Burgen in Bozens Umgebung
Wolfgang Menzel nannte das Etschland von Meran bis Bozen die burgenreichste Gegend, so weit die deutsche Zunge klingt. Und mit vollem Rechte: das von Kastellen und Warten so reich geschmückte Rheinland kann sich mit der Meraner und Bozener Gegend in dieser Beziehung nicht messen, und selbst das schöne Vinschgau steht den Rheingegenden an Schlösserzahl nicht nach.
Die Geschichte erklärt uns das Räthsel dieser Fülle von befestigten Bauten. Schon vor den Römern hatten die Rhätier hier ihre wehrhaften Plätze; als später die Römer den Widerstand der früheren Bewohner gebrochen hatten und Herren des Landes an der Etsch und am Eisack geworden, bauten sie eine Kette von Kastellen und Wartthürmen. Die romanischen und vorrömischen Namen derselben haben sich bis auf unsere Zeit erhalten und geben Zeugniß für das Alter und die Abstammung vieler Burgen. Als endlich Deutsche die Macht der Weltbeherrscher im Gebirge gebrochen hatten, ließen sich Gothen, Langobarden, Bayern und Franken im eroberten Gebiete nieder, saßen in den alten Kastellen oder bauten sich neue Burgen.
Die Wege den Eisack und die Etsch entlang oder über Chur waren die beliebtesten nach Italien und wurden Völkerstraßen. Bozen wurde der berühmteste Handelsplatz zwischen Deutschland und Italien, Meran war seit der Gründung Tirols durch Meinhart II. die Hauptstadt des Landes. Kein Wunder, daß sich alte mächtige oder junge hochstrebende Geschlechter hier im reichgesegneten Etschlande, wo die Traube glüht und die Feige schwillt, mit Vorliebe ansiedelten, alte Burgen erwarben oder neue Schlösser und Edelsitze erbauten!
Meran ist von einem Kranze solcher ehrwürdigen Bauten umgeben, wie das Handel treibende Bozen. Wer kennt deren Namen! – manche Ruine liegt vergessen und verklungen, wie Dornröschens verzauberte Burg, im dichten Gestrüppe oder unzugänglichen Waldesgrunde.
Einst hatte meine Freundin Johnnna von Isser den schönen Plan gefaßt, alle Burgen Tirols zu zeichnen, und über vierhundert Aufnahmen liegen sorgfältig ausgeführt vor. J. von Hormayr, der bekannte Historiker, wollte den Text dazu schreiben. Einige Hefte dieses preiswürdigen Unternehmens erschienen in London – aber bald ward das Fortschreiten der „Ansichten von Tirol“ gehemmt. Sollte der weitgreifende Plan der geistreichen Frau nicht wieder – aufgegriffen werden?
Wir bewegen uns in engerem Kreise und beschauen die bedeutenderen Burgen in Bozens Umgebung. Ich lade meine Leser zu einem kleinen Spaziergange an die Talfer ein.
Durch die enge Fleischgasse wandern wir zur Talferbrücke, von wo aus wir das hochragende Ravenstein, das weltberühmte Runkelstein, die verfallende Haselburg, das uralte, weitgedehnte Sigmundskron, das fernblickende Hocheppan am Fuße der Mendelwand und [475] im Osten das stattliche Schloß Karneid, welches den Eingang ins romantische Eggenthal bewacht, erblicken. Wohin das Auge schweift, begegnen uns somit ehrwürdige Bauzeugen alter Herrlichkeit. Die Rundschau von der Talferbrücke gehört zum Reizendsten, was Tirol bieten kann. Wechselnde Gebirgsformationen, Dolomiten- und Porphyrgebilde, herrliches, fruchtbares Mittelgebirge, lachende Ortschaften, Dörfer und Weiler, malerische Burgen und Kirchlein! Wer kann sich sattsehen an diesem so wechselreichen, bezaubernden Panorama! – Von der Brücke gehen wir nach dem rasch aufblühenden Kurorte Gries, wo Feigenbäume über epheuumrankte Mauern die Aeste breiten, wo schlanke Cypressen ragen und Myrthen, Agaven und Kakteen an sonnigen Felsen wildwachsend gedeihen. Kunstfreunde besuchen gerne die mit M. Knoller’s Fresken geschmückte Klosterkirche. Wir steigen aber zur schönen gothischen Pfarrkirche empor, die einen sehenswerthen Altar aus dem 15. Jahrhundert besitzt. Vor der Kirche bietet sich eine bezaubernde Aussicht auf Nah und Ferne, auf die blühenden Gefilde und die graustarrenden Gebirge.
Wir verlassen dies „Luginsland“ und wandeln am rechten Talferufer nordwärts zum „Gescheibten Thurme“, der am Fuße des höfebesäten Guntschnaberges an der Mündung einer Schlucht, in die ein Bergbach stürzt, erbaut ist. Ein malerisches, geschlossenes Landschaftsbild! Den runden Thurm wollte man einst als römisches Werk erklären, aber die Bauart weist auf spätere Zeit. Er ist nur der Rest einer mittelalterlichen Veste, die zur Zeit Meinhart’s II. noch gestanden hat. Daneben liegt die alte Oswald- Kapelle mit einem Bilde der „heiligen Kummernus“ (Wilgefortis). Beide mythische Heilige, die wir hier verehrt finden, bezeugen das hohe Alter dieser Kapelle. St. Oswald, der englische König, ist längst als christliche Unterstellung des heidnischen Gottes Odhin- Wuotan nachgewiesen. Welche germanische Göttin steckt aber hinter der bebarteten Jungfrau am Kreuze, die ihren Pantoffel dem armen Geigerlein spendet? Die Legende ist durch ganz Deutschland bis weit in den Norden verbreitet, und Justinus Kerner, wie Guido Görres haben die Sandalen schenkende Heilige besungen. Verfehlt ist der Versuch, in derselben eine Vernus barbata zu entdecken. – Weiter wandernd, folgen wir dem Pfade zur Talferbrücke bei St. Antoni oder Klebenstein, überschreiten dieselbe und ziehen zwischen Weinbergen oder unter breitkronigen Kastanienbäumen nach dem berühmten Runkelstein, der tirolischen Wartburg. Denn wie diese ist unser vielbesungenes Schloß ein gefeierter Sitz der Kunst und Poesie gewesen. Sei gegrüßt, du alter Musensitz, der so feierlich und traut vom mäßigen Schloßberge niederblickt, bewacht von dunkler Cypresse! Im Oktober 1847 betrat ich zum ersten Male deine heiligen Hallen, und seitdem ist die alte Liebe für dich jung und frisch geblieben.
Die Burg, auf welche J. Görres und König Ludwig I. von Bayern die Aufmerksamkeit der Künstler und „Romantiker“ gelenkt haben, war einst Besitz der mächtigen Herren von Wanga, deren Stammschloß weiter nordwärts im malerischen Sarnthale liegt. Am Schlusse des 14. Jahrhunderts kam sie an Niclas Vintler von Bozen, Herzogs Leopold von Oesterreich Rath und Amtmann, und Franz Vintler. Da begann für das Schloß die goldene Zeit. Die reichen, kunstsinnigen Besitzer erweiterten dasselbe, bauten einen neuen Flügel, zwei Thürme und eine Kapelle und schmückten Hof und Gemächer mit Wandbildern, die der Heldensage und höfischen Dichtung entnommen sind. Eine Bibliothek wurde angelegt; Heinz Sentlinger, der Schreiber aus München, schrieb hier die Weltchronik ab, und Hans der Vintler brachte 1411 die „Blumen der Tugend“ in Verse. Künstler und Dichter, besonders Oswald von Wolkenstein, gingen ab und zu. Das damalige Leben und Streben auf Runkelstein hat Herman Schmid in seinem Romane „Friedel und Oswald“ aufs Lebendigste geschildert.
Eine zweite Blüthe erlebte das Schloß unter Kaiser Maximilian, dem „letzten Ritter“, der es selbst besuchte, der seine Freude an den alten Bildern fand und dieselben am Beginne des 16. Jahrhunderts restauriren ließ. Die sorgfältige Erhaltung Runkelsteins lag unserem romantischen Kaiser ebenso am Herzen, wie das Heldenbuch an der Etsch, welches er durch Hans Ried, Zöllner in Bozen, abschreiben ließ. Im Jahre 1501 übergab der Kaiser dem Landsknechtführer Jörg von Freundsberg die Pflege und Hut der geliebten Burg. 1538 gelangte sie an den Grafen Christoph von Lichtenstein und blieb im Besitze seines Geschlechtes bis 1754; nun wurde sie Mensalgut der Fürstbischöfe von Trient, die sich aber um den profanen Bau nicht viel kümmerten. So verfiel das berühmte Schloß mehr und mehr, – und in einer Nacht des Jahres 1868 stürzte eine Wand der mit Gemälden geschmückten Säle in die Tiefe. Manchem eingebornen „Romantiker“ ging das Unglück der vielgefeierten Burg schwer zu Herzen, und Fremde höhnten über ihr trostloses Schicksal. Es handelte sich um Sein und Nichtsein eines tirolischen Kleinods. In jenen Tagen von Runkelsteins Schmach vertraute ich auf den guten Burggeist und die Fürbitte des höchstseligen „letzten Ritters“ und beschloß endlich als Erzromantiker und „letzter treuer Knappe“ des in den letzten Zügen liegenden Schlosses ein unterthänigstes Promemoria abzufassen, dessen kurzer Sinn darin bestand: unser ritterlicher Kaiser möchte sich der Lieblingsburg eines seiner größten und berühmtesten Ahnen, des „letzten Ritters“, huldvollst erbarmen. Und siehe, meine fromme Zuversicht hatte mich nicht ganz getäuscht! – An einem schönen Maimorgen 1874 erhielt ich die hocherfreuliche Zuschrift, daß die nothwendigen Herstellungen auf Kosten des Staates vorgenommen und zur Restaurirung des Schlosses geschritten werden solle. Ein Kredit bis zu dem Betrage von 1200 Gulden sei bewilligt. Welch süßes Frühlingslied! – Wirklich wurde das Nothwendigste zur Erhaltung der Burg ins Werk gesetzt – doch sie war verkäuflich, wer wird sie erwerben und retten? Da überraschte mich Freund Alois Gabl, der berühmte Maler in München, mit der [476] Nachricht, daß er mit einigen Genossen einen Kaufantrag an die fürstbischöfliche Mensa gestellt habe und daß man das Schloß zu alten Würden und Ehren bringen wolle.
Während man täglich auf den Kaufabschluß wartete, kam die Kunde, daß Erzherzog Salvator von Toscana die Burg erworben habe – und nach kurzer Zeit verbreitete sich „die frohe Mär“, daß Runkelstein in den Besitz Kaisers Franz Joseph übergegangen sei. Nach zehn Jahren war der Wunsch meines Promemoria in Erfüllung gegangen. –
Wir betreten den traulichen Schloßhof. Von dem Söller begrüßen uns die bekannten Triaden, welche die besten Kaiser und Könige, die bewährtesten Ritter und Liebespaare, die schrecklichsten Riesen und Riesinnen etc. darstellen. Welcher Freund mittelhochdeutscher Dichtung freut sich nicht, die gefeiertsten Recken der Heldensage: Siegfried, Dietleib und Biterolf, die besungensten Ritter der höfischen Dichtung Parcival, Iwein und Gawein neben den drei minniglichsten Frauen dargestellt zu sehen! Findet man in einer zweiten Burg ähnliche Bilder aus der mittelalterlichen Sagendichtung? Doch blicken wir aus der alten Burg hinaus ins Freie! Welch überreiches Bild südlicher Schönheit und Ueppigkeit gegen Südwesten, welch entgegengesetztes Bild einsamer, großartig wilder Thalschlucht gegen Norden! – Die schroffsten Gegensätze der Naturscenen findet man hier vereint. – Nachdem ich mit meinem Begleiter Alles besichtigt und bewundert, stiegen wir wieder herab in den Hof, setzten uns in der Nähe eines prächtigen Feigenbaumes und brachten ein donnerndes Hoch auf den neuen Herrn und hohen Beschützer des geretteten Runkelstein und wünschten unserer Wartbnrg Heil und Glück zur neuen Urständ auf ferne Zeiten.
Wer aber Runkelstein verläßt und noch Muße hat, der wandert nordwärts am linken Talferufer bis zum Zolle, beschaut sich das einsame Schloß Ried, bewandert das hochragende Ravenstein und die wilde Thalenge mit den senkrecht sich aufthürmenden Felswänden, von denen da und dort eine kleine Kaskade niederstürzt oder an denen reiche Epheuteppiche sich hinanschlingen. Die wilden Naturbilder der Talferschlucht üben große Zauberkraft auf Landschaftsmaler, die oft nur deßhalb so gerne Bozen besuchen.
Wie sieht das paradiesische Ueberetsch mit seinen Burgen, Dörfern und Weilern so verlockend herüber nach Runkelstein! Der Anblick wirkt wie der Gesang bethörender Sirenen. Unwillkürlich folgt man, – und wird in dies fromme Revier, das von der Burg Hocheppan stolz überragt und überwacht wird, hingezogen. Wie ein kühner Adler blickt die hohe Welfenburg trotzigen Blickes weit nach Norden, Süden und Osten, während die andern zahlreichen altersgrauen Burgen bescheiden zu ihren Füßen zerstrent liegen. Hocheppan ist das zerfallende Denkmal weitstrebender Macht und politischen Ringens,Runkelstein die Denksäule bescheidenen idealen Wirkens und Schaffens. Hocheppans mächtige Herrschaft ist für immer gebrochen, Runkelsteins gefeierte „blaue Blume“ blüht noch fort.
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Von der Talferbrücke, die wir auf der Wanderung nach Gries schon einmal überschritten haben, führt die Straße durch Felder und Wiesen in einer Stunde an die breitschweifende, langsam fließende Etsch. An ihrem rechten Ufer ragt vor uns auf mächtigem Porphyrfelsen, von Eichen und Buschwerk belebt, das gewaltige Sigmundskron mit seinen massiven Mauern und runden Eckthürmen, als Ruine noch ein imposanter Bau, eine Hofburg ersten Ranges. Und welchen Alters mögen die ältesten dieser Mauern sich rühmen! Schon im 9. Jahrhundert stand hier das Kastell Formigarum, ein Bollwerk der Bischöfe von Trient. Ja, manche Forscher wollen hier das römische Pons Drusi gefunden haben. Den jetzigen Namen führt es vom Herzog Sigismund dem Münzreichen, der die hochwichtige Burg erwarb und in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts erweitern und mit den mächtigen Mauern und Thurmen befestigen ließ, – angeblich als Schutzwerk gegen die Venetianer. Großer Vorrath an Waffen aller Art fehlte nicht. Aber der zweite Gründer und Namensvater von Sigmundskron mußte auch von dieser Schöpfung und seinen anderen nach ihm benannten Burgen und Jagdschlössern Abschied nehmen und in den erlauchten Kreis seiner Vorfahren hinüber schlummern. Da sank mehr und mehr sein größtes Werk, und es bietet nur noch den Anblick einer großartigen Ruine. Wer aber an einem Sommer- oder Herbstabende droben steht und aus der verrotteten Herrlichkeit hinausblickt auf die fruchtbaren, gesegneten Gründe, auf die malerischen, an Formen so wechselnden Berge und auf den im Abendsonnenscheine hellglühenden „Rosengarten“ (vgl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1881, S. 599.) derjenige wird nie und nimmer Sigmundskron vergessen, denn die Erinnerung an dasselbe wird in ihm fortblühen, wie der magische Rosenschein der Nadeln und Thürme des feurig strahlenden Dolomitgebirges bei sinkender Sonne. – Wer Hocheppan besuchen will, der steigt durch die düstere Paulser Höhle empor und erblickt an dem Ende derselben den epheuüberrankten Thurm der kleinen Burg Wart, und entfernter die bedeutende Ruine der Altenburg. Ersteres, dem Namen nach ein Vorwerk, ein Spähethurm, gehörte den reichen Weineggern und kam nach deren Ableben 1563 in den Besitz der Herren von Künigl. Von der Altenburg berichtet Franz Ad. Graf von Brandis: „Erstlich dem Geschlecht dieses Namens gehörig, ist ein gar altes Gebäu, castrum vetus genannt, jetzt (1678) fast zerfallen, denen es anno 1276 die Grafen von Tirol zu Lehen verliehen.“
Es ward um das Jahr 1194 erbaut. Im Jahre 1469 waren die Herren von Fuchs dort als Pfandinhaber, später erwarben es die damaligen Freiherren von Thurn. Altenburg war der Sitz eines Gerichtes, und noch besitzen wir eine Ordnung desselben vom Jahre 1570. Beide Burgen sind [493] Lieblingsobjekte der Landschafter, wie überhaupt das reizende Mittelgebirge „Ueberetsch“ eine Fülle von Studien den Malern gewährt, die besonders im Herbste hier gerne verweilen.
Bald erreicht der Wanderer das wegen seiner gothischen Kirche weitbekannte Dorf St. Pauls, welches ein beliebter Herbstaufenthalt fremder Gäste, besonders ein Stelldichein von Künstlern ist. Von hier steigt man in dreiviertel Stunden nach dem herrlich gelegenen Schlosse Hocheppan empor. Die einst so mächtige Burg, die „mit dem Falkenauge nach Meran, Brixen und Salurn blickt“, liegt nun in Trümmern. Nicht weniger als achtunddreißig Schlösser erblickt man von ihrer Stelle. Leuchtete vom Wartthurme, der von der Burg etwas entfernt aufragt, das Kreidefeuer, so sah man es auf dem Schlosse Tirol bei Meran, auf der Haderburg bei Salurn, auf dem Schlosse Prösels im Eisackthale. Hocheppan war eines der stärksten Kastelle im Gebirge und galt im Mittelalter als uneinnehmbar.
Ueber das Alter der Burg gehen die Ansichten aus einander. Manche möchten hier schon ein vorrömisches Bollwerk sehen, andere mit mehr Recht ein römisches, denn der Name Appianum ist römischen Schlages. Im Mittelalter begegnen wir der Form Eppan, neben der die romanische Benennung Piano sich zeigt. Im 11. Jahrhundert saßen hier schon die Grafen von Eppan, nächst den Grafen von Tirol die mächtigsten Herren im südlichen Tirol. Beide Geschlechter rangen in blutigen Kämpfen und Fehden, mit offener Gewalt und Hinterlist um das Uebergewicht – bis endlich die Eppaner unterlagen. Einer der bekanntesten Männer dieses Geschlechtes war Egno, Bischof von Trient und Brixen, der zu Padua als Flüchtling 1237 starb. Wer sich über diesen merkwürdigen Fürsten und dessen Kämpfe genauer unterrichten will, dem empfehlen wir J. Durig’s gediegene Schrift: „Beiträge zur Geschichte Tirols in der Zeit Egno’s, Bischofs von Brixen und Trient.“ Gotschalk, der Letzte des berühmten Geschlechtes, endete sein Leben zu Trient 1300. B. Weber macht die treffliche Bemerkung: „Ein sonderbares Schicksal hatte über dem mächtigen Hause gewaltet. Ahnenfeinde des Hochstiftes Trient, wurden sie zuerst Dienstmannen, dann eifrige Verfechter desselben, endlich in ihrem letzten großen Sprossen (Egno) mit der früher verfolgten Kirche identisch. Ihr Haß gegen Tirol erlosch nur in ihrem Grabe. Ihre reichhaltige Geschichte böte dem Dichter mehr als ein Feld, den Namen des Heldengeschlechtes im Liede zu verewigen.“ – Nach meiner Ansicht gäbe der Untergang der Eppaner geeigneten Stoff zu einer Tragödie, und wie Major Freiherr von Teimer, „der Sieger von Wilten“, zum Besitze der alten Welfenburg in diesem Jahrhundert kam, die Fabel zu einem heitern Schauspiele. Wen das günstige Geschick nach dem gärtenreichen Bozen führt, der unterlasse ja nicht, das fernschauende Hocheppan zu besuchen. Es bietet eine der mannigfaltigsten und reichsten Aussichten in Tirol.
Eine Stunde südlich von Bozen liegt auf steilabfallendem Felsen die Halbruine Haselburg oder Küepach. Der Weg dahin führt theilweise durch einen Mischwald von Kastanienbäumen und Föhren. Kein zweiter Pfad in der Nähe unserer Handelsstadt kann sich kühleren Baumschattens rühmen, wie dieser, und deßhalb ist er ein Lieblingsgang aller, die sich vom Staube anderer Steige fort nach Kühle und Schatten und dem Säuseln der Bäume sehnen. Am anmuthigsten ist er aber, wenn die Erika blüht und aus dem Buschwerke die blauen und rothen Anemonen den Waldgänger begrüßen. Auf dem Burgstalle überrascht aber weitreichende Sicht. Der Blick beherrscht das gesegnete Etschthal von Meran bis Salurn mit seinen zahlreichen Dörfern, Burgen und Kirchen. Gefeierte Berge, wie Monte Baldo, Monte Róen, die Mendel, die Laugenspitzen und andere bewunderte Größen bilden die Mauern des südtirolischen Edens, das man hier erblickt. Und wie heimlich und lauschig ist es im stillen, freundlichen Burggärtchen!
Einst saßen hier die Ritter von Halbach, die schon frühe aus der Geschichte verschwanden. Ende des 13. Jahrhunderts waren die Greifensteiner und gegen 1500 die Herren von Küepach im Besitze der Burg, die vom Volke nun gewöhnlich Küepach genannt wird. Hugo von Küepach soll, ehe er nach Palästina fuhr, seine Schätze an Gold und Silber in eiserne Kugeln gegossen und diese in den Schloßgraben geworfen haben, damit sie unbeachtet und sicher wären. In seiner Abwesenheit kamen aber geistliche Herren aus Bozen zu seiner Gattin und baten um einen Beitrag zu den neuen Glocken für die Pfarrkirche der Stadt. Die milde Frau gestand jedoch verschämt, daß sie wenig Geld besitze und Nichts spenden könne, als die eisernen Kugeln im Schloßgraben. So kamen die Schätze in fromme Hände, wie es hier zu Lande sehr oft geschieht, wurden in die Glockenspeise eingegossen und deßhalb klingt die große Glocke im schönen Pfarrthurme „so voll, so hell, so rein“. Gold und Silber sind längst von Küepach verschwunden, aber tief im Thurme blinkt manchmal ein karfunkelrother Hort, den Sonntagskinder und bevorzugte Geister zu heiligen Zeiten zu sehen [494] bekommen. Kein Wunder, daß besonders Künstler gern den schattigen Waldweg nach Küepach wandeln, die Aussicht bewundern, nach dem Karfunkel im Verließe forschen oder im Hofe schallende Tjoste und Buhurte vor minniglichen Frauen aufführen. („Tjost“ bedeutete im Mittelalter ritterliches Kampfspiel, in dem Mann gegen Mann stand, „Buhurt“ dagegen ein solches, wo Haufe gegen Haufe losrannte. Gewöhnlich war Buhurt blos Spiel und Kurzweil, das man bei hôchgezîten fürstlichen Personen zu Ehren gab. Statt der Schwerter wurden dabei Stäbe gebraucht. Anm. d. Red.)
Schönes romantisches Leben auf dieser romantischen Stätte! Doch auf dem Heimwege soll manch verkappter Ritter, wenn die Geisterstunde nahte, auf eine Irrwurzel getreten oder von neckischen Kobolden zu Falle gebracht worden sein. – Ein guter Freund weiß davon eine ganz absonderliche Geschichte zu erzählen, die aber schon in das Fach der Spiritisten gehört.
Oestlich von Bozen am Eingange des an dichten Waldungen reichen, wegen seiner alten romanischen, mit sehr werthvollen Fresken geschmückten Helenakirche berühmten Eggenthales thront das stattliche Schloß Karneid, auf senkrechter Felsenwand. Einst den Herren von Greifenstein gehörig, kam es im 14. Jahrhundert an die Lichtensteiner, ward von Friedrich mit der leeren Tasche erstürmt, blieb aber im Besitze der gedemüthigten Lichtensteiner bis 1760. Seitdem kam die schöngelegene Burg in die Hände verschiedener Herren. Nachdem jüngst der Herr von Mayer in München mit den Prädikaten von 25 Burgen selig im Herrn entschlafen ist, erwarb das wohlerhaltene Schloß Herr Erzgießerei-Direktor von Müller in München, um hier Sommeraufenthalt zu nehmen. Auch dies Schloß gewährt herrliche Rundschau, auf Bozen und dessen Gefilde, auf das weitgedehnte Eppan mit seinen Burgen und das grünende Gelände des Rittener Berges. Die gemächerreiche Burg erfreut sich selbst im Hochsommer angenehmer Kühle wegen der Luftströmung aus der Waldschlucht des Eggenthales und des weiteren Eisackthales, auf das sie so trutzig niedersieht. Karneid gehört schon in das engere Bereich der vielen Eisackburgen, deren Bekanntwerden wir bestens wünschen.