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Die Erfindung betrifft ein System und ein Verfahren zur Schätzung des Reibwerts eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau eines Kraftfahrzeugs. Außerdem betrifft die Erfindung ein System und ein Verfahren zur Anpassung des Soll-Bremsmoments eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau eines Kraftfahrzeugs, um ein gewünschtes Ist-Bremsmoment zu erhalten.
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Der Reibwert (auch unter Cp-Wert bekannt) eines hydraulischen Bremssystems zwischen Bremsbelag und Bremsscheibe bestimmt die Erzeugung von Bremsmoment und ist proportional zum Bremsdruck. Da nur der Bremsdruck gemessen werden kann, ist es für eine genaue Kenntnis des Bremsmoments an den Rädern wichtig, den Reibwert möglichst genau zu schätzen. Über die Messung der Fahrzeugverzögerung und des Bremsdrucks und unter Kenntnis der Fahrzeugparameter, z.B. der Fahrzeugmasse, kann auf den Reibwert zurückgerechnet werden. Es existiert auch ein Verfahren zur Reibwertschätzung, das ohne Kenntnis der Fahrzeugmasse auskommt, bei dem die Längsverzögerung durch die Reibbremse mit derjenigen durch eine E-Maschine, deren Moment genau bekannt ist, verglichen wird.
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DE 35 02 050 A1 schlägt vor, als Kenngröße für das Bremsmoment die in der das Bremsmoment erzeugenden Bremseinrichtung entstehende Temperatur zu messen und in einer Auswerteeinrichtung auszuwerten.
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DE 100 11 270 A1 offenbart ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Ermittlung eines Kennwertes einer Radbremse, der den Zusammenhang zwischen Bremsmoment und Bremsdruck darstellt. Die Ermittlung des Bremsenkennwertes erfolgt radindividuell durch Berechnung auf der Basis von radspezifischen Größen wie Radschlupf, Radaufstandskraft, Radbremsdruck und Radradius.
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DE 10 2011 085 984 A1 offenbart ein Verfahren zum radindividuellen Bestimmen des Reibwerts in Fahrzeugen, bei dem das Reibmoment gemäß eines definierten Momentenverlaufs an einem Rad des Fahrzeugs vorgegeben und als Reaktion auf das Radmoment die Raddrehzahl bestimmt wird. Aus der Phasenverschiebung zwischen Radmoment und Raddrehzahl kann der aktuelle Reibwert bestimmt werden.
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DE 10 2014 226 290 lehrt ein Verfahren zur Einstellung oder zur Steuerung einer Bremsbetätigungsgröße BR(FZ), welche entweder die Zuspannkraft F oder der Bremsdruck PR oder der Zuspannweg X (xs) einer Kraftfahrzeugbremse mit mindestens einem gebremsten Rad R ist, innerhalb einer elektrohydraulischen oder elektromechanischen Fahrzeugbremse, die an einem Chassis des Fahrzeugs mit einem Bremshalter befestigt ist und über Reibbeläge das Rad nach Maßgabe der Bremsbetätigungsgröße BR(FZ) bremst, wobei die sich durch Kontakt des gebremsten Rades mit einer Fahrbahn ergebende Radumfangskraft F (FU) gemessen und eine Beeinflussung der Bremskraft F (FU) in Abhängigkeit der Steigung der Radumfangskraft F (ΔFU/Δs) durchgeführt wird, bei dem der Istwert der Regelung die Steigung der Radumfangskraft F (ΔFU/Δs) ist und diese durch Einstellen der Bremsbetätigungsgröße BR(FZ) auf einen vorgegebenen Sollwert TVR(OP(ΔFU/Δs)) oder einen Sollwertbereich TUR(OP(ΔFU/Δs) +/-R(ΔFU/Δs)) eingeregelt wird.
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Aus
DE 10 2010 043 320 A1 sind eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Ermittlung einer Maßgröße für eine wirkende Reibkraft an einer Scheibenbremse eines Kraftfahrzeugs bekannt. Eine an der Scheibenbremse angeordnete Sensorvorrichtung misst eine durch die Bremskraftwirkung hervorgerufene Verschiebung des Bremshalters in einer Richtung senkrecht zur axialen Richtung der Bremsscheibe. Ein Maß für das wirkende Bremsmoment wird anhand der durch die Reibkraft hervorgerufenen Verformung des Bremshalters in einer Richtung tangential zur Bremsscheibenoberfläche ermittelt.
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In
DE 10 2016 220 415 wird ein Verfahren zur Schätzung des Reibwerts eines hydraulischen Bremssystems eines Kraftfahrzeugs vorgestellt, bei dem über einen genauen Steller ein Bremsmoment eingestellt, die Fahrzeug- oder Radverzögerung gemessen und das Übertragungsverhalten Bremsmoment-Verzögerung bestimmt wird. Anschließend wird über das hydraulische Bremssystem ein Bremsmoment eingestellt und die Verzögerung gemessen. Über das Inverse des bestimmten Übertragungsverhaltens Bremsmoment-Verzögerung kann dann das tatsächliche Bremsmoment bestimmt und der Reibwert der Bremse geschätzt werden.
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Dieses Verfahren bezieht sich nur auf Bremssysteme mit einem Druckaufbau auf Hauptzylinderebene. Bei Bremssystemen mit einem achsindividuellen Druckaufbau kann so nicht auf die Reibwerte der individuellen Achsen geschlossen werden. Denn dieser Ansatz geht von einem Gesamtfahrzeugreibwert aus (über ein festes Verhältnis der Nutzung der Achsen, meist der installierten Verteilung). Bei achsindividuellem Druckaufbau kann die Verteilung des Bremsmoments auf die Achsen aber variiert werden. An den Bremsen der beiden Achsen können dann unterschiedliche Abweichungen vom Normreibwert auftreten. Daher lässt sich aus der Fahrzeugreaktion nicht rückschließen auf die Reibwerte der individuellen Achsen. In anderen Worten, legt man eine bestimmte Verteilung zu Grunde und schätzt einen Gesamtfahrzeugreibwert, so weiß man nicht, welche der Achsen eine Abweichung vom Normreibwert verursacht und wie groß diese ist.
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Vor diesem Hintergrund bestand die Aufgabe, ein System und Verfahren zur Schätzung des Reibwerts eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau eines Kraftfahrzeugs zur Verfügung zu stellen, die ohne eine Verwendung von Fahrzeugparametern, beispielsweise einer Fahrzeugmasse, auskommen. Ein Bremssystem mit achsindividuellem Druckaufbau wirkt auf jede Achse des Fahrzeugs getrennt ein.
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Im Rahmen der vorliegenden Erfindung wird ein System zur Schätzung eines Reibwerts eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau eines Kraftfahrzeugs mit den Merkmalen des Anspruchs 1 vorgestellt. Ausführungsformen ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen und der Beschreibung. Außerdem wird ein Verfahren zur Schätzung eines Reibwerts eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau eines Kraftfahrzeugs mit den Merkmalen des Anspruchs 6 vorgestellt. Ausführungsformen ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen und der Beschreibung.
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Daneben werden ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 12 zur Anpassung eines Soll-Bremsmoments eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau eines Kraftfahrzeugs, um ein gewünschtes Ist-Bremsmoment zu erhalten, und ein hierfür geeignetes System mit den Merkmalen des Anspruchs 13 vorgestellt. Ausführungsformen ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen und der Beschreibung.
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Die Erfindung stellt eine Lösung zur Schätzung des Reibwerts eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau eines Kraftfahrzeugs bereit, die ohne die Verwendung von Fahrzeugparametern, beispielsweise der Fahrzeugmasse, auskommt. Ein Bremssystem mit achsindividuellem Druckaufbau wirkt auf jede Achse des Fahrzeugs getrennt ein. Das erfindungsgemäße Verfahren erlaubt die Bestimmung der Reibwerte für die einzelnen Achsen des Kraftfahrzeugs. Im Rahmen der Erfindung können Stell- und Messsysteme verwendet werden, die in der Regel im Fahrzeug vorhanden sind. Weitere Vorteile und Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung.
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Das erfindungsgemäße System umfasst mindestens ein hydraulisches Bremssystem mit achsindividuellem Druckaufbau, das auf ein Rad oder eine Achse des Kraftfahrzeugs einwirkt; sowie mindestens ein weiteres Aktorsystem, welches mit einer höheren Stellgenauigkeit als das hydraulische Bremssystem ein Bremsmoment an dem Rad bzw. der Achse aufbringen kann. Ferner umfasst das erfindungsgemäße System mindestens einen Sensor und eine Einheit zur Berechnung eines geschätzten Reibwerts aus den Sensordaten.
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In einer Ausführungsform weist das System an jeder Achse mindestens ein Aktorsystem auf, welches mit einer höheren Stellgenauigkeit als das hydraulische Bremssystem mit achsindividuellem Druckaufbau ein Bremsmoment an der Achse bzw. einem mit der Achse verbundenen Rad aufbringen kann.
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In einer Ausführungsform umfasst das weitere Aktorsystem mindestens einen Achsmotor. In einer anderen Ausführungsform umfasst das weitere Aktorsystem mindestens einen EM-Einzelradmotor.
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Im erfindungsgemäßen System ist mindestens ein geeigneter Sensor enthalten, z.B. zur Messung einer Fahrzeugverzögerung. In einer Ausführungsform umfasst das System mindestens einen Raddrehzahlsensor. In einer weiteren Ausführungsform umfasst das System mindestens einen Radgeschwindigkeitssensor. In einer weiteren Ausführungsform umfasst das System mindestens einen Bremsdrucksensor.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Schätzung des Reibwerts eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau eines Kraftfahrzeugs umfasst die folgenden Schritte: Es wird über ein Aktorsystem, welches eine höhere Stellgenauigkeit aufweist als das hydraulische Bremssystem (im Folgenden auch „genauer Steller“ genannt), ein Bremsmoment (Soll=Ist) an einem ersten Rad bzw. einer ersten Achse aufgebracht, die durch das Bremsmoment bewirkte Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Fahrzeugs gemessen und das Übertragungsverhalten zwischen Bremsmoment und Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Fahrzeugs bestimmt. Es wird über das hydraulische Bremssystem ein Soll-Bremsmoment an dem ersten Rad bzw. der ersten Achse aufgebracht und die durch das Bremsmoment bewirkte Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Kraftfahrzeugs gemessen. Dann können mit dem inversen Übertragungsverhalten zwischen Bremsmoment und Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Kraftfahrzeugs das Ist-Bremsmoment und damit der Ist-Reibwert des hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau für die erste Achse des Kraftfahrzeugs berechnet werden.
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Wenn die Radbremsen an einer Achse gekoppelt sind, z.B. hydraulisch, so entspricht das Bremsmoment am Rad der Hälfte des Bremsmoments an der Achse. Wenn die Achsen über das Bremssystem gekoppelt sind, z.B. über die hydraulisch installierte Verteilung, so kann mit dieser Verteilung und dem Gesamtbremsmoment das Bremsmoment an der entsprechenden Achse berechnet werden.
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In einer Ausführungsform umfasst das erfindungsgemäße Verfahren außerdem die Bestimmung des Reibwerts des hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau für mindestens eine weitere Achse des Kraftfahrzeugs.
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Eine Ausführungsform des Verfahrens beruht auf dem Gedanken, dass die Achsen getrennt betrachtet werden müssen. Die Achsen müssen also entkoppelt stimuliert werden. Es wird über einen genauen Steller ein Bremsmoment (Soll=Ist) eingestellt, die Fahrzeug- oder Radverzögerung gemessen und das Übertragungsverhalten Moment-Verzögerung bestimmt. Anschließend wird über das hydraulische Bremssystem ein Soll-Bremsmoment getrennt zuerst an der ersten Achse und anschließend an mindestens einer weiteren Achse, z.B. der zweiten Achse aufgebracht und jeweils die Verzögerung gemessen. Damit kann mit dem inversen Übertragungsverhalten Moment-Verzögerung das Ist-Bremsmoment und damit der Reibwert der Bremse für jede Achse geschätzt werden. Bei Aufbringen des hydraulischen Bremsmoments kann, beispielsweise zur Wahrung der Fahrstabilität, an der anderen Achse oder der ersten Achse ein Verzögerungsmoment durch den Achsmotor aufgebracht werden. Da dieses Verzögerungsmoment genau bekannt ist, kann es aus dem berechneten Ist-Bremsmoment herausgerechnet werden.
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Durch den unbekannten Reibwert des Bremssystems weicht das Soll-Bremsmoment meist vom Ist-Bremsmoment ab. Es sind weitere Aktorsysteme (z.B. EM-Einzelradmotoren, EM-Achsmotor) bekannt, welche mit einer höheren Stellgenauigkeit als das Bremssystem ein Bremsmoment aufbringen können. Das Soll-Bremsmoment entspricht also gut dem Ist-Bremsmoment. Es wird über ein Aktorsystem mit hoher Stellgenauigkeit ein Bremsmoment an einem ersten Rad bzw. einer ersten Achse eingestellt (Soll-Bremsmoment = Ist-Bremsmoment) und die Radverzögerung bzw. Fahrzeugverzögerung gemessen und das Übertragungsverhalten zwischen Bremsmoment und Radverzögerung bzw. Fahrzeugverzögerung bestimmt. Es wird dann über das hydraulische Bremssystem ein Soll-Bremsmoment an der ersten Achse aufgebracht und die Fahrzeug- oder Radverzögerung gemessen und mit dem inversen Übertragungsverhalten Moment-Verzögerung auf das Ist-Moment der Reibbremse dieser Achse geschlossen. Unter Kenntnis des Soll-Moments und des Nennreibwerts kann auf den Ist-Reibwert zurückgeschlossen werden:
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Alternativ kann über eine Messung des Bremsdrucks der Ist-Reibwert berechnet werden:
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Anschließend wird das gleiche Vorgehen für ein Bremsmoment an einer weiteren Achse des Kraftfahrzeugs, z.B. der zweiten Achse durchgeführt und der Reibwert für diese Achse bestimmt.
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Die Bestimmung des Reibwerts für mindestens eine weitere Achse des Kraftfahrzeugs umfasst also die folgenden Schritte: Einstellen eines Bremsmoments an einem Rad einer weiteren Achse oder an einer weiteren Achse des Kraftfahrzeugs über ein Aktorsystem, welches eine höhere Stellgenauigkeit aufweist als das hydraulische Bremssystem, Messung der durch das Bremsmoment bewirkten Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Kraftfahrzeugs und Bestimmung des Übertragungsverhaltens zwischen Bremsmoment und Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Kraftfahrzeugs. Anschließend Aufbringen eines Soll-Bremsmoments an dem Rad oder der Achse des Kraftfahrzeugs über das hydraulische Bremssystem, Messung der durch das Bremsmoment bewirkten Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Kraftfahrzeugs und Abschätzen des Ist-Bremsmoments über das Inverse des vorher bestimmten Übertragungsverhaltens zwischen Bremsmoment und Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Kraftfahrzeugs, und schließlich Berechnung des Reibwertes des hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau für die weitere Achse des Kraftfahrzeugs.
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Für eine genaue Bestimmung des Reibwerts ist es vorteilhaft, wenn an jeder Achse ein Aktorsystem vorhanden ist, welches eine höhere Stellgenauigkeit aufweist als das hydraulische Bremssystem. Es ist aber auch möglich, den Reibwert beider Achsen eines zweiachsigen Fahrzeugs mit einem System zu bestimmen, bei dem nur an einer Achse ein weiteres Aktorsystem vorhanden ist, welches eine höhere Stellgenauigkeit aufweist als das hydraulische Bremssystem. In dieser Ausführungsform wird an der ersten Achse gemessen und beispielsweise über eine Schlupfbetrachtung auf die zweite Achse zurückgerechnet.
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In einer anderen Ausführungsform wird die Tatsache genutzt, dass die beiden Achsen eines Kraftfahrzeugs ein unterschiedliches fahrdynamisches Potential besitzen. Im Verzögerungsfall ist insbesondere die Vorderachse stabiler und kann mit einem höheren Bremsmoment beaufschlagt werden. Da die Reibwerte an den beiden Achsen nicht zusammen geschätzt werden können, wird erst der Reibwert der stabileren Achse geschätzt (also ein Bremsmoment alleine auf diese Achse gegeben). Unter Kenntnis dieses Reibwerts kann ein Bremsmoment auf beide Achsen gegeben werden unter einer sicheren Bremskraftverteilung und der zweite Reibwert geschätzt werden. Mit diesem Vorgehen muss nicht ein Bremsmoment alleine auf die (instabile) Hinterachse gegeben werden, sondern zur Schätzung des Reibwerts an der Hinterachse kann eine stabile Bremskraftverteilung zugrunde gelegt werden. Bei Aufbringen des hydraulischen Bremsmoments kann, beispielsweise zur Wahrung der Fahrstabilität, an der anderen Achse oder der ersten Achse ein Verzögerungsmoment durch den Achsmotor aufgebracht werden. Da dieses Verzögerungsmoment genau bekannt ist, kann es aus dem berechneten Ist-Bremsmoment herausgerechnet werden. Ein weiterer Vorteil dieser Ausführungsform besteht darin, dass lediglich an der Vorderachse ein zusätzliches Aktorsystem hoher Genauigkeit vorhanden sein muss.
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Bei dieser Ausführungsform wird über einen genauen Steller ein Bremsmoment (Soll=Ist) eingestellt, die Fahrzeug- oder Radverzögerung gemessen und das Übertragungsverhalten Bremsmoment-Verzögerung bestimmt. Anschließend wird über das hydraulische Bremssystem ein Soll-Bremsmoment zuerst an der ersten Achse, vorzugsweise der mit dem höheren fahrdynamischen Potential, aufgebracht und die Verzögerung gemessen. Damit kann mit dem inversen Übertragungsverhalten Bremsmoment-Verzögerung das Ist-Bremsmoment und damit der Reibwert der Bremse für die erste Achse geschätzt werden. Nun wird auf beide Achsen mit einem bestimmten Verhältnis ein Soll-Bremsmoment aufgebracht und die Verzögerung gemessen. Damit kann mit dem inversen Übertragungsverhalten Moment-Verzögerung sowie mit dem bereits geschätzten Reibwert der ersten Achse das Ist-Bremsmoment und damit der Reibwert der Bremse für die zweite Achse geschätzt werden.
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Durch den unbekannten Reibwert des Bremssystems weicht das Soll-Bremsmoment meist vom Ist-Bremsmoment ab. Es sind weitere Aktorsysteme (z.B. EM) bekannt, welche mit einer höheren Stellgenauigkeit als das Bremssystem ein Bremsmoment aufbringen können. Das Soll-Bremsmoment entspricht also gut dem Ist-Bremsmoment. Es wird über den genauen Steller ein Bremsmoment gestellt (Soll-Bremsmoment = Ist-Bremsmoment) und die Fahrzeug- oder Radverzögerung gemessen und das Übertragungsverhalten Moment-Verzögerung bestimmt.
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Es wird dann über das hydraulische Bremssystem ein Soll-Bremsmoment an der ersten Achse aufgebracht und die Fahrzeug- oder Radverzögerung gemessen und mit dem inversen Übertragungsverhalten Bremsmoment-Verzögerung auf das Ist-Bremsmoment der Reibbremse dieser Achse geschlossen. Unter Kenntnis des Soll-Bremsmoments und des Nennreibwerts kann auf den Ist-Reibwert zurückgeschlossen werden:
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Alternativ kann über Messung des Bremsdrucks der Ist-Reibwert berechnet werden:
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Nun wird auf beide Achsen mit einem bestimmten Verhältnis (z.B. stabile Bremskraftverteilung) ein Soll-Bremsmoment aufgebracht und die Verzögerung gemessen. Dann kann mit dem inversen Übertragungsverhalten Bremsmoment-Verzögerung sowie mit dem bereits geschätzten Reibwert der ersten Achse und der eingestellten Verteilung das Ist-Bremsmoment und damit der Reibwert der Bremse für die zweite Achse geschätzt werden.
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Die Bestimmung des Reibwerts eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau für die zweite Achse eines zweiachsigen Kraftfahrzeugs umfasst also die folgenden Schritte: Aufbringen eines Soll-Bremsmoments in einem vorgegebenen Verteilungsverhältnis an beiden Achsen des Kraftfahrzeugs über das hydraulische Bremssystem, Messung der durch das Bremsmoment bewirkten Verzögerung der zweiten Achse bzw. des Kraftfahrzeugs und Abschätzen des Ist-Bremsmoments der zweiten Achse über das Inverse des Übertragungsverhaltens zwischen Bremsmoment und Verzögerung eines Rades der ersten Achse oder der ersten Achse bzw. des Kraftfahrzeugs sowie dem berechneten Reibwert der ersten Achse und dem vorgegebenen Verteilungsverhältnis des aufgebrachten Soll-Bremsmoments, und schließlich Berechnung des Reibwertes des hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau für die zweite Achse des Kraftfahrzeugs.
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In vielen Fällen interessiert man sich nicht für den Reibwert, sondern nur für das Verhältnis zwischen dem Soll- und Ist-Bremsmoment des Bremssystems je Achse. Um diesen Faktor kann man das Soll-Bremsmoment des Bremssystems für jede Achse dann multiplizieren, um das gewünschte Moment pro Achse zu bekommen. Dazu bestimmt man wie oben das Ist-Bremsmoment des Bremssystems für jede Achse und bezieht es auf das Soll-Bremsmoment des Bremssystems.
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Eine weitere im Rahmen der vorliegenden Erfindung gelöste Aufgabe besteht darin, ein gewünschtes Ist-Bremsmoment mit einem hydraulischen Bremssystem an einem Rad bzw. einer Achse einzustellen. In diesem Fall interessiert man sich nicht für den Reibwert, sondern für das Verhältnis zwischen dem Soll- und Ist-Bremsmoment des hydraulischen Bremssystems je Achse. Als Quotient aus Soll- und Ist-Bremsmoment entspricht das Verhältnis einem Faktor, mit dem man das Soll-Bremsmoment des Bremssystems pro Achse dann multiplizieren kann, um das gewünschte Bremsmoment pro Achse zu bekommen. Dazu bestimmt man wie oben das Ist-Bremsmoment des Bremssystems pro Achse und bezieht es auf das Soll-Bremsmoment des Bremssystems.
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Gegenstand der Erfindung ist daher auch ein System und ein Verfahren zur Anpassung des Soll-Bremsmoments eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau eines Kraftfahrzeugs zur Erreichung eines gewünschten Ist-Bremsmoments an einer Achse des Kraftfahrzeugs. Das gewünschte Ist-Bremsmoment entspricht dabei dem ursprünglichen Soll-Bremsmoment.
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Das Verfahren umfasst das Einstellen eines Bremsmoments (Soll=Ist) an einem Rad oder einer Achse des Kraftfahrzeugs über ein Aktorsystem, welches eine höhere Stellgenauigkeit aufweist als das hydraulische Bremssystem und die Messung der durch das Bremsmoment bewirkten Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Kraftfahrzeugs mit anschließender Bestimmung des Übertragungsverhaltens zwischen Bremsmoment und Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Kraftfahrzeugs. Weiterhin umfasst das Verfahren das Aufbringen eines Soll-Bremsmoments an dem Rad oder der Achse des Kraftfahrzeugs über das hydraulische Bremssystem, die Messung der durch das Bremsmoment bewirkten Verzögerung des Rades oder der Achse bzw. des Kraftfahrzeugs und die Schätzung des Ist-Bremsmoments über das Inverse des Übertragungsverhaltens zwischen Bremsmoment und Verzögerung des Rades oder der Achse. Es wird dann das Verhältnis zwischen dem Soll- und Ist-Bremsmoment des hydraulischen Bremssystems für die Achse berechnet und das Soll-Bremsmoment des hydraulischen Bremssystems für die Achse mit dem erhaltenen Faktor multipliziert, um ein Soll-Bremsmoment zu erhalten, das ein Ist-Bremsmoment erzeugt, welches dem ursprünglichen Soll-Bremsmoment entspricht.
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Weiterhin stellt die Erfindung ein System bereit zur Anpassung des Soll-Bremsmoments eines hydraulischen Bremssystems mit achsindividuellem Druckaufbau eines Kraftfahrzeugs, um ein gewünschtes Ist-Bremsmoment an einer Achse zu erhalten. Das gewünschte Ist-Bremsmoment entspricht dabei dem ursprünglichen Soll-Bremsmoment. Das System umfasst mindestens ein hydraulisches Bremssystem mit achsindividuellem Druckaufbau, das auf ein Rad oder eine Achse des Kraftfahrzeugs einwirkt, und mindestens ein weiteres Aktorsystem, welches mit einer höheren Stellgenauigkeit als das hydraulische Bremssystem ein Bremsmoment an dem Rad bzw. der Achse aufbringen kann. Das System umfasst auch mindestens einen Sensor, eine Einheit zur Berechnung eines Ist-Bremsmoments aus den Sensordaten, und eine Einheit zur Veränderung des Soll-Bremsmoments des hydraulischen Bremssystems.
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Beispiele für geeignete weitere Aktorsysteme schließen Achsmotoren und EM-Einzelradmotoren ein. Geeignete Sensoren sind beispielsweise Raddrehzahlsensoren, Radgeschwindigkeitssensoren, Sensoren zur Messung einer Fahrzeugverzögerung oder Bremsdrucksensoren.
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Es versteht sich, dass die voranstehend genannten Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 3502050 A1 [0003]
- DE 10011270 A1 [0004]
- DE 102011085984 A1 [0005]
- DE 102014226290 [0006]
- DE 102010043320 A1 [0007]
- DE 102016220415 [0008]