In der Funktionalanalysis, einem Teilgebiet der Mathematik, ist die Klasse der Fredholm-Operatoren (nach E. I. Fredholm) eine bestimmte Klasse linearer Operatoren, die man „fast“ invertieren kann. Jedem Fredholm-Operator ordnet man eine ganze Zahl zu, diese wird Fredholm-Index, analytischer Index oder kurz Index genannt.
Definition
BearbeitenEin beschränkter linearer Operator zwischen zwei Banachräumen und heißt Fredholm-Operator, oder man sagt kurz: " ist Fredholm", wenn
- endliche Dimension hat und
- endliche Kodimension in hat.
Dabei ist der Kern von , also die Menge und ist das Bild von , also die Teilmenge .
Die Zahl
heißt Fredholm-Index von .
Eigenschaften
BearbeitenBild ist abgeschlossener Unterraum
BearbeitenDas Bild eines Fredholm-Operators ist ein abgeschlossener Unterraum.
Struktur
BearbeitenIst ein Fredholm-Operator, dann hat der endlich-dimensionale Unterraum einen abgeschlossenen Komplementärraum in , d. h., es gilt . Die Einschränkung von ist dann offenbar ein bijektiver Operator, dessen Inverse nach dem Satz vom stetigen Inversen ebenfalls beschränkt ist. Der Operator ist also "bis auf endlich viele Dimensionen" stetig invertierbar. Viele der folgenden Eigenschaften lassen sich damit beweisen.
Komposition
BearbeitenDie Komposition zweier Fredholm-Operatoren und ist wieder ein Fredholm-Operator und für den Index gilt[1]
- .
Dualer Operator
BearbeitenSei der zum Fredholm-Operator duale Operator. Dann gilt und . Daher ist auch ein Fredholm-Operator und für seinen Index gilt .[2]
Satz von Atkinson
BearbeitenNach dem Satz von Atkinson ist ein Operator genau dann ein Fredholm-Operator, wenn es Operatoren und kompakte Operatoren gibt, so dass und gilt, das heißt wenn modulo kompakter Operatoren invertierbar ist. Insbesondere ist ein beschränkter Operator genau dann ein Fredholm-Operator, wenn seine Klasse in der Calkin-Algebra invertierbar ist.
Kompakte Störung
BearbeitenFür jeden Fredholm-Operator und jeden kompakten Operator ist ebenfalls ein Fredholm-Operator mit gleichem Fredholm-Index wie . Daher sagt man, dass der Index eines Fredholm-Operators invariant unter kompakten Störungen ist. Insbesondere ist jede kompakte Störung der Identität, also jeder Operator der Form für einen kompakten Operator ein Fredholm-Operator vom Index 0.
Eigenschaften des Fredholm-Index
BearbeitenDie Menge der Fredholm-Operatoren zwischen den Banachräumen und ist offen in der Menge der beschränkten Operatoren . Auf jeder Zusammenhangskomponente von ist der Index konstant: für alle . Tatsächlich ist die Abbildung bijektiv. Daraus ergeben sich sofort die folgenden Eigenschaften des Index:
- Die Indexabbildung ist stetig.
- Der Index ist invariant unter kleinen Störungen, das heißt, zu gibt es , so dass für alle mit gilt: .
- Der Index ist eine homotopie-invariante Zahl.[3]: Ist stetig, dann haben und den gleichen Index.
Surjektivität des Fredholm-Index
BearbeitenDer Fredholm-Index, als Abbildung von der Menge der Fredholm-Operatoren in die Menge der ganzen Zahlen, ist surjektiv.[4]
Punctured Neighbourhood Theorem
BearbeitenIst ein Fredholm-Operator, dann gibt es nach dem Punctured Neighbourhood Theorem ein , so dass für alle mit
- und
gilt.[5] Insbesondere ist also ein Fredholm-Operator. Da der Fredholm-Index stetig ist, folgt daraus . Bewiesen wurde das Punctured Neighbourhood Theorem von Israel Gohberg.[6]
Elliptische Operatoren
BearbeitenJeder gleichmäßig elliptische Differentialoperator ist ein Fredholm-Operator.
Sei und ein Gebiet mit Lipschitz-Rand. Dann ist der schwache elliptische Differentialoperator mit homogenen Neumann-Randbedingungen definiert durch
für ein Fredholm-Operator.
Beispiele
BearbeitenShiftoperator
BearbeitenIntegraloperator
BearbeitenEin klassisches Beispiel eines Fredholm-Operators ist der Operator
- ,
wobei der Identitätsoperator und ein kompakter Operator ist. Auf dem Banachraum der stetigen Funktionen beziehungsweise auf dem der quadratintegrierbaren Funktionen ist der Operator von der Form
- ,
wobei der Integralkern eine stetige beziehungsweise quadratintegrierbare Funktion ist. Dieser Fredholm-Operator hat den Index 0. In der Fredholm-Theorie werden Gleichungen des Typs untersucht. Die Fredholm-Alternative als ein zentrales Resultat der Fredholm-Theorie gibt eine Antwort, unter welchen Bedingungen Gleichungen dieses Typs lösbar sind.
Laplace-Operator
BearbeitenDer Laplace-Operator
definiert auf dem Sobolev-Raum der zweimal schwach differenzierbaren quadratische integrierbaren Funktionen ist ein stetiger elliptischer Operator. Daher ist er auch ein Fredholm-Operator. Da er auch selbstadjungiert ist, hat er den Fredholm-Index 0.
Betrachtet man den Laplace-Operator im distributionellen Sinn auf , ist er kein stetiger Operator und somit kein Fredholm-Operator bezüglich der obigen Definition. Im Sinne von unbeschränkten Operatoren, wie dies später im Artikel noch erklärt wird, ist er allerdings weiterhin ein Fredholm-Operator.
Elliptischer Operator auf einer Mannigfaltigkeit
BearbeitenDer Kreis (als gedacht) kann als eindimensionale geschlossene Mannigfaltigkeit verstanden werden. Ein stetiger elliptischer Differentialoperator erster Ordnung auf den glatten Funktionen vom Kreis in die komplexen Zahlen ist durch
für eine komplexe Konstante gegeben. Der Kern von ist der von den Termen der Form aufgespannte Raum, falls , und 0 in den anderen Fällen. Der Kern des adjungierten Operators ist ein ähnlicher Raum, nur wird durch sein komplex-konjugiertes ersetzt. Der Fredholm-Operator hat damit den Index 0. Dieses Beispiel zeigt, dass Kern und Kokern eines elliptischen Operators unstetig springen können, falls man den elliptischen Operator so variiert, dass die oben erwähnten Terme erfasst werden. Da die Sprünge in den Dimensionen von Kern und Kokern aber gleich sind, ändert sich ihre Differenz, der Index, stetig.
Unbeschränkte Fredholm-Operatoren
BearbeitenBisher wurden in diesem Artikel Fredholm-Operatoren nur als spezielle beschränkte Operatoren betrachtet. Beispielsweise in der Indextheorie elliptischer Operatoren über nicht kompakten Räumen ist es jedoch sinnvoll die Definition des Fredholm-Operators auf unbeschränkte Operatoren zu erweitern. Die Definition ist bis auf die geforderte Abgeschlossenheit des Operators identisch mit der im beschränkten Fall:
Seien und zwei Banachräume und ein Unterraum von . Ein (unbeschränkter) Operator wird Fredholm-Operator genannt, falls
- abgeschlossen ist,
- die Dimension des Kerns endlich ist,
- die Kodimension von in endlich ist.
Manche Autoren verlangen zusätzlich, dass der Definitionsbereich dicht liegt in , was aber offensichtlich völlig unabhängig von der eigentlichen Fredholm-Eigenschaft ist. Der Fredholm-Index ist wie im Fall beschränkter Operatoren durch
definiert.
Versieht man den Definitionsbereich eines abgeschlossenen Operators mit der sogenannten Graphennorm , so ist ein Banachraum und , betrachtet als Operator von nach , ein beschränkter Operator. Folglich kann ein unbeschränkter Fredholm-Operator stets auf einen beschränkten Fredholm-Operator zurückgeführt werden. Dementsprechend gelten viele Eigenschaften von oben auch für unbeschränkte Fredholm-Operatoren. So ist die Verkettung unbeschränkter Fredholm-Operatoren wieder ein Fredholm-Operator, für den obige Indexformel gilt; der Satz von Atkinson gilt ebenfalls, und der Fredholm-Index unbeschränkter Fredholm-Operatoren ist auch invariant unter kompakten Störungen und lokal konstant (das Wort "lokal" bezieht sich hierbei auf die so genannte Gap-Metrik). Schließlich gilt auch das Punctured Neighborhood Theorem für unbeschränkte Fredholm-Operatoren. Eine Verbindung zur Calkin-Algebra besteht für unbeschränkte Fredholm-Operatoren allerdings nicht.[7]
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Dirk Werner: Funktionalanalysis. Springer-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-72533-6.
- Bernhard Schiekel: Krümmungen und Indexsätze – auf den Spuren von Gauß-Bonnet, Cartan, Atiyah-Singer und Witten. Eine Einführung in Geometrie und Topologie für Physiker. 2. Aufl. doi:10.18725/OPARU-17162
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Vladimir Müller: Spectral Theory of Linear Operators: and Spectral Systems in Banach Algebras. Birkhäuser, Basel 2007, ISBN 978-3-7643-8265-0, S. 159.
- ↑ Vladimir Müller: Spectral Theory of Linear Operators: and Spectral Systems in Banach Algebras. Birkhäuser, Basel 2007, ISBN 978-3-7643-8265-0, S. 156.
- ↑ Masoud Khalkhali: Basic Noncommutative Geometry. 2. Auflage. EMS, 2013, ISBN 978-3-03719-128-6, S. 201.
- ↑ Jürgen Appell, Martin Väth: Elemente der Funktionalanalysis. Springer/Vieweg, 2005, ISBN 3-322-80243-4, S. 164–165.
- ↑ Vladimir Müller: Spectral Theory of Linear Operators: and Spectral Systems in Banach Algebras. Birkhäuser, Basel 2007, ISBN 978-3-7643-8265-0, S. 171, 293–294.
- ↑ Vladimir Müller: Spectral Theory of Linear Operators: and Spectral Systems in Banach Algebras. Birkhäuser, Basel 2007, ISBN 978-3-7643-8265-0, S. 231.
- ↑ Martin Schechter: Fredholm Operators and the Essential Spectrum. (online)