos, ferner Homeros (und Homeriden). Künstler s. die Artikel Archermos Bd. II S. 457f. Bion Nr. 14 (oben S. 487), Bupalos Nr. 2 (oben S. 1054), Glaukos, Menippos, Mikkiades, Pantias, Sostratos, Zenodotos. Über den Dialekt der Chier Koraïs 67 ἑπ. O. Hoffmann Griech. Dial. III 224f. Über die Lebensweise, Eigentümlichkeiten und die sprichwörtlichen Redensarten, die durch diese veranlasst wurden, Pape Wörterb. d. griech. Eigennamen II³ 1686. Alimonakis 69. Der Wohlstand der Chier führte zur Üppigkeit; bei Petron. sat. 63 ist vita Chia ein genussreiches, üppiges Leben. Χιάζειν. Vgl. Alimonakis 69f.

Verfassung: Anfangs herrschten über Ch. wie über alle hellenischen Staatswesen ,Könige‘. Auf die Königsherrschaft folgt aristokratisches Regiment, das vom demokratischen abgelöst wird. Dazwischen Tyrannen; Beamte im 5. Jhdt.: οὐροφύλακες, πεντεκαίδεκα, βασιλεύς; im 4. Jhdt.: πρύτανις, ὀρισταί, ἐξετασταί, οἱ κατὰ μῆνα ταμίαι, ἀγορανόμος. Phratrieneinteilung. Vgl. Gilbert Griech. Staatsaltert. II 153. [2296]

Auswärtige Besitzungen: Atarneus, s. den Artikel Bd. II S. 1897, die Insel Ch. im Nil, Hekataios FHG I 20, Anteil am Hellenion in Naukratis, Chios in Karien (?), die Insel Psyra (jetzt Ψαρά), die Oinussai (jetzt Ἀγνοῦσσαι), Maroneia s. d.

Chronologische Übersicht über die Geschicke der Insel und ihrer Bewohner: Mythische Periode s. o. S. 2295. 7. Jhdt. Kämpfe der von den Milesiern unterstützten Chier gegen Erythrai in Ionien. 6. Jhdt. Münzprägung: Elektronstatere nach milesischem Fuss und Silberdrachmen chiischer Währung (Sphinx, Dionysoskult). Hülfstruppen für Miletos gegen den König von Lydien. Adelsherrschaft. Auslieferung des Paktyas an Mazares, den Feldherrn des Kroisos. Lohn hiefür Atarneus in Mysien. Weigerung, den von Harpagos, dem Feldherrn des Kyros, bedrängten Phokaiern die Oinussai abzutreten. Anteil am Hellenion in Naukratis in Ägypten. Um 600 Sclavenaufstand unter Drimakos. Kyros unterworfen. 513 Tyrann Strattis unter persischer Oberhoheit, 498 Histiaios auf Ch. s. o. Κοῖλα, Πολίχνη. 494 bei Lade 100 chiische Schiffe. Chiische Flüchtlinge werden von den Ephesiern aufgerieben. Vorher waren von 100 Jünglingen, die nach Delphoi geschickt waren, 98 an der Pest gestorben und 119 Schulknaben von einem eingestürzten Dach erschlagen worden. Strattis, wieder als Tyrann eingesetzt, von Verschwornen mit Hülfe der griechischen Flotte beseitigt. 479 Ch. in die hellenische Eidgenossenschaft aufgenommen. 477 autonomes Mitglied des athenischen Seebundes. Demokratie. 468 (?) vermitteln die Chier Frieden zwischen Athen und den von ihnen besiegten Phaseliten. 441 trifft Sophokles (als στρατηγός gegen Samos geschickt) auf Ch. mit Ion im Hause des athenischen πρόξενος Hermesileos zusammen. 441–40 Die Chier auf Seite der Athener gegen Samos (Chier und Lesbier zusammen 55 Schiffe). 431 auf Seite Athens. Erhebung der Aristokraten. Befestigung von Ch. Auf Befehl Athens die neue Stadtmauer eingerissen. Die Athener stellen Demokratie her. 415 Die Chier unterstützen die Athener bei der sikelischen Expedition (50 Schiffe). 413 Abfall der Chier von Athen zu Sparta (60 Schiffe). 412 Hülfegesuch der Chier in Sparta. 412 Die Athener schicken den Flottenbefehlshaber Aristokrates nach Ch. Sieben Schiffe der Chier stossen zum athenischen Geschwader. Das Erscheinen der peloponnesischen Flotte unter Alkibiades und Chalkideus bringt die Adelsherrschaft in die Höhe. Die Chier wiegeln Lebedos und Lesbos auf. Die athenischen Feldherrn Leon und Diomedon landen bei Kardamyle, siegen bei Bolissos, Phanai und Leukonion. Verwüstung. Übergabe der Stadt. Die Anhänger der Peloponnesier rufen den spartanischen Flottenbefehlshaber von Erythrai herbei, der später durch Pedaritos ersetzt wird. Athens Anhänger getötet. Die Athener befestigen Delphinion. Sclavenaufstand. Strombiches, der athenische Anführer, wird durch die Erhebung von Abydos und Lampsakos dorthin abgelenkt. 407 nehmen die Athener Delphinion wieder. Die demokratische Partei kommt in die Höhe. Die verbannten Aristokraten führt der spartanische Admiral Kratesippidas zurück; die Demokraten verbannt. 600 von ihnen machen einen Handstreich [2297] auf Atarneus, das sie bis 398 behalten. 406 Delphinion von dem Spartaner Kallikratidas genommen; sein Unterfeldherr Eteonikos besetzt die Insel. 404 kämpfen die Chier bei Aigospotamoi, mit den Peloponnesiern verbündet. Drei Chier zeichnen sich besonders aus. 404/403 durch Lysandros ein Harmost, zehn Archonten und eine spartanische Besatzung in Ch. Die Demokraten nach Atarneus. 394 Die spartanische Besatzung vertrieben. 388/87 Im Bündnis mit Athen. 381 Gelockerte Beziehungen zu Athen. 377 Ch. tritt als erste Stadt dem zweiten athenischen Seebund bei. 364 tritt Ch. in freundschaftliche Beziehungen zu Theben. 357 fällt Ch., durch Maussollos von Karien hiezu veranlasst, von Athen ab, weist Chares’ Angriffe zurück. Die Athener werden bei Ch. geschlagen, Chabrias fällt. 355 Friede mit Athen. 354 Oligarchie. Vor 346 von karischen Fürsten erobert. 346 Herrscher Idrieus von Karien, Nachfolger der Artemisia. 343 (?) wieder selbständig. 339 leisten die Chier im Bund mit den Athenern den von Philippos II. bedrängten Byzantiern wirksame Hülfe. Demokraten obenan. Die Aristokraten rufen die Perser. Apollonides, Phisinos (Φησῖνος?), Megareus, Athenagoras liefern dem Memnon die Stadt aus, in die Pharnabazos eine Besatzung legt. 333 liefern die Demokraten die Perser und die Aristokraten dem makedonischen Anführer Hegelochos aus. Makedonische Besatzung bis 331. 325 Beschwerde der Chier wegen der Gewalttätigkeiten der Soldaten. 324 Amnestiedecret des Alexandros. 202 Mit Attalos von Pergamon und den Rhodiern verbündet, schlagen die Chier Philippos III. von Makedonien bei ihrer Insel. 190 auf Seite der Römer gegen Antiochos von Syrien. Ehrungen und Gewährung von Land (Atarneus [?], Χίος πόλις Καρίας [?] ἄλλη κατὰ τὸ Τριόπιον κειμένη ἐν τῇ χερρονήσῳ [?]) seitens des römischen Senates. 86 auf Seite des Mithradates. Die Stadt von Zenobios gebrandschatzt (2000 Talente), die Bürger nach dem Pontos gebracht. 85 durch Sulla zurückgebracht. Ch. eine civitas libera. Ebenso zu Lucullus, Pompeius, C. Iulius Caesars, Augustus und Tiberius Zeiten; der letzte besuchte Ch. zweimal. Unterstützung der Chier zur Herstellung der durch das grosse Erdbeben zerstörten Gebäude. Noch bei Plin. n. h. V 136 eine civitas libera. 24 v. Chr. Besuch des Herodes. Geschenke. Wohlthaten. Unter Vespasianus keine civitas libera mehr; gehört zur provincia insularum bis Constantinus. 449 und 451 n. Chr. Bischof Tryphon von Ch. Bischöfe Georgios und Theophilos. 1089 Verwüstung durch den Türken Tzachas. 1090 besetzt Dalassenos im Auftrag des byzantinischen Kaisers Ch. 1172 der Doge von Venedig Vital Michieli im vorübergehenden Besitz von Ch. 1204 Ch. im Besitz der Venezianer. Hierauf im Besitz der genuesischen Familie Zaccaria, der Byzantiner, der Maona von Genua und schliesslich der Türken.