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Canaletto-Mappe

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Otto Richter
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Titel: Canaletto-Mappe
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Wilhelm Baensch, K. S. Hofverlagsbuchhandlung
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Erscheinungsort: Dresden
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Kurzbeschreibung:
siehe auch: Staatliche Kunstsammlungen Dresden
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[1]
CANALETTO-MAPPE.
24 ANSICHTEN VON DRESDEN, PIRNA UND KÖNIGSTEIN
NACH CANALETTO’S RADIERUNGEN
IN LICHTDRUCK MIT ERLÄUTERUNGEN HERAUSGEGEBEN
VON
Dr. OTTO RICHTER
ARCHIVAR DER STADT DRESDEN.
ZWEITE AUFLAGE.
DRESDEN
WILHELM BAENSCH, K. S. HOFVERLAGSBUCHHANDLUNG
1895.
[2]
DRUCK VON WILHELM BAENSCH IN DRESDEN.


[3] Zu keiner Zeit hat Dresden auf seinem Boden so viel Neues erstehen sehen wie im letzten Vierteljahrhundert. Und dennoch ist unsre Stadt dadurch nicht so von Grund aus umgestaltet worden, wie in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch die Bauthätigkeit der beiden Kurfürsten und polnischen Könige August II. und III. Die Werke, die sie schufen und anregten, sind noch heute bestimmend für das Stadtbild von aussen wie nach innen und werden auch von allem, was die Gegenwart noch plant, nicht in den Hintergrund gedrängt werden.

Die ersten Anläufe zur baulichen Verschönerung Dresdens liegen bereits in der Zeit Herzog Albrechts, der nach dem grossen Stadtbrande von 1491 durch Gewährung von Baumaterial und Steuerfreiheit zur Aufführung steinerner Neubauten an Stelle der damaligen Holz- und Fachwerkhäuser ermunterte. Sein Sohn Herzog Georg errichtete selbst ein hervorragendes Gebäude in dem neuen Thorhause am Schlosse, dem sogenannten Georgenschlosse. Den Umbau und die Vergrösserung des alten Residenzschlosses setzte dann Kurfürst Moritz unter Aufwendung bedeutender Mittel fort, bis endlich Christian I. das ganze Werk durch Anfügung des nach der Schlossstrasse zu gelegenen Flügels vollendete. Von dem äusseren Schmucke des Gebäudes und namentlich den zahlreichen Giebeln blieben bis auf unsre Zeit nur die der Süd- und Westseite erhalten, während das übrige durch eine Feuersbrunst im Jahre 1701 und durch den 1718 ausgeführten Erneuerungsbau vernichtet wurde. Kurfürst August erbaute das Zeughaus, das in seiner reichen Ausstattung mit Kriegsmaterial lange Zeit eine Merkwürdigkeit von europäischem Rufe war, und legte die letzte Hand an die von Georg und Moritz errichteten neuen Festungswerke, förderte auch die Verbesserung der Strassen durch Herstellung von Pflaster und Schleussen. Zu einer glänzenden Leistung aber schwang sich das ausgehende 16. Jahrhundert noch in dem durch Christian I. aufgeführten prächtigen Stallgebäude mit dem Stallhofe auf. Die Nachfolger beschränkten sich auf das Ausgestalten des bisher Geschaffenen, ohne Neues in Angriff zu nehmen. Johann Georg I. liess den von seinem Vater begonnenen Bau des prunkvoll ausgestatteten Lusthauses auf der Jungfernbastei vollenden, das 1747 durch eine Pulverexplosion zerstört worden ist. Zugleich erhielt durch ihn der von Kurfürst August begründete und von seinen Nachfolgern erweiterte Jägerhof seinen Abschluss. Nach langer Unterbrechung aller Bauthätigkeit durch den dreissigjährigen Krieg kam es dann erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts noch zu einer Schöpfung von hervorragendem Werthe, der Anlage des Grossen Gartens und der Erbauung des Garten-Palais unter Johann Georg II.

So war für die Verschönerung unsrer Stadt schon Bedeutendes geschehen, aber alles trat in den Schatten vor den Werken der nun beginnenden Glanzzeit unter August dem Starken. Dieser ebenso kunstsinnige wie prachtliebende Fürst war bestrebt, Dresden zu einer würdigen Bühne für die glänzende Rolle zu gestalten, die er zu spielen gedachte. Die für das Land unheilvolle Erwerbung der polnischen Königskrone hatte für die Hauptstadt einen ungeahnten Aufschwung im Gefolge. Wie einst Moritz seiner Rangerhöhung Rechnung getragen, indem er das alte Markgrafenschloss in eine kurfürstliche Residenz verwandelte, so schuf August ganz Dresden zu einem Königssitze um, der den Vergleich mit der Stadt Ludwigs XIV. nicht zu scheuen brauchte.

Die grossartigen Entwürfe Augusts zum Bau eines neuen Königsschlosses auf dem jetzigen Theaterplatze, zu denen der Schlossbrand vom Jahre 1701 den Anstoss gab, sind freilich nicht zur Ausführung gelangt, aber gleichzeitig und im Zusammenhange damit entstand ein Werk, einzig in seiner Art und mit nichts in der Welt vergleichbar: der Zwinger. Zum Schauplatze für die rauschenden Feste des Hofes bestimmt, ist dieses Bauwerk ein künstlerisches Denkmal der phantastischen Sinnenlust jener Zeit, das noch heute den Ruhm seines grossen Erbauers Pöppelmann und des kunstverständigen königlichen Bauherrn verkündet. Und neben diesem Meisterstück des Barockstils nahm der König zahlreiche andere grosse Bauten in Angriff: das Prinzen-Palais am Taschenberge, die stattliche Hauptwache auf dem Neumarkte wurde errichtet, der Grosse Garten erweitert und verschönert, die Elbbrücke erneuert und verbreitert, endlich auf dem Boden des durch Brand zerstörten Städtchens Altendresden ein ganz neuer, grossartig angelegter Stadttheil geschaffen. Hier erstand in wenigen Jahrzehnten eine Reihe hervorragender Gebäude, die der Neustadt bis auf die jüngste Zeit das Gepräge gegeben haben: das mächtige Japanische Palais, die Ritterakademie, die grossen Kasernen, das Blockhaus, die Dreikönigskirche. Schliesslich wurde unter Augusts förderndem Einfluss auch noch das gewaltige Bauwerk begonnen, das mit seiner majestätischen Kuppel dem Stadtbilde für alle Zeiten seine schönsten Linien gegeben hat: die Frauenkirche, George Bährs herrliche Schöpfung, der von Anfang an der Stolz und die Liebe der ganzen Bevölkerung zugewendet war. Diesem aus der eignen Kraft des Bürgerthums hervorgegangenen Gotteshause hat Augusts des Starken Sohn und Nachfolger August III. ein andres gegenübergestellt, das dritte architektonische Prachtstück jener Epoche: die katholische Hofkirche. Aber von fremden Künstlern erbaut und mit fremdartigen Gestalten geschmückt, wird es dem Herzen des Dresdners immer fremd bleiben, so oft auch seine reizvollen Formen das Auge fesseln. In dieser Hofkirche hat sich die selbständige Bauthätigkeit Augusts III. schon fast erschöpft; nur einige Umbauten, wie die des Prinzen-Palais und des Zeughauses, sind noch durch ihn hervorgerufen worden. Dagegen hat dieser Fürst mit Eifer und Glück die Erweiterung und Vergrösserung der von seinem Vater ererbten Kunstsammlungen betrieben, denen unsre Stadt vielleicht mehr noch als der natürlichen Lage und den Werken der Baukunst ihren Weltruhm verdankt. Bedeutend war aber auch die Umgestaltung, die Dresden damals an städtischen und Privathäusern erfuhr. In beiden Stadttheilen erstanden neue Rathhäuser, die Adelsfamilien liessen sich prächtige Stadtwohnungen erbauen und die vermögende Bürgerschaft eiferte ihnen nach. Diese Adelspaläste mit ihren einfachen aber edeln Fassaden, ihren luftigen Treppenhäusern, ihren lichten Höfen und schönen Brunnenanlagen, diese Bürgerhäuser mit ihren zierlichen Erkern und ihrem wohlvertheilten massvollen Schmuckwerk sind noch heute zahlreich erhalten und geben Zeugniss von dem alle Kreise durchdringenden feinen Geschmacke der Barock- und Rococozeit.

Und welch ein Bild bunten Lebens und Treibens erfüllte diesen Rahmen! Hat sich doch die Bevölkerung Dresdens in den ersten fünfzig Jahren des vorigen Jahrhunderts auf das Dreifache [4] gesteigert, waren doch bei einem Besuche, den August der Starke 1732 den Bauten in der Neustadt abstattete, dort allein gegen 2000 Künstler und Arbeiter in Thätigkeit. Eine geschäftige Menge drängte sich in den Strassen, und durch sie hindurch bahnten sich die Lastfuhrwerke mit Baumaterial und Waaren, die Reisewagen der herbeiströmenden Fremden, die Portechaisen der Vornehmen ihren Weg, während den Karrossen des hohen Adels und den sechsspännigen Staatskutschen des Hofes mit ihren Vorreitern und Läufern alles grüssend Platz machte. Ging es bei der Abwesenheit des königlichen Hofes in Polen hier etwas stiller zu, so ward es bei seiner Rückkehr um so lebendiger in der Stadt. Züge von Kameelen und Maulthieren mit Mohren und anderem fremden Volke brachte der Hofstaat mit sich; Kavaliere aus allen Ländern Europas kamen herbei, um die Freuden eines glänzenden Hoflebens mitzugeniessen. Zu jedem Karneval, bei jedem fürstlichen Besuche, bei jeder Verlobung, jeder Vermählung, jeder Kindtaufe am Hofe veranstaltete der König wochenlang dauernde Festlichkeiten, und diese spielten sich nicht bloss im Schlosse ab, sondern die Maskenfeste und Wirthschaften wurden öffentlich im Zwinger, im Stallhofe, auf dem Altmarkte abgehalten, die Aufzüge zu den Ringrennen, die Schlittenfahrten mit all ihrem bunten Aufputz bewegten sich durch die Strassen der Stadt, und auch in nächtlicher Stunde fand die Schaulust des Volkes in Illuminationen und Feuerwerken Befriedigung. Dazu die Paraden eines zahlreichen, prächtig uniformirten Militärs, die häufigen Festaufzüge der bei dem herrschenden Luxus blühenden Handwerke, die Schaustellungen des herbeiströmenden Volkes der Komödianten, Klopffechter, Seiltänzer, Gaukler und Bärenführer – kurz, es war ein Leben, wie es nur der leichte Sinn jenes genussfreudigen Geschlechts hervorzubringen vermochte, wie es aber auch vor dem kalten Windhauch ernster Ereignisse sofort verschwinden musste.

In diese kunst- und lebensfrohe Welt stellt die Mehrzahl der hier dargebotenen Blätter uns hinein. Etwas Neues ist es nicht, was sie bringen, im Gegentheil, unsre Stadt hat keine bildlichen Darstellungen aus ihrer Vergangenheit aufzuweisen, die so altbekannt, aber freilich auch keine, die so schön und inhaltreich wären wie die Gemälde Canalettos. Länger als ein Jahrhundert schon sind sie die Freude der heimischen Kunstkenner und Geschichtsfreunde gewesen, und nachdem man neuerdings eine verkehrsreiche Strasse dem Künstler zu Ehren benannt hat, ist sein Name auch noch volksthümlich geworden. Und er verdient es: was er geschaffen hat, wird nie veralten und immer neuen Geschlechtern Genuss und Anregung bieten.

Von dem Lebensgange und der Thätigkeit Canalettos sind nur dürftige Nachrichten auf uns gekommen: Julius Meyer hat sie in einem vortrefflichen Aufsatze seines Künstlerlexikons (3. Band, Leipzig 1885), dem wir hier im Wesentlichen folgen, zusammengestellt.

Bernardo Belotto war am 30. Januar 1720 zu Venedig geboren. Ein Neffe und Schüler des schon bei seinen Lebzeiten berühmten venezianischen Architekturmalers Antonio da Canale genannt Canaletto, dessen Beiname auf ihn überging, wandelte er anfangs ganz in dessen Bahnen, hat sich aber später zu selbständiger Meisterschaft emporgeschwungen. Nach Beendigung seiner Lehrzeit in Venedig begab er sich um 1740 zu weiterer Ausbildung im Architekturzeichnen auf einige Jahre nach Rom und arbeitete dann in verschiedenen Städten Oberitaliens; aus dieser Zeit sind von ihm mehrere Gemälde vorwiegend landschaftlichen Charakters in Turin und Mailand erhalten. Hierauf verliess er auf immer sein Vaterland und siedelte nach Deutschland über. Um 1745 scheint er sich zunächst in München aufgehalten zu haben; darauf deutet eine in der dortigen Pinakothek vorhandene grosse Ansicht dieser Stadt hin.

Seit 1747 finden wir den Künstler in Dresden. Wahrscheinlich hatte ihn hierher nicht der König, sondern dessen Minister und Günstling Graf Brühl berufen. Für dessen neuerbautes Palais malte er in den Jahren 1747 bis 1755 21 grosse Bilder mit Ansichten von Dresden und Pirna. Bei Brühls Tode 1763 war aber noch kein einziges bezahlt; sie wurden vom Hofe angekauft und dem Künstler dafür ein Honorar von 4200 Thalern, durchschnittlich also 200 Thaler für das Bild, bewilligt. Daneben war Canaletto jedoch auch unmittelbar vom König August III. beschäftigt worden und führte schon 1748 den Titel eines Hofmalers; fünf von den in der königlichen Galerie befindlichen Bildern mit Ansichten von Dresden wurden 1751 von ihm unmittelbar dahin geliefert.

Im Jahre 1758 wurde er vom kaiserlichen Hofe nach Wien berufen, um dort Ansichten von der Stadt und den kaiserlichen Schlössern zu malen; 13 von diesen Gemälden sind noch in den Wiener Museen vorhanden. Dann scheint er, bevor er nach Dresden zurückkehrte, im Auftrage des Königs etwa zwei Jahre in Warschau gearbeitet zu haben. 1764 wurde er mit einem Jahresgehalte von 600 Thalern als Lehrer der Perspektive an der neu eröffneten Dresdner Akademie der Künste angestellt; da er der deutschen Sprache ganz unkundig war, bediente er sich beim Unterrichte der Hülfe seines Sohnes. Der Künstler befand sich hier in fortwährender Geldnoth und erhielt deshalb 1765 eine Gratifikation von 200 Thalern gewährt, wurde aber dabei auch an seine Verpflichtung zu unentgeltlicher Ablieferung eines Gemäldes erinnert; als solches ward die Ansicht des eingestürzten Kreuzthurms übernommen. Da er seiner Schulden wegen den Wunsch hatte, seine Kunst anderwärts reichlicher zu verwerthen, wurde ihm Ende 1766 ein Urlaub nach St. Petersburg bewilligt. Er ging nach Warschau und erhielt auf erneutes Bitten den Urlaub mit Gehalt bis Ende 1767 verlängert, 1768 aber wurde ihm seine Entlassung zugestellt. (Vergl. M. Wiessner, die Akademie der bildenden Künste. Dresden 1864). Nun blieb er in Warschau als Hofmaler des Königs Stanislaus II. August und hat dort neben zahlreichen Architekturbildern auch das zur gräflich Raczynskischen Sammlung in der Nationalgalerie zu Berlin gehörige grosse Gemälde von der Wahl des Königs Stanislaus geschaffen, das auf der rechten Seite unter vielen Portraits auch den Künstler selbst, in rother Kleidung, darstellt.[1] In Warschau ist er am 17. Oktober 1780 gestorben. – Ausser den genannten befinden sich noch viele Gemälde und Federzeichnungen von seiner Hand in verschiedenen Galerien und Privatsammlungen, so in Darmstadt, Frankfurt a. M., Schwerin, St. Petersburg, Brüssel, im Haag, und zwar meist venezianische Ansichten, in der Sammlung Liechtenstein zu Wien aber auch zwei kleinere Ansichten von Pirna und vom Königstein.

Canalettos Werke weisen ihm einen Platz unter den besten Architekturmalern aller Zeiten an. J. Meyer rühmt an ihnen die „Sorgfalt der Ausführung, die frei von aller Peinlichkeit ist und vielmehr die grössten Schwierigkeiten spielend zu überwinden scheint; daher bei liebevoller Vollendung eine Breite der Behandlung, eine Leichtigkeit der Hand, die den befreienden Eindruck eines ganz mühelosen Schaffens macht; dazu endlich ein Gefühl für Gesammtwirkung, welches alles Kleinste nicht sowohl unterordnet als zur Fülle und Lebendigkeit des Ganzen mitsprechen lässt, indem es die naive Freude an der köstlichen Sauberkeit des Details offen bekennt“. Meyer sagt weiter: „Für die malerische Behandlung der architektonischen Formen und Linien lässt sich eine geeignetere Art kaum denken. Man hat behauptet, dass Belotto sich der Camera obscura bediente, um in seine architektonischen Veduten jene Klarheit und Sicherheit, sowie jene Richtigkeit der Perspektive zu bringen, welche in der That der Bestimmtheit der Photographie nichts nachgiebt. Dem mag so sein; allein nur ein malerisch angelegtes Auge war im Stande, dieses in festen Linien gezeichnete Bild in Bewegung und Fluss zu bringen, gleichsam den flüchtigen und doch vollen überzeugenden Schein des Lebens darüber auszubreiten. Dazu bedurfte es der Künstlernatur, die [5] über eine vollständig geübte Hand mit Freiheit verfügte. In beidem vereinigt aber, der exakten Bestimmtheit des Bildes und dem Schein freien Lebens, besteht der ganz eigenthümliche Reiz der Gemälde Belottos. Hierzu wirkt nun ganz wesentlich die besondere Art mit, wie er alle Dinge, alle Form und Gestalt in ein bestimmtes Medium von Licht und Luft setzt. Mit sicherem Gefühl wählt er durchgängig eine Beleuchtung, welche das reizvolle Spiel des architektonischen Details zu voller Wirkung und zugleich durch einfache breite Licht- und Schattenmassen das Ganze in grossen gegliederten Formen zu harmonischer Erscheinung bringt. Es ist ein scharfes Licht, oft volles Sonnenlicht mit starken Schlagschatten, in das er seine Architekturen setzt, ein Licht, wie es der Norden in heiteren Apriltagen bei kühlem Ostwind oder der geklärte Himmel nach derben Regengüssen zeigt. . . . . Allerdings erhält durch dieses kühle scharfe Licht die Farbenwirkung eine gewisse Härte, es fehlt ihr zumeist der Reiz der überleitenden Töne eines zarten, die Gegensätze mildernden Helldunkels. . . . . aber es ist erforderlich, um die köstliche Durchbildung der Detailformen in der Gesammtwirkung noch deutlich mitklingen zu lassen, die kleinsten, mit reizender Sauberkeit gezogenen Profile nicht in einem ungewissen Helldunkel oder in einem malerischen Ungefähr aufzulösen, sondern dem Ganzen als ein wesentlich mitsprechendes Glied einzufügen. Ein solches Licht aber verlangt eine ganz reine klare Luft, in der alle Umrisse fest und sicher bestehen, alle Gliederungen sich abzeichnen. Weil in einem solchen Medium die Konture nicht verschwimmen, kein Objekt in unklare oder nebelige Ferne zurücktritt, hat man dem Künstler die Luftperspektive absprechen wollen: sehr mit Unrecht, wie jedes Auge sieht, das unbefangen in seine Bilder eingeht. Es lässt sich darin mit Behagen und voller Sicherheit, seinen Weg zu finden, „spazieren gehen“; es zieht den Beschauer förmlich hinein, umherzuwandeln unter der engen Halle des Stadthauses, auf den Marktplätzen, in den fern und abseits gelegenen Gässchen; und die verschiedenen Kirchthürme erheben sich hinter- und nacheinander mit so zierlicher Bestimmtheit in die blaue Luft, dass sich ihre Entfernungen und Abstände mit mathematischer Sicherheit berechnen lassen. Und so bewegt sich auch die Staffage, auf welche sich Belotto trefflich versteht und die er mit Vorliebe in bunter Menge, ein rühriges, fröhliches Völkchen, anbringt, bald im vollen Sonnenlichte, bald in den tiefen Schlagschatten, auf Strassen und Plätzen, jeder an seiner richtigen Stelle, in der Nähe und Ferne, ohne einander umzurennen oder sich im Wege zu stehen“.

In unsrer königlichen Galerie befinden sich von Canaletto im Ganzen 37 Oelgemälde, darunter 18 Ansichten von Dresden und 11 von Pirna mit dem Sonnenstein, erstere in den Jahren 1747 bis 1766, letztere zwischen 1752 und 1755 gemalt. Sie bergen einen wahren Schatz geschichtlicher Erinnerungen aus unsrer vaterländischen Vorzeit in sich. Zumal Dresden darf sich glücklich schätzen, gerade aus den Tagen seines grössten äusseren Glanzes so prächtige, in allen Einzelheiten genaue Darstellungen seiner hervorragendsten Oertlichkeiten und Bauten, sowie seines Strassenlebens zu besitzen.

Man kann diese Gemälde als eine von Künstlerhand geschriebene Schilderung Dresdens im Zeitalter der beiden Könige August II. und III. bezeichnen. Was der leichtlebige, aber mit hohem Kunstsinn begabte August der Starke und sein Sohn theils selbstschaffend, theils anregend für die Verschönerung unsrer Stadt gethan, das taucht hier in seiner ganzen Pracht vor uns auf. Aber es fehlen auch nicht die Zeugen der unheilvollen Folgen, die zuletzt mit der mehr auf Macht und Prunk als auf das Wohl des Volks bedachten Herrschaft dieser Fürsten verknüpft waren: die Trümmer der Kreuzkirche und der Vorstädte, Bilder des Kriegselends und der Verarmung.

Canaletto ist jedoch nicht nur als Maler, sondern in bedeutendem Umfange auch als Radierer thätig gewesen. Von seinen Dresdner Ansichten hat er 15, von den Pirnaischen 6 in Kupfer geätzt. Ausserdem giebt es von ihm eine radierte Darstellung der Ruinen der Pirnaischen Vorstadt nach deren Niederbrennung in den Jahren 1758 und 1759 nach einem im Besitz des Prinzen Xaver befindlich gewesenen Oelgemälde, dessen jetziger Verbleib nicht bekannt ist, und zwei radierte Ansichten vom Königstein, zu deren einer wohl das erwähnte Bild in Wien als Original zu betrachten ist. Die Kupferplatten dieser sächsischen Ansichten gingen um die Mitte unsers Jahrhunderts aus dem Besitze des königlichen Kupferstichkabinets in den eines Berliner Kunsthändlers über, der neue Abzüge davon anfertigte; nur von den beiden die Kreuzkirche und die Frauenkirche darstellenden Hochblättern giebt es keine solchen neuen Abzüge. Eine genaue Beschreibung der Canalettoschen Radierungen mit allen Abdrucksverschiedenheiten giebt Rudolph Meyer in seiner Schrift: Die beiden Canaletto (Dresden 1878).

Mit flotter und sichrer Hand in der Art von Federzeichnungen ausgeführt, spiegeln diese vorzüglichen Radierungen, die nur in unwesentlichen Einzelheiten, namentlich der Staffage, von den Oelgemälden abweichen, die dargestellten Oertlichkeiten malerisch und wirkungsvoll wieder. Ihr geschichtlicher Werth, ihre Schönheit und die grosse Seltenheit einiger von ihnen lassen die gegenwärtige Vervielfältigung gewiss als einen Gewinn erscheinen. Unsre Sammlung giebt diese 24 Blatt Radierungen, von denen die meisten in sehr grossem Massstabe gehalten sind, auf halbe Grösse der Gegenstände verkleinert wieder. Ihre Nummernfolge entspricht einem Gange von Neustadt-Dresden über die Augustusbrücke, durch den Zwinger hinaus auf die Ostra-Allee, zum Wilsdruffer Thore herein nach dem Altmarkte, von da herüber nach dem Neumarkte, in die Pirnaische Vorstadt und endlich hinaus nach Pirna und Königstein.

I. Der Neustädter Markt
II. Die Neustadt mit dem Japanischen Palais
III. Die Brühlsche Terrasse
IV. Die Altstadt mit der Elbbrücke
V. Der Schlossplatz mit der katholischen Hofkirche
VI. Der Zwingerhof
VII. Die Zwingergalerie
VIII. Das Wilsdruffer Thor
IX. Der Altmarkt
X. Der Altmarkt
XI. Die Kreuzkirche
XII. Die Ruinen des Kreuzthurms
XIII. Der Neumarkt
XIV. Der Neumarkt
XV. Die Frauenkirche
XVI. Die Ruinen der Pirnaischen Vorstadt
XVII. Das Dohnaische Thor in Pirna
XVIII. Das Oberthor in Pirna
XIX. Der Sonnenstein nach Süden
XX. Der Sonnenstein nach Nordwesten
XXI. Die Schiffthorvorstadt in Pirna
XXII. Pirna mit dem Sonnenstein
XXIII. Der Königstein nach Westen
XXIV. Der Königstein nach Süden

  1. Dieses Selbstbildniss ist auf dem Titelblatte wiedergegeben.