Paul Arnsberg
Paul Arnsberg (* 26. Dezember 1899 in Frankfurt am Main; † 10. Dezember 1978 ebenda) war ein deutsch-jüdischer Historiker, Journalist, Schriftsteller und Verleger.[1][2]
Lebensweg
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Paul Arnsberg war der Sohn des Kaufmanns Albert Arnsberg und dessen Ehefrau Recha, geb. Rapp. Er besuchte die Vor- und Realschule der israelitischen Religionsgesellschaft (Am Tiergarten 8). Von 1915 bis zum Abitur 1917 besuchte er die Liebig-Oberrealschule in Frankfurt. Im Juni 1917 wurde er als Soldat einberufen. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg und der Universität Frankfurt am Main. 1922 promovierte er an der Universität Gießen zum Dr. jur. Seit 1920 Vorstandsmitglied der Zionistischen Vereinigung für Deutschland. Im Jahr 1923 wurde er zum Ersten Vorsitzenden der Jüdischen Vereinigung Frankfurts gewählt. Er war als Journalist für die Frankfurter Zeitung, das Frankfurter Wochenblatt und das Jüdische Wochenblatt Frankfurts tätig. Er war Redakteur des Jüdischen Familienblatts für Wissenschaft, Kunst und Literatur und der Zionistischen Nachrichten. Von 1931 bis 1933 war er Mitglied der Gemeindevertretung der Israelitischen Gemeinde Frankfurts. Arnsberg war als Verwaltungsjurist tätig, wurde nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 aus dem Staatsdienst entlassen und emigrierte nach Palästina. Sein Bruder Ludwig Arnsberg wurde 1942 in Paris von der Gestapo ermordet.
Emigration
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Tel Aviv war er zunächst als Vertreter für Zeitungen aktiv. Dort lernte er im gleichen Jahr Rosa Abramowitsch kennen, die ebenfalls jüngst aus dem Deutschen Reich emigriert war, sie stammte aus Berlin. Etwa ein halbes Jahr später heirateten die beiden, im Dezember 1934 wurde ihr erstes Kind geboren, eine Tochter, der zwei weitere Töchter und ein Sohn folgten. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre besuchte das Ehepaar mit den beiden älteren Kindern noch mehrfach ihre deutsche Heimat und ihre dortigen Familien. Die sich dort weiter zuspitzende Situation für Juden blieb ihnen nicht verborgen.
Paul Arnsberg war für den Jewish Chronicle und für deutsch- und englischsprachige zionistische Zeitungen journalistisch tätig. Schließlich wurde er zum Chefredakteur der Wochenzeitschrift Emeth (hebräisch: אמת, Die Wahrheit) bestellt, des offiziellen Organs der Zionistischen Bewegung. Zudem vertrieb er Bücher und Schreibartikel mit eigenen Läden in kleinen Ortschaften und avancierte später zum größten Zeitungs- und Buchverleger Israels.[3]
Rückkehr nach Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Wochenzeitschrift Emeth sprach sich Arnsberg schon in der Ausgabe vom 3. November 1950 dafür aus, die Beziehungen zu Deutschland wieder aufzunehmen. 1958 – nach 25 Jahren – entschloss er sich zur Rückkehr nach Westdeutschland, in seine Geburtsstadt Frankfurt am Main. Das Geschäft als Zeitungs- und Buchverleger in Israel wurde zunehmend schwieriger. In Westdeutschland wollte er für die Vertreibung durch die Nationalsozialisten Wiedergutmachung einfordern. Die drei erwachsenen Töchter blieben in Israel, nur der dreizehnjährige Sohn Gad kam mit, für den es anfangs schwer war, sich ohne Freunde in der für ihn völlig fremden Umgebung und Gesellschaft zurechtzufinden. Aber auch für Rosl Arnsberg war es schwer, gefühlsmäßig zog es sie nach Israel.
Als freier Journalist bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (ab 1960) und beim Rheinischen Merkur, als Mitglied des Rates und schließlich Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main und des Zentralrates der Juden in Deutschland war Arnsberg in Deutschland rasch gebunden. Sein bester Freund bat ihn schließlich darum, die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution zu recherchieren und zu verfassen. Nach reiflicher Überlegung übernahm er diese große Aufgabe, es entstand schließlich ein dreibändiges Werk. Während seiner Recherche stieß er auf eine Vielzahl von Stiftungen jüdischer Bürger der Stadt, von denen er einige wieder aktivierte und in deren Vorstand er sich engagierte.
1978 starb Paul Arnsberg an einem Herzinfarkt, noch vor Vollendung seines Werks. Er wurde in Tel Aviv auf dem alten Friedhof Nachlat Itzhak beerdigt. Das Ehepaar hatte davon geträumt, gemeinsam wieder nach Israel zurückzukehren, nachdem die historische Arbeit abgeschlossen war. Allerdings hatte er noch weitere Buchprojekte geplant, die nun unvollendet blieben. Einiges davon erschien posthum, teils ergänzt durch den Historiker Hans-Otto Schembs.
Paul Arnsbergs Frau Rosa, genannt Rosl, übernahm seine Vorstandsarbeit in allen Stiftungen, die er reaktiviert hatte. Sie war intensiv bemüht, die historische Arbeit ihres Mannes vollenden zu lassen.
Engagements
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rat der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main (1960)
- Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main (1966–1969)
- Vorstand des Zentralrates der Juden in Deutschland (1966–1973)
- Mitglied der Kommission zur Erforschung der Geschichte der Juden in Hessen
- Vorstand der Henry und Emma Budge-Stiftung
- Vorstand der Georgine Sara von Rothschildschen Stiftung
- Vorstand der Moses Jachiel Kirchheimschen Stiftung
- Vorstand der Eduard und Adelheid Kann-Stiftung
- Vorstand der Ludwig und Emma Doctorischen Stiftung
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1963 – Theodor-Wolff-Preis der deutschen Zeitungen[4]
- 1970 – Großes Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland[2]
- 1975 – Ehrenplakette der Stadt Frankfurt am Main
- 1977 – Verdienstmedaille der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main
- 1978 – Ehrenbrief des Landes Hessen
- 1979 – Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main (posthum)
- ca. 2004 – Anlage und Benennung des Paul-Arnsberg-Platzes in Frankfurt am Main[5]
- 2008 – Stiftung des Rosl und Paul Arnsberg-Preises anlässlich des einhundertsten Geburtstags von Rosa Arnsberg durch die Stiftung Polytechnische Gesellschaft[6][7]
- 2010 – Im Frankfurter Henry und Emma Budge-Heim wurde der bestehende Paul-Arnsberg-Saal in Rosl-und-Paul-Arnsberg-Saal umbenannt
- 2011 – Einweihung des Paul-Arnsberg-Denkmals auf dem Paul-Arnsberg-Platz in Frankfurt am Main[8][9]
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Von Podolien nach Offenbach: Die jüdische Heilsarmee des Jakob Frank. Zur Geschichte der frankistischen Bewegung. Stadtarchiv Offenbach am Main. 1965
- Jakob H. Schiff. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1969.
- Bilder aus dem jüdischen Leben im alten Frankfurt. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1970, ISBN 3-7829-0099-5.
- Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang – Untergang – Neubeginn. Band 1 und 2. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1971/72, ISBN 3-7973-0213-4.
- Henry Budge – Der geliebten Vaterstadt Segen gestiftet. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-7829-0124-X.
- Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang – Untergang – Neubeginn. Band 3. Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1973, ISBN 3-7929-0007-0.
- Neunhundert Jahre Muttergemeinde in Israel. Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-7820-0311-X.
- mit Hans-Otto Schembs: Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution. 3 Bände. Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1983, ISBN 3-7929-0130-7 (für alle drei Bände)
- Band I: Der Gang der Ereignisse.
- Band II: Struktur und Aktivitäten der Frankfurter Juden von 1789 bis zu deren Vernichtung in der nationalsozialistischen Ära.
- Band III: Biographisches Lexikon der Juden in den Bereichen: Wissenschaft, Kultur, Bildung, Öffentlichkeitsarbeit in Frankfurt am Main.
- Zivilcourage zum Widerstand. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-7973-0687-3.
- mit Hans-Otto Schembs: Chronik der Rabbiner in Frankfurt am Main. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-7829-0531-8.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Joseph Walk (Hrsg.): Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945. Hrsg. vom Leo Baeck Institute, Jerusalem. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4.
- Wolfgang Klötzer (Hrsg.): Frankfurter Biographie. Personengeschichtliches Lexikon. Erster Band. A–L (= Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission. Band XIX, Nr. 1). Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-7829-0444-3.
- Arnsberg, Paul. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Band 1: A–Benc. Hrsg. vom Archiv Bibliographia Judaica. Saur, München 1992, ISBN 3-598-22681-0, S. 198–201.
- Valentino Massoglio: Paul Arnsberg. Engagement und Wirken in der Bundesrepublik Deutschland. Unveröffentlichte Magisterarbeit Johann Wolfgang von Goethe-Universität, Frankfurt am Main 2012.
- Klaus G. Saur: Arnsberg, Paul. In: Karin Peter, Gabriele Bartelt-Kircher, Anita Schröder (Hrsg.): Zeitungen und andere Drucksachen. Die Bestände des Dortmunder Instituts für Zeitungsforschung als Quelle und Gegenstand der Forschung. Klartext-Verlag, Essen 2014, ISBN 978-3-8375-1015-7, S. 439.
- Arnsberg, Paul, in: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. München: Saur 1980, S. 20
Audio on Demand
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rosl Arnsberg – Die Lebensgeschichte einer Frankfurter Jüdin auf: hr-online.de (14:59 Min.)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Paul Arnsberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Arnsberg, Paul. Hessische Biografie. (Stand: 22. Februar 2023). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Arnsberg, Paul im Frankfurter Personenlexikon
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Frankfurter Biographie, Erster Band A – L, S. 30–31.
- ↑ a b „Arnsberg, Paul“. Hessische Biografie. (Stand: 28. Juni 2016). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Rosl Arnsberg – Die Lebensgeschichte einer Frankfurter Jüdin (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2024. Suche in Webarchiven) auf: hr-online.de (PDF-Datei; 119 kB)
- ↑ Theodor-Wolff-Preis ( vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive)
- ↑ Paul-Arnsberg-Platz, Frankfurt am Main auf: id-landschaftsarchitekten.de
- ↑ Rosl und Paul Arnsberg-Preis auf: sptg.de
- ↑ Rosl und Paul Arnsberg-Preis zur Erforschung jüdischen Lebens in Frankfurt am Main auf: hu-berlin.de
- ↑ Paul-Arnsberg-Gedenkstele auf: juedisches-frankfurt.de
- ↑ Zu Ehren von Paul Arnsberg. In: Jüdische Allgemeine, 9. Juni 2011 auf: juedische-allgemeine.de
Personendaten | |
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NAME | Arnsberg, Paul |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller, Historiker und Journalist |
GEBURTSDATUM | 26. Dezember 1899 |
GEBURTSORT | Frankfurt am Main |
STERBEDATUM | 10. Dezember 1978 |
STERBEORT | Frankfurt am Main |
- Verwaltungsjurist
- Journalist (Deutschland)
- Autor
- Historiker (Judentum)
- Verleger (20. Jahrhundert)
- Person des Judentums (Frankfurt am Main)
- Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes
- Träger des Theodor-Wolff-Preises
- Literatur (Deutsch)
- Emigrant aus dem Deutschen Reich zur Zeit des Nationalsozialismus
- Deutscher
- Person (Palästina)
- Israeli
- Geboren 1899
- Gestorben 1978
- Mann