verschiedene: Die Gartenlaube (1860) | |
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der Nacht durch sämmtliche aufzubietende Gensdarmerie Streifpatrouillen zu veranstalten, besonders auch im Walde dort. Sollten sie schon einen Fang gemacht haben, den sie hierher bringen?“
„Du magst wohl Recht haben,“ sagte gehorsam der Mann.
Der Wagen war näher gekommen. Der an der Spitze des Zuges reitende Gensdarm hatte die beiden Damen und den Mann gesehen. Er ließ den Wagen halten und ritt auf sie zu. Sie standen nur wenige Schritte von der Allee. Er grüßte militairisch.
„Herr Landrath –“ hob er an.
Der Mann, der die Birnen gesammelt, aber von der landräthlichen Expedition nichts gewußt hatte, war also der Landrath selbst, also der Gemahl der kleinen runden Dame mit den gefühlvollen blonden Locken, also auch der Vater ihrer hübschen Tochter Lucina.
„Herr Landrath,“ hob der Gensdarm an, „ich melde, daß dem erhaltenen Befehle gemäß heute Nacht im Walde patrouillirt ist, und daß es auch gelungen ist, vier Subjecte einer Räuberbande einzufangen, leider freilich erst, nachdem sie den Postwagen, der in der Nacht den Wald passirte, überfallen und ausgeplündert hatten.“
„Ausgeplündert?“ rief erschrocken die Landräthin.
„Zu Befehl, gnädige Frau, rein ausgeplündert.“
„Meine zehntausend Thaler! War der Amtmann im Wagen?“
„Der Herr Amtmann waren mit mehreren anderen Reisenden im Wagen, und sind mit ausgeplündert worden.“
„Mein Geld! Mein Geld! Hat man es wieder bekommen?“
„Darüber kann ich der gnädigen Frau nichts melden.“
„Und die Spitzbuben bringen Sie?“
„Nur drei, gnädige Frau. Der vierte, der gefährlichste, mußte allein transportirt werden. Er folgt nach.“
„Und nicht meine zehntausend Thaler?“
„Vielleicht kann der Herr Wachtmeister Auskunft darüber geben, der später nachkommen wird. Er hat die Verhaftung vorgenommen. Meine Kameraden hier und ich haben von ihm nur den Befehl dieses Transportes erhalten.“
Die Landräthin schöpfte Hoffnung. „Liefern Sie die Räuber an den Kreissecretair ab,“ befahl sie dem Gensdarmen.
Der Gendarm ritt zu dem Wagen zurück. Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung nach dem Schlosse hin, in welchem sich auch das landräthliche Bureau mit dem Kreissecretair befand. Als er an den beiden Damen und dem Landrathe vorbeifuhr, blickte unter der weißen Plane munter und keck ein bildschönes Frauengesicht heraus, mit rabenschwarzen Locken, die aus einem seidenen Capuchon hervorquollen, und mit einem blendend weißen Nacken, den ein zurückgefallener rother Shawl sehen ließ.
Das Fräulein Lucina erschrak bei dem Anblicke. „Mein Gott, Mutter, eine Dame! Und wie schön sie ist! Und Räuberin!“
Da wurde auch das Gesicht der Landräthin wieder gefühlvoll, alte, süße Erinnerungen tauchten in ihr auf. „Ach, Lucina, in meiner Jugend lasen wir Räubergeschichten von Rinaldo Rinaldini, dem Hecheln- und Mausefallenkrämer – jetzt sind sie nicht mehr Mode. – Aber Adalbert, rufe jetzt die Träger, damit die Birnen in’s Haus kommen. Laß nur keine aus dem Korbe fallen. Ich sehe unterdeß nach dem Wachtmeister aus, ob er bald mit dem vierten Räuber und mit meinem Gelde kommt – ach, meine zehntausend Thaler! Und auch nach Deinem Verlobten, meine theure Lucina. Himmel, da fällt mir ein, nach dem Briefe seiner Mutter muß er sich mit in dem überfallenen Postwagen befunden haben, der arme Mensch!“
„Der arme Fritz!“ sympathisirte diesmal die Tochter mit der Mutter. „Wenn ihm nur kein Unglück begegnet ist!“
„Ein junger Lieutenant hat immer Glück,“ versicherte die Mutter. „Ich hoffe daher auch, er hat bei diesem Ueberfalle Gelegenheit gefunden, seinen Muth zu zeigen.“
„Er soll sehr muthig sein, Mutter!“
„Alle Damen nennen ihn einen Helden.“
„Und auch hübsch, Mutter!“
„Man hat noch keinen reizenderen Officier in der Garde gesehen. “
„Ach, Mutter, ich bin doch ängstlich!“
„Kind, die fünfzehntausend Thaler –! Ach, wenn ich die zehntausend nur wieder hätte! Aber wenn man die Räuber hat, muß man ja auch das Geld haben.“
„Wenn er mich nur lieben wird, Mutter! –“
Das Gespräch der beiden Damen wurde unterbrochen. Vom Schlosse her kam hastig ein Bedienter herbeigeeilt. „Der Herr Kreissecretair läßt die gnädige Frau unterthänig bitten, sich schleunigst zum Schlosse bemühen zu wollen; es habe sich etwas ganz Außerordentliches zugetragen.“
Die Dame hatte im ersten Augenblicke wohl zürnen wollen, daß der Kreissecretair sich nicht zu ihr herausbemühe. Aber die große Dringlichkeit und Außerordentlichkeit imponirten ihr. Sie folgte dem Diener zum Schlosse, und Fräulein Lucina mußte sie begleiten. – An und in dem Schlosse hatte sich unterdeß Folgendes ereignet. Aus dem haltenden Planwagen hatten die Gensdarmen zuerst eine schöne Dame aussteigen lassen, welche sich munter und keck nach allen Seiten umsah. Ihr folgte eine blasse junge Frau mit einem Kinde im Arme, die kaum aufzublicken wagte. Ein Executor des Landrathsamtes führte beide Frauen ab. Aus dem Wagen kam dann ein bildschöner junger Mann, dessen beide Hände gefesselt waren; er sprang dennoch leicht und behend aus dem Wagen, und als er auf dem Boden stand, schaute er mit den lebhaften Augen so stolz und mit dem kleinen schwarzen Schnurrbärtchen so übermüthig umher, als wenn er sich eine Herrschaft ansehe, in der er künftig regierender Herr sein solle. „Führen Sie mich sofort zur gnädigen Frau,“ sagte er befehlend zu dem Gensdarmen.
Der Gensdarm aber war nicht der Mann, der sich von seinen Arrestanten befehlen ließ. „Zum Arrest!“ sagte er trocken.
Der junge Mann verlor seinen Muth und seinen Uebermuth nicht. „Zum Teufel, zum Kreissecretair dann!“ rief er.
Darüber konnte der Gensdarm sich besinnen, und er führte den Gefangenen in das landräthliche Bureau zu dem Kreissecretair.
„Herr Kreissecretair, ich rapportire, daß wir drei Subjecte von der Räuberbande hierher transportirt haben; zwei Frauenzimmer und eine Mannsperson. Die Frauenzimmer sind an den Executor abgeliefert. Dieser Mensch wollte zu der gnädigen Frau gebracht werden.“
Ein Landrath ist mitunter auch ein adliger Herr, der Birnen auflesen und seiner Gemahlin gehorchen kann. Der Kreissecretair versieht dann das Uebrige des landräthlichen Dienstes.
Der gnädigen Frau muß freilich auch er gehorchen.
„Schwarz, doch lieblich ist der Kaffee, wie das Mägdlein, das braune,
Welches bei Tage den Sinn erheitert, bei Nacht aber den Schlaf scheucht,
lieblicher noch ist der Tabak und wahres Bedürfniß dem Manne,
Der mit den Wolken des Rauchs die Wolken der Sorge hinwegbläst.“ –
So singt ein alter, arabischer Dichter von Kaffee und Tabak, den beiden Lebensbedürfnissen der Männer des Morgenlandes. Es liegt ein eigner Sinn in der Bitte des Arabers, welcher einen am Wege sitzenden Raucher mit den Worten angeht: „Ja achui etíni schwëet neffis“ – „Mein Bruder gib mir etwas Seele.“ Jedenfalls ist Das echt arabisch gedacht: denn wie der Kaffee nach arabischen Begriffen das einzige Getränk ist, welches den sterblichen Leib so recht eigentlich erquicken kann, betrachtet man den Tabak,
verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_180.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)