[go: up one dir, main page]
More Web Proxy on the site http://driver.im/

Abtei Saint-Pierre de Solesmes

Benediktinerabtei in Solesmes im französischen Département Sarthe

Die Abtei Sankt Peter zu Solesmes (französisch Abbaye Saint-Pierre de Solesmes; lat. Abbatia Sancti Petri Solesmensis) ist eine Benediktinerabtei in Solesmes im französischen Département Sarthe. Sie liegt nahe dem Ort Sablé-sur-Sarthe im Dreieck der Städte Laval, Le Mans und Angers am Fluss Sarthe.

Die Abtei St. Pierre in Solesmes

Geschichte

Bearbeiten

Bis zur Französischen Revolution

Bearbeiten

Errichtet wurde das Benediktinerkloster 1010 als abhängiges Priorat der Abtei Saint-Pierre de la Couture im nahe gelegenen Le Mans. Im Hundertjährigen Krieg wurde das Kloster zweimal geplündert, einmal fast vollständig zerstört. Unter Prior Philibert de la Croix begann Ende des 15. Jahrhunderts der Neubau der Kirche.

Philiberts Nachfolger Jean Bougler vollendete den Kirchbau und ließ die hochwertige Ausstattung fertigen. Nach dem Tode Bouglers 1556 hatte das Kloster keinen regulären Prior mehr, es folgte eine Reihe von Prioren „in commendam“. In den Hugenottenkriegen war das Kloster unmittelbar bedroht. Zu ihrer Verteidigung errichteten die Mönche Barrikaden.

1664 schloss sich der Konvent den Maurinern, einem benediktinischen Reformzweig, an. Die Maurinermönche bauten das Priorat 1722 um. Im Zuge der Säkularisation wurde das Priorat Solesmes 1791 aufgehoben und verfiel.

19. und 20. Jahrhundert

Bearbeiten
 
Die Abtei von Westen aus gesehen

Der Weltpriester Prosper-Louis-Pascal Guéranger kaufte 1832 die Klosteranlage zurück und gründete am 11. Juli 1833 eine Kommunität, die 1837 zur Abtei erhoben wurde. Zugleich errichtete Papst Gregor XVI. die Französische Benediktinerkongregation (Congregatio Gallica, heute: Congrégation de Solesmes), deren Generaloberer der Abt von Solesmes war.

Dank der Persönlichkeit von Abt Guéranger leistete Solesmes bald einen wichtigen Beitrag zur Erneuerung des Katholizismus in Frankreich. Im eigenen Verlag wurden vor allem Studien zur Liturgie und zur Geschichte des Gregorianischen Chorals veröffentlicht. Die Abtei war grundsätzlich ultramontan. Sie hatte wesentlichen Anteil an der Verbreitung der römischen Liturgie und der Zurückdrängung der Diözesanliturgien. Von Solesmes aus verbreitete sich der Gedanke der liturgischen Bewegung in ganz Europa. In Anerkennung der Verdienste der Mönche erhob Papst Pius IX. den Solesmener Gelehrten Jean-Baptiste-François Pitra zum Kardinal.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Mönche dreimal von der laizistischen Staatsgewalt vertrieben, erstmals 1880.[1] Jedes Mal konnten sie nach einiger Zeit zurückkehren. Härter trafen den Konvent die Kongregationsgesetze von 1901. Die Mönche mussten nicht nur ihre Abtei, sondern auch Frankreich verlassen. Sie siedelten sich im Appuldurcombe House auf der Isle of Wight, später in Quarr Abbey an. Erst 1922 durften sie nach Solesmes zurückkehren.

Äbte (seit der Wiedererrichtung der Abtei 1837)

Bearbeiten
  • Prosper Guéranger, 1837–1875
  • Charles Couturier, 1875–1890
  • Paul Delatte, 1890–1921
  • Germain Cozien, 1921–1959
  • Jean Prou, 1959–1992
  • Philippe Dupont, 1992–2022
  • Geoffroy Kemlin, seit 2022

Restitution des Gregorianischen Gesanges

Bearbeiten

Mit der liturgischen Erneuerung ging auch die Restitution des Gregorianischen Chorals einher, dessen Pflege zunächst unter der Leitung von Prosper-Louis-Pascal Guéranger und durch die intensive Mitarbeit der Mönche Paul Jausions und Joseph Pothier der Abtei von Solesmes zu einer neuen Blüte gelangte. Nach dem Tod von Abt Guéranger wurden die Arbeiten vor allem durch den Mönch André Mocquereau fortgesetzt und beeinflussten die weltweite Rezeption dieser Gesangsart nachhaltig. 1928 trat Eugène Cardine in die Abtei ein, der ab 1940 erster Kantor war und die Gregorianische Semiologie begründete. Von der Abtei Saint-Pierre de Solesmes werden seit 1864 viele bedeutende Choralbücher herausgegeben oder beeinflusst.

Eugène Cardines Gregorianische Semiologie machte sowohl die älteren Neumen als auch die Quadratnotation wieder lesbar, so dass aus den Skripten wieder lebendige Musik werden konnte. Der Historiker mit Spezialgebiet Gregorianik Dominique Crochu und der Pianist und Musikwissenschaftler John Anderson sind im Rahmen des mit drei Millionen Euro von der EU geförderten Forschungsprojekts Refugium gerade dabei, das komplette Material der in der Bibliothek des Klosters vorhandenen Manuskripte zu digitalisieren und in die heute gängige Notenschrift zu verwandeln. Bis Ende des Jahres 2024 soll das Ergebnis online zur Verfügung stehen, die Metadaten später auf einer Plattform für Gregorianik aus aller Welt. Andersons Ziel ist es, ein Verständnis dieser Tradition zu entwickeln, ein "Modell des westlichen Gesangs".[2]

Veröffentlichungen

Jahr Veröffentlichung Verfasser / Herausgeber
1864 Directorium Chori Dom Paul Jausions
1883 Liber Gradualis Dom Joseph Pothier
1889 Paléographie musicale mit dem Codex Sangallensis 359 Dom André Mocquereau
1896 Liber Usualis Dom André Mocquereau
1905 Editio Vaticana: Kyriale Vatikan
1908 Editio Vaticana: Graduale Vatikan
1912 Editio Vaticana: Antiphonale Vatikan
1934 Antiphonale monasticum Abtei St. Pierre
1954 Études Grégoriennes Abtei St. Pierre
1957 Le Graduel Romain – Band I Abtei St. Pierre
1960 Le Graduel Romain – Band II Abtei St. Pierre
1962 Le Graduel Romain – Band III Abtei St. Pierre
1966 Graduel Neumé Dom Eugène Cardine
1968 Semiologia Gregoriana Dom Eugène Cardine
1974 Graduale Romanum Abtei St. Pierre
1979 Graduale Triplex Abtei St. Pierre

Literatur

Bearbeiten
  • Guy-Marie Oury: Dom Prosper Guéranger 1805–1875. Ein Mönch im Dienst für die Erneuerung der Kirche. Be&Be-Verlag, Heiligenkreuz im Wienerwald 2013.
  • Louis Soltner: Solesmes und Dom Guéranger (1805–1875) (= Studien zur monastischen Kultur, Band 4). Eos-Verlag, St. Ottilien 2011, ISBN 978-3-8306-7506-8.
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Margaret Truran: „Nonne eines geschlossenen Klosters, aber kein geschlossener Geist“. Laurentia McLachlan OSB (1866–1953) von der Abtei Stanbrook. In: Erbe und Auftrag, Jg. 94 (2018), S. 275–292, hier S. 277.
  2. Süddeutsche Zeitung, Nr. 189, 17./18. August 2024, "Zukunftsmusik".

Koordinaten: 47° 51′ 7″ N, 0° 18′ 10″ W