Karlchen
Das ist „Karlchen“ wie er leibt und lebt, Karlchen, der im vorigen Jahre als baltisch-antirussisch-englischer Seeheld so viel komische Berühmtheit erwarb, da man ihn für die Instruktionen zum Schein- und Nichtsthun, die ihm von den Aberdeener, Peeliten und Knownothingern des Ministeriums zugesteckt wurden, – da man ihn für diesen Humbug der englischen Regierer verantwortlich machte. Aber er war und ist noch ein gesunder Knabe, rund und ungeschickt, wie ein Bierfaß, mit jedem Schritt wankend und latschend, wie dies den Seeleuten zur andern Natur wird. Und er war ein Mann der See vom 13ten Jahre an. Im Jahre 1876, den 6. März geboren, kletterte er schon 1799 in den Masten und Tauen der Schaluppe Martin auf der Nordsee herum, dann im mittelländischen Meere, wo er im 18. Jahre schon Marinelieutenant ward; 1809 half er Martinique nehmen, später in Portugal „constitutionelle Freiheit“ unterstützen, 1812 und 13 mehrere „Prisen“ nehmen und als Commandeur im amerikanischen Kriege Lorbeeren für den Feind pflücken. Dann stieg er zu Hause an’s Land, baute Kohl und Wasserkresse bis 1829, commandirte dann wieder ein äußerlich schmutziges, aber von Innen wirksames Schiff „Galatea“, dann gar im portugiesischen Erbfolgekriege (1833) die ganze Flotte Dom Pedro’s, bis er bei St. Vincent die ganze Flotte Dom Miguels gefangen nahm. Im syrischen Kriege (1840) war er der Hauptheld. Wellington sagte einmal: „Alles, was die Engländer Großes gethan, geschah durch Insubordination.“ So wirthschaftete auch Napier besonders hier stets gegen die Befehle der Minister zu Hause, aber nicht so viel, um das Spiel Lord Palmerston’s zu Gunsten des Rebellen Mehemet Ali’s und Rußlands gegen die Türkei zu durchbrechen. Er schloß mit Mehemet Ali einen Vertrag aus seinem eigenen Kopfe, den alle Vorgesetzten wegen Formen- und Stilfehlern tadelten, verwarfen, aber doch zuletzt – annahmen. Als der populärste Held kehrte er nach England zurück und ward von einem liberalen Theile Londons (Marylebone) in’s Parlament gewählt. Sein Buch über den „syrischen Krieg“ ist eins der interessantesten in der englischen Marineliteratur. Ueber seine Admiralität der Kanalflotte ließe sich Vieles sagen, doch nicht hier. Wir führen den merkwürdigsten Mann der englischen Flotte auch nur deshalb wieder vor die Oeffentlichkeit, weil er neulich gerade so, wie wir ihn hier sehen, auf einer Tonne unter dem Volke von Southwark (südlicher, liberaler Theil Londons) stand, um sich als Nachfolger des verstorbenen Vertreters und Ministers Molesworth zu empfehlen und er auf diese Weise einen Wahlkampf hervorrief, der sich schließlich zu seinem Vortheile entschied. Der Mann ist zu popular, zu altmodisch, zu geradeaus, zu originell, als daß ihn die „regierenden Klassen“ nicht fürchten und Alles aufbieten sollten, ihn vom Parlamente fern zu halten. Alle Manipulationen haben nichts genutzt, er ist gewählt! Was wird der alte Junge nun alles für Regierungsgeheimnisse aus dem Dienste und Nichtdienste der blatischen Flotte in seiner derben, unverblümten Weise ausplaudern! Er ist ein alter, trotziger Seekönig, die jetzigen Admirale meist seine Intriguanten und kluge Humbuger. Man wird alle Künste anwenden, um den alten Knaben vor der ihm noch zugemessenen Lebenszeit wenigstens moralisch, parlamentarisch und literarisch todt zu machen. Er paßt nicht mehr zu diesem Geschlechte der jetzt zu Wasser und zu Lande unter doppelt ausländischem Einflusse regierenden Klassen. Und doch spricht man bereits davon, daß ihm nächstes Jahr wieder das Commando der Ostseeflotte übertragen werden müßte.