Bei den Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP ist gestern erstmals der Themenblock Medien auf dem Programm gestanden. Der ORF-Redaktionsrat zeigte sich angesichts der FPÖ-Pläne, den ORF-Beitrag abzuschaffen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk künftig aus dem Bundesbudget zu finanzieren, wobei budgetäre Kürzungen vorgenommen werden sollen, alarmiert. „Die Zerstörung des ORF beginnt“, warnte der ORF-Redaktionsrat in einer Aussendung.
„Der ORF soll finanziell ausgehungert werden, zum Kürzen seines Angebots gezwungen und personell nach den Wünschen der FPÖ umgebaut werden“, befürchten die Vertreterinnen und Vertreter der ORF-Redaktionen. Die FPÖ habe den ORF über Jahre hinweg zum „Feindbild“ aufgebaut, nun wolle die Partei umsetzen, was sie seit Langem fordere: den ORF auf einen „Grundfunk“ zusammenstutzen und ihn damit „dem Gutdünken der Regierenden unterwerfen“.
„Tag der Entscheidung“
Die FPÖ bezeichne den ORF seit Langem als „Staatsfunk“ oder „Regierungsfunk“ und strebe dabei genau das an: „einen staatlich finanzierten Sender, mit direktem Zugriff auf das Personal in Stiftungsrat und Management“, so der ORF-Redaktionsrat. Anstatt kritischen Journalismus wolle die FPÖ Steuergeld in ihr nahestehende Medienkanäle lenken, um so „Propaganda ganz im Sinne der Partei“ zu fördern.
Dabei seien gerade in Zeiten gezielter Desinformation glaubwürdige Qualitätsmedien in demokratischen Ländern unerlässlich, halten die Redaktionsvertreterinnen und -vertreter Dieter Bornemann, Simone Leonhartsberger, Peter Daser und Margit Schuschou fest.
„Wenn die ÖVP ihr Bekenntnis zu Demokratie und Medienfreiheit ernst meint, kann sie den Plänen des potenziellen neuen Regierungspartners nicht zustimmen“, nahm der ORF-Redaktionsrat die Volkspartei in die Pflicht und sah „Tage der Entscheidung“.
ORF-Leistungen und Sparprogramm
Zur Untermauerung der Bedeutung des ORF listete der Redaktionsrat die Leistungen des Medienhauses auf: Bei einer Haushaltsabgabe in Höhe von 15,30 Euro pro Monat biete der ORF für umgerechnet 50 Cent pro Tag ein „umfassendes Angebot im Radio, TV, Online und Streaming mit Information, Sport, Kultur und Unterhaltung“. Dabei seien rund 300.000 Haushalte mit geringem Einkommen von der Abgabe befreit.
Rund 100 Millionen Euro des ORF-Budgets fließen in die österreichische Filmwirtschaft, rund 120 Millionen Euro in die heimische Kultur, rund 120 Millionen Euro kommen dem heimischen Sport zugute. Der ORF spare bereits seit Jahren, hielt der Redaktionsrat zudem fest. Seit 2007 seien fast 1.000 Stellen gestrichen und in den vergangenen sieben Jahren 450 Millionen Euro eingespart worden. Die Gehaltsabschlüsse der vergangenen Jahre zählten zu den niedrigsten in Österreich.
Hafenecker: FPÖ steht für „Medienpluralität“
FPÖ-Generalsekretär und -Mediensprecher Christian Hafenecker schrieb in einer Aussendung, dass sich die FPÖ zu einer „pluralistischen Medienlandschaft“ und auch zu Presse- und Meinungsfreiheit bekenne. Eine Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe und eine Reform des ORF sei jedoch „legitim“ und werde „von den Wählern honoriert“. Die Befürchtungen des ORF-Redaktionsrats tat der FPÖ-Politiker als „völlig realitätsferne ‚linkswoke‘ Horrorszenarien“ ab.
Sorgen, dass eine Finanzierung des ORF aus dem Budget eine stärkere Einmischung der Politik bedeuten würde, versuchte Hafenecker bereits gestern vom Tisch zu wischen. Es brauche eine gesicherte ORF-Finanzierung, wobei er sich eine Lösung für das Budget vorstellen könne, die über eine Legislaturperiode hinausgehe, „damit der ORF nicht nach jeder Wahl das Budget neu verhandeln muss“.
Kucher: „Alarmglocken müssen schrillen“
SPÖ-Vizeklubchef Philip Kucher zeigte sich in einer Aussendung alarmiert: „Die permanenten Angriffe der FPÖ auf den ORF und die Pläne (Parteichef Herbert, Anm.) Kickls, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk massiv zu schwächen, müssen bei allen Menschen, denen unsere Demokratie am Herzen liegt, die Alarmglocken schrillen lassen.“ Er sieht die ÖVP in der Verantwortung, dem „blauen Treiben“ Einhalt zu gebieten.